Dritter Aufzug

[234] Nacht, gegen Morgen. Die Rouleaus sind heruntergelassen. Auf dem Tische steht, zwischen Arzneiflaschen, Wassergläsern, Weingläsern, einer Flasche Wein, einem Eiskübel usw. die brennende Lampe. Um die Glocke ist ein Stück Zeitungspapier gesteckt, das Licht zu dämpfen. – Rechts, im[234] Vordergrunde, an Stelle des Lehnstuhls, ein Bett parallel mit dem Hintergrunde aufgestellt. – Durch die Rouleaus dringt ein mattweißes Zwielicht ins Zimmer von dem langsam nahenden Tage.

Meister Oelze liegt im Bett, mit einer Wolldecke zugedeckt. Mit der Brust liegt er frei. Pauline sitzt beim Bette auf der Ofenbank. Rese sitzt beim Tische. Sie ist eingeschlafen. Meister Oelze liegt in einem unruhigen Schlummer, zuckt mit den Händen, zupft krampfig an der Bettdecke, bewegt die Lippen, dreht den Kopf, fängt an, undeutlich vor sich hin zu reden.


PAULINE erhebt sich leise und beugt sich, scharf und interessiert beobachtend, über Meister Oelze. In großer Aufregung, flüsternd. Hm! – 's wird alle! – 's wird ... Wirft Rese, den Finger am Munde, immer in der ersten Stellung, einen forschenden Blick zu, beugt sich dann wieder einen Augenblick über Meister Oelze; dann. Rese! Wartet, Rese beobachtend; dann noch einmal. Rese!!

RESE emporschreckend. He?!!

PAULINE. Du schläfst je ein?

RESE. Is e Umschlag ...

PAULINE. Nee! – E is jetzt ... Hm! – E is jetzt soweit – ruh'g!

RESE. Hach! – Ich – bin zu abgespannt!

PAULINE. Na ja! – Ich wollte dir eben sagen: leg dich doch e bißchen hin?

RESE müde. I, du mußt's je eegentlich neet'ger hamm wie ich. Pauline! – Du bist je de ganze Zeit nich von 'm weggekomm'.

PAULINE. Geh nur! – Leg dich e paar Stunden hin! – 'n Tag iwwer haste nachher genung in der Wirtschaft ... Unterbricht sich, nach Meister Oelze hinhorchend ... genung zu tun! – Geh!

RESE erhebt sich schwerfällig. Du hast 'ne Natur, Pauline? – Nerven haste doch wie von Eisen! – Aufs Fenster zu. Ob[235] mersch Fenster e bißchen ufmachen? – 's is so 'ne dumpfe Luft hinne!

PAULINE. Gewiß? – Was soll denn das schaden? Vom Bett her mit leichter Ungeduld. Awwer das kann ich je alles alleene machen! Leg dich nur schlafen!

RESE. Na laß nur! Zieht ein Rouleau auf und öffnet einen Fensterflügel. Ach die hibsche, frische Luft! – Un der Himmel so klar! – 's gibt e pracht voll'n Tag heite! Lehnt sich einen Augenblick zum Fenster hinaus. Von weitem das Nachtwächterhorn mit einem langgezogenen, hellen Ton, der sich nähert, und, stärker werdend, mehrmals wiederholt. Rese tritt wieder zurück. Alles stille draußen! – Wie ausgestorb'n! – Ins Zimmer zurück. Brrr! – Mich iwwerleeft's! – Das is Iwwerreizung! – Mer is je das gar nich gewohnt, das lange Aufbleiben!

PAULINE. Na ja! Drum leg dich nur e paar Stunden hin!

RESE tritt ans Fußende des Bettes. 's is mer doch – eigen, daß e ... daß e nu – Schürzenzipfel am Auge – ... fort soll! ...

PAULINE ungeduldig. Na Gott! – Hm! – 's kömmt dir doch wenigstens nich ganz unverhofft!

RESE. Äh, wenn ooch! – Gucke! – Gucke mal! Wie e immer schon so an der Bettdecke zuppt! Beunruhigt. Un ... un ... wie de – Brust geht?! – das – fliegt alles nur so! ... Un als wenn's drinne kochte! ... Heerste? – Un die Oogen – Wie die sich immer so drehn! – Du! – Wenn nur ... 's wäre am Ende doch gut, wenn ich bliebe!

PAULINE wie vorhin. I, das is es Fieber! – Das hat weiter nischt zu bedeiten! – Das is gar nich gesagt, daß es so rasch mit 'm kömmt! – Deshalb kannste dich ruh'g enne Weile hinlegen! – E kann's noch bis zum Abend machen!

RESE. Ach Gott ja, Pauline! Wenn e nu schon eemal fort muß: wenn e sich denn doch nur nich noch so zu quäl'n brauchte! – 's is mer allemal wenn e so nach Luft ringt un ampelt, als ob sich mir alle Eingeweide umkehrten, als ob 'ch selber erstickte! – Wenn's der liebe Gott doch nur[236] nich mehr so lange währ'n läßt! Pause. Beide beobachten. Du! 's is doch merkwird'g: e hat dich doch immer um sich rum hamm woll'n! E hat dich doch gerne gehabt, siehste!

PAULINE lacht. Na ja.

RESE. Na, 's is wahr!

PAULINE. Ja, ja! – Awwer nu leg dich nur hin!

RESE gähnt. Na ... denn – ja! – E Weilchen! – Wenn was is, denn kannste mich je rufen!

PAULINE. Ja, ja.

RESE. Wie e egal vor sich hinred't! – Ach Gott! – Ich gloobe nich, daß 'ch wer'e schlafen könn'! Kramt noch auf dem Tisch umher. Wie is denn mit e Umschlage?

PAULINE. Äh, woll'n jetzt nich steer'n! – Geh nur!

RESE. Na denn – so lange ... Hach ja!


Ab.

Pauline bleibt noch eine Weile über Meister Oelze gebeugt, erhebt sich dann, tut ein paar Schritte ins Zimmer, reckt sich, stöhnt und tritt ans Fenster.

Meister Oelze wendet sich im Schlummer, klappt mit der Hand auf die Decke und schwatzt vor sich hin. Pauline wendet sich schnell, geht wieder eilig zum Bett hin und beobachtet Meister Oelze.


MEISTER OELZE im Schlaf, mit hastiger, fiebernder Stimme. Emil! – Emil! – Fix, jag doch e'mal das Gespenste weg!

PAULINE leise an ihren alten Platz zurück, beugt sich zum Bette hin.

MEISTER OELZE. Jag's weg! – Jag's weg! – Das is – das is – der Vater ... Wer ... wer hat denn ... wer hat denn die – Schteene uf mich gelegt!! – Pauline, nimm se weg!! – Nich, nich, nich uf mich fall'n!! – Du bist so – schwer! – So heeß!! – Soo – heeß!! – Du brennst mir alle – Luft aus!!


Stöhnt laut.


RESE tritt geräuschlos, in der einen Hand ein Tellerchen mit einem Glas Glühwein, in der andern die Holzpantoffeln, ins Zimmer. Pauline! – Ich ...[237]

PAULINE ärgerlich, mit einer ungeduldigen Wendung zur Tür hin. Was willst 'enn?!! – Da leg dich doch hin!!

RESE. Ich hawwe dir wenigstens e Glas Gliehwein gemacht?!

PAULINE. Äh, stell's hin!

RESE. Ich will's hier neben dich uf de Ofenbank stell'n!

PAULINE. Gut, gut!

MEISTER OELZE wie vorhin. Das is e Aas ... das is e Weib ... Hähä!

RESE am Bette. E spricht widder im Schlafe.

PAULINE verdrießlich. Äh!

MEISTER OELZE. Ach, de Schteene! – Die Schteene!! – Die Last ...


Stöhnt.


RESE mit bebender Stimme. Armer Franz! Schürze an der Nase. Ach, 's is zu schrecklich. Pauline!

PAULINE ungeduldig. Ja, ja! – Leg dich nur hin! – Ich will schon mit 'm fert'g wer'n! – Du hast nich lange Zeit zum Schlafen. – Mer hamm balde Tag!

RESE. Na denn ... Laß nur nich kalt wer'n?


Auf den Zehen ab.


PAULINE beugt sich wieder gegen Meister Oelze hin. Dann lehnt sie sich zurück, reckt die geballten Hände nach den Seiten, stöhnt auf in Ermüdung und Aufregung. Aach! – Aach!


Meister Oelze wird wieder unruhig. Schwatzt schnell vor sich hin. Lacht. Pauline wieder gegen ihn vor.


MEISTER OELZE. Ja ... Ich ... Ich muß, ich muß – ich muß es 'r sagen, Emil ... Stöhnt gequält; wirft sich herum. Ich muß je doch ... Nee nee nee ... Nee – Weene doch nich, mein Sohn ... Kee Wort sag 'ch ... Kee Wort ... Bis' stille ... Paster sollste wer'n ... Hähä! – Paster ... Laß se ... Die sagt keen' was ... Die is verrickt ... Hähä! – Alles soll deine ... Alles ... Hähä! – Na? ... Na??!! ... Du – bist von Feier!! – ... Was hauchst 'enn mich an?! ... Nich, du – du Aas – Du ... Nich!! – Weg!! –[238] Du – verbrennst mich!!! – Luft!!! – Wer bohrt mir denn das glieh'nde – Eisen – in de – Brust?!! – Luft!!! – Luft!!! – Stöhnt, wirft sich herum.

PAULINE schnell zurück.

MEISTER OELZE wirft sich in die Höhe, wird wach; ängstlich. Keener – da?!

PAULINE ein wenig vor. Ich, Franz.

MEISTER OELZE. Pauline?

PAULINE. Ja. – Kanst mich denn nich erkenn'? Hm?

MEISTER OELZE mühsam, ängstlich. Wo – is denn – Rese ...

PAULINE. Se hat sich e bißchen hingelegt. Ich bin ganz alleene da.

MEISTER OELZE. Was ... Was willst 'enn von mir?

PAULINE. Dich pflegen, Franz?

MEISTER OELZE. Du? – Mich pflegen? – Hähä! – Ängstlich. Was ... Was is denn das – Helle iwwer mir?!

PAULINE. Der Vater!

MEISTER OELZE. Nimm's weg! – ' s sieht aus – als wenn – sich eener – gehenkt hat ...

PAULINE nimmt das Bild fort.

MEISTER OELZE. Is noch – weit bis zum – Tage?

PAULINE. 's is gegen Morgen!

MEISTER OELZE stöhnt; wieder unruhig. Mach 's Fenster uf! – 's is – so stick'g!! ...

PAULINE. 's is je auf. – 's kömmt zuviel kalte Nachtluft rein!

MEISTER OELZE. Noch eens!

PAULINE geht und öffnet noch ein Fenster.

MEISTER OELZE. Weit! – Weit! –

PAULINE. So! – Kommt zurück.

MEISTER OELZE. Nich – so nah! ... 's wird mer – so – enge! ...

PAULINE rückt herum auf die Ecke der Ofenbank; sitzt stumm.[239]

MEISTER OELZE. Haww ich was gesprochen?

PAULINE. Ja.

MEISTER OELZE. Was denn?

PAULINE. Ach ...

MEISTER OELZE. Was denn!

PAULINE nach einer Weile. Alles durchenander! – Mer konnt es – nich versteh'n!

MEISTER OELZE. Du lügst!

PAULINE ihn ansehend. Awwer – – nee!

MEISTER OELZE. Weibsvolk ... Liegt eine Weile still. Trinken ...

PAULINE. Mal Wein?

MEISTER OELZE. Trinken! – Trinken! –

PAULINE holt ein Glas Wein vom Tische. Da!

MEISTER OELZE. Rück mich – hoch ...

PAULINE. Ja! – Warte!

MEISTER OELZE. – Du traust mich – wohl nich – anzufassen? – Hähä ...

PAULINE. Ach gar!


Rückt ihn mit dem Kopfkissen höher.


MEISTER OELZE beobachtet sie. Als hätt 'ch Gift – an mir – hä? – Hähä ...

PAULINE. Trink doch, Franz?

MEISTER OELZE. Hähä ...


Trinkt.


PAULINE läßt ihn wieder zurücksinken. Zeig mal? – Äh! – Mer – missen 'n frischen Umschlag ufleg'n! Entfernt den alten Umschlag. Hu, der glieht! – Du hast Fieber!

MEISTER OELZE mühsam. Faß 'n mit – zwee Fingern ... Ich hamm – uf 'm Leibe gehabt ... hähä ...

PAULINE am Tische, den neuen Umschlag in den Kübel auswringend. Du tust je, als ob 'ch mich vor dir ekelte, Franz!

MEISTER OELZE. Hähä. – Das – is ooch ...

PAULINE kommt mit dem Umschlag. Komm! Legt ihn auf seine Brust.

MEISTER OELZE. Wisch dir – de Hände – ab ... Hähä ... 's is – Gift dran ...[240]

PAULINE. Ach, du solltest nich so viel sprechen, Franz!


Setzt sich.


MEISTER OELZE. M!


Pause.


MEISTER OELZE. Is – der Dokter – dagewesen ...

PAULINE. Nee! – 's is je noch in der Nacht?

MEISTER OELZE sich besinnend. Ach ja.


Pause.


MEISTER OELZE. Was – hat e denn – gesagt – gestern ...

PAULINE. De weeßt je.

MEISTER OELZE. Äh! – E hat noch – mit eich – gesprochen ...

PAULINE. Mit uns?

MEISTER OELZE ungeduldig. Ich haww es – gesehn ... Was hat e denn – gesagt ...

PAULINE. I.

MEISTER OELZE. Du wirst's mir doch – nich ver – heimlichen woll'n? – Hähä. –

PAULINE. Gott, Franz! Was soll e denn weiter gesagt hamm?

MEISTER OELZE. Ich muß – sterb'n?


Pause.


PAULINE ernst, hart. Ja, Franz!


Pause.


MEISTER OELZE. Rück mich – heeher ...

PAULINE. So!


Pause.


MEISTER OELZE. Heite noch?

PAULINE. Ja.


Pause.


MEISTER OELZE sehr unruhig. Ja. – Das stimmt – Ich fiehl es. – Keene – Stunde – mehr ... Eine Weile still. Na? – Nu hast es je so weit? – Du – hast mich kaputt gemacht ...

PAULINE bleibt stumm.[241]

MEISTER OELZE. Geh weg!! – Geh!!

PAULINE erhebt sich langsam. Ich will dir Resen schicken. Tut zögernd ein paar Schritte auf die Tür zu.

MEISTER OELZE, bemüht sich aufzurichten, ängstlich. Du willst – weg?! Nee, nee ... Bleib! –

PAULINE bleibt, wie zweifelnd, stehn.

MEISTER OELZE, der wieder zurückgesunken ist. Nich – alleene lassen ... Komm – widder – her ...

PAULINE geht zu ihrem Platz zurück.

MEISTER OELZE. Erst – vorbei ... Vorbei ... Nachher – is es – aus ... Nachher – bin ich – Dreck ... Aaaach!! ...

PAULINE zu ihm hin. Drickt dich was, Franz? – Hm?

MEISTER OELZE ängstlich. Was ... Was – willst 'enn – von mir?! – Rese! – Rese! –

PAULINE. Haste denn Angst vor mir, Franz? – Ich tu dir nischt, Franz. – Was de an mir getan hast un an mein'm Bruder, trag ich dir nich bis hierher nach! – Der liebe Gott hat uns je ooch so nich ganz un gar im Stiche gelassen. – Drickt dich das etwa, Franz?

MEISTER OELZE ängstlich. Nich ... Nich so – nah! ... Nich so – nah! ...

PAULINE. Soll'n mer etwa zum Paster schicken, Franz?

MEISTER OELZE. Warum denn? Warum denn? – Hähä! –

PAULINE. Ich dachte, 's wäre dir enne Erleicht'rung, wenn de 's heilige Abendmahl noch e'mal nähmst?

MEISTER OELZE. Unsinn ...


Pause.


PAULINE. Oder is es etwa wegen der Mutter, Franz? – Wie's e Sohne geziemt, haste se je freilich nich immer behandelt in ihr'n alten Tagen ...

MEISTER OELZE starrt vor sich hin; fiebernd. Stille mal! – Merkste nich?! – Der – Tod is hinne!! – Wirft sich in die Höhe.[242]

PAULINE. Wer is hinne, Franz? – Du phantasierst je!

MEISTER OELZE. Ja, ja ... Nich ... Nich – phantasier'n! ... Hastig. Pauline!

PAULINE zu ihm hin. Hm?

MEISTER OELZE. Pauline! – Komm ... Komm mal – her ...

PAULINE näher. Na, Franz?

MEISTER OELZE. Pauline ...

PAULINE mit zitternder Stimme. Hm? Willste mir – was anvertraun, Franz?

MEISTER OELZE hastig. Ja! – Ja! ... H!! – Luft!! – Luft!! – Ganz – dichte – ran ... So! – Soo! – Pauline! – Ich – muß dir was – sagen ... Fiebernd. He! – He! – Tu mir nischt! – Geh mal weg, du da driww'n! – Ich ... Ich muß das doch – erscht – los – wer'n – die – Schteene ... Ich muß doch ... Hähä! – Hähä! – M! – Nich – phantasiern!! ... Hastig. Pauline!! – Pauline!! – Rasch! – Fix! – Ich ... Ich – ha – be ... – Beobachtet sie scharf und mißtrauisch. Was ... Was machst 'enn fer – Oogen??!

PAULINE seufzt ungeduldig. Gott, Franz! – Was soll ich denn nur fer Oogen machen?

MEISTER OELZE. Solche – gierigen – Oogen ...

PAULINE. Ach ... Awwer Franz! ...

MEISTER OELZE. Du bist – enne – Kanallje!!

PAULINE lehnt sich, aufseufzend die Stirn runzelnd, zurück.

MEISTER OELZE. Fort! – Fort! –

PAULINE steht auf und geht nach dem Hintergrunde zu, so daß ihm ihr Anblick durch den Ofen entzogen wird.

MEISTER OELZE in größter Unruhe. Du! – Gott! ... Du! – Gott! ... Vergib mir! Vergib mir! ... Was haww ich gesagt? ... Hähä! ... Quatsch! – Quatsch! – Hähä! – Aaah!! – Aaah!! – Kanallje! – Wie weinend. Kanallje!! – Liegt still; lacht plötzlich wie über einen Einfall. Pauline? – Pauline?! –

PAULINE wieder auf ihn zu. Ja?[243]

MEISTER OELZE. Komm doch – her ...

PAULINE setzt sich wieder zu ihm. Hm?

MEISTER OELZE. Ganz nahe ...

PAULINE beugt sich zu ihm hin.

MEISTER OELZE ironisch. Na? – Na? – Hähä! – Hähä! – Hä! Langsam, in seinem alten, ironischen Ton. Du kannst widder gehn.

PAULINE rückt wieder von ihm ab, auf die Ecke der Ofenbank.

MEISTER OELZE. Hähä! – Angefiehrt haww ich dich? – Was denkst 'enn, das ich dir – sagen soll?

PAULINE lacht. Na siehste, Franz? – 's is am Ende noch gar nich so schlimm! – Wenn de noch Späßchen machen kannst?

MEISTER OELZE unruhig; wieder wie im Fieber hin und her; stöhnt, dann. Pauline? – Komm doch – noch e'mal – her ...

PAULINE wieder dicht zu ihm hin. Nu?

MEISTER OELZE. Ganz dichte ...

PAULINE. Na so!

MEISTER OELZE. Gib mir mal – deine – Hand ...

PAULINE reicht ihm die Hand hin. Na?

MEISTER OELZE kratzt ihr über die Hand.

PAULINE zieht rasch die Hand weg, besieht sie, lacht. Nu gucke?! – Du hast mich je gekratzt, Franz?! – Na so was! – E langer, roter Riß! – Iwwer de ganze Hand weg! – Das macht, weil deine Nägel so lange nich beschnitten sin! – Hehe! – Nee awwer so was?! – Ich hätte gar nich gedacht, daß de noch soviel Kraft hast? – 's tut orndlich weh? – Hehe!

MEISTER OELZE mühsam. Wenn ich – mehr Kraft – hätte ... hätt ich dich mit 'm – Messer gestochen! ...

PAULINE lachend. Ja, das gloob ich, daß du solche Geschichten machst, in dein' – Fieber! Hehe![244]

MEISTER OELZE. Kanallje!

PAULINE erhebt sich. Na, Franz! Ich will awwer doch lieber gehn un will dir Resen herrufen!

MEISTER OELZE aus seiner Fieberunruhe, ängstlich. Willste – naus?!

PAULINE. Ja, Franz! – De regst dich am Ende doch zu sehr iwwer mich uff!

MEISTER OELZE wie vorhin. Nee! – Nee! – Bleib!!

PAULINE. Ich bin wirklich ooch zu – marode! Se kann mich e bißchen ableesen!

MEISTER OELZE mit gesteigerter Unruhe. Nee! – Bleib! – Bleib!! –

PAULINE setzt sich langsam, ihm abgewandt, wieder auf die Ofenbank. Nach einer Pause. Acht Tage lang haww ich kee Ooge zugetan.

MEISTER OELZE ruhiger. Geh nich – weg von mir ...

PAULINE. Na siehste, Franz! Un doch biste immer so zu mir! Ernst. Schimpfst uf mich, uf dein' Totenbette noch! – Un mer meent's je doch nur gut mit dir?

MEISTER OELZE. Ja, ja ... Nich – weggehn ...

PAULINE. Na? – Nich wahr? – Warum woll'n mer denn ooch jetzt noch so zu enander sin? Gelte Franz?

MEISTER OELZE. Pau – li – ne ...

PAULINE. Na? – Hm?

MEISTER OELZE hastig, fiebernd. Was ... Was geht denn da am Fenster hin?!

PAULINE. Am Fenster? – Wo denn? – Nischt! Ich sehe nischt, Franz!

MEISTER OELZE. 's hat so e langen, weißen Bart!

PAULINE. Wo denn? Das da am Fenster?

MEISTER OELZE schnell, ängstlich. Ja, ja.

PAULINE. Ach, das is je bloß ... Zögert, dann geheimnisvoll. Ja! Das is der Vater, Franz!

MEISTER OELZE wie vorhin. Ja, ja! Der Vater ... Komm doch her zu mir. Pauline? – E will je ... In höchster Angst. Nee!! – Nee!![245]

PAULINE, sich zu ihm hinbeugend. Nee, nee! Bis' nur ruh'g! E darf d'r nischt tun!

MEISTER OELZE, sich gegen sie drängend. Gucke doch?! – Gucke doch?!

PAULINE in der vorigen Stellung, flüsternd, geheimnisvoll. Ja, ja!

MEISTER OELZE. Du! – Ich weeß, was e von mir will?

PAULINE erregt. Hm? – Was – will e denn von dir, Franz? – Hm?

MEISTER OELZE. Weeßte denn nich! – De derfst's awwer keen' sagen! – Ich hamm 'n je ... Hehe! ... Ich ... Ich hamm 'n je ... Hehe! ... Hehe! ...

PAULINE wie vorhin. Hm? – Was – haste, Franz?

MEISTER OELZE laut, angstvoll. Du! – E – kömmt!!!

PAULINE. Nee, nee! Nach dem Fenster hin. Husch! Husch! Geh mal weg, du! – Sag e'mal, Franz! Was haste?


Pause.


MEISTER OELZE. Nee, das da – is je bloß – de Gardine.

PAULINE lehnt sich ungeduldig zurück.


Pause.


MEISTER OELZE gequält. Ach Pauline!

PAULINE. Hm? Na, was haste denn! Sprich dich aus, Franz!

MEISTER OELZE. Ja. – Ja. – Ich will dir alles ... Ricke mich doch – e bißchen – heeher ...

PAULINE ihm behilflich. Ja! – Komm! – So!


Pause.


MEISTER OELZE mühsam. Ich ...


Pause.


PAULINE beugt sich gegen ihn vor. Na? Sag's mir, Franz! – Erleichtre dich!


Pause.


MEISTER OELZE. Ich ... Zögert. Dann, langsam, leise. Emil ... Wendet sich unruhig, stöhnt tief und gequält auf, dann hastig. Hole mer Emiln her! –[246]

PAULINE zurück, mit unterdrückter Wut. Der schleeft ja awwer noch?

MEISTER OELZE laut verzweifelt. Weck 'n! Weck 'n!! – Fix! – Geh!


Pauline steht auf, stöhnt, ballt die Fäuste unter ihrer Schürze. Geht. Meister Oelze liegt im Fieber. Stöhnt usw. Draußen auf der Gasse Räderknarren, Peitschenknallen, Rufe eines Fuhrknechtes. – Heller, bäuerlicher Gesang von Weiber- und Kinderstimmen, unterbrochen von hellem Kreischen.


»Des Morgens in der Frühe,

Lalala, lalala!

Da weiden wir die Kühe,

Lalala, lalala!

Wenn summend aus den Zellen

Die Bien' ins Freie fliegt,

Und auf den Ährenwellen

Das Morgenrot sich wiegt!

Lalala, lalala!

Lalala, lala lala!«


Der Gesang nähert und entfernt sich.


MEISTER OELZE während des Gesanges, im Fieber. Nee, Emil ... Keener soll dich verachten ... Da! – Da is e je widder?! – Hähä! – Rafft sich auf, packt das Taschentuch, das vor ihm liegt und wirft es vor sich hin, als ob er jemand treffen wollte. Weg, du alter Hundsfott!! – Du bist je tot?! – Hähä! – Du bist je Dreck?! – Du bist je bloß enne Gardine?! Sinkt zurück. Du ... Du willst hier – spuken gehn? ... Hähä! – Hähä! –

PAULINE kommt zurück. E kömmt gleich!

MEISTER OELZE im Fieber. Wer – kömmt denn da?!

PAULINE. Ich, Franz! – Emil kömmt gleich!

MEISTER OELZE. Emil! – Emil! – Ja, E-mil ... Ruhiger. Was – is denn – da ...[247]

PAULINE. Ach, das sin bloß de Rübenzieher vom Amte! Die fahr'n naus ins Feld! – 's wird Tag!

MEISTER OELZE. Kömmt e noch nich?

PAULINE. E muß jeden Augenblick komm'! Geht zur Tür und sieht, wartend, eine Weile hinaus. Jetzt kömmt e!


Emil tritt ein, mit Rese. Er ist nur mit Hose und Jackett bekleidet. Zittert, fröstelt, weint.


RESE weinerlich. Nich wein', Emil! – Das regt 'n Vater uf! – Mache dich stramm, mei Sohn!

MEISTER OELZE. Emil!

EMIL befangen zu ihm ans Bett tretend. Guten Morgen, Vater!

MEISTER OELZE lacht. Komm her, mei – Sohn ...

EMIL tritt näher.

MEISTER OELZE. Hier – ganz, ganz – nahe ... Gib mir – deine Hand ... So! – So, so, sooo ...


Liegt eine Weile still.


RESE UND PAULINE halten sich im Hintergrunde. Rese spricht auf Pauline ein, die verdrossen und finster dasteht, ohne zu antworten.

MEISTER OELZE. Mache mir – hier oben – 'n Hemdknopp uf ...

EMIL tut's.

MEISTER OELZE. D – dei – ne – Hand ... So, so ... sooo ... Nich – weggehn ... Halb in die Höhe. Tiere uf!! – Tiere uf!!

EMIL ängstlich. Se is je auf, Vater?

MEISTER OELZE beruhigter, zurück. Auf ... Ja ... Hehe – Emil ... Liegt eine Weile still, Emils Hand haltend. Haww ich – deine – Zensur schon – unterschrieben? ...

EMIL. Nee, Vater.

MEISTER OELZE. Hole se – mal – her ...

EMIL zögernd. Awwer das hat je noch Zeit, Vater?[248]

RESE tritt vor. Das kann ich am Ende ooch, Franz? – Das strengt dich jetzt so an?

MEISTER OELZE. Hole de – Zensur ...

EMIL geht hinter zum Schrank, kramt dort, und kommt dann mit der Zensur zurück.

MEISTER OELZE. Lies ...

EMIL. Vorlesen?

MEISTER OELZE. Ja.

EMIL liest. Betragen: Gut. Fleiß und Aufmerksamkeit: Gut. Leistungen. Latein: Sehr gut.

MEISTER OELZE. Hähä ... Weiter ...

EMIL. Griechisch: Gut. Französisch: Gut. Deutsch ... Stockt. Deutsch: Nicht ausreichend. – Das is ... Das is aber bloß ... Unser Lehrer im Deutschen hat ...

MEISTER OELZE. Weiter ...

EMIL. Mathematik: Gut. Geschichte und Geographie: Recht befriedigend. Rel ... Religion ...

MEISTER OELZE. Na?

EMIL. Ziemlich ... Ziemlich befriedigend ...


Hustet.


MEISTER OELZE. Hähä ...

EMIL. Physik: Gut. Zeichnen: Befriedigend. Singen: Befriedigend. Turnen: Gut. Besondre Bemerkungen: Oelze ist als Zweiter nach der Obertertia versetzt.

MEISTER OELZE. Scheene ... Scheene ... Hähä! Streichelt Emils Hand. ... 'ne Fe – der ...

RESE. Laß Emil! Ich will hol'n! Holt Feder, Tinte und eine Unterlage. So! – Hier! – Ich wer'e halten! Hält die Unterlage.


Emil taucht ein und gibt Meister Oelze die Feder.


MEISTER OELZE. Hand fiehr'n ...

EMIL führt ihm die Hand.

MEISTER OELZE. Nimm weg ... Bleib – fleiß'g ... Wie lange – gehste denn noch – uf de – Schule ...[249]

EMIL. Fünf Jahre.

MEISTER OELZE. Fünf Jahre ... Liegt eine Weile still. 's wird – dunkel ... Das is – weil's – Regen gibt ...

RESE zu Pauline. Ach Gott, ach Gott! – Das is schon de Angst, Pauline!


Pauline bleibt stumm.


MEISTER OELZE. Was – habt 'r denn da – zu tuscheln ...

RESE. Nischt! – Nischt weiter, Franz! ...

MEISTER OELZE. Wasser ...

RESE bringt's, hebt ihn, daß er trinken kann.

MEISTER OELZE. Das Wasser is – schwarz ...

RESE. I nee, Franz? – 's is scheenes, klares Wasser!

MEISTER OELZE. Schwarz is es ... Weg dermit ... Macht eine Schwenkung, als wollte er aufstehn. So! – Na! – Nu kann ich je gehn?

RESE nähertretend. Was willste, Franz? Gehn?

MEISTER OELZE. Jawohl! – Laß mich e'mal! – Halte mich e'mal nich uf! – Mein' Rock! – Meine Hose! – Ich muß fort! Ihr habt e Komplott gegen mich gemacht! – Jawohl! – Ihr wollt mich ooch vergiften! – Na?! – Na?! – Da habt 'r je ooch widder den Alten?! – Hehe! – Ich – will – fort! –

PAULINE tritt zum Bette.

MEISTER OELZE. Was steht 'r denn da alle so dichte um mich rum?! – Ihr wollt mich totmachen! – Ihr wollt mich vergiften! – Ihr habt mir de Brust eingedrickt! –

EMIL legt seinen Arm um ihn, weinend. Vater!

MEISTER OELZE ruhiger. Hä?! – Emil ... B – Bleib bei mir, mei' Sohn ... Bis' nur – stille ... Ich sage doch nischt ... Hähä! – Awwer morgen frieh tun mer 'r Gift in Kaffee ... Hehe! ... Nu gucke nur? Da hamm se je den alten Spitzbub'n widder reingelassen? Schauernd. Gucke, wie e 's ganze Licht dunkel macht?! – Ein wenig in die[250] Höhe, nach dem Fenster zu. Unsinn! – Ich phantasiere je! – Ich – will nicht phantasieren!! Ängstlich. Sonst sag ich's je, Emil? – Deine Hand! – So, so, sooo ... Weinerlich. Nee, nee! Du mußt doch uf de Polizei gehn, Emil! Gucke doch, jetzt will e je sich mir uf de Brust setzen?! ...

EMIL weint. Vaterchen! – Vaterchen!

MEISTER OELZE. Ja, mei Sohn! – Bis' stille ... stille ...

RESE. Wring doch e'mal e Umschlag aus. Pauline? – Ich will 'm Troppen eingießen. Beide zum Tische. Rese macht sich dabei, die Arznei in den Teelöffel zu gießen. 's könn' wohl ruh'g funfz'n sin ...

PAULINE unwirsch. Gib nur her! De kriegst je keen Troppen aus der Flasche.

RESE gibt ihr Flasche und Löffel. Ja. Meine Hände zittern so.

PAULINE. Gib!


Gießt die Arznei ein.


RESE stützt sich einen Augenblick gegen den Tisch. Hach Gott! Wringt den Umschlag in den Eisbehälter aus.


Pauline geht mit der Arznei zum Bette.


MEISTER OELZE. Is – das da – Pau – line ...

EMIL. Ja, Vater. De Tante.

MEISTER OELZE. Was will denn die?! – Du, was hat se denn da, Emil?!

PAULINE finster. 's is de Arzenei!

MEISTER OELZE. Weg – mit – dir ...

EMIL. Zeig, Tante! Ich will se 'm geb'n!

PAULINE gibt ihm den Löffel.

EMIL. Vater! Komm! Arznei! – Daß de widder gesund wirst!

MEISTER OELZE. Ja, Emil ...


Emil gibt ihm die Arznei. Pauline trägt den Löffel zum Tisch zurück.


RESE. So! – Nu komm, Franz! – Hier is noch e Umschlag!

MEISTER OELZE. Mir hilft kee Umschlag ...[251]

RESE legt ihm mit Emils Hilfe den frischen Umschlag auf. I gar Franz! – So! – Nu wird dir gleich besser wer'n!

MEISTER OELZE sinkt erschöpft zurück.


Pause.


RESE vom Bett weg, nach dem Tische hin. E wird matt! – 's geht zu Ende! Läßt sich am Tische nieder. Ach, mir zittern de Beene unterm Leibe!

EMIL schleicht sich vom Bett weg, zu Rese hin. Mutter! Der Vater stirbt?

RESE. Ja, mei Sohn! Weinerlich. Nu haste bald keen' Vater mehr!


Emil weint. Stellt sich an das Fußende des Bettes.


PAULINE finster. Stille doch! – Wenn e 's merkt!

RESE tritt zum Fenster. Ach, mir is selber als ob 'ch erstickte!

EMIL vom Bett weg. Mich friert.

RESE. Knöpp dir 's Jackett zu, daß de dich nich erkältst, Emil!

EMIL setzt sich an den Tisch.

PAULINE im Hintergrunde auf und ab.

RESE. Da hinten wird's helle in der Gasse! Kommt zurück. Du hast je dein Gliehwein nich getrunken. Pauline?

PAULINE kurz. Nee.

RESE. Na, nu is e kalt. Am Bette. Wie e daliegt! – Wie de Brust geht! – E hat so e schwer'n Tod! – Ich weeß, wie de Hilsen starb. Die starb so sanfte. Die is richt'g eingeschlafen. Nachmittag mußte se ihr Mann aus 'm Bette ufs Sofa tragen un da frug se, wie späte 's war. Um zwee, sagt ihr Mann. »I du lieber Gott, un schon so dunkel«, sagte se noch so, un nach e paar Minuten war se eingeschlafen! – Wie e zuckt?! – Der ganze Körper!


Pause.


RESE. E streckt sich so?!

EMIL. Mutter! Derf ich mal Wein trinken?

RESE. Ja, trink! Das wärmt!

EMIL trinkt, stützt dann den Kopf.[252]

RESE. Hach Gott! Gähnt. Geht dann wieder zum Fenster. Den Wein draußen muß Patschke ooch mal beschneiden. Der dunkelt so. – Ob mer Patschken noch e'mal zum Dokter schicken?

PAULINE kurz. Was soll denn der noch machen!

RESE. Ja, 's is wahr. – 's hat wohl keen' Zweck mehr. – Hach ja! – Emil schläft ein! – Hach meine Oogen brenn' wie Feier!


Pause.


MEISTER OELZE. Heeher ...

RESE schnell zum Bette. Ja, Franz! – Komm! – So! Nimmt ihm den Oberkörper hoch.

MEISTER OELZE krampft mit den Fingern vor sich hin in die Decke, bewegt den Kopf hin und her. Ich – will nich – sterb'n ...

MATT. Laß – mich – raus ...

RESE leise, erregt. Pauline!

PAULINE tritt zum Bett.

RESE. Da!


Pauline nickt.


MEISTER OELZE. Die – da – fort ... – ihr – schwimmt – weg ...


Pause.


MEISTER OELZE. E – mil ...

RESE ihn fortwährend emporhaltend. Pauline! Weck 'n doch mal!

PAULINE zu Emil tretend. Emil!

EMIL im Schlaf. Ja!

PAULINE ihn am Arm rüttelnd. Wach auf!

EMIL erwacht. Au! – du – kneifst mich je?!!

PAULINE. Du sollst zum Vater komm'!


Emil sieht sie einen Augenblick, den Arm reibend, schlaftrunken an, geht dann zum Bett.
[253]

MEISTER OELZE. E – mil ...

RESE das Weinen unterdrückend. Hier, Franz, is Emil!


Meister Oelze wendet den Kopf zu ihm hin, seine Hand tastet nach ihm.


RESE. E will deine Hand, Emil.


Emil nimmt leise weinend seine Hand.


MEISTER OELZE. So ... Soo ... Pas – ter ...


Haucht aus.

Pauline steht beim Bette, beobachtend vorgebeugt.


RESE erhebt sich, läßt den Toten langsam zurücksinken. 's is aus! Der liebe Gott hat 'n erleest! Beugt sich einen Augenblick über ihn.


Emil steht eine Weile in stummem Staunen vor dem Bette, geht dann beiseite und bricht in Schluchzen aus. Pauline ist langsam zum Tisch gegangen, hat sich niedergelassen und sieht, den Kopf aufgestützt, vor sich hin.


RESE sich aufrichtend. 's geht dir ooch nahe, meine gute Pauline.

PAULINE. Ja!


Lacht bitter.


RESE tritt zum Fenster. Da kömmt de Sonne! Schluchzt auf.


Pauline legt die Arme lang vor sich über den Tisch und das Gesicht drauf.


Quelle:
Naturalismus_– Dramen. Lyrik. Prosa. Band 2: 1892–1899, Berlin und Weimar 1970.
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