Das 92. Capitel.
Wenn das Jüdel ein Kind verbrannt hat / soll man das Ofenloch mit einem Speckschwärtlein schmieren.

[408] Du verzweiffeltes Jüdel! was bist du für ein wunderlicher Ofen-Gucker? ietzt hast du deine Schurckerey in Ofenloche; im sechß- und funffzigsten Capitel fand ich dich Galgenvogel im Kühstall mit den Kühen spielen, und nun wilt du Schurcke noch ärger als ein Mordbrenner worden. Scheinets doch bald, als wenn das Raben-Aaß ein junger Rübezahl wär. Was hat doch das arme Würmgen, das Kind, dem vertrackten Jüdel gethan, daß es das Kind so verbrannt hat. Hat denn der Teufel das Aaß in Ofen geführt? es hat gewiß dem Kinde wollen Asche oder Ruß in Beppe werffen. Ja, man wird was geschoren mit dem verzweiffelten Jüdel, wenn man nicht immer ein neues Töpffgen und Qvirlgen voll Wasser aufn Ofen setzt, damit es was zu spielen hat, so richtets über all in Hause Händel an, daß dem Geyer dafür grauen möchte. Ja, es glaubts kein Mensch ja; solt doch einer lieber eine Metze Flöh hüten,[408] ja, als daß man überall das Jüdel abhüttete ja; der Teufel hat das Aaß gemacht etc. So erbitttert pflegen die alten Wehweiber, und andere überkluge Dames über ein Ding, das doch noch nicht ist geschaffen worden, zu fulminiren, sie schelten, und wissen nicht, auf wen, sie nennen zwar ein Ding mit Nahmen, sie wissen aber nicht, obs der Niemand, oder der Teufel sey; sie nennens ein Jüdel, und kein Mensch hats ie mit Augen gesehen. Zwar der Mons. Niemand läßt sich auch nicht sehen, ob nun das Jüdel irgend ein jung Niemandgen ist, weiß ich nicht, und Mutter Ursel weiß es auch nicht, so wissen wirs fein alle beyde nicht. Womit hats aber das Kind verbrannt? das weiß niemand, und ich auch nicht. Wer gestochen oder gehauen wird, der schmiert offt den Degen, oder das Messer, oder Axt mit Waffen-Salbe, aber wenn geglaubt wird, als sey ein Kind vom Judel verbrannt, so soll das Ofenloch mit Speck geschmieret werden; wie gehets nun immermehr zu? wenn es solte eine sympathetische Cur seyn, so müste ja dasjenige Ding, das das Kind gebrannt hat, geschmieret werden; z.E. ein Biegeleisen, eine heisse Kachel, der heisse Brey-Tiegel etc. weil aber gesagt wird, das Jüdel hätte das Kind verbrannt, so müste man ja auch das Jüdel schmieren? aber wo ists? ist denn ein Ofenloch und ein Jüdel ein Ding? weil man das Ofenloch schmirt. Oder ist das Ofenloch irgend des Jüdels Hauß-Thür, oder wie kömmt[409] das Ofenloch zu der Schuld, daß sichs muß schmieren lassen? sehet doch nur, und bedenckts doch, ihr alten Runckunckeln! was ihr für toll und thöricht Zeug ersinnet, daß ihr selbst nicht wisset, was es heissen soll. Pfuy! schämet euch! ihr erdencket rechte Undinge; bedenckt nur selbst, ob ihr nicht dummer seiyd, als das dummste Vieh, welches niemahls nichts vornimmt oder thut, als was der Natur gemäß ist. Das rothe Fleck am Kinde rühret ja nicht von einem äusserlichen brennen her, sondern von innerlicher Hitze und verderbten Geblüt. Wenn die kleinen Kinder die Aeuglein verkehren und lachen, so rührets nicht von einem äusserlichen Spiel eines Jüdels, (wie ihr alten Katzen sagt) sondern von den innerlichen Fresel her. Da soltet ihr fein zu verständigen und ordentlichen Aertzten gehen, und euch durch von GOtt geordnete Mittel von ihnen helffen lassen; aber dieses unterlasset und versäumet ihr, und braucht dargegen allerhand Teufels-Bannerey, und Zauberey, und verwahrloset damit die unschuldigen Kinder, welche dermahleins an jenen Tage werden für GOtt um Rache über euch schreyen, daß ihr so Ehrloß mit ihnen gehandelt habt. Merckts ihr alten Vetteln!

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. Band 2, Chemnitz 1722 [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 408-410.
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