Das 69. Capitel.
Wenn man einer Hexe einen Besen in Weg leget / daß sie darüber schreiten muß / so wird sie ohnmächtig /und kan kein Unglück stifften.

[170] Ich will es zwar nicht widersprechen, iedoch es auch nicht, als eine ohnfehlbare Wahrheit / glauben, daß die Zauberer gewiß in der Walburgis-Nacht nach ihrem Tantz auf den Brockels-Berg ritten, weil / wenn man die Sache vernünfftig überleget, es natürlicher Weise nicht geschehen kan. Es sey aber an der Sache, was da wolle, so will es doch mit dem ietzt vorhabenden Punct sich weder reimen noch schicken. Denn man bedencke nur! die Hexe soll ohnmächtig werden, wenn sie über einen Besen schreiten müsse; da doch vor gewiß will gesagt werden, daß die Hexen[170] auf Besen und Ofen-Gabeln nach dem Brockels-Berge ritten. Wie können sie denn aber darauf reiten, wenn sie solche nicht überschreiten und sich darauf setzen? und wie können sie darauf sitzen und reiten, wenn sie ohnmächtig davon werden? sie würden gewiß bald aus der Lufft von ihren Gabeln- und Besen-Pferden herab-und zu GOttes Boden fallen; dergleichen Exempel aber noch nicht bekannt ist. Da sie nun bey der Reuterey auf denen Besen nicht ohnmächtig werden, wie kömmt es denn, daß sie ohnmächtig werden sollen, wenn sie nur über einen Besen, der auf der Erden liegt, wegschreiten sollen? Es will ja auch sonst noch vorgegeben werden, ob könten sich die Hexen hinter einen Besen verstecken, wenn man nehmlich das Kehricht in einen Winckel zusammen kehrere, und stellete den Besen davor, wie theils Weiber und Mägde sehr im Gebrauch haben. Hat es denn irgend mit denen Hexen und Besen die Bewandniß, als wie von theils gifftigen Thieren und einigen Kräutern geglaubet wird, daß sich die gifftigen Thiere unter theils Kräutern gern aufhielten, aber bey Verlust ihres Lebens nichts davon geniessen dürfften, wie von denen Kröten und Schlangen mit der Salbey und Raute gesaget werden will? Wenn dieses wäre, so möchte unser vorhabender Punct noch ein klein wenig einen Schein behalten; aber auch auf diese Art will kein Beweiß an den Tag kommen. Bleibet demnach wohl ein lahmes und ungegründetes Vorgeben. Oder wolte man folgendes zur Ursach[171] bei Hexen-Ohnmacht nehmen, so pflichte ich eher bey / nehmlich: Wenn eine Hexe aus dem ihr in den Weg gelegten Besen merckte, daß solcher mit Fleiß um ihrent willen hingeleget sey, und schlösse daraus, daß die Leute, welche ihr den Besen in den Weg geleget hätten, allerdings Nachricht haben müsten, daß sie eine Hexe wäre, aus welcher unverhofften Vermuthung die Hexe erschröcke, das sie dar über in Ohnmacht fiele, wie man wohl ehe dergleichen Exempel hat / daß, so einem unverhofft eine böse Sache vorgerücket worden ist, dieser vor Schrecken in Ohnmacht gesuncken. Auf solche Weise wolte ichs glauben, sonst aber nicht. Jedoch kömmt mir es noch zweifelhafftig vor, weil das Schrecken von der stillschweigenden Versuchung mit dem Besen entstehen soll, da man doch nicht erfahren hat, daß eine Hexe so sehr erschrocken wäre, daß sie in Ohnmacht darüber gefallen, wenn man ihr wohl gar frey ins Gesicht hinein gesagt hat, sie sey eine Hexe. Scheinet also diese Sache gar keinen Grund zu haben.


Wie soll die Hexe wohl sich fürchten für dem Besen,

Den sie zur Reiterey sich eigen auserlesen?

Es klingt gar abgeschmackt, und will nicht gläublich seyn,

Drum, wenn sie fürchtet sich, so thut sies, nur zum Schein.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 170-172.
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