Dritte Szene.


[59] Ein anderes Zimmer im Schlosse.

Ricardo. Octavio. Alarcos.


RICARDO.

So wollt Ihr stets derselben Dame dienen,

Und achtet über alles nur die Treue?

ALARCOS.

Ich denke, leichter Wechsel bringt uns Reue;

Den preis' ich glücklich, dem sein Ziel erschienen.

Nur der weiß von der Liebe Glück zu sagen,

Der seine Einz'ge ewig sich erkoren,

Und ewig hält, was er ihr zugeschworen.

OCTAVIO.

Erlaubt mir, werter Graf, nur eins zu fragen;

Ihr seid der Dinge Meister, kennt die Liebe.

Leicht wird ein rasch Verheißen ausgesprochen,

Doch leichter wohl vom Leichtsinn noch gebrochen;

Ist's möglich denn, daß Ein' uns alles bliebe?

ALARCOS.

O wollt Ihr das nach meinem Sinn ermessen,

Ist Eurem jeder Zweifel bald entschwunden;

Und wer bezweifelt's, der sein Glück gefunden?

Wer einmal liebte, der kann nie vergessen.

Weg mit den leichten flüchtigen Gefühlen,

Die gleich den schnell verwelkten bunten Blüten,

Am ersten heißen Sommertag verblühten.

Ich kann das Ewige nur ewig fühlen.

So lebt ich liebend stets in treuem Bunde,

Das mag ich bei dem Teuersten beschwören.[60]

DER KÖNIG der während der letzten Worte hereingetreten ist.

Ich freue mich, Alarcos, das zu hören,

Ein rechtes Ehrenwort aus teurem Munde.

ALARCOS.

Ja, Ehre hab' ich, Herr, zum Ziel genommen,

Und lebe, wie es ihr Gesetz mich lehrte.

DER KÖNIG.

Ich wüßte keinen, den ich höher ehrte.

Dir dies zu zeigen, war ich jetzt gekommen,

Ich will auf deine Tugend Felsen bauen;

Du sollst der Erste sein in meinen Reichen,

Nur mir allein, sonst keinem andern weichen.

Jetzt aber will ich Wicht'ges dir vertrauen.


Ricardo und Octavio entfernen sich.


Du siehst, wie ich als Vater deiner schone,

Und wenn ich löwengleich dir zürnen sollte,

Die Schrecken meiner Macht dich fühlen lassen,

Treibt mich das Herz, als Liebling dich zu ehren.

ALARCOS.

Wie mocht' ich solchen Zorn, o Herr, verdienen?

DER KÖNIG.

So darfst du, Kühner, noch verwegen fragen?

Hast du vergessen, was du der Infantin

Mit einem teuren Eide einst versprochen,

Noch eh' du jene Mißheirat vollzogen

Mit dem verhaßten widrigen Geschlechte?

ALARCOS.

Du siehst bestürzt, beschämt mich vor dir stehen.

Ich kann, was die Infantin sagt, nicht leugnen.[61]

DER KÖNIG.

Und dennoch konntest du dich selbst vergessend,

Nur eben jetzo deine Treue rühmen?

ALARCOS.

Es war ein Übermut, doch unter Freunden;

Ich glaubte nicht, daß uns der König hörte.

Auch war das, was ich meinte, treu der Wahrheit;

Denn fern war die Infantin meiner Seele,

Ich dachte nicht an sie bei diesen Worten.

DER KÖNIG.

So leicht vergißt du, was du heftig liebtest?

ALARCOS.

Und wenn wir noch so heftig ernst uns liebten,

Wie dürften deine Billigung wir hoffen?

Sie ist dein Blut, ich nur der erste Ritter.

DER KÖNIG.

Du bist gemacht, vor aller Welt zu glänzen.

Dein tapfer Schwert, dein Ruhm und Herzens Kühnheit

Sind königlicher Art, voll Größ' und Würde;

Was fehlt dir, als ein König nur zum Vater?

Ich will es sein, so du mein Sohn willst werden.

ALARCOS.

Wie sollt ich Mut zu solcher Hoheit fassen,

Jetzt da die eigne Schuld mich tief entadelt?

Ich fühle zwiefach schrecklich mich gebunden! –

Was aber soll aus meinem Weibe werden?

DER KÖNIG.

Wie kann den künft'gen Fürsten das erschrecken,

So kleiner Zweifel deinen Weg dir hemmen,[62]

Den ich so hoher Dinge würdig achte?

Es gibt gar manche Zuflucht für Verstoß'ne,

Und wenn kein schonend Mittel Hilfe leistet,

Zerhaut mit einem Streich der Mut den Knoten.

ALARCOS.

So soll ich meine Hand mit Blut beflecken,

Und sie so schuldlos für den Schuld'gen büßen?

DER KÖNIG.

Warum nicht? oder soll ich meine Ehre,

Der Tochter Rettung etwa lieber opfern?

Schon mancher hat für seines Königs Ehre

Schuldlos, weil's nötig war, den Tod erduldet;

So mag dasselb' auch wohl die Gräfin leiden.

ALARCOS.

Ich muß jetzt meine Schuld zu schwer noch fühlen:

Es ist mir neu und fremd, es drückt mich nieder.

Doch hoff' ich bald mich wieder zu erheben

Mit der gewohnten Kraft. Ich muß mich fassen;

Doch nimm hier meine Hand, daß ich vollführe,

Was ich gelobt, was es auch gelten möge.

Das einz'ge hab' ich fest sogleich beschlossen.

DER KÖNIG.

So starke Seelen sind allein am stärksten;

Drum überlass' ich jetzo dich dir selber.

Zuvor, vertrauend dem zum zweiten Male

Gegebnen Worte, laß mich nun als Vater

An meine königliche Brust dich drücken.


Er umarmt ihn und geht ab.


ALARCOS.

Das also war die Absicht, das dein groß' Vertraun?

Du hältst mich deiner würdig, ja und glaubst fürwahr,[63]

Ich werde schändlich handeln um den schnöden Lohn,

Ist nur die schwarze Sünde mit dem Gold des Throns

Zum Schein verhüllt, gedankenlos zufrieden sein,

Bis deinen Laster immer kühner folgt mein Schritt.

O Greuelbildnis, König ohne Ehr und Scham!

Nun glaub' ich, daß du schuld bist an Garcias Tod,

Und daß er fiel durch deine Meuchelmörderhand.

»Warum nicht?« sagst du, möchtest trinken heißes Blut,

Die heil'ge Unschuld töten, so dir Gott vertraut,

Das Recht zerbrechend schnöde spotten aller Scham;

Und immer noch – »warum nicht?« – früg' dein eifern Herz.

Mir sei die Ehre heilig ohne Wandel stets,

Und lieber geb' ich all' mein bestes Gut und Blut,

Und träf' auch tödlich recht mein Herz ihr hoher Strahl,

Als daß ich mich empörte gegen ihr Gesetz.

Weh mir, daß dennoch dieser Argen es gelang!

Sie scheut kein Unheil, das nur Sieg bringt ihrem Wunsch.

Es wird geschehn, es muß; doch nicht so, wie sie denkt.

Weh mir, daß die Verhaßt' ich je mit Augen sah!

Der kurze Wahnsinn wird ein unauflöslich Band.

An das Verbrechen kettet mich das eine Wort,

In ew'gem Zwiespalt blutet rastlos nun mein Herz.


Quelle:
Friedrich von Schlegel: Ausgewählte Werke. Berlin 1922, S. 59-64.
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