Sechster Auftritt


[283] Jäger. Wachtmeister. Trompeter.


WACHTMEISTER.

Wir danken schön. Von Herzen gern.

Wir rücken zu. Willkommen in Böhmen!

ERSTER JÄGER.

Ihr sitzt hier warm. Wir, in Feindes Land,

Mußten derweil uns schlecht bequemen.

TROMPETER.

Man sollts euch nicht ansehn, ihr seid galant.

WACHTMEISTER.

Ja, ja, im Saalkreis und auch in Meißen

Hört man euch Herrn nicht besonders preisen.

ZWEITER JÄGER.

Seid mir doch still. Was will das heißen?

Der Kroat es ganz anders trieb,

Uns nur die Nachles übrigblieb.

TROMPETER.

Ihr habt da einen saubern Spitzen

Am Kragen, und wie euch die Hosen sitzen!

Die feine Wäsche, der Federhut!

Was das alles für Wirkung tut!

Daß doch den Burschen das Glück soll scheinen,

Und so was kommt nie an unsereinen!

WACHTMEISTER.

Dafür sind wir des Friedländers Regiment,

Man muß uns ehren und respektieren.

ERSTER JÄGER.

Das ist für uns andre kein Kompliment,

Wir ebensogut seinen Namen führen.

WACHTMEISTER.

Ja, ihr gehört auch so zur ganzen Masse.

ERSTER JÄGER.

Ihr seid wohl von einer besondern Rasse?

Der ganze Unterschied ist in den Röcken,

Und ich ganz gern mag in meinem stecken.[283]

WACHTMEISTER.

Herr Jäger, ich muß Euch nur bedauern,

Ihr lebt so draußen bei den Bauern;

Der feine Griff und der rechte Ton,

Das lernt sich nur um des Feldherrn Person.

ERSTER JÄGER.

Sie bekam Euch übel, die Lektion.

Wie er räuspert und wie er spuckt,

Das habt Ihr ihm glücklich abgeguckt;

Aber sein Schenie, ich meine sein Geist,

Sich nicht auf der Wachparade weist.

ZWEITER JÄGER.

Wetter auch! wo Ihr nach uns fragt,

Wir heißen des Friedländers wilde Jagd,

Und machen dem Namen keine Schande –

Ziehen frech durch Feindes und Freundes Lande,

Querfeldein durch die Saat, durch das gelbe Korn –

Sie kennen das Holkische Jägerhorn! –

In einem Augenblick fern und nah,

Schnell wie die Sündflut, so sind wir da –

Wie die Feuerflamme bei dunkler Nacht

In die Häuser fähret, wenn niemand wacht –

Da hilft keine Gegenwehr, keine Flucht,

Keine Ordnung gilt mehr und keine Zucht. –

Es sträubt sich – der Krieg hat kein Erbarmen –

Das Mägdlein in unsern sennigten Armen –

Fragt nach, ich sags nicht um zu prahlen;

In Bayreuth, im Voigtland, in Westfalen,

Wo wir nur durchgekommen sind –

Erzählen Kinder und Kindeskind

Nach hundert und aber hundert Jahren

Von dem Holk noch und seinen Scharen.

WACHTMEISTER.

Nun da sieht mans! Der Saus und Braus

Macht denn der den Soldaten aus?

Das Tempo macht ihn, der Sinn und Schick,

Der Begriff, die Bedeutung, der feine Blick.

ERSTER JÄGER.

Die Freiheit macht ihn! Mit Euren Fratzen!

Daß ich mit Euch soll darüber schwatzen. –

Lief ich darum aus der Schul und der Lehre,[284]

Daß ich die Fron und die Galeere,

Die Schreibstub und ihre engen Wände

In dem Feldlager wiederfände? –

Flott will ich leben und müßig gehn,

Alle Tage was Neues sehn,

Mich dem Augenblick frisch vertrauen,

Nicht zurück, auch nicht vorwärts schauen –

Drum hab ich meine Haut dem Kaiser verhandelt,

Daß keine Sorg mich mehr anwandelt.

