Eine Festlichkeit

[107] Mein Vater langte mit seiner Lilla zeitig an. Ich führte ihn zur Glossen, er küßte sie lächelnd und sagte:

»Meine gnädige Frau, die unvermutete und geschwinde Reise ist Ihnen doch wohl bekommen? Sie müssen sich sehr früh aufgemacht haben, da Sie mir zuvorgekommen sind.«

Ohne etwas zu sagen, nahm sie meinen Vater und mich am Arm, führte uns in mein Schlafkabinett, zeigte aufs Bett.

»Verdenkst du mir's, alter Sybarit, daß ich mich diese Nacht hier in diesem Bette, in den Armen des schönsten Jünglings von meiner zehnstündigen geschwinden Reise erholt habe?«

Mein Gesicht ward mit Feuer übergössen und meine Augen brannten.[107]

v. H.: »Sehen Sie, schöne Frau, den guten Jungen reut es, weil Sie ihn verraten.«

Glossen (sie umarmte und küßte mich): »Nein, Lieber, es reut dich nicht; nicht wahr? Dieser alte Sybarit kennt das Angenehme des menschlichen Lebens, und sein Herz ist wohlwollend, als daß er jemandem das geringste Vergnügen mißgönnen sollte. Wäre er nicht so alt und ich nicht schon gebunden, er müßte mein Gemahl sein. Nicht wahr, lieber Alter, auch dann würdest du mir nicht die süße Umarmung eines liebenswürdigen Jünglings mißgönnen.«

v. H.: »Schäkerin, weißt du wohl, daß du Geheimnisse ausplauderst, die gewöhnliche Erziehung und Unterricht nicht verdauen können?«

Glossen: »Es wäre Mißgunst, deinem liebenswürdigen Sohn, der nur dein Sohn zu sein verdient, etwas zum Geheimnis zu machen, was ihm das geringste Vergnügen rauben könnte.«

v. H.: »Wenn du meinst, so nimm meinen Dank!«

Er küßte ihren Mund und ihre Milchhügel und entfernte sich mit den Worten:

»Karl, du hast gut gewählt.«

Glossen: »Haben Sie das, verschämter Jüngling?«

Ich: »Bei Gott! Sie haben mich außer Fassung gebracht.«

»Nun, so will ich dich solange küssen, bis du wieder deine Fassung erhältst.«

Und damit zog sie mich in mein Zimmer, warf mich aufs Sofa, küßte, kitzelte mich und brachte mich ganz in Feuer.

»Du glühst, Jüngling.«[108]

Sie schloß die Türe ab, löste meine Beinkleider; ich deckte ihren leichten Rock auf; sie schwang beide Schenkel um mich und – mit einer süßen Ohnmacht endete der Scherz.

Meine Gäste kamen nun nach und nach an; ich empfing sie und erntete ebensoviel Lobsprüche ein wie mein Vater, und besonders von zwei gnädigen Frauen, die ihre gnädigen Fräuleins mit sich hatten.

Die Gesellschaft bestand aus sechzehn Personen.

Wir setzten uns zur Tafel und die kleine Kapelle meines Vaters erheiterte durch eine angenehme Musik unsern Geist ebensosehr als der begeisternde Rebensaft. –

Um drei Uhr hörten wir die Dorfglocke läuten.

»Nun sind sie beisammen«, sagte mein Vater, »wollen Sie mir folgen?«

Sie folgten alle und wußten nicht wohin. Er führte uns auf den großen Gemeindeplatz im Dorfe. Alles war versammelt, von dem Ältesten bis zum Jüngsten.

Die Dorfmusik begann. Mein Vater eröffnete mit einem jungen Bauernmädchen den Tanz, wir folgten seinem Beispiele und vergnügten uns an der rohen ländlichen Freude.

Wie der Abend und die Nacht hingebracht wurden, mögen sich meine Leser nach Gefallen vorstellen, ich will sie wenigstens mit allgewöhnlichen Dingen nicht ermüden.

Den folgenden Morgen, nach eingenommenem Frühstück, verließ mich mein Besuch und nur mein Vater und meine Glossen blieben.

Es wurde der Plan für meine Zukunft entworfen.[109] Der alte Jonas bekam die Aufsicht über mein Gut. Ich sollte zu meinem Regimente, bei dem ich als Leutnant angestellt war. Kommendes Frühjahr wollte ich dann die Akademie besuchen und was so mehr war.

Mein Vater gab mir einen erfahrenen Menschen zum Bedienten und meine Reise ward nach acht Tagen festgesetzt.

Quelle:
Gustav Schilling: Die Denkwürdigkeiten des Herrn v. H., Paris 1966, S. 107-110.
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