Siebenter Auftritt


[464] Wallenstein. Graf Terzky.


WALLENSTEIN ans Fenster tretend.

Was gibts denn?

TERZKY.

Es ist ein Rennen und Zusammenlaufen

Bei allen Truppen. Niemand weiß die Ursach,

Geheimnisvoll, mit einer finstern Stille,

Stellt jedes Korps sich unter seine Fahnen,

Die Tiefenbacher machen böse Mienen,

Nur die Wallonen stehen abgesondert

In ihrem Lager, lassen niemand zu,

Und halten sich gesetzt, so wie sie pflegen.

WALLENSTEIN.

Zeigt Piccolomini sich unter ihnen?

TERZKY.

Man sucht ihn, er ist nirgends anzutreffen.

WALLENSTEIN.

Was überbrachte denn der Adjutant?

TERZKY.

Ihn schickten meine Regimenter ab,

Sie schwören nochmals Treue dir, erwarten

Voll Kriegeslust den Aufruf zum Gefechte.

WALLENSTEIN.

Wie aber kam der Lärmen in das Lager?

Es sollte ja dem Heer verschwiegen bleiben,

Bis sich zu Prag das Glück für uns entschieden.

TERZKY.

O daß du mir geglaubt! Noch gestern Abends

Beschwuren wir dich, den Octavio,

Den Schleicher, aus den Toren nicht zu lassen,

Du gabst die Pferde selber ihm zur Flucht –

WALLENSTEIN.

Das alte Lied! Einmal für allemal,

Nichts mehr von diesem törichten Verdacht.

TERZKY.

Dem Isolani hast du auch getraut,

Und war der erste doch, der dich verließ.

WALLENSTEIN.

Ich zog ihn gestern erst aus seinem Elend.[464]

Fahr hin! Ich hab auf Dank ja nie gerechnet.

TERZKY.

Und so sind alle, einer wie der andre.

WALLENSTEIN.

Und tut er unrecht, daß er von mir geht?

Er folgt dem Gott, dem er sein Leben lang

Am Spieltisch hat gedient. Mit meinem Glücke

Schloß er den Bund und bricht ihn, nicht mit mir.

War ich ihm was, er mir? Das Schiff nur bin ich,

Auf das er seine Hoffnung hat geladen,

Mit dem er wohlgemut das freie Meer

Durchsegelte, er sieht es über Klippen

Gefährlich gehn und rettet schnell die Ware.

Leicht wie der Vogel von dem wirtbarn Zweige,

Wo er genistet, fliegt er von mir auf,

Kein menschlich Band ist unter uns zerrissen.

Ja der verdient, betrogen sich zu sehn,

Der Herz gesucht bei dem Gedankenlosen!

Mit schnell verlöschten Zügen schreiben sich

Des Lebens Bilder auf die glatte Stirne,

Nichts fällt in eines Busens stillen Grund,

Ein muntrer Sinn bewegt die leichten Säfte,

Doch keine Seele wärmt das Eingeweide.

TERZKY.

Doch möcht ich mich den glatten Stirnen lieber

Als jenen tiefgefurchten anvertrauen.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 464-465.
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