Siebzehntes Kapitel

[138] Sie waren beim Abendbrot im Garten; von Julianen und Eduard sprachen sie viel. Florentin verbarg es seinem neuen Freunde nicht, wie sehr ihm beide wert waren. Der Doktor gab ihm einige Aufschlüsse über das Rätselhafte in Eduards Charakter, das so tief in ihm lag, daß man lange Zeit mit ihm umgehen konnte, ohne irgend etwas anderes zu ahnden, als den ausgebildeten Weltmann, der das gefühlvollste Herz mit einem hellen Kopf verbindet. »Niemand ahndet in ihm«, fuhr er fort, »diesen Abgrund von Unzufriedenheit und gefährlichem Eigensinn; seine Bildung liegt wie ein Firnis über diesen scharfen Ecken, die bei weitem noch nicht durch die Erfahrung verarbeitet und abgerundet sind. Auch diese frühe Vermählung lag nicht in Clementinens Absicht, und daß sie dennoch geschieht, ist wahrscheinlich mit ein Grund ihrer letzten verstärkten Krankheit. Sichtbar hat aber der Brief von der Gräfin Eleonore sie beruhigt, denn er sagte ihr, daß es geschehen sei; niemals bereut oder beklagt sie aber eine Sache, die geschehen ist.« – Er sprach ferner von Julianen mit[138] großem Anteil. »Sie ist Clementinens geliebtester Liebling, doch glaubte sie neulich, die kleine Therese würde vielleicht Julianen einmal übertreffen.« – »Nicht mit Unrecht«, sagte Florentin, »sie ist in der Tat ein seltnes Kind; ich habe nie soviel Ernst und Tiefe bei einem Kinde wahrgenommen als bei diesem. Ob sie aber eigentlich so wunderbar liebenswürdig, so wahrhaft bezaubernd wird als Juliane, kann man wohl noch nicht bestimmen, und auch in dieser liegt noch so vieles in tiefer Verborgenheit.« – »Clementina sagte einmal, Juliane müßte durch das Leben zur Liebe gebildet werden; aber Therese würde erst durch die Liebe zum Leben sich ausbilden.«

Hier sahen sie Betty, nur von einem Bedienten begleitet, über den See auf einem Kahn zu ihnen kommen. Sie brachte dem Arzt die Nachricht, daß es mit Clementinen recht gut ginge, sie schliefe ruhig. Sie wäre herübergekommen, teils ihm das zu verkünden, teils auch, da sie gehört Florentin sei bei ihm, diesen zu fragen, ob er den Rittmeister nicht irgendwo gesehen hätte? – »Er hat diesen Abend im Garten zu sein versprochen«, sagte sie, »die bestimmte Stunde ist aber längst vorüber und er ist nicht gekommen.« – Florentin erinnerte sich, daß er, des Versprechens an Betty uneingedenk, die Partie fine mit den andern jungen Leuten verabredet hatte, wozu er selbst mit eingeladen war; er schwieg aber davon, und erwiderte bloß, er hätte ihn nicht weiter als bei Tische gesehen. – »Aber Doktor«, rief Betty aus; »lernen Sie doch von Florentin, Fassung zu behalten, wenn man Sie auch stört. Sie machen ja ein so bedenkliches Ungewisses Gesicht, als hätte ich Sie eben bei einer Verleumdung von mir selbst überrascht. Gestehen Sie nur, Sie haben von mir geschwatzt! Doch was liegt daran? Florentin hat doch nicht recht acht darauf gegeben, er ist viel zu sehr mit sich selber beschäftigt.« – »Halten Sie mich für so selbstsüchtig, gute Betty?« – »Ei es wäre mir gar nicht angenehm, wenn Sie es nicht wären. Sie machten dann eine Ausnahme, die Ausnahme müßt' ich respektieren, das Respektieren macht mir Mühe und die Mühe Langeweile.« – »Nun und Clementina?« – »Stille wer wird einen solchen Namen unnötigerweise aussprechen! Hier, setzen Sie sich nieder, und erzählen Sie mir ordentlich und bedächtig, wie es am Hochzeittage auf dem Schlosse war? War Eduard liebenswürdig? Wie sah Juliane aus?« – Florentin machte ihr eine drollige Beschreibung von Julianens Putze, von dem er natürlich nichts zu bestimmen wußte als den Effekt, worüber Betty sich dann totlachen wollte, sie behauptete, ihn durchaus nicht zu verstehen. – »Nun so will[139] ich zeichnen, wenn ich mich mit Worten nicht verständlich machen kann!« –

Er zeichnete darauf eine Karikatur hin, man lachte, und scherzte fröhlich darüber. Betty war noch lustiger als gewöhnlich; es schien als wollte sie durch die gewaltsame Anstrengung eine innere Kränkung betäuben und unterdrücken. Florentin hatte sie nur noch lieber wegen dieser Kraft; um so mehr haßte er aber den Urheber dieser Kränkung.

Es ward vorgeschlagen, Florentin sollte ihren Schattenriß machen. – »Das nicht«, sagte er, »dies Stumpfnäschen schickt sich schlecht zu einem Schattenriß, aber zeichnen will ich Sie.« – Sie stellte sich in einer leichten angenehmen Stellung vor ihn hin. Mit wenigen Strichen war das Figürchen entworfen, im schwebenden Tanz mit beiden Händen ein Tamburin in die Höhe haltend, Gesicht und Haltung, obgleich nur in flüchtigen Umrissen, zum Sprechen ähnlich. Florentin war vergnügt mit dem Entwurf, er hatte seiner Hand nicht mehr diese Sicherheit zugetraut.

Er war noch nicht ganz fertig, als auf einmal der Rittmeister dazu kam. – »Sie haben Gesellschaft Herr Doktor«, rief er im Hereintreten; »ich begreife nun, warum ich Sie Fräulein, vergeblich gesucht und Sie mein Herr vergeblich erwartet habe; doch ich hätte es auch wohl erraten können.« – »Sie werden mich entschuldigen«, sagte Florentin, »ich hielt es nicht für ein gegebnes Versprechen; überdies habe ich den Nachmittag und Abend so angenehm zugebracht.« – »O das glaube ich gern«, unterbrach ihn Walter; »Sie mein Herr Doktor sind immer die Gefälligkeit selbst.« – Betty war in der schmerzlichsten Verlegenheit; Florentin und der Doktor waren es ihrentwegen nicht weniger. – »Lassen Sie doch sehen«, fuhr Walter fort, indem er näher zum Tisch trat, wo die Zeichnung lag; »Sie haben hier eine Akademie wie ich sehe; die Künste werden doch immer mehr getrieben in der Welt!« – Florentin kam ihm zuvor, als jener das Blatt in die Hand nehmen wollte. Er verdeckte es schnell mit einem andern Blatt. »Entschuldigen Sie«, sagte er kurz und trocken, »es ist nicht fertig.« – »Mir können Sie es immer halb fertig zeigen, ich bin gar kein Kenner.« – »Um desto weniger Herr Rittmeister!« – »Es ist Fräulein Betty ihr Porträt, das habe ich gesehen.« – »Allerdings ist es das.« – »Nun so muß ich Ihnen dann sagen: ich habe ein Recht dazu es zu fordern.« – »Das mag sein, aber ich habe kein Recht es Ihnen zu geben, es gehört dem Fräulein.« – »Sie werden also entscheiden Fräulein«, rief er aufgebracht. – »In der Tat lieber Walter... es war ein Scherz... ich bat darum.« – »Nun so wird man es doch wenigstens erkaufen können;[140] was ist ihr Preis?« fragte er, seine Börse hervorziehend. – Florentin antwortete nicht, und legte das Blatt mit Gelassenheit in sein Taschenbuch. – »Es ist nicht für Bezahlung gemacht, lieber Walter«, sagte Betty wieder. – »Es muß doch auf irgendeine Weise wieder in Ihre Hände kommen, denn weder ich, noch Sie selbst werden zugeben, daß Ihr Bild in der Welt mit auf Abenteuer zieht.« – »Herr Rittmeister!« sagte hier der Doktor mit fester Stimme, »Sie scheinen zu vergessen, daß Sie hier in meinem Hause sind!« – »Ich werde diesem ehrwürdigen Hause nicht länger beschwerlich fallen.« – Hohnlachend, und aufgedunsen von wildem Zorn fuhr er zur Tür hinaus. – »O Ihr wißt nicht, was Ihr mir tut!« rief Betty voller Angst, und ging ihm nach.

