Funfzehnter Auftritt


[473] Wallenstein. Terzky. Illo. Zehn Kürassiere, von einem Gefreiten geführt marschieren auf und stellen sich nach dem Kommando in einem Glied vor den Herzog, die Honneurs machend.


WALLENSTEIN nachdem er sie eine Zeitlang mit den Augen gemessen, zum Gefreiten.

Ich kenne dich wohl. Du bist aus Brügg in Flandern,

Dein Nam ist Mercy.

GEFREITER.

Heinrich Mercy heiß ich.

WALLENSTEIN.

Du wurdest abgeschnitten auf dem Marsch,

Von Hessischen umringt und schlugst dich durch,

Mit hundertachtzig Mann durch ihrer tausend.

GEFREITER.

So ists, mein General.

WALLENSTEIN.

Was wurde dir

Für diese wackre Tat?

GEFREITER.

Die Ehr, mein Feldherr,

Um die ich bat, bei diesem Korps zu dienen.

WALLENSTEIN wendet sich zu einem andern.

Du warst darunter, als ich die Freiwilligen

Heraus ließ treten auf dem Altenberg,

Die schwedsche Batterie hinwegzunehmen.

ZWEITER KÜRASSIER.

So ists, mein Feldherr.

WALLENSTEIN.

Ich vergesse keinen,

Mit dem ich einmal Worte hab gewechselt.

Bringt eure Sache vor.[473]

GEFREITER kommandiert.

Gewehr in Arm!

WALLENSTEIN zu einem dritten gewendet.

Du nennst dich Risbeck, Köln ist dein Geburtsort.

DRITTER KÜRASSIER.

Risbeck aus Köln.

WALLENSTEIN.

Den schwedschen Oberst Dübald brachtest du

Gefangen ein im Nürenberger Lager.

DRITTER KÜRASSIER.

Ich nicht, mein General.

WALLENSTEIN.

Ganz recht! Es war

Dein ältrer Bruder, der es tat – du hattest

Noch einen jüngern Bruder, wo blieb der?

DRITTER KÜRASSIER.

Er steht zu Olmütz bei des Kaisers Heer.

WALLENSTEIN zum Gefreiten.

Nun so laß hören.

GEFREITER.

Ein kaiserlicher Brief kam uns zu Handen,

Der uns –

WALLENSTEIN unterbricht ihn.

Wer wählte euch?

GEFREITER.

Jedwede Fahn

Zog ihren Mann durchs Los.

WALLENSTEIN.

Nun denn zur Sache!

GEFREITER.

Ein kaiserlicher Brief kam uns zu Handen,

Der uns befiehlt, die Pflicht dir aufzukünden,

Weil du ein Feind und Landsverräter seist.

WALLENSTEIN.

Was habt ihr drauf beschlossen?

GEFREITER.

Unsre Kameraden

Zu Braunau, Budweis, Prag und Olmütz haben

Bereits gehorcht und ihrem Beispiel folgten

Die Regimenter Tiefenbach, Toscana.

– Wir aber glaubens nicht, daß du ein Feind

Und Landsverräter bist, wir haltens bloß

Für Lug und Trug und spanische Erfindung.


Treuherzig.


Du selber sollst uns sagen, was du vorhast,

Denn du bist immer wahr mit uns gewesen,

Das höchste Zutraun haben wir zu dir,

Kein fremder Mund soll zwischen uns sich schieben,

Den guten Feldherrn und die guten Truppen.[474]

WALLENSTEIN.

Daran erkenn ich meine Pappenheimer.

GEFREITER.

Und dies entbietet dir dein Regiment.

Ists deine Absicht bloß, dies Kriegesszepter,

Das dir gebührt, das dir der Kaiser hat

Vertraut, in deinen Händen zu bewahren,

Östreichs rechtschaffner Feldhauptmann zu sein,

So wollen wir dir beistehn und dich schützen

Bei deinem guten Rechte gegen jeden –

Und wenn die andern Regimenter alle

Sich von dir wenden, wollen wir allein

Dir treu sein, unser Leben für dich lassen.

Denn das ist unsre Reiterpflicht, daß wir

Umkommen lieber, als dich sinken lassen.

Wenns aber so ist, wie des Kaisers Brief

Besagt, wenns wahr ist, daß du uns zum Feind

Treuloserweise willst hinüberführen,

Was Gott verhüte! ja so wollen wir

Dich auch verlassen und dem Brief gehorchen.

WALLENSTEIN.

Hört, Kinder –

GEFREITER.

Braucht nicht viel Worte. Sprich

Ja oder nein, so sind wir schon zufrieden.

WALLENSTEIN.

Hört an. Ich weiß, daß ihr verständig seid,

Selbst prüft und denkt und nicht der Herde folgt,

Drum hab ich euch, ihr wißts, auch ehrenvoll

Stets unterschieden in der Heereswoge,

Denn nur die Fahnen zählt der schnelle Blick

Des Feldherrn, er bemerkt kein einzeln Haupt,

Streng herrscht und blind der eiserne Befehl,

Es kann der Mensch dem Menschen hier nichts gelten –

So, wißt ihr, hab ichs nicht mit euch gehalten,

Wie ihr euch selbst zu fassen angefangen

Im rohen Handwerk, wie von euren Stirnen

Der menschliche Gedanke mir geleuchtet,

Hab ich als freie Männer euch behandelt,

Der eignen Stimme Recht euch zugestanden –

GEFREITER.

Ja, würdig hast du stets mit uns verfahren,[475]

Mein Feldherr, uns geehrt durch dein Vertraun,

Uns Gunst erzeigt vor allen Regimentern.

Wir folgen auch dem großen Haufen nicht,

Du siehsts! Wir wollen treulich bei dir halten.

