Des [362] Capitain Horns Lebens-Geschichte.

Im Jahre 1693. (fing derselbe seine Erzählung an) bin ich im H. – – – Lande von ehrlichen Eltern erzeuget worden, mein Vater aber, welcher ein guter Jäger, war Holtz-Förster, und wohnete im Walde in einem eintzelnen Hause an der Heer-Strasse, trieb also zugleich die Wirthschafft mit. Seiner Kinder waren 5. nehmlich 3. Söhne, worunter ich der mittelste, und 2. Töchter, die noch jünger waren als ich. Meine Mutter war nach der Niederkunfft der jüngsten Schwester, beständig kranck geblieben, weßwegen der Vater immer sehr verdrüßlich aussahe, und da dieselbe in meinem 9ten Jahre starb, mehr Zeichen der Zufriedenheit, als der Betrübniß von sich gab. Ohngeacht nun mein Vater ein Mann von 65. Jahren, so war er doch noch sehr vigoreus, und that es in seiner Profession vielen noch weit jüngern zuvor, welches ihn auch veranlassete, eine wohlgebildete Bauers-Tochter von etwa 17. biß 18. Jahren zur andern Ehe-Frau zu erwählen.

Allem Ansehen nach hatte mein Vater eine ungemein gute Heyrath getroffen, denn unsere neue[362] Stief-Mutter konte ihm doch gar zu niedlich um den Bart herum gehen, und dergestalt schmeicheln, als ob sie einen Mann von ihren Alter vor sich hätte. Er mochte bey Tage oder bey Nacht, um welche Zeit es auch war, aus dem Walde kommen, so stund sein Krafft-Süppchen und Lecker-Bißgen alsobald auf dem Tische; uns Kinder tractirte sie auch dermassen wohl, daß wir über sie noch weniger, als über unsere seelige Mutter zu klagen hatten, denn die Holdseeligkeit und Freundlichkeit schien ihr angebohren zu seyn, weßwegen sich denn nicht allein Sonntags, sondern auch in der Woche viele Wein-Bier- und Brandteweins-Gäste bey uns einfanden, und alle nach Würden accommodiret wurden.

Unter andern gewöhnete sich auch ein junger unbeweibter Förster von der Nachbarschafft, gar sehr öffters zu uns zu kommen, ob ihn nun gleich mein Vater, weil es sein College war, sehr wohl leiden konte, so stellete sich doch unsere Stief-Mutter jederzeit verdrüßlich an, so offt er da war, ließ sich auch zum öfftern gegen unsern Vater verlauten: Sie wisse in aller Welt nicht, wie dieser Kerl in unser Hauß kommen könte, da er doch wisse, daß ihr seine Person biß in Todt zuwider sey, und sie ihm vor einiger Zeit, da er um sie gefreyet, den Korb nicht nur darum gegeben, weil er einen so schlechten Dienst, sondern weil sie einen natürlichen Abscheu vor seiner Person hätte; und eben dieserwegen sähe sie am allerliebsten, wenn ihr dieser Kerl aus dem Hause bliebe. Mein Vater lachte hierzu, sprach, daß sie in diesem Stück eine Närrin[363] wäre, den ehrlichen Menschen aber zufrieden lassen solte, welcher schon von etlichen Jahren her sein guter Freund wäre, über dieses manchen schönen Thaler bey uns verzehrete. Wegen des letztern, sagte die Stief-Mutter, mag es noch seyn, und es ist das beste, daß der Sauff-Teuffel noch immer seine Zeche und das Schlaff-Geld bezahlt, wenn er aber zu borgen anfangen will, wie er in andern Wirths-Häusern gethan hat, so wird die Paucke bald ein Loch kriegen. Frau! sagte mein Vater, sey kein Narre, laß den Kerl zufrieden, gib ihm, was er verlangt, denn wenn er mir auch 100. Thlr. schuldig wäre, so wüste ich mich schon bezahlt zu machen. Solche und dergleichen Discourse passirten gar öffters zwischen unsern Eltern, endlich aber kam es einmahl würcklich dahin, daß sich die Stief-Mutter um einer eintzigen Kanne Wein halber mit dem Förster zanckte, und ihm etliche grobe Schmäh-Reden an den Halß warff, welche dieser, ohngeacht er betruncken war, dennoch verschmertzte, sich mit dem Kopffe auf den Tisch legte, und weiter nichts sagte, als dieses: um eines guten Mannes willen, muß man einer bösen Frau viel zu gute halten. Mein Vater nahm diese Worte vor redlich auf, ließ sich demnach den Zorn dahin verleiten, daß er der Stief-Mutter, welche hinaus ging, folgte, und ihr eine derbe Maulschelle gab. Sie schien dieserwegen vor Jammer gantz ausser sich selbst zu seyn, konte diesen ersten Liebes-Schlag durchaus nicht vergessen, kam auch den gantzen Abend nicht wieder zum Vorscheine, sondern legte sich weinend zu Bette; jedoch der Vater hatte[364] sie durch gütliches Zureden dahin gebracht, daß sie früh Morgens nicht allein wieder freundlich aussahe, sondern auch dem Förster Helnam, der Worte wegen, die sie gestern Abend in tollen Muthe ausgestossen, um Verzeihung bath. Hierauf ging mein Vater mit demselben in den Wald, mein jüngerer Bruder war in die Stadt geschickt, die beyden kleinen Schwestern spieleten im Hofe, ich aber hatte mich, weil ich zu viel in der Sonne herum gelauffen war, und starcke