Scena secunda

[29] EUBULUS.

Natürlichs gsetz das auff jm hat

So dein nachper jn trauern stat

Soltu auch mit bekumerm dich

Vnd jm zusprechen nachperlich

Domit sein vnmut wer gestilt

Ein pessere mainung eingepildt

Mich dawert der liebste nachper mein

Dem khent vnd möcht nit wirser sein

Das von jm ist sein jüngster son

Den wil ich jetz gen trösten nun

PELARGUS.

Ein jeder mag bey jm ermessn

Ob solches laids sey zu vergessen

Wann sein kindt ist ins ellend pracht

Schwebt jm vorn augen tag vnd nacht

Also ist mir vmb meinen son

Wie sol ich meim groß laide thon

EUBULUS.

Ach mein Pelarge sag mir an

Wen wilst doch von dem trauren lan

Oder hast seider etwas ghört

Das dir dein hertz so hart verseert

PELARGUS.

Es geth mir vor und gsorg fürwar

Er steh in angst vnd großer gfar

EUBULUS.

Wie solts jm gehn nur eben wol

Sitzt indert beim wein vnd saufft sich vol

Dein traurn herhaim glaub mir fürwar

Bekumert jm nit vmb ain har

Ob du dich vmb jn kumerst vil

Hilffts doch nit vmb ein pirnstil

Las Gott walten wie es jm geth

Der für al unser trauren steth

Dein sorg hilfft nit glaub sicherlich

PELARGUS.

Hab danck das du hast tröstet mich

Was grösser sorg angst laid und schmertz

Ich jetzund trag in meinem hertz

Vmb meinen son Acolastum

Frag ich ein jeden vater drumb

Der liebe kindt erzogen hat

Doch wil ich volgen deinem rat

Er nimb mir warlich krafft vnd macht[29]

EUBULUS.

Ich waiß wol sorg wechst über nacht

Nimbt eim hinweg freüd sinn vnd mut

Glaub mir zuvil trauren ist nit gut

Deim son bringt es nur gar kein laidt

Wie ich dir vormals offt hab gsait

Biß das er nindert waiß hinaus

Zu letzt denckt er ans vatern hauß

Vnd was er wider dich hat than

Das wirt jm dann zu hertzen gan

Wen er vnglücks gnug hat erfarn

Witz komen warlich nit vor jarn

Jm thut nit anders Adams kindt

Macht das wir menschn nit Engl sindt

Drumb lieber nachper denck daran

Das du auch wider Gott hast than

Wie du jn patst hat dirs verzign

Bit dein son laß an dir nit lign

Vnd nim jn wider freündtlich an

Wie dir dein Gott vnd herr hat than

Erzaig jm dein barmhertzigkait

PELARGUS.

Thet ich des nit es wer mir laidt

An dem wenigsten haußgesindt

Wil gschweigen an meim lieben kindt


Quelle:
Dichtung aus Österreich. Anthologie in drei Bänden und einem Ergänzungsband, Band 1, Wien und München 1966, S. 29-30.
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