Das 1. Capitel.
Wenn eine Wöchnerin in einer Stube in Wochen lieget / und kömmt iemand mit einem Trag-Korbe hinein / so muß es einen Span vom Korbe abbrechen /und in die Wiege stecken / sonst nimmt es der Mutter oder dem Kinde die Ruhe mit hinweg.

Probatum est, sagen die Weiber; ich aber antworte ohne Complimenten: Es ist nicht wahr, daß es eintrifft, obgleich probatum est mit güldenen Buchstaben darzu geschrieben wäre. Denn ich habe, hinter die Wahrheit zu kommen, richtigere Observationes davon gemacht, als sie; nehmlich, ich habe zu der Zeit, da meine Kinder unruhig gewesen sind, Weiber mit Trag Körben in die Stube gelassen, habe sie ohne Niedersetzen, und ohne Abbrechung eines Spans wieder lassen davon gehen, darbey aber meinem Kinde etwas wider das Reissen in Därmergen eingegeben, so ist mein Kind in die Ruhe gekommen. Hingegen habe ich, wenn mein Kind ist ruhig gewesen, eben auch einen Trag-Korb hinein bringen, das Weib damit nieder setzen,[13] auch einen Span vom Korbe brechen, und in des Kindes Wiege stecken lassen, aber hierauf ist mein Kind sehr unruhig worden. Da sagt mir nun alle, ihr super-klugen Weiber, wie gehet das zu, daß sich bey mir schnurstracks das Gegentheil ausgewiesen? Ich weiß zwar wohl, daß ihr mir werdet antworten: Die Ursach sey an mir, weil ich nicht daran glaubete; ja, ihr habt es errathen, und das ists eben, was ich von euch haben will. Glaubet ihr auch nicht daran, so wiederfähret euchs auch nicht. Denn wer leicht glaubt, der wird leicht betrogen; sondern wisset vielmehr, daß das Vertrauen, welches ihr auf den Span vom Korbe setzet, eine Abgötterey sey.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 13-14.
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