Kopff-Schmertzen bekommen, oben in unserer ziemlich dunckeln Cammer ins Bette gelegt, und war etwas eingeschlummert, ermunterte mich aber sogleich, als Helnam mit meiner Stief-Mutter in die Cammer hinein getreten kam, einander umarmeten und vielemahl küsseten, welches mir denn sehr wunderbar vorkam, jedoch lag ich gantz stille, biß Helnam meine Stief-Mutter auf ein anderes Bette legte, und sich anstellete, als ob er sie erdrücken und ersticken wolte, weßwegen ich, in Meynung, er wolle wegen der gestrigen Schelt-Worte Rache an der Stief-Mutter ausüben, mit vollem Halse um Hülffe schrye, da denn Helnam vor Schrecken zur Cammer hinaus sprunge, meine Stief-Mutter aber, nachdem sie sich einigermassen recolligiret, zu mir kam, mich zufrieden sprach, und sagte: Helnam hätte nur seinen Schertz mit ihr getrieben, ich solte aber bey Leib und Leben weder dem Vater noch jemand anders ein Wort darvon sagen, so wolte sie mir hinführo alles geben, was ich nur verlangte, wiedrigenfals aber, und da sie erführe, daß ich nur das allergeringste darvon ausgeplaudert,[365] wolte sie mich alle Tage schlagen, und mir nicht halb satt zu essen geben. Ich hatte in Wahrheit viel Liebe vor meine Stief-Mutter, weil sie mich ebenfalls unter meinen Geschwistern am liebsten zu haben schien, derowegen gelobte ich ein ewiges Stillschweigen an, und ging mit ihr herunter in die Stube, in welche Helnam kurtz hernach auch eingetreten kam, zu dem meine Mutter sagte: Sehet, was ihr mit euren Tändel-Possen angerichtet habt, der arme Junge hat gemeinet, ihr wollet mich im Ernste ermorden, ist derowegen vor Schrecken fast halb todt, und ich habe ihm doch unter den andern allen am liebsten. Derowegen gab mir Helnam meine gantze Hand voll Geld, welches ich der Stief-Mutter aufzuheben darreichte, und auf beyderseitiges noch mehrers Zureden desto stärcker angelobte, keinem Menschen etwas von dieser Mord Geschichte zu sagen. Helnam trunck ein Maas Wein auf das Schrecken, die Stief-Mutter machte mir eine Wein-Kalte-Schaale mit Zucker, befahl mir, selbige auszuessen, in der Stube zu bleiben, und sie zu ruffen, wenn jemand käme; ging hierauf mit Helnam hinaus, kam erstlich nach einer halben Stunde wieder zurücke, sagte, daß Helnam nach Hause gegangen, und befahl mir, gegen den Vater nur gar nichts zu gedencken, daß er da gewesen wäre, denn die kleinen Schwestern hätten ihn nicht gesehen, weil sie in den Wald gegangen wären, und Holtz-Bündel holeten. Ich hielt in der That reinen Mund, merckte zwar nachhero gar öffters, daß Helnam in Abwesenheit meines Vaters mit der Stief-Mutter in dem obern Stockwercke eine[366] geheime Zusammenkunfft hielt, doch da ich nicht wuste, was es zu bedeuten hatte, bekümmerte mich solches auch nicht, vielmehr war ich damit vergnügt, daß mir meine Stief-Mutter alles gab und zuließ, was nur mein Hertze begehrte. Allein, etwa ein Jahr hernach, da mein Vater auf etliche Tage verreiset war, entstund ein grausamer Tumult in unserer Eltern Schlaf-Cammer, denn die Thüre wurde eingestossen, wir höreten die Mutter schreyen und auch des Vaters-Stimme, auch einen Büchsen-Knall zum Cammer-Fenster hinaus, weßwegen wir vier Kinder (denn mein ältester Bruder war schon bey Hofe in Diensten) alle auf einmahl aufsprungen, in der Eltern Cammer lieffen, und sahen, daß der Vater immer auf die Mutter mit dem Hirschfänger loß hieb, sie auch gewiß in Koch-Stücken zerhauen haben würde, wenn wir Jungens ihm nicht den Arm gehalten und die Mädgens sich über die Mutter hergebreitet hätten. Inzwischen schwamm die Mutter fast in ihrem Blute, denn sie hatte etliche Hiebe über den Kopff, Brüste und Arme bekommen. Endlich ließ sich der Vater durch unser jämmerliches Schreyen bewegen, mit mir hinunter in die Stube zu gehen, allwo ich so gleich eine Laterne anstecken und mit ihm vom Hause hinweg nach dem Walde zu gehen muste; er hatte eine Büchse an der Schulter hangen, und den blossen Hirschfänger in der Hand, wir waren aber kaum 100. Schritte gegangen, als wir den Förster Helnam in blossen blutigen Hembde auf dem Gesichte liegend antraffen. Mein Vater wendete ihn um auf den Rücken, sagte weiter[367] nichts als diese Worte: Ja, ja, du bists, und hast genung. Er ließ aber den Cörper liegen, und kehrete mit mir um nach unsern Hause zu, schickte mich auch sogleich hinauf, um zu sehen, was die Mutter machte. Dieser hatte mein Bruder die Wunden voll Zunder, Spinneweben, Werck und dergleichen gestopfft, auch Brandtewein hinein gegossen und drauf gelegt, allein, selbige wolten doch nicht zu bluten aufhören, und da ich dieses dem Vater wieder zu sagen hinunter kam, war derselbe fort.

