Das 82. Capitel.
Wenn ein Fuhrmann eine Otter- oder Schlangen Zunge in seine Peitsche flichtet / so werden seine Pferde / ohne Schaden / die grössesten Lasten aus einem Graben ziehen / und sich auch nicht übersauffen.

[327] Dieses ist eben auch ein solch schönes Kunst-Stücklein, wie das vorige / oder ein Buchstabe aus des Teufels A B C. Mancher Fuhrmann giebt viel Geld vor eine elende Otter- oder Schlangen-Zunge, und glaubt so gewiß daran,[327] daß es seinen Pferden helffe, wenn er solche in der Peitschen habe; wenn die Pferde sauffen, und er hält die Peitsche über sie, so glaubt er, daß sie sich nicht übersauffen können. Und also trauet er der Otter-Zunge mehr zu, als seiner eignen Vor- und Aufsicht. Und weil hiermit dem Teufel ein Dienst geschicht, so hilfft er zuweilen verhüten, daß wider des Fuhrmanns Meynung nichts geschehen darff; und solcher gestalt stärckt er nicht alleine diesen Fuhrmann in seinem Aberglauben, sondern es dienet ihm auch darzu, daß andere Fuhr-Leute mehr sich dieser abgöttischen Kunst alsdenn bedienen. Unterdessen siehet der Teufel schon eine andere Gelegenheit, wie er solchen abergläubischen Fuhrleuten in anderer Gestalt eine Grube bereite, und ihnen noch ein viel grösser Unglück zurichte, als das gewesen wäre / daß er, dem Ansehen nach, durch die Otter-Zunge hat verhüten helffen, welches aber ein wüster Fuhrmann, der Sonn-und Werckel-Tages auf der Strassen lieget, und in einem Viertel-Jahr keine Predigt höret, nicht überleget noch bedencket. Denn was würde einer vor Nutzen davon haben, wenn das Pferd durch des Teufels Hülffe heute wäre erhalten worden, daß sichs nicht übersoffen hätte / morgen aber brächte es der Teufel dahin, daß es ein Bein zerbräche? denn vor das Beinbrechen hilfft die Otter-Zunge nicht. Vorher im 78. Capitel, p. 319. habe ich eben dergleichen Thorheit, wie diese, untersucht, wenn nehmlich einige Betrüger und Spitzbuben einfältige Leute überreden, und die stinckende Schnuren, so[328] von denen geschnittenen Brüchen abgefallen sind, theuer verkauffen, unter dem Fürwand, ob könne man sich nicht zuheben, wenn man solche Schnuren bey sich trüge. Wenn ich diesen ietzt vorhabenden Punct seinem Ursprung nach betrachte, so kömmt solcher ebenfalls, wie jener, von spitzbübischen Betrügern her, nehmlich, wenn mancher sauberer Schlangen-Fänger (dergleichen sich offt auch unter denen Dienern derer Aertzte und Bruch-Schneider befinden) die Schlangen-Zungen zu nichts zu gebrauchen gewust, hat er / durch des Teufels Eingeben, auf diesen Fund gesonnen / und die Fuhr-Leute beschwatzt, ob hätten gedachte Zungen diese und jene Würckung. Gleichwie nun aber gemeiniglich ein Spitzbube bey solchen rohen Fuhr-Leuten mehr Glauben findet, als ein Prediger GOttes Worts; so menget sich denn der Teufel bald ein, und lässet, dem Ansehen nach, solche Possen etliche mahl gelingen, biß er es so weit dämit bringet, daß der Sache völliger Glaube beygemessen wird; und also hat er gewonnen, leichtgläubige Leute aber sind verführet und betrogen.


Ey! muß nicht der Teufel lachen,

Daß der Mensch so böse Sachen

Sich doch will zu Nutze machen:

Die verfluchten Schlangen Zungen,

Womit Eva ward bezwungen /

Werden übers Pferd geschwungen,

Wenn der Fuhrmann auf dem Lande

Steckt in einem schlechten Stande,

Soll diß helffen; Pfuy! o Schande!

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 327-329.
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