Der Besonnene

[212] Vor des Lebens Doppelwege

Tritt der Ernst zum Jüngling hin,

Zeigt dem Mut'gen enge Stege,

Oder Scherz berauscht den Sinn,

Daß nur Lust zur Lust ihn rege.

Glücklich aber, wer die beiden

Kühn besiegend schlau verbunden!

Kein Verhältnis darf er meiden,

Hat des Rätsels Sinn gefunden:

Ernste Freud' und Scherz mit Leiden.[212]

Milde lächeln, milde schonen,

Sah ich die Geliebte so;

Will sie scherzend Treue lohnen,

Wird das Herz mir schmerzlich froh,

Wähnt' in ihrem noch zu wohnen.

Keinen Scharfsinn darf ich neiden,

Seit mein Sinn sich ihr verband,

Und so innig als bescheiden

Sie des Leichtsinns Tiefen fand;

Ernst in Freud' und Scherz mit Leiden.


Quelle:
Friedrich von Schlegel: Dichtungen, München u.a. 1962, S. 212-213.
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