Auf der Pilgrimschaft

[174] Jungfrau, ewig Braut am Throne

Dessen, der vor allen Zeiten

Dich zum Troste uns bereiten

Wollte, für des Lebens Frone.

Du des heil'gen Gartens Krone,

Hohe Perle, so uns bliebe,

Quell der gottgeweihten Triebe,

Strahlenglanz der ew'gen Liebe,

Du, von der Gott selber schriebe,

Königin dich hieß zum Lohne.


Teure Zuflucht für Entfloh'ne,

Milder Ölbaum reich an Früchten,

In des Schatten wir uns flüchten,

Da der Friede selig wohne.

Deiner Glorien lichte Krone

Wollte Salomo schon zeigen,

Engel feiern's in den Reigen;[174]

Du, der sich die Himmel neigen,

Stumm die Schönsten alle schweigen,

Vor der Mutter mit dem Sohne.


Ach, wie spricht in sanftem Tone

Die hodsel'ge Heiterkeit,

Gnadenvolle Gütigkeit,

Daß sie freundlich unser schone.

In den Feldern von Sione,

Lilienblume hold verschlossen,

Frommer Demut Palm' entsprossen,

Die des Segens Füll' ergossen,

Uns gewaffnet mit Geschossen,

Allen Schrecken gar zum Hohne.


Lieb' entquillt aus jeder Zone

Dir, des Lebens neue Sonne;

Leuchtend Licht, das uns, o Wonne,

Neu erschuf im ird'schen Tone!

Herrin! ach was sind wir ohne

Deine süße Huld zu achten?

Wenn wir gleich die Pein verlachten,

Wird die Schuld uns trüb umnachten,

Wenn es nicht die Augen machten,

Lichter Hoffnung Chalcedone.


Schau herab von deinem Throne,

Königin, zu der wir trachten,

Unsern Feind durch dich verachten,

Jeden Schmerz in Frieden brachten,

Ende du mein tiefes Schmachten,

Daß ich selig bei dir wohne.


Quelle:
Friedrich von Schlegel: Dichtungen, München u.a. 1962, S. 174-175.
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