Wir sind in Paris

[216] Wenn an irgend einem Orte in der Welt dem Gott der Liebe zahlreiche Opfer gebracht werden, so ist es in Paris. Das ist bekannt, und ebenso bekannt ist es, daß man nirgends der Liebe einen solchen Grad der Verfeinerung zu geben weiß, wie hier.

Hier liebt alles. Frauen und Mädchen, vom höchsten und geringsten Stande, finden das geringste Bedenken lächerlich, einen Liebhaber, der ihnen gefällt, zu beglücken. Auch ist es nur zu bekannt, in welche Ausschweifungen man ausartet; ich habe also nicht nötig, etwas darüber zu sagen, sondern kann bei meiner Person stehen bleiben. Und da will ich etwas hervorheben. Durch Empfehlungsschreiben hatte ich Zutritt in verschiedene hohe Häuser und meine Wenigkeit fand zuerst Beifall bei der Marquise B.

Ich hatte ihr alle mögliche Artigkeit erwiesen und hoffte. Glaubte mich aber der Erfüllung meines Wunsches[216] noch nicht so nahe, als ich eines Morgens um 11 Uhr ein Billett erhielt, in welchem mir die Marquise meldete, daß sie diesen Nachmittag für niemand zu Hause sein würde, außer, wenn ich sie beehren wollte.

Ich legte das modernste Kleid an, das mir der Schneider mit Professorenberedsamkeit angepaßt und mir hundertmal versichert hatte, daß man mich darin von dem geborenen Franzosen nicht unterscheiden würde. Nun flog ich mit Stutzerleichtigkeit zu meiner Marquise.

Ich könne unangemeldet eintreten, erfuhr ich im Vorsaal, und schon stand ich im Kabinett und wollte eben ein recht gut gesetztes Kompliment zu rezitieren anfangen, als ich sah, daß meine Angebetete auf dem Sofa lag und schlief.

Hoho, dachte ich, da kannst du ja ganz frei und ungeniert zu Werke gehen.

Ihre Lage war die wollüstigste und ihre Kleidung so leicht und durchsichtig, daß man jeden Muskel unterscheiden konnte. Sie war von mittelgroßer Figur, weder zu mager noch zu fleischig und durchaus regelmäßig gebaut. Ihre Brüste waren wie fast bei allen Französinnen voll und rund, auch vielleicht etwas größer als gewöhnlich.

Ich stand einen Augenblick und überlegte, wie der Angriff anzufangen sei. Ohne viel Umstände, ist die Hauptsache. Nun schob ich meinen rechten Arm unter ihren hohlen Rücken, drückte meine Lippen sanft auf ihren halboffenen Mund und suchte mit meiner Zunge die ihrige.

Sie tat, als ob sie schwer träume und bei einem[217] herzhaften Kuß schreckte sie zusammen und erwachte:

»Mein Herr, wer gab Ihnen ein Recht zu dieser Freiheit?«

»Zeit, Ort, Lage, Schönheit, unwiderstehliche Reize – schönste Marquise; ich unterwerfe mich jeder Strafe, nur strafen Sie mich nicht mit – Entfernung.«

Sie lächelte und ich küßte sie.

»Wer sollte bei einem Deutschen soviel Dreistigkeit suchen? Gewöhnlich sind Ihre Landsleute sehr unentschlossen.«

»Jetzt, schöne Marquise, zur Sache; ich bin so glücklich, von Ihnen geliebt zu werden?«

»Nach Ihrem Betragen, dächte ich, sollte Ihnen diese Frage nicht einfallen. Sie verraten den Deutschen damit, welchen Sie durch Ihr Handeln verleugneten. Wenn eine Dame nur für Sie zu Hause ist –«

Ich ließ sie nicht ausreden, stürzte mich über sie hin und überhäufte sie mit Küssen. Meine Hand befand sich bald in dem Heiligtum der Venus, welches ungeheuer reizbar zu sein schien. Ich wurde warm, sprang auf, um die Kleider abzuwerfen und zog meine Donna ebenfalls aus. Mit merklichem Vergnügen betrachtete sie meinen Amor, spielte mit ihm und versicherte, daß er eine hoffnungsvolle Miene hätte.

Arm in Arm lagen wir da und mein Amor befand sich in der wollüstigsten Muschel.

»Wie sie glühen! Hüten Sie sich, das Vergnügen abzukürzen.«

»So würde die Schuld auf Ihre bezaubernden Reize fallen; allein, Sie werden auch mächtig genug sein, um wieder Kraft zu neuem Vergnügen einflößen zu können.«[218]

Wirklich fühlte ich auch, daß mich die wollüstige Wärme in ihrer Grotte dem Entscheidungspunkt schneller als gewöhnlich zuführte. Bald empfing meine Liebe eine reichliche Nektarergießung.

Sobald sie es gewahrte, schloß sie mich fest an sich, sog an meinen Lippen und bewegte ihre Augen schwärmerisch.

Seit langer Zeit hatte sich so süßer Wollusttaumel nicht meiner Sinne bemächtigt. War es die außerordentliche Liebenswürdigkeit meiner Marquise oder der schwelgerische Bau ihres Wollusttempels, der diesen außerordentlichen Genuß mir verschaffte? Ich weiß es nicht.

Mein Amor war auch nur leicht erschlafft, er erhielt sich in der Richtung und verließ den wonnigen Ort nicht, wo es ihm so wohl behagte.

Die Marquise bezeigte ihre Verwunderung darüber und ihre niedlichen und zärtlichen Liebkosungen hatten bald mein ganzes Feuer wieder angefacht.

»O, mein lieber H., solch Vergnügen hätte ich mir nicht versprochen.«

Unter sanften Küssen fing ich an, mich zu bewegen. Wie sie aber fühlte, daß mein Amor ganz geschickt zum Kampfe sei, so faßte sie meine Hinterbacken fest und bewegte sich heftig hin und her mit außerordentlicher Behendigkeit.

Ihr brechendes Auge, ihre hochrote Gesichtsfarbe, ihre bebenden Lippen, ihr zitternder Atem und die Zuckungen in allen ihren Muskeln verkündigten den Augenblick des hohen Gefühls.

Ich schob meine Hände unter ihre Hinterbacken,[219] spielte an der Spalte und suchte ihr Vergnügen so viel wie möglich zu vermehren.

Ihre Quelle floß, sie klammerte sich an meinen Hals und stockend bat sie mich, still zu ruhen. Unnennbares Vergnügen durchströmte alle meine Adern, wie ihr Wollustnektar so sanft über meinen Amor hinfloß.

Ich geriet außer mir, konnte nicht mehr ruhen und wir fingen mit vielem Eifer der Liebe schönstes Spiel wieder an. Die Göttin der Liebe begünstigte unsere Bemühungen, indem wir mit dem größten Entzücken zugleich den Wollustbecher leerten.

Wir kleideten uns an. Meine Marquise ließ mich fast nicht aus ihren Armen.

»Übermorgen will ich die Nacht in meinem petite maison zubringen, in der Vorstadt ***. O, Sie fahren gleich mit mir.«

Was petite maison in Paris ist, werden meine Leser wissen, und wie wir uns da vergnügt haben, sollen meine Leser hören.

Quelle:
Gustav Schilling: Die Denkwürdigkeiten des Herrn v. H., Paris 1966, S. 216-220.
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