Bei der Abreise Ihro Majestät der Kaiserin Maria Louise Erzherzogin von Österreich

[400] 1810


Mischt sich Trauer denn in jede Lust?

Was der fromme Kaiser leidet,

Weil die hohe Tochter scheidet,

Fühlt jedwede treugesinnte Brust.

Hoffnung, die mit Trost uns weidet,

Du allein nur linderst den Verlust!


Hoffnung, daß der Leiden trübe Nacht

Sich in heitres Licht verkläre,

Daß des Schicksals ernste Lehre

Milde Frucht zum Lohn der Zeit gebracht;

Friede blühend wiederkehre

Durch der Unschuld göttlich holde Macht.


Heil der neuen Kaiserin, der Braut!

Wünsche hört man hoch erschallen;

Wie des Meeres Wogen wallen,

Strömt das Volk, das liebend nach Ihr schaut.

»Glück und Wohlfahrt, Heil« von allen

Lippen tönt's, ein einz'ger Segenslaut.


»Immer glänz' Ihr Aug' in heiterm Licht,

Engel sollen Sie begleiten,

Schützend Ihr den Weg bereiten,

Daß es nie an Freude Ihr gebricht;

Ruhm auf jedem Schritt Sie leiten

Vor der Welt und Gottes Angesicht.


Es umschweben strahlend Sie und mild

Aus der Reihe hoher Ahnen,

Alles Ruhmes Sie zu mahnen,

Jener frommen Kaiserinnen Bild,

Die auf würd'ger Tugend Bahnen

Wandelnd, oft der Völker Schmerz gestillt.[401]


Bei Ihr sei Theresias Geist und Mut,

Die als Mutter auf dem Throne

Nicht gefühlt den Druck der Krone,

Groß im Unglück wie im Glücke gut;

Und der Nachwelt Segen lohne,

Was ihr Herz noch Gutes wirkt und tut.«


Quelle:
Friedrich von Schlegel: Dichtungen, München u.a. 1962, S. 400-402.
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