Fünfter Auftritt


[383] Kellermeister mit Neumann vorwärts kommend. Bediente gehen ab und zu.


KELLERMEISTER.

Der edle Wein! Wenn meine alte Herrschaft,

Die Frau Mama, das wilde Leben säh,

In ihrem Grabe kehrte sie sich um! –

Ja! Ja! Herr Offizier! Es geht zurück

Mit diesem edeln Haus – Kein Maß noch Ziel!

Und die durchlauchtige Verschwägerung

Mit diesem Herzog bringt uns wenig Segen.

NEUMANN.

Behüte Gott! Jetzt wird der Flor erst angehn.

KELLERMEISTER.

Meint Er? Es ließ' sich vieles davon sagen.

BEDIENTER kommt.

Burgunder für den vierten Tisch!

KELLERMEISTER.

Das ist

Die siebenzigste Flasche nun, Herr Leutnant.

BEDIENTER.

Das macht, der deutsche Herr, der Tiefenbach

Sitzt dran.


Geht ab.


KELLERMEISTER zu Neumann fortfahrend.

Sie wollen gar zu hoch hinaus. Kurfürsten

Und Königen wollen sies im Prunke gleich tun,

Und wo der Fürst sich hingetraut, da will der Graf,

Mein gnädger Herre, nicht dahintenbleiben.


Zu den Bedienten.


Was steht ihr horchen? Will euch Beine machen.

Seht nach den Tischen, nach den Flaschen! Da!

Graf Palffy hat ein leeres Glas vor sich!

ZWEITER BEDIENTER kommt.

Den großen Kelch verlangt man, Kellermeister,

Den reichen, güldnen, mit dem böhmschen Wappen,

Ihr wißt schon welchen, hat der Herr gesagt.

KELLERMEISTER.

Der auf des Friedrichs seine Königskrönung

Vom Meister Wilhelm ist verfertigt worden,

Das schöne Prachtstück aus der Prager Beute?

ZWEITER BEDIENTER.

Ja, den! Den Umtrunk wollen sie mit halten.

KELLERMEISTER mit Kopfschütteln, indem er den Pokal hervorholt und ausspült.

Das gibt nach Wien was zu berichten wieder![383]

NEUMANN.

Zeigt! Das ist eine Pracht von einem Becher!

Von Golde schwer, und in erhabner Arbeit,

Sind kluge Dinge zierlich drauf gebildet.

Gleich auf dem ersten Schildlein, laßt mal sehn!

Die stolze Amazone da zu Pferd,

Die übern Krummstab setzt und Bischofsmützen,

Auf einer Stange trägt sie einen Hut,

Nebst einer Fahn, worauf ein Kelch zu sehn.

Könnt Ihr mir sagen, was das all bedeutet?

KELLERMEISTER.

Die Weibsperson, die Ihr da seht zu Roß,

Das ist die Wahlfreiheit der böhmschen Kron.

Das wird bedeutet durch den runden Hut

Und durch das wilde Roß, auf dem sie reitet.

Des Menschen Zierat ist der Hut, denn wer

Den Hut nicht sitzenlassen darf vor Kaisern

Und Königen, der ist kein Mann der Freiheit.

NEUMANN.

Was aber soll der Kelch da auf der Fahn?

KELLERMEISTER.

Der Kelch bezeugt die böhmsche Kirchenfreiheit,

Wie sie gewesen zu der Väter Zeit.

Die Väter im Hussitenkrieg erstritten

Sich dieses schöne Vorrecht übern Papst,

Der keinem Laien gönnen will den Kelch.

Nichts geht dem Utraquisten übern Kelch,

Es ist sein köstlich Kleinod, hat dem Böhmen

Sein teures Blut in mancher Schlacht gekostet.

NEUMANN.

Was sagt die Rolle, die da drüberschwebt?

KELLERMEISTER.

