Das 42. Capitel.
Wem früh morgens eine Spinne auf dem Rocke kreucht / der wird des Tages glückseelig seyn.

[248] Es ist eine allgemeine Gewohnheit, daß wenn man das Gemüthe entdecken will, daß man einem recht gram und feind sey, so spricht man: Ich bin ihm Spinnen-Feind; oder: Der ist dem und dem so feind, als einer Spinnen. Woraus zur Gnüge abzunehmen ist, daß zwischen dem Menschen und denen Spinnen eine natürliche Feindschafft seyn müsse. Wie reimet sichs aber denn nun, eine Glück-anzeigende Creatur auch zugleich eine feindseelige zu nennen? Ich kan es nach meiner Einfalt und Vernunfft, nicht wohl ermessen. Wer einen Feind hat, der siehet solchen von weiten am liebsten; da man nun, bekannter massen, denen Spinnen von Natur feind ist, wie kan es denn möglich seyn, daß wenn ein solch Ungeziefer auf iemandes seinem Rocke kreucht, es selbigen Tag soll Glück anzeigen? Denn von einem Feinde kan, natürlicher Weise, kein Glück kommen; dahero vielmehr zu besorgen ist, daß das verhoffte[248] Glück die Eigenschafft derer Spinn-Weben und Wespen-Nester haben, und schlechten Bestand halten werde. Wer nun auf solche schöne Dinge seine Hoffnung und Vertrauen setzen will / der mag es, auf seinen Gewinn und Verlust versuchen; Ich halte nichts davon.


Das Glück, das eine Spinne bringt,

Das Lied, das eine Grille singt /

Das Häußgen, das die Wespen machen,

Sind alles gar sehr schlechte Sachen.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 248-249.
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