Führt mich ins Feuer frisch hinein,

Über den reißenden, tiefen Rhein,

Der dritte Mann soll verloren sein;

Werde mich nicht lang sperren und zieren. –

Sonst muß man mich aber, ich bitte sehr,

Mit nichts weiter inkommodieren.

WACHTMEISTER.

Nu, nu, verlangt Ihr sonst nichts mehr?

Das ließ sich unter dem Wams da finden.

ERSTER JÄGER.

Was war das nicht für ein Placken und Schinden

Bei Gustav dem Schweden, dem Leuteplager!

Der machte eine Kirch aus seinem Lager,

Ließ Betstunde halten, des Morgens, gleich

Bei der Reveille, und beim Zapfenstreich.

Und wurden wir manchmal ein wenig munter,

Er kanzelt' uns selbst wohl vom Gaul herunter.

WACHTMEISTER.

Ja, es war ein gottesfürchtiger Herr.

ERSTER JÄGER.

Dirnen, die ließ er gar nicht passieren,

Mußten sie gleich zur Kirche führen.

Da lief ich, konnts nicht ertragen mehr.

WACHTMEISTER.

Jetzt gehts dort auch wohl anders her.

ERSTER JÄGER.

So ritt ich hinüber zu den Ligisten,

Sie täten sich just gegen Magdeburg rüsten.

Ja, das war schon ein ander Ding!

Alles da lustiger, loser ging,

Soff und Spiel und Mädels die Menge!

Wahrhaftig, der Spaß war nicht gering,

Denn der Tilly verstand sich aufs Kommandieren.[285]

Dem eigenen Körper war er strenge;

Dem Soldaten ließ er vieles passieren,

Und gings nur nicht aus seiner Kassen,

Sein Spruch war: leben und leben lassen.

Aber das Glück blieb ihm nicht stet, –

Seit der Leipziger Fatalität

Wollt es eben nirgends mehr flecken,

Alles bei uns geriet ins Stecken;

Wo wir erschienen und pochten an,

Ward nicht gegrüßt noch aufgetan.

Wir mußten uns drücken von Ort zu Ort,

Der alte Respekt war eben fort. –

Da nahm ich Handgeld von den Sachsen,

Meinte, da müßte mein Glück recht wachsen.

WACHTMEISTER.

Nun! da kamt Ihr ja eben recht

Zur böhmischen Beute.

ERSTER JÄGER.

Es ging mir schlecht.

Sollten da strenge Mannszucht halten,

Durften nicht recht als Feinde walten,

Mußten des Kaisers Schlösser bewachen,

Viel Umständ und Komplimente machen,

Führten den Krieg, als wärs nur Scherz,

Hatten für die Sach nur ein halbes Herz,

Wolltens mit niemand ganz verderben,

Kurz, da war wenig Ehr zu erwerben,

Und ich wär bald für Ungeduld

Wieder heimgelaufen zum Schreibepult,

Wenn nicht eben auf allen Straßen

Der Friedländer hätte werben lassen.

WACHTMEISTER.

Und wie lang denkt Ihrs hier auszuhalten?

ERSTER JÄGER.

Spaßt nur! solange der tut walten,

Denk ich Euch, mein Seel! an kein Entlaufen.

Kanus der Soldat wo besser kaufen? –

Da geht alles nach Kriegessitt,

Hat alles 'nen großen Schnitt.

Und der Geist, der im ganzen Korps tut leben,[286]

Reißet gewaltig, wie Windesweben,

Auch den untersten Reiter mit.

Da tret ich auf mit beherztem Schritt,

Darf über den Bürger kühn wegschreiten,

Wie der Feldherr über der Fürsten Haupt.

Es ist hier wie in den alten Zeiten,

Wo die Klinge noch alles tät bedeuten,

Da gibts nur ein Vergehn und Verbrechen:

Der Ordre fürwitzig widersprechen!

Was nicht verboten ist, ist erlaubt;

Da fragt niemand, was einer glaubt.

Es gibt nur zwei Ding überhaupt,

Was zur Armee gehört und nicht,

Und nur der Fahne bin ich verpflicht.

WACHTMEISTER.

