Dritter Auftritt

[638] Leicester und Burleigh.


LEICESTER.

So löst Ihr selbst das Bündnis wieder auf,

Das Ihr geschäftig unberufen knüpftet.

Ihr habt um England wenig Dank verdient,

Mylord, die Mühe konntet Ihr Euch sparen.

BURLEIGH.

Mein Zweck war gut. Gott leitete es anders.

Wohl dem, der sich nichts Schlimmeres bewußt ist!

LEICESTER.

Man kennt Cecils geheimnisreiche Miene,

Wenn er die Jagd auf Staatsverbrechen macht.

– Jetzt, Lord, ist eine gute Zeit für Euch.

Ein ungeheurer Frevel ist geschehn,

Und noch umhüllt Geheimnis seine Täter.

Jetzt wird ein Inquisitionsgericht

Eröffnet. Wort und Blicke werden abgewogen,

Gedanken selber vor Gericht gestellt.

Da seid Ihr der allwichtge Mann, der Atlas

Des Staats, ganz England liegt auf Euren Schultern.

BURLEIGH.

In Euch, Mylord, erkenn ich meinen Meister,

Denn solchen Sieg, als Eure Rednerkunst

Erfocht, hat meine nie davongetragen.

LEICESTER.

Was meint Ihr damit, Lord?

BURLEIGH.

Ihr wart es doch, der hinter meinem Rücken

Die Königin nach Fotheringhayschloß

Zu locken wußte?

LEICESTER.

Hinter Eurem Rücken!

Wann scheuten meine Taten Eure Stirn?

BURLEIGH.

Die Königin hättet Ihr nach Fotheringhay

Geführt? Nicht doch! Ihr habt die Königin

Nicht hingeführt! – Die Königin war es,

Die so gefällig war, Euch hinzuführen.

LEICESTER.

Was wollt Ihr damit sagen, Lord?

BURLEIGH.

Die edle

Person, die Ihr die Königin dort spielen ließt!

Der herrliche Triumph, den Ihr der arglos[638]

Vertrauenden bereitet – Gütge Fürstin!

So schamlos frech verspottete man dich,

So schonungslos wardst du dahingegeben!

– Das also ist die Großmut und die Milde,

Die Euch im Staatsrat plötzlich angewandelt!

Darum ist diese Stuart ein so schwacher,

Verachtungswerter Feind, daß es der Müh

Nicht lohnt, mit ihrem Blut sich zu beflecken!

Ein feiner Plan! Fein zugespitzt! Nur schade,

Zu fein geschärfet, daß die Spitze brach!

LEICESTER.

Nichtswürdiger! Gleich folgt mir! An dem Throne

Der Königin sollt Ihr mir Rede stehn.

BURLEIGH.

Dort trefft Ihr mich – Und sehet zu, Mylord,

Daß Euch dort die Beredsamkeit nicht fehle!


Geht ab.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 638-639.
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