Das 70. Capitel.
Glück in Spiel zu haben / soll man ein Eulen-Hertz /oder den Stein aus dem Rücken einer Fledermauß /oder den Kopff eines Wiedehopffs bey sich tragen.

[172] Das Geflügel ist bald nach einander her genennet, aber nicht so bald gefangen, und erinnere ich mich, daß in meiner Jugend meine Eltern einen Knecht hatten, welcher offt sagte, er wolte gerne einen Thaler vor eine Fledermauß geben. Dieser Knecht bemühete sich auch manchen Abend sehr, stackte ein weiß Tuch an eine Stange, oder nahm einen blossen Degen, und trat damit in Garten, und lauerte auf, in Meynung / es solte sich eine Fledermaus daran setzen, oder daran fliegen, daß er sie erschlagen könnte. Ob nun zwar alle Abend solche Finsterniß-liebende Vögel um ihn herum flohen, so war er doch niemahls so fix, als sie, und blieben sie demnach für ihm alle am Leben. Ohne Zweifel war dieses Knechts Absehen auch dahin gerichtet, von der Fledermaus etwas zu nehmen, davon er wolte Glück im Spiel haben. Kein Zweifel ists, daß es dergleichen Narren giebt, welche sich eben so sehr um einen Wiedehopff oder um eine Eule bemühen, als jener um die Fledermauß. Wenn nun mancher Geck sich lange bemühet hat nach einer solchen Sache, und gelanget endlich darzu, so denckt er, er habe nun gewonnen Spiel, und ist auch wahr, er hat gewonnen Spiel. Denn ists nicht so? wenn der Jäger einem Wild lange nach gestellet hat, und hat es nicht ertappen können, und das Wild kömmt endlich ins Netz, so hat der Jäger gewonnen. Also ist hier auch die Meynung dieses Puncts / wer das Hertz von der Eule, oder den Stein aus der Fledermauß, (wiewohl ich sehr zweifele, daß die Fledermäuse[173] Steine bey sich haben) oder den Kopff vom Wiedehopffe hat, der hat gewonnen. Wer hat aber verspielt? Antwort: Die Eule / Fledermauß, oder Wiedehopff; denn wer sein Hertz oder den Kopff hergeben muß, der verspielt. Also kan es nicht fehlen, wer das Hertz von der Eulen / den Kopff vom Wiedehopffe, und dergleichen bey sich trägt, der gewinnet, oder hat vielmehr gewonnen. Denn gewinnen, oder gewonnen haben, wird offt in einerley Verstände genommen / wie zu sehen, wenn eine Compagnie spielet, und es hat Peter und Conrad gewonnen, Johannes und Friedrich aber verspielet, der fünffte aber kömmt darzu, und fraget, wer verspielt, oder wer gewinnet? so folget die Antwort: Peter und Conrad gewinnen, i.e. haben gewonnen. Wer aber nun ein Eulen-Hertz, und dergleichen, um deßwillen bey sich trägt, daß er im Spielen gewinnen will, der wird sich nicht allein selbstbetrügen, sondern begehet auch Abgötterey, wie auch Diebstahl an seinem Nechsten, obgleich nicht in effectu, doch in affectu, weil er den Vorsatz hat, durch dieses Mittel das Spiel zu biegen / daß er des andern sein Geld abgewinnen könne. So nun ohngefehr ihm das Glück im Spielen zufället, so gläubt er steiff und fest, das Eulen-Hertz, oder Fledermäuse-Stein, habe dieses zuwege gebracht. Aber weit gefehlet.


Fang eine Fledermauß,

Such ihr fein in dem Rücken, und nimm den Stein heraus,[174]

Hasch einen Wiedehopff,

Und reiß von dessen Rumpffe geschwinde ab den Kopff.

Und wenn die Eule schreyt,

So fang sie, nimm das Hertze, und sey damit bereit,

Nimm alle diese Stück.

Steck sie zu dir beym Spielen, es bringt dir doch kein Glück.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 172-175.
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