Huldigung

[378] Im Sommer 1806


Wem soll unser Herz denn huld'gen,

Wer errettet uns die Welt?

Schon vergehn die Sündenschuld'gen,

Aber wann erscheint der Held?

Hoffnung zeigt sich schon von weitem,

Wenn der Glaube nur nicht sinkt;

Laßt den Schwur uns ihm bereiten,

Der die Feinde einst bezwingt.


Einmal wird das Glück sich wenden,

Schnelle wankt des Bösen Macht,

Einmal muß der Greuel enden,

Und nicht immer bleibt es Nacht.

Unsrer Ahnen alte Kunde

Ist es, was mir Hoffnung gibt;

Wann, belehrt in treuem Bunde,

Man das Alte wieder liebt.


Schmählich, zu der Römer Tagen,

Sank die schöne Freiheit hin;

Deutschland mußte Fesseln tragen,

Doch es blieb der mut'ge Sinn.

Aus des Vaterlandes Wäldern

Drang der Helden Schar hervor,

Wo wir wandeln, auf den Feldern,

War des Ruhmes höchster Flor.


Als durch Bürgerkrieg im Reiche

Dieses edle Volk zerfällt,

Unter eignem, grimm'gem Streiche

Sich zerstört die deutsche Welt;

Ja auch da noch blüht die Ehre,

Und es geht vom Kaiserhaus,

Wie die Zwietracht sich vermehre,

Mancher hohe Retter aus.


Rudolf, dessen feste Tugend

Lenkt die Welt zum Recht zurück;

Jener Ritter, dessen Jugend

Reich umgürtete das Glück;[379]

Doch vor allen unerschüttert

Ferdinandes hoher Mut,

In dem wildsten Kriegsgewitter

Alten Glaubens Schirm und Hut.


Jetzt noch leben Heldensprossen

Von dem heiligen Geschlecht,

Das, so oft auch Blut geflossen,

Wiederbrachte Fried' und Recht.

Drum, bis zu den letzten Tagen,

Wachse dieses Adlers Kraft!

Alles laßt für die uns wagen,

Die bis jetzt uns Heil geschafft.


Auch noch andre Stämme grünen

Von des alten Ruhmes Wald;

Fürsten sind die Frei' und Kühnen

Edel ist des Muts Gewalt.

Wer uns rettet von dem Feinde,

Wann die Schulden all' gebüßt,

Wer die lang Getrennten einte,

Sei als König uns begrüßt.


Quelle:
Friedrich von Schlegel: Dichtungen, München u.a. 1962, S. 378-380.
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