Sechster Auftritt


[386] Octavio Piccolomini kommt im Gespräch mit Maradas, und beide stellen sich ganz vorne hin auf eine Seite des Proszeniums. Auf die entgegengesetzte Seite tritt Max Piccolomini, allein, in sich gekehrt, und ohne Anteil an der übrigen Handlung. Den mittlern Raum zwischen beiden, doch einige Schritte mehr zurück, erfüllen Buttler, Isolani, Götz, Tiefenbach, Colalto und bald darauf Graf Terzky.


ISOLANI während daß die Gesellschaft vorwärts kommt.

Gut Nacht! – Gut Nacht, Colalto – Generalleutnant,

Gut Nacht! Ich sagte besser, guten Morgen.[386]

GÖTZ zu Tiefenbach.

Herr Bruder! Prosit Mahlzeit!

TIEFENBACH.

Das war ein königliches Mahl!

GÖTZ.

Ja, die Frau Gräfin

Verstehts. Sie lernt' es ihrer Schwieger ab,

Gott hab sie selig! Das war eine Hausfrau!

ISOLANI will weggehen.

Lichter! Lichter!

TERZKY kommt mit der Schrift zu Isolani.

Herr Bruder! Zwei Minuten noch. Hier ist

Noch was zu unterschreiben.

ISOLANI.

Unterschreiben

So viel Ihr wollt! Verschont mich nur mit Lesen.

TERZKY.

Ich will Euch nicht bemühn. Es ist der Eid,

Den Ihr schon kennt. Nur einige Federstriche.


Wie Isolani die Schrift dem Octavio hinreicht.


Wies kommt! Wens eben trifft! Es ist kein Rang hier.


Octavio durchläuft die Schrift mit anscheinender Gleichgültigkeit. Terzky beobachtet ihn von weitem.


GÖTZ zu Terzky.

Herr Graf! Erlaubt mir, daß ich mich empfehle.

TERZKY.

Eilt doch nicht so. – Noch einen Schlaftrunk – He!


Zu den Bedienten.


GÖTZ.

Bins nicht imstand.

TERZKY.

Ein Spielchen.

GÖTZ.

Exkusiert mich!

TIEFENBACH setzt sich.

Vergebt, ihr Herrn. Das Stehen wird mir sauer.

TERZKY.

Machts Euch bequem, Herr Generalfeldzeugmeister!

TIEFENBACH.

Das Haupt ist frisch, der Magen ist gesund,

Die Beine aber wollen nicht mehr tragen.

ISOLANI auf seine Korpulenz zeigend.

Ihr habt die Last auch gar zu groß gemacht.


Octavio hat unterschrieben und reicht Terzky die Schrift, der sie dem Isolani gibt. Dieser geht an den Tisch zu unterschreiben.


TIEFENBACH.

Der Krieg in Pommern hat mirs zugezogen,

Da mußten wir heraus in Schnee und Eis,

Das werd ich wohl mein Lebtag nicht verwinden.

GÖTZ.

Ja wohl! Der Schwed frug nach der Jahrszeit nichts.


[387] Terzky reicht das Papier an Don Maradas; dieser geht an den Tisch zu unterschreiben.


OCTAVIO nähert sich Buttlern.

Ihr liebt die Bacchusfeste auch nicht sehr,

Herr Oberster! Ich hab es wohl bemerkt.

Und würdet, deucht mir, besser Euch gefallen

Im Toben einer Schlacht, als eines Schmauses.

BUTTLER.

Ich muß gestehen, es ist nicht in meiner Art.

OCTAVIO zutraulich näher tretend.

Auch nicht in meiner, kann ich Euch versichern,

Und mich erfreuts, sehr würdger Oberst Buttler,

Daß wir uns in der Denkart so begegnen.

Ein halbes Dutzend guter Freunde höchstens

Um einen kleinen, runden Tisch, ein Gläschen

Tokaierwein, ein offnes Herz dabei

Und ein vernünftiges Gespräch – so lieb ichs!

BUTTLER.

Ja, wenn mans haben kann, ich halt es mit.


Das Papier kommt an Buttlern, der an den Tisch geht zu unterschreiben. Das Proszenium wird leer, so daß beide Piccolomini, jeder auf seiner Seite, allein stehenbleiben.


OCTAVIO nachdem er seinen Sohn eine Zeitlang aus der Ferne stillschweigend betrachtet, nähert sich ihm ein wenig.

Du bist sehr lange ausgeblieben, Freund.

MAX wendet sich schnell um, verlegen.

Ich – dringende Geschäfte hielten mich.

OCTAVIO.

Doch, wie ich sehe, bist du noch nicht hier?

MAX.

Du weißt, daß groß Gewühl mich immer still macht.

OCTAVIO rückt ihm noch näher.

Ich darf nicht wissen, was so lang dich aufhielt?


Listig.


– Und Terzky weiß es doch.

MAX.

Was weiß der Terzky?

OCTAVIO bedeutend.

Er war der einzge, der dich nicht vermißte.

ISOLANI der von weitem achtgegeben, tritt dazu.

Recht, alter Vater! Fall ihm ins Gepäck!

Schlag die Quartier ihm auf! Es ist nicht richtig.[388]

TERZKY kommt mit der Schrift.

Fehlt keiner mehr? Hat alles unterschrieben?

OCTAVIO.

Es habens alle.

TERZKY rufend.

Nun! Wer unterschreibt noch?

BUTTLER zu Terzky.

Zähl nach! Just dreißig Namen müssens sein.

TERZKY.

Ein Kreuz steht hier.

TIEFENBACH.

Das Kreuz bin ich.

ISOLANI zu Terzky.

Er kann nicht schreiben, doch sein Kreuz ist gut,

Und wird ihm honoriert von Jud und Christ.

OCTAVIO pressiert, zu Max.

Gehn wir zusammen, Oberst. Es wird spät.

TERZKY.

Ein Piccolomini nur ist aufgeschrieben.

ISOLANI auf Max zeigend.

Gebt acht! Es fehlt an diesem steinernen Gast,

Der uns den ganzen Abend nichts getaugt.


Max empfängt aus Terzkys Händen das Blatt, in welches er gedankenlos hineinsieht.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 386-389.
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