Meine Wahl

[321] Geschäft und Sorge wohnt am dürren Strande

Und kann dem engen Kreißlauf nicht entgehen;

Doch Phantasie lockt über ferne Seen

An sel'ge Inseln, wunderbare Lande.


Wie freudig lös' ich meines Schiffleins Bande,

Was Ahndung spielet, nah enthüllt zu sehen!

Die Geister neugeborner Lieder wehen

Durch meiner Segel schwellende Gewande.


Verbrüderte Gefährten seh' ich schweben:

Was schreckte wohl, daß ich dahinten bliebe?

Es leuchten milde Sterne, droht kein Wetter.


So leit', o süße Poesie! mein Leben;

Du Jugend in der Jugend, Lieb' in Liebe,

Natur in der Natur, Gottheit der Götter!

Quelle:
August Wilhelm von Schlegel: Sämtliche Werke Band 1, Leipzig 1846, S. 321-322.
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Poesie der Welt: Renaissance Sonette