Das 13. Kapitel.
Es ist nicht gut / daß man etwas über eine Wiege hinlanget / worinnen ein Kind liegt / oder daß die Wiege offen stehe.

[43] Es wäre dieses nicht mit unter die Aberglauben gerechnet worden, wenn die Weiber eine Ursach anzugeben wüßten, warum es nicht gut sey, wenn man etwas über eine Wiege hinlange; denn wenn ich noch so viele darum frage, so können sie alle nichts mehr zur Antwort geben / als daß sie iederzeit gehöret hätten, es wäre nicht gut. Ich will ihnen aber zu Gefallen die Ursache melden / warum es nicht gut sey, nehmlich darum: Weil die Kinder gewöhnlicher massen auf dem Rücken liegen, und die Gesichter aufwärts kehren, so ist es leicht geschehen, daß, so man etwas über die Wiege hinlanget, und das Kind die Augen offen hat, einem in dem Hinüberlangen etwas entfallen, und dem Kinde ins Gesicht oder gar in die Augen fallen kan. Ingleichen, wenn die Wiege offen stehet, oder das Kind nicht mit der Zudecke verwahret ist / so kan ebenfalls leicht etwas dem Kinde auf den Leib fallen, oder die Fliegen solches beunruhigen / oder es kan das Kind gar aus der Wiegen fallen. Dieses ists also,[43] warüm das, was die Weiber in diesem Punct uns lehren wollen, nicht gut ist. Wenn aber kein Kind in der Wiegen liegt, und man will dennoch diesem Vorgeben Glauben zustellen, so ist es vor nichts anders, als vor einen albernen Aberglauben zu achten; es sey denn Sache / daß man besorget wäre. als ob etwas in die Wiege fiele, daß das Kind stechen oder ihm sonst schädlich seyn könte, wenn es unversehens darauf geleget würde: Solchergestalt wissen doch nun die guten Weiber, wofür sie sorgfältig sind.


Den närrisch ists gethan, nicht wisse, wag man machet;

Wenn demnach euer Kind in seiner Wiegen wachet,

Mit offnen Augen liege, auch wohl nicht zugedecket,

So langt nichts über hin. womit ihr es erschrecket,

Sonst aber sckad't es nichts, langt was ihr habt vom nöthen,

Daß man nicht sagen darff: Ihr treibet Albertäten.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 43-44.
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