Den böhmschen Majestätsbrief zeigt sie an,

Den wir dem Kaiser Rudolf abgezwungen,

Ein köstlich unschätzbares Pergament,

Das frei Geläut und offenen Gesang

Dem neuen Glauben sichert, wie dem alten.

Doch seit der Grätzer über uns regiert,

Hat das ein End, und nach der Prager Schlacht,

Wo Pfalzgraf Friedrich Kron und Reich verloren,

Ist unser Glaub um Kanzel und Altar,

Und unsre Brüder sehen mit dem Rücken[384]

Die Heimat an, den Majestätsbrief aber

Zerschnitt der Kaiser selbst mit seiner Schere.

NEUMANN.

Das alles wißt Ihr! Wohl bewandert seid Ihr

In Eures Landes Chronik, Kellermeister.

KELLERMEISTER.

Drum waren meine Ahnherrn Taboriten,

Und dienten unter dem Prokop und Ziska.

Fried sei mit ihrem Staube! Kämpften sie

Für eine gute Sache doch – Tragt fort!

NEUMANN.

Erst laßt mich noch das zweite Schildlein sehn.

Sieh doch! das ist, wie auf dem Prager Schloß

Des Kaisers Räte Martinitz, Slawata

Kopf unter sich herabgestürzet werden.

Ganz recht! Da steht Graf Thurn, der es befiehlt.


Bedienter geht mit dem Kelch.


KELLERMEISTER.

Schweigt mir von diesem Tag, es war der drei

Und zwanzigste des Mais, da man eintausend

Sechshundert schrieb und achtzehn. Ist mirs doch,

Als wär es heut, und mit dem Unglückstag

Fings an, das große Herzeleid des Landes.

Seit diesem Tag, es sind jetzt sechzehn Jahr,

Ist nimmer Fried gewesen auf der Erden –


An der zweiten Tafel wird gerufen.


Der Fürst von Weimar!


An der dritten und vierten Tafel.


Herzog Bernhard lebe!


Musik fällt ein.


ERSTER BEDIENTER.

Hört den Tumult!

ZWEITER BEDIENTER kommt gelaufen.

Habt ihr gehört? Sie lassen

Den Weimar leben!

DRITTER BEDIENTER.

Östreichs Feind!

ERSTER BEDIENTER.

Den Lutheraner!

ZWEITER BEDIENTER.

Vorhin da bracht der Deodat des Kaisers

Gesundheit aus, da bliebs ganz mäuschenstille.

KELLERMEISTER.

Beim Trunk geht vieles drein. Ein ordentlicher

Bedienter muß kein Ohr für so was haben.

DRITTER BEDIENTER beiseite zum vierten.

Paß ja wohl auf, Johann, daß wir dem Pater[385]

Quiroga recht viel zu erzählen haben,

Er will dafür uns auch viel Ablaß geben.

VIERTER BEDIENTER.

Ich mach mir an des Illo seinem Stuhl

Deswegen auch zu tun, so viel ich kann,

Der führt dir gar verwundersame Reden.


Gehen zu den Tafeln.


KELLERMEISTER zu Neumann.

Wer mag der schwarze Herr sein mit dem Kreuz,

Der mit Graf Palffy so vertraulich schwatzt?

NEUMANN.

Das ist auch einer, dem sie zu viel trauen,

Maradas nennt er sich, ein Spanier.

KELLERMEISTER.

's ist nichts mit den Hispaniern, sag ich Euch,

Die Welschen alle taugen nichts.

NEUMANN.

Ei! Ei!

So solltet Ihr nicht sprechen, Kellermeister.

Es sind die ersten Generale drunter,

Auf die der Herzog just am meisten hält.


Terzky kommt und holt das Papier ab, an den Tafeln entsteht eine Bewegung.


KELLERMEISTER zu den Bedienten.

Da Generalleutenant steht auf. Gebt acht!

Sie machen Aufbruch. Fort und rückt die Sessel.


Die Bedienten eilen nach hinten, ein Teil der Gäste kommt vorwärts.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 383-386.
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