Das 56. Capitel.
Daß einem das Rohr oder Büchse nicht konne versegnet oder versaget werden.

[109] Den Verkehrten ist alles verkehrt / und einem aberglaubischen Narren ist alles vergauckelt. Was vor närrisch Zeug mancher herschwatzet von Büchsen versprechen / oder Rohr versagen / davon werden einem die Jäger am besten berichten können. Wenn man aber so wohl das Versprechen oder Versegnen[109] der Büchsen / als auch die darwider gewöhnlichen Gegenmittel genau überlegt / so wird in Wahrheit so närrisch Bernhäuter-Zeug an Tag kommen / daß man vor Lachen möchte was anders thun. Jetzt haben wir nur von einem Mittel zu handeln / das wider das Büchsen Versprechen dienen soll. Weil ich aber meines Wissens noch nichts unter meiner Striegel gehabt / das von dem Versprechen der Büchsen selbst gehandelt / als will ich nur ein einiges bekanntes Exempel anführen / nehmlich / man sagt: wenn iemand mit einem Feuer-Rohr oder Büchse schiessen wolle / ein anderer aber stünde von ferne / und wolte jenem einen Weidman machen / daß er nicht loß schiessen könne /so dürffte er nur sein Messer und Gabel aus der Scheiden ziehen / das Messer an der Gabel / und die Gabel an des Messers Ort / verkehrt / nehmlich mit denen Stielen / einstecken / daß die Klingen haussen blieben / so könte der erste nicht loßschiessen. Ob nun gleich dieses das bekannteste Stückgen in dieser vermeynten Kunst ist / so ists doch erlogen / sintemahl ichs vor diesem aus Fürwitz mehr als einmahl versucht / aber allemahl falsch befunden habe. Andere Narrenpossen zu geschweigen. Wie nun diese vermeynte Kunst falsch ist / also ist das Antidotum[110] oder Wieder-Tod dargegen nicht um ein Haar besser.

Man giebt vor / wenn man ein wenig Mooß / welches auf eines armen Sünders Hirn-Scheidel gewachsen wär / zwischen das Pulver und Kugel ladete / so könte einem die Büchse nicht versaget werden. Denn ich glaube / daß gar nichts wahrhafftiges an dem Büchsen-Versprechen ist / so kan sie weder bey dem Gebrauch des einen / noch des andern Gegenmittels versaget werden / und was nicht möglich ist / daß wird auch durch Menschen nicht möglich gemacht werden können. Uber dieses ist es auch notorisch /daß dieses ein superstiöses-Mittel ist. Warum soll oder muß es eben Mooß von einen armen Sünders Kopffe seyn? und warum hat ander Mooß nicht auch die Krafft? ohne Zweifel darum: weil alle abergläubische Haasenpossen einen besondern Schein und Ansehen haben müssen / dadurch ein besonderes Nachdencken kan erreget werden / denn dieses ist des Teufels gewöhnliches Affenwerck / daß er allen seinen Dingen einen Schein giebt / da doch an der gantzen Sache nichts ist / als ein abgöttisch Teufels-Spiel /daß der Satan mit den Kindern der Finsterniß treibet. Es wird nun ohngefehr 14. Jahre seyn / da ich Gelegenheit hatte / viel[111] mit einem Scharffrichter zu reden /da ich Gelegenheit nahm / von Diebs-Daumen / Galgen-Ketten / Hencker-Schwerd / wie auch vom Mooß von gehenckten oder geräderten armen Sündern zu reden / weil wir denn von diesen Dingen recht ernstlich sprachen / und der Scharffrichter wohl merckte /daß ich aufrichtig von der Sache urtheilte / wurde er auch treuhertzig / und bekannte unter andern / daß er manche alte Stücke Ketten / woran seine Pferde und Hunde gebunden gewesen / für Galgen-Ketten verkaufft hätte. Ingleichen hätte er ohnlängst einem Medico einen Kopff eines Geräderten oder Gehenckten schaffen sollen / worauf Mooß gewachsen wär. Da wär er auf ein gewisses Dorff gangen / hätte aufn GOttes-Acker ausm Beinhause einen Todten-Kopff genommen / und hätte etwas Mooß von der Nord-oder Mitternächtlichen Seite seines Hauß-Daches genommen / und solches künstlich auf den Todtenkopff herum geleimet / und alsdenn diesen Kopff dem Doctor vor 3. Ducaten verkaufft. Bekennete anbey / daß ohnerachtet er viel lange gehangene und auf dem Rade gelegene Köpffe gesehen / so hätte er doch sein lebtage kein Mooß auf einem gefunden. Die Ursache sey / weil alle solche Köpffe gar zu frey in der Lufft und allen Winden hingen /[112] auch von Raben und Krähen gemeiniglich immer bekratzt und behackt würden; und dieses ist auch wahr. Also bedienet sich mancher Narr dieses Mittels / und hat doch wohl nur Mooß von einem in einen schattigen Winckel gelegenen alten Sau-Troge. Ich muß aber noch mit wenigen zu bedencken geben / wie leicht es doch geschehen könne / daß wenn irgend feuchte Wetter / oder das Pulver nicht gut ist / oder es ist der Stein stumpff /daß die Büchse nicht loß gehet / oder von selbst versagt / alsdenn macht sich ein aberglaubischer Haasen-Kopff stracks die Gedancken / als ob ihm ein Possen geschehen sey. Mehr sage ich nicht / weil es einem Christlich-Vernünfftigen schon genug ist.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. Band 2, Chemnitz 1722 [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 109-113.
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