Das 81. Capitel.
Wenn man am [324] Nicasii Heil. Abend den Nahmen Nicasius mit Kreide an die Thüren schreibt / so werden solche Logiamenter frey von Mäusen seyn.

[324] Wenn Nicasius ein Mäuse-Fallenmacher hiesse oder gewesen wäre / so solte wohl mancher gedencken, die Mäuse fürchteten sich für seinem Nahmen. Allein so heist meines Behalts Nicasius ein Uberwinder des Volcks / nicht aber der Mäuse. Zum andern, so können ja die Mäuse nicht lesen, ob Nicasius oder Clauß Narr angeschrieben stehet. Drittens / so laufft die Sache wider die gesunde Vernunfft, und ist nicht möglich, daß ein blosser angeschriebener Nahme die Krafft haben könne, Mäuse zu vertreiben. Denn was kan es fruchten, ob mit Kreide so oder anders an eine Thür geschmieret wird? Es ist eine todte Schrifft und nichts mehr bestehend in etlichen toden Buchstabē, davor sich weder ein guter noch böser Geist fürchten, vielweniger unvernünfftige Creaturen daran kehren werden. Wenn es aber ja geschicht, daß auf solch Anschreiben die Mäuse weichen, so mag man sicherlich glauben / daß der Teufel mit im Spiele sey, denn es gefällt den Bösewicht gar zu wohl, wenn er die Menschen in Aberglauben und Zauber-Possen verstärcken kan, daß sie ihr Vertrauen auf etwas setzen / das doch nichts ist. Und obgleich zuweilen eine Sache scheinet, als sey es auf keine Wege wider GOtt und seine Gebote, und könne mit gutem Gewissen gar wohl fürgenommen werden, so ist doch gemeiniglich eine solche Sache die allergefährlichste, und nicht anders als ein verdeckter Fall-Strick eines Vogelstellers / damit die Vögel unvermuthet berücket werden. Also machts der Teufel auch / wenn er denen Menschen allerhand[325] wider die gesunde Vernunfft streitende Hülffs-Mittel so fein zu recommendiren weiß / daß man nicht anders meynet, als wenn es ja nicht hilfft, so schadet es auch nicht; so es aber hülffe, so wäre es desto besser, und wären lauter Mittel, die Gott selbst, denen Menschen zu gute, in die Natur geleget hätte. Aber ehe sichs der Mensch versiehet, bringt der Satan wieder etwas auf die Bahn, dabey der Mensch sich in noch mehr Fall-Stricke versitzt, ohne etwas davon zu mercken, biß der Satan seine Zeit ersiehet / und entweder den Menschen in Verzweifelung stürtzt, oder in dieser Schule also fort studiren lässet, biß er endlich von nichts anders, als solchen Künsten weiß, auch andere auch darzu in solchen Teuffels-Possen informiren kan; und wer noch ein Fünckgen eines Christlichen Gewissens heget, und nicht stracks in solchen bösen Mitteln folgen will, mit Vorgebung, daß es wider GOtt lauffe, da darff ein solcher Satans-Diener und Teuffels-Præceptor wohl ungescheuet sagen: Narr! wenn man nicht verderben will, so muß man dem Teufel zwey Lichter aufstecken, und unserm HErrn GOtt nur eines. Und dieses verfluchte Sprichwort ist leider! gar gemein. Man bedencke nur, wie eine schlechte Sache es zu seyn scheinet / wenn man mit Kreyde den Nahmen Nicasius an die Thür schreibet, zumahl, da nichts darzu gesprochen wird. Wenn nun hierdurch die Mäuse können vertrieben werden / so könte man es ja leichte thun; aber nein, mein Freund, es steckt eine andere Schelmerey darhinter. Wenn man[326] in des Teufels Schule gehen will, so ist dieses und dergleichen schlecht anzusehende Kunst-Stückgen gleichsam das A oder Anfang zum Teufels-Künsten. Wer nun anhebt, und das A lernet, der lernet das B bald auch, und folgends das gantze A B C, biß auf Z. Damit ich aber nicht zu weit gehe / so rathe ich denen abergläubischen Mäuse-Vertreibern, welche den Nahmen Nicasius an ihre Thüren schreiben, daß sie den hin und her gesetzten Gifft, und viele aufgestellte Mäuse-Fallen, auch die guten Katzen, eine Zeitlang wegthun wollen, so wird sichs bald äusern, was die Mäuse vertreibt.


Wenn du die Mäuse kanst mit einer blossen Schrifft

Vertreiben, was soll denn der böse Ratten-Gifft?

Weil aber gleichwohl doch man noch den Gifft offt braucht,

So hat es die Gestalt, als ob die Schrifft nichts taugt.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 324-327.
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