Ehrenhalber geht es nicht anders

[123] Meine Leser kennen mich zu gut, als daß sie nicht vermuten sollten, daß ich nicht jungen und schönen Damen fleißig meine Aufwartung gemacht hätte. Anfangs wollte es nicht recht klappen, ich glaubte nirgends den Ersatz meiner Glossen zu finden, und wenn nicht mein Naturtrieb mich umgestimmt hätte, so würde ich noch lange ohne Liebschaft geblieben sein.

Ich kannte schon einige Zeit eine Frau v. F., ein schlankes Weib mit hellblauen Augen, die nur zu sehr ihre Neigung verrieten. Ich bemerkte bald, daß ich ihr nicht gleichgültig sei, beschloß mein Heil zu versuchen und versprach mir um so mehr Erfolg, weil ihr Herr Gemahl ein leidenschaftlicher Spieler und also selten zu Hause war.

Es traf sich, daß er in eine Gesellschaft kam, wo mehrere seinesgleichen wären, so daß ich also vermuten konnte, nachdem sie sich an den Spieltisch setzten, daß sie nicht sobald auseinander gehen würden, und ich beschloß daher, der Frau v. F. meine Aufwartung zu machen.[123]

Ich traf sie lesend an.

»Mein Herr v. H., wie widerfährt mir diese Ehre?«

»Gnädige Frau, ich habe mir schon längst das Glück gewünscht, konnte aber bisher gewisse Bedenklichkeiten –«

»Bedenklichkeiten? Inwiefern? Ein junger Mann von Ihrer Art, welche Bedenklichkeiten sollte er haben, einer Dame aufzuwarten?«

»So nennen Sie es Unerfahrenheit, Schüchternheit, fehlerhafte Erziehung –«

»Gegen alles das spricht Ihr lebhaftes Auge.«

Ich küßte ihre Hand, und sie erwiderte es mit sanftem Händedruck.

Ohne weitere Umschweife, meine Herren und Damen, nach einigen Präliminarien küßte ich nicht mehr ihre Hand, sondern ihren Mund, fand aber ihre Lippen rauh und unangenehm.

Meine Hand stahl sich in die Schnürbrust und fand – sie leer. Einen knöchernen Busen, unansehnliche Warzen an lappiger, unmerkbarer Erhöhung, verbarg ihr dichtes Florgewebe. Mein Entschluß reute mich. Ehrenhalber mußte ich doch nun das Spiel fortsetzen. Nach einiger Weigerung fuhr ich unter ihren Rock; kaum berührte meine Hand den welken Schenkel, so fiel sie mir wütig um den Hals, überströmte mein Gesicht mit Küssen und schaffte meiner Hand alle Bequemlichkeit.

Ich fand hartes, struppiges Haar, tief hängende Lefzen und eine überaus große Öffnung.

Die Frau brannte, sie riß meine Beinkleider auf, streckte sich aufs Kanapee und erwartete mich in völliger[124] Positur. Ich warf jetzt einen Blick auf ihren struppigen Wollustteil, er schien zu gähnen –

Ehrenhalber mußte ich wohl!

Ich expedierte mich kurz; sie schloß mich fest an sich.

»O, noch etwas für mich.«

Ehrenhalber mußte ich wohl!

Abgerechnet, daß alle Würze des Vergnügens, wohl das Vergnügen selbst wegfällt, wenn uns unser gutes Glück in die Arme eines solchen Frauenzimmers führt, so hat es auch noch das Unangenehme, daß man sich anstrengen muß und seine Kräfte erschöpft.

Ohnehin greift der Genuß in Kleidungsstücken mehr an und vermindert das Vergnügen, weil die Ausduftung der liebewarmen Körper sich nicht gehörig austreiben, mischen und mitteilen kann, welches doch hauptsächlich dazu erfordert wird, und nun nehme man noch einen Körper dazu, der nicht im geringsten reizt und wo die Einbildungskraft das meiste tun muß, weil man vermöge eines gewissen Ehrgeizes nicht abtreten will.

Es ist ein Verlust der Kräfte, der mehr erschöpft als unmäßiger Genuß bei einem schönen Körper.

Ich sage vielleicht noch etwas mehr davon in einem folgenden Kapitel.

Quelle:
Gustav Schilling: Die Denkwürdigkeiten des Herrn v. H., Paris 1966, S. 123-125.
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