Siebenter Auftritt


[389] Die Vorigen. Illo kommt aus dem hintern Zimmer, er hat den goldnen Pokal in der Hand und ist sehr erhitzt, ihm folgen Götz und Buttler, die ihn zurückhalten wollen.


ILLO.

Was wollt ihr? Laßt mich.

GÖTZ UND BUTTLER.

Illo! Trinkt nicht mehr.

ILLO geht auf den Octavio zu und umarmt ihn, trinkend.

Octavio! Das bring ich dir! Ersäuft

Sei aller Groll in diesem Bundestrunk!

Weiß wohl, du hast mich nie geliebt – Gott straf mich,

Und ich dich auch nicht! Laß Vergangenes

Vergessen sein! Ich schätze dich unendlich,


Ihn zu wiederholten Malen küssend.


Ich bin dein bester Freund, und, daß ihrs wißt!

Wer mir ihn eine falsche Katze schilt,[389]

Der hats mit mir zu tun.

TERZKY beiseite.

Bist du bei Sinnen?

Bedenk doch, Illo, wo du bist!

ILLO treuherzig.

Was wollt Ihr? Es sind lauter gute Freunde.


Sich mit vergnügtem Gesicht im ganzen Kreise umsehend.


Es ist kein Schelm hier unter uns, das freut mich.

TERZKY zu Buttler, dringend.

Nehmt ihn doch mit Euch fort! Ich bitt Euch, Buttler.


Buttler führt ihn an den Schenktisch.


ISOLANI zu Max, der bisher unverwand, aber gedankenlos in das Papier gesehen.

Wirds bald, Herr Bruder? Hat Ers durchstudiert?

MAX wie aus einem Traum erwachend.

Was soll ich?

TERZKY UND ISOLANI zugleich.

Seinen Namen drunter setzen.


Man sieht den Octavio ängstlich gespannt den Blick auf ihn richten.


MAX gibt es zurück.

Laßts ruhn bis morgen. Es ist ein Geschäft,

Hab heute keine Fassung. Schickt mirs morgen.

TERZKY.

Bedenk Er doch –

ISOLANI.

Frisch! Unterschrieben! Was!

Er ist der jüngste von der ganzen Tafel,

Wird ja allein nicht klüger wollen sein,

Als wir zusammen? Seh Er her! Der Vater

Hat auch, wir haben alle unterschrieben.

TERZKY zum Octavio.

Braucht Euer Ansehn doch. Bedeutet ihn.

OCTAVIO.

Mein Sohn istmündig.

ILLO hat den Pokal auf den Schenktisch gesetzt.

Wovon ist die Rede?

TERZKY.

Er weigert sich, das Blatt zu unterschreiben.

MAX.

Es wird bis morgen ruhen können, sag ich.

ILLO.

Es kann nicht ruhn. Wir unterschrieben alle,

Und du mußt auch, du mußt dich unterschreiben.

MAX.

Illo, schlaf wohl.

ILLO.

Nein! So entkömmst du nicht!

Der Fürst soll seine Freunde kennenlernen.


Es sammeln sich alle Gäste um die beiden.[390]


MAX.

Wie ich für ihn gesinnt bin, weiß der Fürst,

Es wissens alle, und der Fratzen brauchts nicht.

ILLO.

Das ist der Dank, das hat der Fürst davon,

Daß er die Welschen immer vorgezogen!

TERZKY in höchster Verlegenheit zu den Kommandeurs, die einen Auflauf machen.

Der Wein spricht aus ihm! Hört ihn nicht, ich bitt euch.

ISOLANI lacht.

Der Wein erfindet nichts, er schwatzts nur aus.

ILLO.

Wer nicht ist mit mir, der ist wider mich.

Die zärtlichen Gewissen! Wenn sie nicht

Durch eine Hintertür, durch eine Klausel –

TERZKY fällt schnell ein.

Er ist ganz rasend, gebt nicht acht auf ihn.

ILLO lauter schreiend.

Durch eine Klausel sich salvieren können.

Was Klausel? Hol der Teufel diese Klausel –

MAX wird aufmerksam und sieht wieder in die Schrift.

Was ist denn hier so hoch Gefährliches?

Ihr macht mir Neugier, näher hinzuschaun.

TERZKY beiseite zu Illo.

Was machst du, Illo? Du verderbest uns!

TIEFENBACH zu Colalto.

Ich merkt es wohl, vor Tische las mans anders.

GÖTZ.

Es kam mir auch so vor.

ISOLANI.

Was ficht das mich an?

Wo andre Namen, kann auch meiner stehn.

TIEFENBACH.

Vor Tisch war ein gewisser Vorbehalt

Und eine Klausel drin, von Kaisers Dienst.

BUTTLER zu einem der Kommandeurs.

Schämt euch, ihr Herrn! Bedenkt, worauf es ankommt.

Die Frag ist jetzt, ob wir den General

Behalten sollen oder ziehen lassen?

Man kanns so scharf nicht nehmen und genau.

ISOLANI zu einem der Generale.

Hat sich der Fürst auch so verklausuliert,

Als er dein Regiment dir zugeteilt?

TERZKY zu Götz.

Und Euch die Lieferungen, die an tausend

Pistolen Euch in einem Jahre tragen?

ILLO.

Spitzbuben selbst, die uns zu Schelmen machen!

Wer nicht zufrieden ist, der sags! Da bin ich![391]

TIEFENBACH.

Nun! Nun! Man spricht ja nur.

MAX hat gelesen und gibt das Papier zurück.

Bis morgen also!

ILLO vor Wut stammelnd und seiner nicht mehr mächtig, hält ihm mit der einen Hand die Schrift, mit der andern den Degen vor.

Schreib – Judas!

ISOLANI.

Pfui, Illo!

OCTAVIO, TERZKY, BUTTLER zugleich.

Degen weg!

MAX ist ihm rasch in den Arm gefallen und hat ihn entwaffnet, zu Graf Terzky.

Bring ihn zu Bette!


Er geht ab. Illo, fluchend und scheltend, wird von einigen Kommandeurs gehalten, unter allgemeinem Aufbruch fällt der Vorhang.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 389-392.
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