Vorrede.

Aberglauben ist ein schlecht Wort / wenn es nur schlechthin angesehen wird / und scheinet wenig auf sich oder zu bedeuten zu haben; dahero auch der Aberglaube sich fast bey denen meisten Christen / als eine heimliche Seuche / eingeschlichen hat / also / daß mancher Mensch alle seine Actiones mit Aberglauben vermenget hat / und weiß es noch nicht einmahl / daß er hiermit seiner Seelen und Gewissen ein solch Schand- und Brand-Mahl zuziehet: Denn es ist Aberglauben ein irriger und verdammlicher / und nicht ein rechter Glaube / und wenn die Buchstaben ein klein wenig versetzt werden / so heißts es Raben-Glaube. Ob nun zwar das erste in den Ohren nicht so hart als das letzte klinget / so wolte ichs doch / mit gewisser Christlicher Condition, lieber mit dem letzten halten /in Erwegung / daß doch gleichwohl die jungen Raben den einigen wahren GOtt anruffen; diejenigen aber /welche denen, Aberglauben nachhängen / sind Abgöttische / verlassen ihren Schöpffer / und ehren die Creatur. Wie dieses aber dem einigen wahren GOtt gefällig sey / kan ein ieder leichte aus dem heiligen Worte GOttes ersehen / und sagt Moses in seinem 5. Buch / Cap. 18. daß solche Leute dem HErrn ein Greuel seyn.

Aberglauben stehet dem einigen wahren seeligmachenden Glauben entgegen / wer nun abergläubisch ist / kan im rechten Glauben nicht aufrichtig seyn /und gehöret unter die Zahl derer / welche weder kalt noch warm sind / und diese will GOtt aus seinem Munde ausspeyen. O weh! das ist ein schöner Lohn / (scilicet) den sich solche Thoren muthwillig verdienen.

Dieses habe ich manchmahl erwogen / wenn ich öffters mit schaurender Haut angesehen / und gleichwohl solches zu hintertreiben nicht vermögend gewesen / daß von ein und andern Gauckel Affen / sonderlich aber Weibs-Personen allerhand abergläubische Fratzen / auch zuweilen mit Mißbrauchung des allerheiligsten Nahmens GOttes / gantz unbedachtsam sind vorgenommen worden.


Und dieses hat mich demnach offt bewogen / zu wünschen / daß doch iemand die Mühe auf sich nehmen / und alle solche albere abergläubische Possen aufzeichnen / genau untersuchen / und gründlich widerlegen möchte. Allein es hat noch biß dato nichts davon zum Vorschein kommen wollen; dahero habe ich selbst von diesen Raritäten / so viel mir vor meine Augen und Ohren gekommen / zusammen gesammlet / und habe / nach meiner Gelegenheit / zuweilen eine Materia nach der andern / sowohl mit der gesunden Vernunfft / als auch mit dem rechten Glauben und wahren Worte GOttes / so viel als mein weniger Verstand und Vermögen sich erstrecket hat / untersuchet /und gegen einander gehalten / und ie länger ie mehr befunden / daß es einfältig / alber / verlogen Zeug sey / das weder Grund noch Stich hält. Und habe mich dahero desto mehr verwundert / daß gleichwohl solche einfältige Narren-Possen / auch offtmahls von solchen Personen / denen man es nicht zutrauen solte / so häuffigen Beyfall finden.

Ich habe es demnach mit solchen verlogenen Kunststücken und unnützen Hülffs-Mitteln gewaget /und dieselben durch die rechte Wahrheit gleichsam entkleidet / und an das Licht gestellet / zur Schande aller derer / welche bißhero solchen alt-vettelischen Lügen haben hartnäckig angehangen / oder noch keine Lust haben / ins künfftige davon abzustehen. Alleine / wie wirds ablauffen? Wer die Wahrheit geiget / dem schlägt man die Fiedel an den Kopff; also darff ich mir auch wohl schwerlich Rechnung auf einen guten Recompens machen vor die Mühe und Arbeit / welche ich (wiewohl nur in müßigen Stunden) auf gegenwärtiges Werckgen gewendet habe. Zwar / weil ich ohnedem nicht nach zeitlichem Gewinn und Vermögen zu trachten gewohnt bin / sondern vielmehr einen ehrlichen Nahmen und rein Gewissen zu behalten mich eifferigst befleißige; als achte ichs desto weniger / wenn ich vor diese meine wohlgemeynte Arbeit nichts als Undanck und spöttische Nachrede erhalten werde. Der weise König Salomon sagt zwar Proverb. 28, v. 23. Qui corripit hominem, gratiam postea inveniet apud eum magis, quam ille, qui per linguae blandimenta decipit. Das ist wer einen Menschen straffet / wird hernach Gunst finden / mehr denn der da heuchelt. Dahero mache ich mir doch zum wenigsten so viel Hoffnung hierbey /daß etwan diese / welche aus Unbedachtsamkeit geirret haben / mich nicht gar zu sauer ansehen werden. Und diejenigen / welche ohnedem mit mir einstimmig sind / werden hoffentlich desto mehr mit mir zu frieden seyn / daß ich ihrer so lange gehegten richtigen Meynung so offenhertzig beypflichte. Was aber theils hartnäckige / alte abergläubische Weiber / Seegensprecherinnen Crystallenguckerinnen / und dererselben getreuer Anhang / mir vor einen Ehren-Krantz zu Lohne aufsetzen werden / fürchte ich schon / daß sie weder Johannis-Kraut / Thorand / Dosten / Wiederthon noch Gundermann / (mit denen sie doch fleißig umzugehen pflegen) vielweniger andere gute Kräuter und Blumen / sondern vielmehr Distel Köpffe / Dornen und alte Besen mit darein binden werden. Aber alles dieses achte ich nicht / und nehme solchen von ihnen willig an / indem mir doch wohl wird frey stehen / ob ich ihn aufsetzen will oder nicht / wenn sie mir nur die Liebe thun / und gegenwärtiges geringe Werckgen zu ihrer Besserung mit Bedacht lesen wollen; wer weiß / ob nicht etliche darunter / welche nicht gar in der Zauberey ersoffen sind / sich dadurch eines bessern besinnen.