Jetzt gefallt Ihr mir, Jäger! Ihr sprecht

Wie ein Friedländischer Reitersknecht.

ERSTER JÄGER.

Der führt 's Kommando nicht wie ein Amt,

Wie eine Gewalt, die vom Kaiser stammt!

Es ist ihm nicht um des Kaisers Dienst,

Was bracht er dem Kaiser für Gewinst?

Was hat er mit seiner großen Macht

Zu des Landes Schirm und Schutz vollbracht?

Ein Reich von Soldaten wollt er gründen,

Die Welt anstecken und entzünden,

Sich alles vermessen und unterwinden –

TROMPETER.

Still! Wer wird solche Worte wagen!

ERSTER JÄGER.

Was ich denke, das darf ich sagen.

Das Wort ist frei, sagt da General.

WACHTMEISTER.

So sagt er, ich hörts wohl einigemal,

Ich stand dabei. »Das Wort ist frei,

Die Tat ist stumm, der Gehorsam blind«,

Dies urkundlich seine Worte sind.

ERSTER JÄGER.

Obs just seine Worte sind, weiß ich nicht;

Aber die Sach ist so, wie er spricht.

ZWEITER JÄGER.

Ihm schlägt das Kriegsglück nimmer um,

Wie's wohl bei andern pflegt zu geschehen.[287]

Der Tilly überlebte seinen Ruhm.

Doch unter des Friedländers Kriegspanieren

Da bin ich gewiß zu victorisieren.

Er bannet das Glück, es muß ihm stehen.

Wer unter seinem Zeichen tut fechten,

Der steht unter besondern Mächten.

Denn das weiß ja die ganze Welt,

Daß der Friedländer einen Teufel

Aus der Hölle im Solde hält.

WACHTMEISTER.

Ja, daß er fest ist, das ist kein Zweifel.

Denn in der blutgen Affär bei Lützen

Ritt er euch unter des Feuers Blitzen

Auf und nieder mit kühlem Blut.

Durchlöchert von Kugeln war sein Hut,

Durch den Stiefel und Koller fuhren

Die Ballen, man sah die deutlichen Spuren,

Konnt ihm keine die Haut nur ritzen,

Weil ihn die höllische Salbe tät schützen.

ERSTER JÄGER.

Was wollt Ihr da für Wunder bringen!

Er trägt ein Koller von Elendshaut,

Das keine Kugel kann durchdringen.

WACHTMEISTER.

Nein, es ist die Salbe von Hexenkraut,

Unter Zaubersprüchen gekocht und gebraut.

TROMPETER.

Es geht nicht zu mit rechten Dingen!

WACHTMEISTER.

Sie sagen, er les auch in den Sternen

Die künftigen Dinge, die nahen und fernen;

Ich weiß aber besser, wie's damit ist.

Ein graues Männlein pflegt bei nächtlicher Frist

Durch verschlossene Türen zu ihm einzugehen,

Die Schildwachen habens oft angeschrien,

Und immer was Großes ist drauf geschehen,

Wenn je das graue Röcklein kam und erschien.

ZWEITER JÄGER.

Ja, er hat sich dem Teufel übergeben,

Drum führen wir auch das lustige Leben.[288]


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 283-289.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Wallenstein
Lektürehilfen Friedrich Schiller 'Wallenstein'
Wallensteins Lager /Die Piccolomini
Wallensteins Tod.
Wallenstein: Ein dramatisches Gedicht Tübingen 1800
Wallenstein: Ein dramatisches Gedicht (Fischer Klassik)

Buchempfehlung

Anonym

Li Gi - Das Buch der Riten, Sitten und Gebräuche

Li Gi - Das Buch der Riten, Sitten und Gebräuche

Die vorliegende Übersetzung gibt den wesentlichen Inhalt zweier chinesischer Sammelwerke aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert wieder, die Aufzeichnungen über die Sitten der beiden Vettern Dai De und Dai Schen. In diesen Sammlungen ist der Niederschlag der konfuzianischen Lehre in den Jahrhunderten nach des Meisters Tod enthalten.

278 Seiten, 13.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon