Tells Kapelle bei Küßnacht

[279] Anm. Die beiden letzten Zeilen der ersten Strophe sind einer alten Inschrift an der Kapelle nachgebildet.


Sieh diese heil'ge Waldkapell!

Sie ist geweiht an selber Stell,

Wo Geßlers Hochmuth Tell erschoß,

Und edle Schweizer Freiheit sproß.


Hubertus habe Dank und Lohn,

Des wackern Waidwerks Schutzpatron!

Tell klomm, ein rascher Jägersmann,

Die Schlüft' hinab und Alpen an.


Den Steinbock hat er oft gefällt,

Der Gems' in Wolken nachgestellt.

Er scheute nicht den Wolf und Bär,

Mit seiner guten Armbrust Wehr.


Da rief ihn Gott zu höherm Werk,

Und gab ihm Muth und Heldenstärk':

Vollbringen sollt' er das Gericht,

Das Geßlern Todes schuldig spricht.
[280]

Hier in dem Hohlweg kam zu Roß

Der Landvogt mit der Knechte Troß.

Tell lauschet still, und zielt so wohl,

Daß ihn sein Volk noch preisen soll.


Die Senne schnellt, es saust der Pfeil,

Des Himmels Blitzen gleich an Eil;

Es spaltet recht der scharfe Bolz

Des Geßlers Herz so frech und stolz.


Gepriesen sei der wackre Schütz,

Er ist für manches Raubthier nütz;

Sein Aug' ist hell, sein Sinn ist frei,

Feind aller Schmach und Drängerei.


Sein bestes Ziel ist ein Tyrann,

In aller Menschen Acht und Bann.

Kein Forstrecht, kein Gehege gilt

Zu Gunsten solchem argen Wild.


Drum ehrt die heil'ge Waldkapell

Allhier geweiht an selber Stell,

Wo Geßlers Hochmuth Tell erschoß,

Und edle Schweizer Freiheit sproß.

Quelle:
August Wilhelm von Schlegel: Sämtliche Werke Band 1, Leipzig 1846, S. 279-281.
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