Das 3. Capitel.
In manchen Hauß oder Stall leidets kein weiß Vieh /sondern stirbt oder wird erdruckt.

[9] Man möchte wohl gedencken / wie doch dieses zugehen möge / oder was dessen Ursach sey? Allein man höret von aberglaubischen Affen gar bald die Antwort: Es hielte sich ein gewisser Geist in solchen Wohnungen auf / der keine weisse Farbe leiden könne. Manche Leute haben ihre Beliebung an weissen Vieh / aber es nimmt mehrmahls Schaden / oder stirbt gar / ehe man sichs versiehet / da muß alsdenn das Hauß oder der Stall Ursach daran seyn? aber / wer nur gesund und vernünfftig Menschen / und nicht Ochsen-Gehirn im[9] Kopff hat / der wird leicht begreiffen können / warum das weisse Vieh nicht allezeit lange daure. Ich sage / nicht allezeit / denn es dauret gleichwohl zu weilen so lange als ein anders. Man hat aber aus der vielen Erfahrung / daß insgemein das weißhärige Vieh nicht so dauerhafft ist / als wie das rothe und schwartze / wie man denn auch an denen Menschen selbst wahr nimmt / daß die weißhärigen Leute nicht so gesunder und harter Natur zu seyn pflegen / als wie die roth-braun- oder schwartz-Köpfigen / und dieses steckt in der Natur / davon ich aber hier wegen beliebter Kürtze weiter nichts melden will. Daß aber in manchem logiament das weisse Vieh mehr und eher stirbt und Schaden leidet / als das rothe und schwartze / kan gar wohl seyn / zumahl wo des weissen Viehes mehr vorhanden ist / als anderfärbiges / also kan freylich vom wenigsten Theil nicht so viel zu Grunde gehen / als wovon am meisten da ist. Wer aber unter viel andern Vieh / nur ein einiges Stück weisses hätte / welches alleine Schaden nehme oder gar stürbe / so darff man doch nicht eben so einfältig glauben / als ob ein gewisser Geist diese Farbe nicht litte / weil ja leicht geschehen kan / daß ein Vieh stirbt oder Schaden leidet / da gemeiniglich der Schaden über das liebste zu kommen pfleget. Ja[10] sagen die leichtgläubigen Affen / es leidet in den und den Orte kein weiß Vieh / es druckt es stracks todt / daß es morgens früh gantz breit gedruckt dort liegt. Aber / ô sancta simplicitas! wenn manchem sein Gesinde solte auf ihr gut Gewissen aussagen wollen / ob es nicht von dem Tode des breit gedruckten Viehes Wissenschafft hätte / so würde es gantz anders heraus kommen / als man sich aus Einfalt eingebildet gehabt. Ich habe diese Thorheit aus eigener Erfahrung observiret / dannenhero ich nichts davon glauben kan. Ich bitte dahero alle / die von gesunden judicio sind / zu erwegen was ein Geist sey! und frage sie / ob sie alles mit ihrer Vernunfft begreiffen können / das einem Geiste etwas könne an der Farbe eines Thieres oder andern Dinges gelegen seyn. Wenn ich physice alle Farben betrachte / so kan keine unter allen einem Geiste natürlicher weise / weder gefällig noch zuwider seyn. Drum / mein aberglaubischer Narr / sage mir doch /wenn ein Geist die weisse Farbe nicht leiden kan /und dannenhero an manchen Orte das weisse Vieh umbringet oder todt druckt / warum zerbricht und zerdrückt denn dieser Geist nicht auch an solchen Oertern die weissen Eyer / oder wirfft und zerstößt nicht auch die in Töpffen stehende weisse Milch? antworte mir hierauf /[11] so will ich alsdenn meine Meynung dir ferner eröffnen. Weil ich aber von dieser Materia in einen andern Werckgen weitläufftig gehandelt habe /so schliesse ich zu diesem mahle / und weise den geneigten Leser in meine curiösen Speculationes Schlaff-losen Nächten / ins zwölffte Gespräch des vierdten Dutzents / daselbst wird er meine hiērüber habende Meynung weitläufftiger erkläret finden / und befinden / daß dieses Spargement ein alberer Aberglaube sey.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. Band 2, Chemnitz 1722 [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 9-12.
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