Das 31. Capitel.
Wer früh morgens in währenden aufstehen nieset / der soll sich alsbald wieder niederlegen / und noch 3. Stunden liegen bleiben / sonst ist sein Weib die gantze Woche Meister.

[281] Ja du schöner Meister im Reiff-Rocke! Meister Maria ohne Hosen! ich habe mich vielmahl gewundert /woher es doch komme / daß sonderlich in hiesiger Stadt der heßlich[281] schöne Gebrauch ist / daß wenn man nach iemanden fraget / und nennet des Mannes Nahmen / so kan einen niemand zu rechte weisen /weil die Häuser mehr nach denen Weibern / als nach denen Männern genennet werden. Und wenn ich Ehren halben die Exempel nicht müste verschweigen /so wolte ich derer gar viel aufbringen. Aber nun erfahre ichs auf einmahl / nehmlich / wenn früh die Männer niesen / wenn sie aufstehen / und sich nicht drey Stunden wieder nieder legen / da werden die Weiber Meister / und bekommen eine Woche die Herrschafft / wenn nun solche barmhertzige Meister ihren Memmen / ey wolt ich sagen: Männern / etwas Niesewurtzel / früh ehe sie aufstehen / für die Nase halten / und sie niesen / legen sich aber nicht erst 3. Stunden wieder / so können die Weiber stets Meister bleiben / und die Männer verlieren zuletzt das Meister-Recht gar / und kriegen Weiber-Lehn in ihre Werckstatt. Möchte mancher sich hierüber verwundern / und fragen: wie denn dieses seyn könne / daß das Morgen Niesen könne so viel effectuiren? aber wer der Weiber (zum Theil / aber nicht alle) ihre Gebräuche und Sitten weiß / der wird sich nicht verwundern. Denn wenn die Männer früh zu rechter Zeit aufstehen / und an ihre Beruffs-Arbeit gehen wollen /indem[282] sie das Sprüchwort: Morgenstund hat Gold in Mund / bedencken / so schleichen sie gantz sachte von ihren noch schlaffenden Weibern hinweg / daß sie sie nicht irgend aufwecken; wenn sie aber im aufstehen niesen / und die Weiber erwachen drüber / da müssen sie nach dem Rechte der Weiber sich erst wieder nieder legen / und die Weiber mit einer guten Abfütterung wieder in die Ruhe bringen / worüber dann die Männer gemeiniglich selbst wieder mit einschlaffen. Und also wird das Handwerck nach der Weiber Willen recht getrieben. Wenn aber der Mann / nachdem er mit seinen Niesen die Frau aus ihrer Ruhe gebracht hat / sie nicht erst wieder einschläffert / sondern forgehet / so heißt sie ihn hernach einen faulen Hund / der nichts könne etc. etc. und graset ihm hernach so lange nach seinem respect und Meister-Recht / biß sie ihn übermannet hat; da heißt sie dann: Meister ohne Barth; da gehts dann über den guten Mann /und heißt: du Luder! da stehest du früh auf und verbrennest das Licht vergeblich; was hast du denn so früh aufgemacht? zur Magd wirst du eine weile gekrochen seyn / und werdet mit einander ein Brantangen ausgezecht haben; ich sch. s.v. dir in dein früh aufstehen / wenn du nicht mehr Arbeit wilt fertig machen etc. und wer kan des[283] Meisters ohne Barth seine Scheltwort alle erzehlen. Dieses muß allerdings einen ehrlichen Mann nicht wenig kräncken / wenn ihm seine unächte Meisterin mit so Hertz-kränckenden Reden begegnet. Derowegen ist kein besserer Rath /als daß die guten Männer liegen bleiben / biß sie ihre Weiber heissen aufstehen. Jedoch ist noch bey manchem Mann ein Mittel vorhanden / wenn sie ihre herschsüchtige Weiber mit guten Schlagbalsam schmieren / da ihnen denn diese Sucht bald vergehet /und dargegen die schuldige Ehrerbiethung hervor wächßt / als wie die jungen Neßeln im Frühlinge / die man den jungen Gänßgen giebt. Hier protestire ich /daß verständige Weiber dieser Rede keine auf sich wolle deuten / sintemahl nur allein die losen verstanden sind.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. Band 2, Chemnitz 1722 [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 281-284.
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