Das 68. Capitel.
Wer die gelbe Sucht hat / der soll einen Schmier-Kübel von eines Fuhrmannes Wagen stehlen lassen / und hinein sehen / so vergehet ihm die gelbe Sucht.

[110] Dieses scheinet zwar ein Mittel zu seyn, welches mit unter die Sympathetischen Curen gehöret, und würde ich bey nahe zu bereden seyn gewesen, solchem auch einiger massen Glauben zuzustellen, woferne dieses die Sache nicht gar zu verdächtig machete, daß nehmlich der Schmier-Kübel solle oder müsse gestohlen werden. Welches ein offenbares Zeugniß giebt, daß dieses Mittel von bösen abergläubischen Leuten erdacht worden seyn müsse; und ob gleich gegentheils wieder eingewendet werden wolte, man behielte den Schmier-Kübel deßwegen nicht, sondern brächte solchen nach dem Gebrauch dem Fuhrmann wieder, so hält doch diese Entschuldigung keinen Stich, denn es kan hernach der Fuhrmann über alle Berge fort seyn, wer bringt ihm alsdenn den gestohlenen Schmier-Eymer nach? Und weil nun dieses ein würcklicher Diebstahl ist, so ist solch Mittel vor das erste gantz nicht zu billigen. Zum andern ist es auch an und für sich selbst ohne einige Krafft und Würckung, denn es wird sein Lebtag kein Mensch iemahls ein Exempel anzugeben wissen, daß hierdurch iemahls ein Gelbsüchtiger sey curiret worden. Worzu dienen denn aber solche närrische Mittel? Ich will meine Meynung, die ich hierüber habe, kürtzlich melden, sie dienen nicht zur Gesundheit des Patienten, sondern dem Teufel eine Kurtzweile anzurichten. Wer ein rechter Christ ist, der bedenck dieses, ob es nicht wahr sey?

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 110-111.
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