Das 43. Capitel.
Wenn ein Mann über Land reitet / und ihm ein Weib spinnend begegnet / ists ein böses Zeichen /derohalben soll er umkehren / und einen andern Weg reiten.

[249] Dieses Vorgeben ist eine offenbare Narrheit. Denn, ists nicht wahr? wenn derjenige / welcher über Land reiten will / gleich aus einer Stube ausgienge, allwo zehen Weiber und Mägde sässen und spönnen, so würde er sich darüber keine Sorge machen, als ob er deßwegen unglücklich reiten möchte; Also wird darmit zur Gnüge erwiesen, daß das Spinnen nichts Böses andeuten müsse, sondern das Entgegenkommen einer Weibs-Person müste solcher Gestalt verstanden werden, sie möge spinnen oder nicht. Denn wenn das Spinnen etwas Böses bedeutet, so müsten diejenigen, welche in der Stuben oder Hause, allwo der Mann ausgehet, sitzen und spinnen, vielmehr etwas Böses bedeuten, weil diese ihm viel näher sind als jene, die ihm auf dem Felde begegnet.[249] Soll aber das blosse Entgegenkommen eines Weibes das böse Zeichen seyn / warum ein Reiter nöthig hätte wieder umzukehren, so wolle man doch erwegen, wie vielmahl mancher müste umkehren, und einen andern Weg suchen; ja man würde offt nicht einmahl an den Ort gelangen können, wohin man zu reiten gedächte, weil auf mancher Strasse ohne Unterlaß Weibs-Personen hin und wieder gehen. Und weil ich auch mein Lebetage nicht erfahren habe, daß einig Bedencken gemacht würde, fort zu reiten, ob einem gleich zehen Weibs-Personen begegneten; also kan es nicht fehlen, das gantze Werck und Vorgeben, was von einer spinnenden Weibs-Person gesagt wird, ist eine abergläubische Thorheit. Uberdiß ist es auch was recht närrisches, daß wenn die Sache ja wahr wäre / (da es doch s.v. erlogen ist,) daß eine spinnende Weibs-Person, so einem auf dem Felde begegnete, ein böses Zeichen wäre, man durch das Umkehren und Reitung eines andern Weges, solch vermeyntes böses Zeichen verbessern will. Denn wo einmahl das Begegnen eines solchen Weibes geschehen ist, so macht das Umkehren ja die geschehene Sache nicht ungeschehen, und mag der Reuter fort reiten oder wieder umkehren, so lässet er das Weib hinter sich, ja er kömmt durch das Fortreiten noch eher von ihr, weil sie nicht hinter ihme hergehet, als wenn er umkehret. Ich erinnere mich zu unterschiedlichen mahlen, daß an solchen Orten, allwo die Hirten-Weiber die Gewohnheit haben, daß sie den Rocken auf die Seite in Gürtel stecken, und auf dem Felde in währendem[250] Gehen zugleich spinnen, mir dergleichen spinnende Weiber begegnet sind, ja ich bin zuweilen auch wohl mit Fleiß auf sie zugeritten, und habe sie gefragt, ob ich die rechte Strasse ritte? Aber das kan ich mich nicht erinnern, daß mir iemahls hierauf etwas unglückliches begegnet oder wiederfahren sey, derohalben ist an dieser Sache nichts.


Solt auch wohl ein älbrer Ding hier auf dieser Erden,

Können auf die Bahn gebracht und ersonnen werden,

Als uns dieser Punct hier weist? Es sind närrsche Sachen,

Dabey man sonst nicht mehr kan als nur drüber lachē.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 249-251.
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