Im Frühlinge

[153] Wie freut sich die Seele der Freude erschlossen,

Im Frühlingestagen,

Die mutigen Lieder zu wagen,

Entrissen dem Zügel in Freiheit zu jagen,

Das Ziel zu erreichen mit kühnen Geschossen.


Das Feuer der Fluren will Freude nur sagen;

Im Dunkel der Bäume

Da bilden sich rosige Träume,

Da schwellen die Kräfte, da schwindet das Zagen.

Nun wächst Fantasie wie Felsen zu ragen,

Es kommen geschossen

Gestalten auf feurigen Rossen,

Im Silber der Flüsse dann Friede geflossen

Und dunkel erklingen die heiligen Klagen.[153]


Wenn kühne Gedichte den Lippen entflossen

In fliegenden Worten,

So öffnen sich feurige Pforten,

Und klar ist der Frühling der Gottheit Genossen.

Von Wogen des Lebens harmonisch umflossen,

Kann Kummer sie nagen?

Sie sehen den Morgen ja tagen,

Im Herzen die Erde vor Liebe noch schlagen,

Die ewigen Ströme von neuem ergossen.


Quelle:
Friedrich von Schlegel: Dichtungen, München u.a. 1962, S. 153-154.
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