Wechselgesang

[364] Der Alte


Es blinkt im Krystall das flüssige Gold,

Trinke die Wellen, den Müßigen hold!

In Flammen laß baden fröhlich den Mut,

Gleich Blumen und Stern scheint Traubenblut.

Laß dir verkünden ein trunknes Wort,

Vom Licht des Demanten am dunkeln Ort.

Ein feuriges Wasser ist Stein doch der Kern,

Feuer und Wasser umarmen sich gern;

Sie ziehn sich und fliehn sich, verschwunden dem Blick,

In Blumen bleiben sie gebunden zurück.

Das feurige Wasser des Steines im Kern

Schießt wieder zusammen im Blumenstern.

Die Blume verduftet, es duftet die Frucht,

Den flüssigen Geist entreißt man der Flucht,

Da lebt und wogt er im goldenen Trank,

Winket uns lüstern aus leuchtendem Schrank.

Nun sprich mir und sage von deiner Braut,

Deine Lust sei kühn dem Alten vertraut.


Der Junge


O Mannes Lust, zu lieben den Freund;

Wie das Auge der Braut ist lieb mir der Freund,

Der Freuden Vertrauter, im Leiden Rat,

So mild in Worten, kraftvoll zur Tat.

Wie soll ich, Meister, die loben genug,

Deren Blick wie ein Blitz von oben mich schlug?

Hoch ist die Gestalt, aller Wonne Lust,

Das Aug' ist dunkel, stolz schwillt die Brust.

Den Heldinnen gleich, nicht sterblichen Weibes,

Die Gliederfülle des herrlichen Leibes.

Die schwarzen Locken voll umflammen das Haupt;

Wem des Mundes Blume sich öffnet, der glaubt,

Es werd' aus der Brust das Herz ihm geraubt.

Wem er lacht, wohl ist der Schmerz dem geraubt.

Aller Kraft entrafft, vor Wonne krank,

Schmacht' ich so in Lust, fern von Wein und Gesang,

Dich reden hör' ich gern von Wein und Gesang,

So red' im Liede, nimm des Liebenden Dank.


[365] Der Alte


Ich kenne sie auch, die Blume des Lebens,

Der Frauen Schöne, die Blume des Strebens;

Des schüchternen Mädchens schlanke Gestalt,

Des ängstlichen Flüsterns Zaubergewalt,

Die zarte Blüte, das goldne Haar,

Das fromme Auge des Kindes klar,

Das zierliche Weib dann zum Scherze gesinnt,

Mutwillig wie lüsterne Knaben sind;

Bezaubernd wie sie sorglos sich zeigt,

Verstohlen winkend, wem sie geneigt;

Die blühende Mutter auch, sonnengleich,

Im Kranze der Kinder noch blumenreich.

Wie die hohe Jungfrau doch keine blüht,

Wo auf voller Wange die Rose glüht;

Aus dunkelm Auge leuchtet ihr hoher Mut,

Wem es leuchtet, dem wächst wohl froh der Mut.


Der Junge


Hoch fühl' ich den Mut mir schlagen wohl,

Froh in Lust vergeß' ich der Klagen wohl!

Der Liebe Kraft schafft mir Heldensinn

Und Heldentrieb, so jung ich wohl bin.


Der Alte


So hör' ich dich gern, des Mutes genung

Schlägt noch in der Brust mir, du machst mich jung.

Nun höre von Wundern den Heldengesang,

Der Ahnen Denkmal die Zeiten entlang,

Die Taten der Ehre, Gedanken des Ruhms,

Glorreiche Zeiten des Rittertums,

Der tapfern Kriegslust Zaubergewalt,

Dazwischen der Liebe hohe Gestalt.

Mutig wandeln wir zu gleichem Ruhm einst,

Wenn zum Tatenbund du dich mir vereinst.


Der Junge


Dir folg' ich im Lied und im Leben gern,

Dein Wort leuchtet mir wie der Liebe Stern.


Quelle:
Friedrich von Schlegel: Dichtungen, München u.a. 1962, S. 364-366.
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