Das 67. Capitel.
Wer in der Christ-Nacht ins kalte Bad gehet / der bekömmt selbiges Jahr die Krätze nicht / und so er sie schon hat / so vergehet sie davon.

[109] Das will ich in Wahrheit glauben, ja ich zweifele nicht / andere Beschwerungen mehr sollen hiervon vergehen. Denn ich erinnere mich eines einfältigen Menschens, welcher sich dergleichen Thorheit auch ließ beschwatzen, daß nehmlich[109] vor die Krätze kein besser Mittel sey, als wenn man in der Oster-Nacht ins kalte Bad gienge. Der gute Kerl thät es, und wurde seiner Krätze in drey Tagen qvitt, und in acht Tagen seines siechen Lebens darzu. So kräfftig war das kalte Oster-Bad; Also kan man nun leicht urtheilen, daß das Weyhnacht-Bad viel kräfftiger seyn müsse, denn es ist weit kälter als jenes, und in der Kälte bestehet eben die stärckste Würckung dieses Bades. Wer nun Lust und einen starcken Glauben dazu hat, der mag es gebrauchen, er sage aber nicht / daß ich es ihm gerathen habe. Denn vergönnen kan ich wohl einem ieden, daß er eine Thorheit begehe, aber rathen thu ichs keinem. Wer ein wenig Verstand hat, der kan sich leichte einbilden, daß durch solche Erkältung die Krätze gar leichte vergehet, und in den Leib schlägt, was aber hieraus sonst vor Unglück und tödtliche Fälle sich ereignen können, ist unvonnöthen einem vernünfftigen Menschen zu lehren, weil es bekannt gnug ist. Ein gantz Unvernünfftiger aber kehret sich nicht daran, man mag ihm vorpredigen, wie man will, denn ein Narr bleibt ein Narr, wenn er gleich in Mörsel gestossen würde, wie Grütze.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 109-110.
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