»Das ist zuviel!« sagte Florentin. – »Es ist entsetzlich«, sagte der Doktor. »So habe ich ihn noch nie gesehen. Ich vermute beinah, daß er einen Rausch hatte. Offenbar legt er es aber besonders auf Sie an. Sie werden also wohltun ihm auszuweichen.« – »Ich bin ihm ausgewichen«, sagte Florentin; »doch wenn er mich geflissentlich sucht, so soll er mich finden! Aber wie dauert mich das gute Kind, daß der schönste Moment, die Blüte ihres Daseins unter einem solchen Einfluß verdorren muß! Kann man sie nicht losmachen? Ist es nicht möglich, der Gräfin Clementina Licht über seine Nichtswürdigkeit zu geben?« – »Diese ist ja nichts weniger als im Irrtum über ihn, aber ich glaube Ihnen schon gesagt zu haben, wie sie darüber denkt. Sie läßt jeden auf seine Gefahr nach seiner Überzeugung handeln, und hält sich durchaus nicht für berechtigt, vermittelst ihrer Autorität andre zu bestimmen, nicht durch Vorstellungen, viel weniger durch irgendein Zwangsmittel. Betty ist es bekannt, wie die Gräfin über Walter denkt, da sie sich aber gebunden glaubt, und in der festen Hoffnung lebt, die Liebe würde ihn erziehen, so hält Clementina es für einen Wink der Vorsehung, für ein unabänderliches Verhängnis, dem sie sich nur sträflicherweise, und dennoch ohne Nutzen entgegensetzen würde.« – »Glaubt Clementina nur an eine göttliche Vorsehung, und nicht zugleich auch an die vernichtende Einwirkung des Teufels, so hat sie doch nur eine halbe Religion, das sollten Sie ihr einmal sagen. Unbegreiflich bleibt immer die verhaßte Schwäche (denn lassen Sie es uns ja nicht Liebe nennen) vieler, ja sogar ausgezeichneten Frauen, für Menschen, die ihnen in jeder Rücksicht untergeordnet sind; es ist hier nicht das erstemal, daß ich einen liebenswerten, achtungswürdigen Mann gegen einen Wicht habe zurücksetzen sehen. Sollte nicht etwa die Täuschung dabei zum Grunde liegen, daß die Achtung, die sie für jenen zu haben sich gezwungen fühlen, ihre Oberherrschaft[141] zweifelhaft macht? oder daß sie die Würde der Liebe nicht verstehen, und sich ihrer als einer Schwäche vor dem Manne schämen, den sie einer gleichen Schwäche für unfähig halten?« – »Nichts davon! Keinen andern Grund kann es in diesem liebereichen, unbefangnen Herzen geben, als unbestechliche Treue, die der Hingebung folgt. Der Verführer verstand es, ihre Sinne gefangenzunehmen; sie ahndet nicht die Möglichkeit, wie dieses hätte geschehen können, wenn sie ihn nicht liebte. Sie ist unschuldig trotz ihrer Schuld, und ihre Treue höchst achtungswert!« – »Lernt sie aber nicht endlich diesen Irrtum verachten, und erkennt die Liebe; tritt an die Stelle der blühenden Unbefangenheit nicht die Reife der Achtung vor sich selber, die eine liebende Frau nur in der Liebe für einen hochverehrten Mann findet, so waren es dennoch taube Blüten, oder ein giftiger Tau hat die edle getötet. Und darum ist es Eure Pflicht, sie, wenn auch unter tausend Schmerzen, vom Verderben zurückzuführen.«

»Und nun sagen Sie mir doch, wie kann Clementina, nach allem was ich von ihr gehört habe, in der großen Welt leben?« – »Schon seit mehrern Jahren lebt sie auch wirklich nicht in der großen Welt. Sie geht nie in Gesellschaften; schon ihre fortdauernde Kränklichkeit leiht ihr einen Vorwand sich davon auszuschließen; doch ist ihr Haus immer der guten Gesellschaft offen, auch Fremde besuchen sie; der feine zwanglose Ton, der in ihrem Hause herrscht, macht, daß es von allen gesucht wird. Die Unterhaltung der Gräfin ist leicht, und geistreich, durch diese allein ahndet man in der Gesellschaft die Frau von außerordentlichen Gaben. So oft sich Gelegenheit zeigt, gibt sie Konzerte und Bälle, wo sich immer eine Menge junger Leute einfinden, deren Vergnügen durch nichts, was die ernste Stimmung der Wirtin verraten könnte, gestört wird. Sie zieht sich freilich immer sehr bald in ihr einsames Zimmer zurück, aber ohne im geringsten die Lust zu unterbrechen, so wie sie niemals irgendeine Art von Aufsehen ihrentwegen erlaubt.« – »Ich denke mir, wie oft diese Güte mag gemißbraucht worden sein, in der Welt!« – »Dem ist es auch wohl nur allein zuzuschreiben, daß der Zutritt zu ihr so erschwert worden ist, obgleich sie auf keine Weise argwöhnender ward durch den wiederholten Betrug. Die Not der Hülfesuchenden wird jederzeit von ihr selbst geprüft. Dies Geschäft überträgt sie niemals irgendeinem andern; kann sie nicht selbst prüfen, so hilft sie ohne Untersuchung. Übrigens lebt sie immer allein, obgleich fast stets von Menschen umgeben; auch wüßte ich nicht, daß sie eine Freundin hätte, der sie sich mitteilt, außer Eleonoren. Da der erste Eindruck gewöhnlich für[142] sie entscheidend auf das ganze Leben bleibt, und sie wohl erfahren haben muß, daß kein Räsonnement und keine Vernunft stark genug ist, diesen jemals bei ihr zu vertilgen, so macht sie so selten als möglich neue Bekanntschaften, und hütet sich gleichsam vor jedem neuen Eindruck. Sie können es als einen ganz besondern Vorzug ansehen, daß sie Sie zu sprechen wünscht.« –

Sie sprachen nun noch manches über Eduard und Juliane sowohl als über Betty. Was Florentin an diesem Tage über den verworrnen Zusammenhang ihres Betragens so unzusammenhängend gehört und gesehen hatte, ging ihm wild durcheinander im Kopfe herum. – »Dies sind also«, rief er aus, »die zarten Verwirrungen der feinen Verhältnisse und der tugendhaften Mißverhältnisse der gebildetsten Welt! O alle ihr Vortrefflichen, Auserkornen, ihr wißt doch mit euren angestrengtesten Kräften nichts anders zu tun, als die zahllosen Plagen zu erleichtern, die ihr euch selbst einander zufügt! Unter meiner plumpen Hand aber zerrisse dies künstlich gefügte Gebäude, dessen Türme sich prahlend in die Wolken heben, während sein Fuß im Treibsande wankt. Möchte es mir nur einst gelingen mir eine niedre, feste Hütte zu erbauen, die Sturm und Wogen trotzt, und auch dem Rütteln meiner eignen mutwilligen Hand widersteht!« – »Und wo«, fragte der Doktor lächelnd, »suchen Sie Boden zu diesem Wunderhüttchen?« – »Gewiß nicht hier, nicht von den wurmzernagten Splittern der feinen Welt gedenke ich es mir zusammenzubetteln.« – »Ruhig lieber Florentin, wer gedenkt sie Ihnen aufzudringen? Die feinere Ausbildung läßt sich mit jenem geheimnisvollen Berg vergleichen, von dem die Dichter unter dem Namen Venusberg viel Wunderbares erzählen. Berauscht von einer süßtönenden Harmonie, sagen sie, wird man hineingezogen; wer am Eingange stehenbleibt, ahndet nichts als Schrecknisse in der Verworrenheit, die sein Blick nicht zu durchdringen vermag; wer aber unerschrocken vordringt, der findet ewige Freuden; und wer sich voll Ungeduld wieder hinauszusehnen vermag, findet doch sonst nirgend Ruhe, und unaufhaltsam zieht der Zauber ihn wieder zurück.« – »Nun mir scheint dieser Zauber doch in nichts zu liegen, als im Hochmut sich so gern etwas gar Großes zu dünken. Dies ist der Rausch, der ihre Sinne gefangenhält, daß sie in die schwindelnde Tiefe wieder zurück müssen, und in der freien Welt sich nicht zu finden wissen, wo jeder gleicher Rechte sich erfreut, und niemand sich über den andern erheben darf.« – »Nun sehen Sie, so ist es doch nur anders maskierter Hochmut, der es Ihnen so verleidet, unter den Emporstrebenden zu existieren.« – »O guter Gott, es mag wohl sein,[143] nichts ist ansteckender als das Böse! Doch soll es mir wohl noch gelingen, die schlechten Gewohnheiten wieder abzustreifen.« – »Ich sehe, es ist heute nichts mehr mit Ihnen anzufangen, Sie sind bitter.« – »Das noch nicht! Wo ist der Tor, der auf ein sicheres, dauerndes Lebensglück rechnet? Aber lassen Sie es mich Ihnen gestehen: Bettys Schicksal und das Ihrige, das ich so deutlich vor mir sehe, das von Eduard und Juliane, was ich nur ahnde, es hat mich verwirrt und betrübt. Aus welchen losen Fäden ist der Traum eures Glücks gesponnen!« – »Es lebt dafür in unsrer Seele etwas, das, dem ungebildeten Menschen fremd, uns über jeden Glückswechsel erhebt!« –

»Nein, Siegen oder Untergehen!« rief Florentin aus, als er allein war. – Und doch hatte die freudige Gelassenheit, mit der der Doktor die letzten Worte gesprochen, etwas in ihm erregt, das ihn nachdenklich machte. Am Ende blieb er aber freilich dennoch überzeugt: daß er seinem jetzigen Plane folgen müsse; daß es für ihn keine andre Tätigkeit gebe, als in einem neuen Leben das zu vergessen, was ihn im alten gequält hatte. Jene Ahndung war auch noch nicht aus seinem Herzen geflohen: er müsse in der Welt einen Aufschluß über seine Bestimmung und seine Geburt aufsuchen.

Den andern Tag, während der Doktor seine Geschäfte in der Stadt verrichtete, war Florentin allein zurückgeblieben, weil er ohne Not nicht gern dort verweilen mochte. Der Doktor schickte ihm sein Pferd und seine übrigen Sachen aus dem Gasthof, und kam zum Mittagsessen selbst wieder zu ihm hinaus. – Er erzählte ihm: Walter habe den Morgen schon einigemal im Gasthofe nach ihm fragen lassen;... »was wird er wollen?« – »Vielleicht eine Ausfordrung«, sagte Florentin. – »Leicht möglich, daß er sich von Ihnen beleidigt hält!« – »Sie sehen«, sagte Florentin, indem er auf seinen Degen zeigte, »ich habe eine Vorbedeutung gehabt. – Die Uniform ist überhaupt gar nicht übel; gewisse Menschen haben Respekt vor einer Uniform, weil diese das einzige ist, wodurch sie selbst sich Respekt zu schaffen wissen.«

Während sie noch am Tisch saßen, kam folgendes Billett:

»Florentin wird es nicht vergessen haben, daß er zur Musik abgeholt wird. Die Tante freut sich sehr, ihn diesen Abend zu sehen. Bereiten Sie ihn darauf vor, lieber Freund, daß er Waltern hier finden wird, und bitten Sie ihn in meinem Namen, des gestrigen fatalen Auftritts nicht weiter zu gedenken. Es war ein Mißverständnis. Walter hat seinen Irrtum eingesehen, und es wird nur auf Florentin ankommen, daß uns der Abend Friede und Freude bringt.

Betty.«
[144]

»Es war also eine Aussöhnung!« sagte Florentin. – »Ich traue dem nicht so ganz«, sagte der Doktor; »wegen einer Aussöhnung hätte er sicherlich nicht so oft nach Ihnen fragen lassen.« – »Ich wollte nur, Betty wäre nicht dabei zu schonen, mir ist er im innersten Herzen fatal.« – »Lassen wir ihn jetzt. Die Gräfin ist heiter und sehr wohl; ich mußte ihr viel von Ihnen erzählen, sie hörte jedes Wort mit ganz besonderem Interesse an. Es sind auch Briefe vom Schloß diesen Morgen gekommen. Juliane und Eduard befehlen Ihnen ja hierzubleiben, bis sie herkommen.« – »Wollen sie kommen? Wann?« – »Vielleicht noch heute, in den nächsten Tagen aber gewiß.«

Quelle:
Dorothea Schlegel: Florentin. Berlin 1987, S. 138-145.
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