Ein Göttermahl

[234] Einer meiner besten Freunde war der Marquis R. Durch ihn machte ich viele Bekanntschaften und verschiedene sehr schöne Eroberungen, die ich aber nicht einzeln erzählen will, weil ich mich wiederholen würde. Eine Bemerkung im allgemeinen, die gewiß richtig ist, will ich hier machen, daß nämlich die französischen Damen durchaus einen feineren, niedlicheren und zur Wollust besser gebauten Körper besitzen und daß sie jeden ihrer Reize in das vorteilhafteste Licht zu setzen und den Genuß weit mehr zu verfeinern wissen, als die deutschen Frauen.

Ich will nun von einem vorzüglichen Abendessen erzählen, wozu der Marquis mich und noch zwei Bekannte in sein petite maison einlud.

Er führte uns in einen erleuchteten Saal, der mit feinen Teppichen und langen Polstern belegt war. Im Nebenzimmer hörten wir eine harmonische Musik. Wir tranken einige Gläser Wein, und er nötigte uns in ein[234] anderes Zimmer, wo wir uns ganz entkleiden und bloß Dominos anlegen mußten. Darauf gingen wir wieder in den Saal und lagerten uns auf den Teppichen.

Sechs nackte Mädchen mit Blumenkränzen trugen in Körben ausgesuchte Leckereien auf. Wir aßen und tranken und scherzten unter der angenehmsten Musik. Darauf sangen die Mädchen das Lob der Liebe und der Gefühle der Wollust, und standen auf zum pantomimischen Tanze.

Nie sah ich etwas Reizenderes und Wollüstigeres in solchen Abwechslungen.

Nach beendigtem Tanze lagerten sich die Mädchen in einem Kreis, wir warfen unsere Dominos ab und mischten uns unter sie. Meine Feder ist zu stumpf, die wollüstigen Spielereien zu beschreiben.

Wie Saturn buhlten zwei um ein Mädchen, dessen ganzer Körper Wollust schien. Sie floh und ward verfolgt, stürzte über ein Polster, und der eine war behend genug, sie gleich zu fassen, und wie ihr Hinterer erhoben war, seinen Amor sogleich in die Wollustgrotte einzuführen. Der andere, der dadurch verdrängt war, fiel gierig über die nächste Nymphe her und opferte auf platter Erde.

Mein Wirt wollte bersten vor Lachen und fragte, ob ich nichts für meine Begierde fände.

Ich hatte mich gleich anfangs an ein Mädchen geschmiegt, die mich durch ihr sanftes Wesen angezogen hatte, und wie er sah, daß ich sie umschlang, so nahm auch er seine Nachbarin und legte sie in Positur. Kaum begannen wir den Kampf, als die beiden anderen Mädchen bald über diesen, bald über jenen herfielen, ihn[235] loszureißen suchten oder seine Hinterbacken ziemlich unsanft klopften. Besonders eine war überaus mutwillig. Meine Nymphe war sehr reizbar und leerte gleich anfangs den Wollustbecher, und als mich jene Mutwillige empfindlich schlug, sprang ich auf, erhaschte sie und streckte sie unter mich. Ihr Eingang in den Wollusttempel war noch etwas sehr eng für meinen Amor und ich war zu eifrig bei meinem Angriff, daher das gute Ding erbärmlich zu schreien anfing. Dies gab Anlaß zu neuem Gelächter. Indes war sie am Ende außerordentlich zufrieden mit mir.

Meine Leser mögen sich hinzudenken, so viel sie wollen. Mir war die Wollust zu ausschweifend, ich schließe somit mein Kapitel.

Quelle:
Gustav Schilling: Die Denkwürdigkeiten des Herrn v. H., Paris 1966, S. 234-236.
Lizenz:
Kategorien: