Ich befinde mich ganz wohl

[220] Meine Leser wissen, wohin wir fuhren. Gegen Abend schickte sie ihre Bedienung fort bis auf eine alte Kammerfrau. Wir brachten einige Stunden unter allerhand lieblichen Gesprächen hin. Endlich nötigte sie mich in ein Nebenzimmer zu gehen, wo ich meine Instruktion[220] erhalten würde. Ich traf eine alte Frau, die sich denn mit vieler Lobeserhebung über meine Person hermachte und mich auskleidete. Sie ölte meine Haare ein, flocht mir einen Efeukranz um den Kopf und bestrich mich mit wohlriechendem und stärkendem Wasser. Die Alte war unerschöpflich im Sprechen, sie konnte kein Ende finden, mich zu reiben, und meinen Amor küßte sie einmal um das andere, und versicherte hoch und heilig, daß sie wenig so große, wohlgeformte und vielversprechende in ihrem Leben gesehen hätte, und sie könnte nicht umhin, zu wünschen, daß sie dreißig Jahre jünger sein möchte.

Aus Scherz sagte ich, wenn sie mich einmal besuchen wollte und ich ihr einen Dienst erzeigen könnte, so würde ich mir ein Vergnügen daraus machen.

Diese Erlaubnis wollte sie sich zu Nutze machen, erwiderte sie, und ich würde dann auch als honetter Mann mein Wort halten.

Sie öffnete jetzt ein Zimmer; mein Gesicht ward von der Pracht geblendet und ich glaubte in ein Feenschloß versetzt zu sein. Ich sah mich in einen angenehmen Hain versetzt. Die Bäume waren der Natur abgestohlen und lange blieb ich zweifelnd, ob die Kunst wirklich so täuschen könnte. Die Wand war so vortrefflich gemalt, daß man den dunklen Wald in der Ferne und den Abendhimmel dort mit dem allerletzten Widerschein der gebrochenen Strahlen der unserm Horizonte schon weit entfernten Sonne wahrhaft zu erblicken glaubte. Wer hätte geglaubt, daß sie wirklich einmal Ernst machen würde? Der Sternenhimmel an der Decke und der volle Mond, das einzige Licht, welches man sah, verursachte eine bezaubernde Wirkung. Ein Zephyr[221] durchsäuselte das Laub und hauchte den wollüstigsten Wohlgeruch. Ich stand wie angeheftet und Wonne ergriff mich, als jetzt eine Nachtigall ihre zärtlichen Töne anhob.

Endlich wagte ich es, weiter zu gehen. Wie ward mir, als ich neben einem Springbrunnen, an einem grünen Hügel, im Schatten eines dichtbelaubten Baumes die schönste weibliche Figur, in Paradieskleidung, natürlich auch ohne das Feigenblatt, schlummern sah.

Ich näherte mich ihr; sie erwachte, reichte mir die Hand und zog mich auf das elastische Polster neben sich hin.

»Hat Sie Daphnes Aufenthalt überrascht?«

»Schönste Marquise –«

»Ich bin jetzt Daphne, die Apollo erwartet.«

Das Überraschende hatte zu großen Eindruck auf mich gemacht, als daß ich fähig gewesen wäre, meine Bewunderung und noch viel weniger die Größe meines Glücks auszusprechen.

Ich konnte mich nicht satt sehen an meiner Daphne. Ihr schönes Gesicht, von langem schwarzem Haar umwallt, ihr schöner Busen, der zum Genusse winkte, die blendende Weiße ihres Körpers, die ganze Form und Lage, der Ort, das schauerliche Dunkel – alles wäre fähig gewesen, kalten Marmor zu erwärmen.

Ich fühlte brennendes Feuer, warf mich über sie hin, schloß sie in meine Arme und führte Gott Amor in seinen Kronensaal. Sie empfing mich mit aller möglichen Zärtlichkeit. Ich horte rauschen, blickte auf, und siehe da, eine Myrthenlaube war auf einmal über uns hingezaubert.[222]

Welche himmlische Überraschung!

Kaum begannen wir den Liebeskampf, als zwei Flöten gewissermaßen die Schlachtmusik dazu anstimmten.

Meine Empfindungen erreichten den Höhepunkt.

Unser leises wollüstiges Girren bezeugte, wie glückselig wir waren. Die Flöten schwiegen, wir leerten den Wollustbecher bis auf den Grund und versanken in seliges Hinbrüten.

Nachdem wir längere Zeit in beglückender Umarmung gelegen, sagte meine liebenswürdige Eva:

»Wollen wir aufstehen, lieber H.?«

Eine kleine Wendung meiner Marquise und die Myrthenlaube existierte nicht mehr.

Nun standen wir auf und gingen um das Gebüsch in eine hellerbeleuchtete Grotte, woselbst wir Erfrischungen fanden. Ein wollüstiges Sofa nahm uns auf und unter den zärtlichsten Spielereien ermunterten wir unsere Lebensgeister durch wohlschmeckenden Rebensaft zu neuer Wollustfreude. Bei solch' einem reizenden weiblichen Geschöpfe – wer mag da seine Begierden bezähmen?

Bald lag ich in Daphnes Armen und sog Wollust aus ihrem Rosenmunde. Mit Neckereien trat Amor in den Tempel der Venus, küßte Hymen und floh eilend an den Eingang zurück, um zu sehen, ob er verfolgt würde. Unversehens hob Daphne ihren wonnereichen Schoß und Amor lag in Hymens Armen, ehe er an fernere Flucht denken konnte. Jetzt vereinigten sie sich zum Vergnügen, mit leisen Liebesschlägen verfolgte einer den andern, bis sie ermüdet sich ins Meer der[223] Wollust stürzten und ihre Erhitzung abkühlten. Die Glocke schlug zwölf und zwei Flöten stimmten ein schmelzendes Adagio an.

Meine Daphne führte mich in das wollüstige Bett. Arm in Arm, Busen an Busen, Lippe auf Lippe, versanken wir in wollusterregende Eiderdaunen. Neue Gefühle erwärmten uns, wir schmachteten nach Genuß, als ob wir uns jetzt zum erstenmale umfingen. Wir suchten alles auf, was uns den Genuß versüßen konnte. Unser schäkerndes Kämpfen machte uns warm, eine wollüstige Atmosphäre umgab uns, leichte Schweißtröpfchen machten unsere Körper noch schlüpfriger. Wir verloren die Sprache, leises Stöhnen drängte sich aus unserer Brust, und mit unbeschreiblichem Wonnegefühl sanken wir in einen Taumel, der uns den erquickenden Armen des Schlafgottes überlieferte.

Verzeihet, zärtliche Glossen und schöne Flamman, ich genoß in euren Umarmungen viel Seligkeit, allein meine Daphne übertraf euch weit. Bei ihr war alles vereinigt, was nur ihr Reiz heißen kann, und der leichtesten Karesse, wie dem höchsten Genusse wußte sie unerklärbare, unbeschreibliche Feinheit zu geben, die jeden Nerv in die wollüstigste Schwingung versetzte.

Der junge Tag weckte uns. Aus den Armen des Schlafes eilten wir in die Arme der Liebe, und wir waren die glücklichsten Sterblichen.

Fast ein ganzes Jahr blieb ich in Paris. Mein Umgang mit meiner Marquise dauerte ununterbrochen fort. Unsere letzte Umarmung war an Feuer, Zärtlichkeit und Wohlbehagen der ersten völlig gleich. Meine Marquise war bei meiner Abreise untröstlich.

Quelle:
Gustav Schilling: Die Denkwürdigkeiten des Herrn v. H., Paris 1966, S. 220-224.
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