Anmerkung zur Erläuterung der Geschichte

[110] Meine Leser werden es vielleicht nicht ungern sehen, wenn ich ihnen, ehe ich mich zu meinem Regiment verfüge, eine kurzgefaßte Erläuterung über meinen Vater und meine schöne Glossen gebe.

Die das Kapitel für überflüssig halten, mögen es nur gefälligst überschlagen.

Ich habe schon gesagt, mein Vater war der Letzte seines Stammes und der reichste Kavalier im Lande.

Sein erster Glaubensartikel war: liebe Gott und deinen Nächsten, und ein zweiter: der Mensch ist zum Vergnügen geschaffen, und aus diesen beiden formte er den ganzen Plan seines Lebens, als er auf seine Güter zurückkehrte.

In Ansehung seiner Liebe kennen ihn meine Leser: Er glaubte, wie der Mensch in allen Dingen der Veränderung unterworfen sei, so sei er es auch in der Liebe,[110] und angenommene Fesseln der Ehe störten den ersten Endzweck: das Vergnügen, wozu der Mensch geschaffen sei.

Die schöne Glossen war ebenfalls der Meinung meines Vaters in Anbetracht des Vergnügens. Sie war die einzige Tochter eines Edelmannes, der sie an ihren Mann verheiratete, starb und ihr ein mäßig schuldenfreies Gut hinterließ.

Sie besaß ungemein viel Talent und einen umfassenden Geist. Bald fand sie, daß ihr Gemahl nicht ihr Dasein ausfüllen könnte. Jugendliche Ausschweifungen hatten ihn schon in seinem dreißigsten Jahre einem abgemagerten Greise gleichgemacht. Wie wenig Befriedigung fand ihr feuriges Temperament!

Sie war eben zwanzig Jahre alt, als sie den Herrn v.B. kennenlernte und bald in seinen Armen fand, daß sie keine Ursache hatte, ihren Entschluß zu bereuen.

Herr v.B. blieb in einem Zweikampf; die Frau von Glossen betrauerte ihn in ihrem Herzen und suchte vier Jahre und fand keinen, mit dem sie, nach ihrer Vorstellung, das Vergnügen des Lebens genießen könnte.

Sie hatte mich lange beobachtet, beschloß endlich einen Versuch, und meine Leser wissen, wie.

Quelle:
Gustav Schilling: Die Denkwürdigkeiten des Herrn v. H., Paris 1966, S. 110-111.
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