Ubrigens gelanget an einen ieglichen Christlichen Leser mein dienstlich Bitten / daß er gegenwärtige geringe Arbeit unpassioniret ansehen / u. das beste davon urtheilen wolle / sintemahl ich wohl weiß / daß nichts ohne Mangel in der Welt erfunden werden mag / welches nicht seine gewisse Censur leiden müsse und könne. Und weil ich gleichsam nur mit diesem Werckgen eine Arbeit aus dem gröbsten gebracht habe / so werde mir es nicht mißfallen lassen / wenn sich künfftig klügere Leute bemühen / und solches /so zu reden / aus dem Groben ins Klare bringen wollen. Unterdessen will ich dennoch hoffen / daß diese /wiewohl geringe Arbeit / nicht gar ohne Nutzen seyn wird.

Darbey aber protestire ich / daß / daferne in ein und andern Punct iemanden etwas fürkommen möchte / ob sey ihm zu nahe geredet / es nicht aufzunehmen /als sey es von mir / aus einem affectirten Absehen gegen einen Menschen in specie gesetzet / sondern es wolle vielmehr ein ieglicher selbst erwegen / daß die Materien mehrentheils von solcher Beschaffenheit sind / daß Zärtlichkeit und Heucheley nicht viel nutzen noch ausrichten können. Eben als wenn ein Jubelirer Edelgesteine wolte probiren / und an statt einer guten Feile / mit einem Haasen-Fuß / oder Fuchs-Schwantz drüber herfahren / so würde gewiß ein Fluß oder gemachter falscher Stein so wohl die Probe aushalten / als ein Orientalischer Rubin / Saphir / Amethist oder Schmaragd.

Letzlich ersuche ich alle verständige und Christliche Weibs-Personen / daß / weil ich in diesem Werckgen denen alten Vetteln / super-klugen Weibern / und dergleichen Personen weibliches Geschlechts / welche kein Lob verdienen / keine zierliche Ehren-Seulen aufgerichtet habe / sie sich dieser nicht annehmen möchten; denn ich bezeuge mit meinen guten Gewissen / daß ich alle Christlich-gesinnte verständige Weibs-Personen / sie seyn jung oder alt / arm oder reich / billich und willig in gebührlichen Ehren halte /und dieser keine verstanden haben will. Auch verstehe diese nicht / welche aus Unbedachtsamkeit und durch Ubrredung von andern Thörichten / aus Unverstande ein und andere abergläubische Albertät vornehmen /sintemahl ich wohl weiß / daß irren menschlich ist /und gestehe ich von mir selbst / daß / wenn ich mir zuweilen Gedancken mache / als sässe ich dem lieben GOtt im Schoose / ist mir wohl der Teufel am nechsten; Weil ichs aber weiß / muß ich durch GOttes Beystand desto vorsichtiger seyn.

Welche demnach geirret hat / die folge meinem wohlgemeinten Rath / und verharre nicht in Irrthum /ich gebe meine Ehre zur Versicherung und Pfande /daß sie GOtt wird angenehmer seyn / als wenn sie länger der zauberischen / abergläubischen Rotte sich zugesellet und gleich stellet.

Hiernechst bitte ich einen ieden geehrten Leser /diese Puncte unpassionirt und bedachtsam durch zugehen / so hoffe ich / daß / ob gleich der Stylus zu schreiben einfältig ist / auch wohl diejenigen / welche anfangs das Maul drüber rümpffen / es dennoch vor lesens-würdig achten werden.

Schlüßlich wünsche dem geneigten Leser alles zeitliche und ewige Heil und Wohlergehen.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]..
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