Sprich nur ein Wort, dein Wort soll uns genügen,

Daß es Verrat nicht sei, worauf du sinnst,

Daß du das Heer zum Feind nicht wollest führen.

WALLENSTEIN.

Mich, mich verrät man! Aufgeopfert hat mich

Der Kaiser meinen Feinden, fallen muß ich,

Wenn meine braven Truppen mich nicht retten.

Euch will ich mich vertrauen – Euer Herz

Sei meine Festung! Seht, auf diese Brust

Zielt man! Nach diesem greisen Haupte! – Das

Ist spansche Dankbarkeit, das haben wir

Für jene Mordschlacht auf der alten Feste,

Auf Lützens Ebnen! Darum warfen wir

Die nackte Brust der Partisan' entgegen,

Drum machten wir die eisbedeckte Erde,

Den harten Stein zu unserm Pfühl, kein Strom

War uns zu schnell, kein Wald zu undurchdringlich,

Wir folgten jenem Mansfeld unverdrossen

Durch alle Schlangenkrümmen seiner Flucht,

Ein ruheloser Marsch war unser Leben,

Und wie des Windes Sausen, heimatlos,

Durchstürmten wir die kriegbewegte Erde.

Und jetzt, da wir die schwere Waffenarbeit,

Die undankbare, fluchbeladene getan,

Mit unermüdet treuem Arm des Krieges Last

Gewälzt, soll dieser kaiserliche Jüngling

Den Frieden leicht wegtragen, soll den Ölzweig,

Die wohlverdiente Zierde unsers Haupts,

Sich in die blonden Knabenhaare flechten –

GEFREITER.

Das soll er nicht, so lang wirs hindern können.

Niemand als du, der ihn mit Ruhm geführt,

Soll diesen Krieg, den fürchterlichen, enden.

Du führtest uns heraus ins blutge Feld[476]

Des Todes, du, kein andrer, sollst uns fröhlich

Heimführen in des Friedens schöne Fluren,

Der langen Arbeit Früchte mit uns teilen –

WALLENSTEIN.

Wie? denkt ihr euch im späten Alter endlich

Der Früchte zu erfreuen? Glaubt das nicht.

Ihr werdet dieses Kampfes Ende nimmer

Erblicken! Dieser Krieg verschlingt uns alle.

Östreich will keinen Frieden, darum eben,

Weil ich den Frieden suche, muß ich fallen.

Was kümmerts Östreich, ob der lange Krieg

Die Heere aufreibt und die Welt verwüstet,

Es will nur wachsen stets und Land gewinnen.

Ihr seid gerührt – ich seh den edeln Zorn

Aus euren kriegerischen Augen blitzen.

O daß mein Geist euch jetzt beseelen möchte,

Kühn wie er einst in Schlachten euch geführt!

Ihr wollt mir beistehn, wollt mich mit den Waffen

Bei meinem Rechte schützen – das ist edelmütig!

Doch denket nicht, daß ihrs vollenden werdet,

Das kleine Heer! Vergebens werdet ihr

Für euren Feldherrn euch geopfert haben.


Zutraulich.


Nein! Laßt uns sichergehen, Freunde suchen,

Der Schwede sagt uns Hülfe zu, laßt uns

Zum Schein sie nutzen, bis wir, beiden furchtbar,

Europens Schicksal in den Händen tragen,

Und der erfreuten Welt aus unserm Lager

Den Frieden schönbekränzt entgegenführen.

GEFREITER.

So treibst dus mit dem Schweden nur zum Schein,

Du willst den Kaiser nicht verraten, willst uns

Nicht schwedisch machen? – sieh, das ists allein,

Was wir von dir verlangen zu erfahren.

WALLENSTEIN.

Was geht der Schwed mich an? Ich haß ihn, wie

Den Pfuhl der Hölle, und mit Gott gedenk ich ihn

Bald über seine Ostsee heimzujagen.

Mir ists allein ums Ganze. Seht! Ich hab[477]

Ein Herz, der Jammer dieses deutschen Volks erbarmt mich.

Ihr seid gemeine Männer nur, doch denkt

Ihr nicht gemein, ihr scheint mirs wert vor andern,

Daß ich ein traulich Wörtlein zu euch rede –

Seht! Fünfzehn Jahr schon brennt die Kriegesfackel,

Und noch ist nirgends Stillstand. Schwed und Deutscher!

Papist und Lutheraner! Keiner will

Dem andern weichen! Jede Hand ist wider

Die andre! Alles ist Partei und nirgends

Kein Richter! Sagt, wo soll das enden? Wer

Den Knäul entwirren, der sich endlos selbst

Vermehrend wächst – Er muß zerhauen werden.

Ich fühls, daß ich der Mann des Schicksals bin,

Und hoffs mit eurer Hilfe zu vollführen.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 473-478.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Wallenstein
Lektürehilfen Friedrich Schiller 'Wallenstein'
Wallensteins Lager /Die Piccolomini
Wallensteins Tod.
Wallenstein: Ein dramatisches Gedicht Tübingen 1800
Wallenstein: Ein dramatisches Gedicht (Fischer Klassik)

Buchempfehlung

Auerbach, Berthold

Schwarzwälder Dorfgeschichten. Band 1-4

Schwarzwälder Dorfgeschichten. Band 1-4

Die zentralen Themen des zwischen 1842 und 1861 entstandenen Erzählzyklus sind auf anschauliche Konstellationen zugespitze Konflikte in der idyllischen Harmonie des einfachen Landlebens. Auerbachs Dorfgeschichten sind schon bei Erscheinen ein großer Erfolg und finden zahlreiche Nachahmungen.

640 Seiten, 29.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon