Der welke Kranz

[160] Es war noch Mai, da hast du sie gebrochen,

In Blumen ausgesprochen, selber Blüte,

Was blühend im Gemüte schon sich regte,[160]

Und heilig sich bewegte,

Was kindlich ach! der Freund so gerne hegte,

Wenn sie ihr Herzchen legte an das seine,

Wo ich nun ewig weine.


Die Veilchen sandte mir das Kind zum Zeichen,

Die so mein Herz erweichen, daß die Augen

Den Schmerz, den sie nun saugen, nie vollenden,

Sich oft noch zu ihr wenden,

Und finden welk den Kranz dann in den Händen.

Wie der, hat sie zu enden früh erkoren,

Sich unbewußt verloren.


Nimm hin die hohe köstlich liebe Gabe,

Das einz'ge, was ich habe von der Teuern,

Ihr Bild mir zu erneuern, wenn in Tränen,

Dem Tode zu das Sehnen

So gern entflieht der Erde eitlem Wähnen.

Doch erst laß mich in Tränen ganz versenken

Das süße Angedenken!


Uns, die in Lust des Todes Leben fanden,

Kühn die Natur verstanden in den Flammen,

Wo Lieb' und Schmerz zusammen uns verbunden;

Uns sei die Stirn umwunden,

Vom Zeichen, dessen Sinn wir längst gefunden.

Denn sproßten aus den Wunden oft nicht Rosen,

Uns schmerzlich liebzukosen?


Laß denn des Mädchens Schatten uns umschweben,

Der Wehmut hingegeben,

Bis wir im Tode Eins noch inn'ger leben,

Und dann dies tiefe Streben ganz vereinet,

Das lächelnd sich beweinet.


Quelle:
Friedrich von Schlegel: Dichtungen, München u.a. 1962, S. 160-161.
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