Vierte Szene.


[64] Ein Garten bei der Burg Alarcos. Im Hintergrunde ein Grabmal.

Donna Clara, Dagobert, nachher Donna Cornelia.


CLARA.

O möchte unser Herr nun endlich kommen,

Und daß er froh und heiter bei uns bliebe,

Zufrieden mit der Unschuld meiner Liebe,

So wäre aller Wünsche Ziel gekommen.

Dann wäre alle Sorge weggenommen,[64]

Dann dürft' ich Stolze keinen König scheuen,

Dann könnt' ich mich erst meiner Blumen freuen,

Da nichts ohn' ihn mir Lust und Leben frommen.


So will ich ihm denn volle Kränze winden,

Die schönsten Knospen, sorgsam wählend, brechen,

Ihm meine innre Liebe auszusprechen,

Wo alle Worte im Gefühl verschwinden.

Mag er uns hier im grünen Garten finden,

Mit Blumen soll das Kind den Helden kränzen,

In Ros' und Lilie ihm entgegenglänzen,

Daß Zorn und Sorge aus der Seele schwinden.


Ja, glücklich wär' ich, Dagobert, und heiter,

Blieb' unser Herr entfernt vom Glanz des Thrones.

Alarcos ist zu edel für die Menschen,

Die weltlich ganz zur Arglist nur erzogen.

Die Ehre, die sein großes Herz begeistert,

Für die er hochgesinnt das Liebste opfert,

Sie ist ein leerer Schall in ihrem Munde,

Der kleinen Absicht Werkzeug oft geworden.

Gott weiß, ob meine Seele richtig ahnet,

Ob arges Mißtraun in mein Herz gekommen;

Ich denke oft, der König nur war schuldig,

An meines Bruders Don Garcias Tode.

Selbst an Alvaros Treue muß ich zweifeln,

Als hätt' auch er das edle Blut vergossen.

O wenn Alarcos, was er dort verschwendet,

Auf dich doch übertrüge, dir nur folgte,

Dein graues Haupt zum Licht und Führer wählte,

So würde rechte Tugend recht vergolten.

DAGOBERT.

Wohl möcht' er keinen treuern Diener finden,

Und wenn er alle Herzen prüfen wollte.

Ich lieb' ihn unbegreiflich, ganz sein Eigen;[65]

Was er auch sagt, ich würd' ihm blind gehorchen.

Wenn er mit dir, was nie geschehn mag, zürnte;

Ich würde trauern, doch ich würd' ihm folgen.

Ja wenn, was Gott verhüt', ihn Schuld befleckte,

Ich müßt' ihm doch die alte Liebe zollen.

Doch weiter hab' ich kein Verdienst als dieses,

Daß ich den rechten Sternen treulich folge;

Und schenkt er falschen Männern sein Vertrauen,

Wie sollte da mein schlichter Mut wohl frommen?

Ich kann nur grade denken, tapfer schlagen;

Und weiß ich auch das Rechte, fehlen Worte,

Mit sanfter Überredung ihn zu lenken,

Wenn er sich selbst verkennt im heißen Zorne.

Wahr ist es, daß ich nie zu diesen Männern

Aus Herzens Grunde Glauben fassen konnte.

Wie anders wär' es, mußt' ich oftmals denken,

Trüg' unser teurer Herr die goldne Krone,

Der immer sich so königlich gebrauchte,

Als sei er gleich zum König schon geboren!

Dann wäre Recht und Ehre allen heilig,

Die Tugend strahlend und die Zeiten golden.

Verrat und Mißtraun würde niemand denken,

Und keine Mutter an dem Grab des Sohnes,

So wie Cornelia, Fluch in Tränen mischen,

Gedenkend, daß er heimlich sei ermordet.

O schau, wie dort sie an dem Grabmal stehet

Im eignen Tiefsinn schmerzlich ganz verloren!

CLARA.

Der Schmerz hat ihren Geist entrückt der Erde,

Das große Herz nur höher noch erhoben.

Wenn ich die Hohe so im Gram betrachte,

Dann fühl' ich von mir allen Mut genommen,

Daß jede Freude nichtig mir erscheinet,

Das Leben selbst der Eingang nur zum Tode.[66]

DAGOBERT.

Sie liebt sich einsam selber zu betrachten:

So laßt uns weggehn, ihren Gram verschonen.

CLARA.

Ich weiß es, ja ich sollte nicht so reden,

Für jetzt verscheuchen jede dunkle Sorge,

Nur an die Rückkehr des Gemahls gedenken,

Und kindlich froh des Frühlings Schönheit loben.

Doch wer vermag dem Herzen zu gebieten,

Des innern Denkens vielverschlungnem Strome?

EINE WÄRTERIN.

Dein Kindlein, Herrin, will nach dir verlangen.

O komm und gib ihm deine Brust zum Troste!

CLARA.

Ich eile schon, will es mit Blumen zieren,

Und festlich alles schmücken in dem Schlosse.

O wenn ich in des Mädchens Lächeln schaue,

Dann kann ich wieder lebensmutig hoffen.


Clara, Dagobert und die Wärterin gehen ab.


CORNELIA.

Nicht Blumen will ich auf dein Grabmal streuen;

Wie auch des Frühlings Schönheit schmeichelnd riefe,

Es kann die Eitelkeit dich nicht erfreuen.

Der Schmerz, der nie in meiner Brust noch schliefe,

Hat ja auch mich getötet und versteinet;

In deinem Tod sah ich des Lebens Tiefe.

Was andre preisen, wird von mir beweinet;

Sie leben nur dem Leben hingegeben,

Ich bin im Herzen schon dem Tod vereinet.

Die Freude kann mir bittres Leid nur geben,

Seit meine Augen durch die Hülle sehen,

Der alten Bosheit immer neues Streben:[67]

Wie alle sorglos ins Verderben gehen,

Kaum einmal träge nach dem Himmel schauen,

Bewußtlos in der Hölle Schlingen stehen.

O welchem Lichte soll die Hoffnung trauen,

Wenn alles täuscht? – Wir finden nirgends Labe,

Als dort auf jenen sternenlichten Auen.

Drum seid ihr Schmerzen hier mein bestes Habe!

Die Mutter bringt das Köstlichste dem Sohne,

Ihr eigen herzlich Leiden dar zum Grabe,

Aus bittern Wunden eine Dornenkrone.


Quelle:
Friedrich von Schlegel: Ausgewählte Werke. Berlin 1922, S. 64-68.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Lessing, Gotthold Ephraim

Miß Sara Sampson. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Miß Sara Sampson. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Die tugendhafte Sara Sampson macht die Bekanntschaft des Lebemannes Mellefont, der sie entführt und sie heiraten will. Sara gerät in schwere Gewissenskonflikte und schließlich wird sie Opfer der intriganten Marwood, der Ex-Geliebten Mellefonts. Das erste deutsche bürgerliche Trauerspiel ist bereits bei seiner Uraufführung 1755 in Frankfurt an der Oder ein großer Publikumserfolg.

78 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon