Das 83. Capitel.
Wenn ein Bräutigam seiner Braut ein Buch kaufft oder schenckt / so wird dadurch die Liebe verblättert.

[132] Wenn die Braut von einer solchen Gattung[132] ist, daß sie mehr auf Putz und Hoffart achtet, als auf GOtt und sein Wort, so kan es freylich nicht angenehm fallen, ob ihr gleich ihr Bräutigam das allergeistreichste Gebet-Buch schenckte, sondern sie wird dieses, samt ihrem Bräutigam, verachten, und mit Verdruß in dem Buche herum blättern, auch hernach ihr Mißvergnügen ihrem Liebsten nicht lange bergen können, alsdenn heist es: Mit dem Buche ist die Liebe verblättert worden. Hätte ihr aber der Liebste ein kostbar Halßband, schöne Braseletten an die Arme, oder köstlich Band auf die Fontange geschenckt, so würde es gewiß aus einem andern Thone klingen / und heissen: Hiermit ist die Liebe recht verbunden worden; dieses aber wird nur von nichts-werthen Bräuten vermuthet. Was aber ehrliche und Christliche Bräute sind, die lieben ihren Bräutigam von Hertzen, und, nechst GOtt, über alles, sehen nur auf seinen Willen, haben darneben an alle dem einen grossen Gefallen, was sie von ihm bekommen, es sey auch so gering, als es wolle. Wie ich mich denn erinnere, daß vor diesem eine Ehr- und Tugend liebende Braut in Dreßden von ihrem damahls mit Merseburgischer Gesandschafft in Wien sich befindlichen Liebsten ein paar in einander geflochtene Kirsch-Stiele in einem Brieffe bekam, die sie so werth hielt, als ob es die kostbarste Diamantene Rose gewesen, zumahl, da sie wuste, daß ihr Liebster solche mit eigenen Händen zusammen geflochten hatte. Aber leider! giebt es ietzt dergleichen rühmens-würdige Bräute gar wenig.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 132-133.
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