Wir Kinder meyneten, er würde etwa in das nächste Dorff gegangen seyn, und Leute herzu ruffen, hoffeten aber auf deren Ankunfft umsonst, biß der Tag anbrach, da denn zu unsern Glücke etliche Manns- und Weibs-Personen kamen, welche in die Stadt zu Marckte gehen, vorhero aber erstlich bey uns Brandtewein trincken wolten. Zwey Weiber, die sonst mit meiner Stief-Mutter wohl bekandt waren, blieben bey derselben, welche, als sie hörete, daß Helnam nicht weit von unsern Hause erschossen läge, eine starcke Ohnmacht bekam, weßwegen die Weiber Mühe hatten, sie wieder zu ermuntern, die Männer aber eileten nach der Stadt, hatten die Geschichte der Obrigkeit gemeldet, da denn gar bald die Gerichten mit Doctor, Barbierer und Priester heraus kamen, erstlich die Mutter behörig verbinden liessen, nachhero examinirten. Sie hatte die gantze Geschicht offenhertzig und dabey bekennet, daß sie schon seit etlichen Jahren, und ehe sie noch meinen Vater geheyrathet, mit Helnam der Liebe gepflogen, meinen Vater aber, um ihn nicht eiffersüchtig, sondern desto[368] sicherer zu machen, immer vorgeschwatzt, daß ihr dieser Mensch zuwider wäre etc. etc. Hierauf hatte sie gebeten, daß der Priester bey ihr bleiben, der Doctor und Barbierer aber nur nach Hause reisen möchten, indem sie fühlete, daß sie den Abend nicht erleben würde. Dieses Letztere traff auch ein, denn nachdem der Priester den gantzen Tag mit ihr gesprochen und gebetet, auch das Heilige Abendmahl gereicht, starb sie, ehe es Abend wurde. Helnams Cörper öffnete man, nachhero wurde derselbe, so wohl als meine Stief-Mutter auf besondere Landes-Herrliche Begnadigung, an die Seite des Gottes-Ackers des nächsten Dorffs begraben. Uns armen Kindern hatten die Gerichten fast nichts mehr als die allernöthigsten Sachen gelassen, einen Mann und Frau bestellet, die indessen die Wirthschafft treiben und uns verpflegen musten; allein, etliche Wochen hernach war der Landes-Herr so gnädig, meinem ältesten Bruder, der schon einige Jahr bey ihm in Diensten gestanden, in die Stelle meines Vaters, von dessen Auffenthalt kein Mensch etwas wissen wolte, zu setzen, da denn mein Bruder eine betagte Befreundtin zur Haußhälterin annahm, uns seine Geschwister noch eine Zeitlang bey sich zu behalten versprach, auch es bey dem Landes-Herrn dahin brachte, daß die Gerichten nach Abzug der Kosten, die übrige Verlassenschafft unserer Eltern, an bestellte Vormünder ausliefern musten. Es war aber, leyder! nicht allzu viel übrig geblieben; und also sehen sie, meine Herren! (erinnerte uns allhier der Capitain Horn) daß ein ungetreues listiges Weib, unsern Vater und[369] uns Kinder ins Unglück, sich und ihren Amanten aber ums Leben gebracht hat. Jedoch meine eigene Geschicht zu verfolgen, so muß ferner melden, daß noch nicht ein volles halbes Jahr nach dieser traurigen Begebenheit, ein vornehmer Cavallier, welcher nach Hofe zu reisen im Begriff, des Nachts auf der Strasse, bey Umwerffung seines Wagens, Schaden am Arm genommen, demnach weil er in unsern Hause Licht erblickte, ausspannen ließ, um den Tag zu erwarten. Er fragte, so bald er hinein kam, nach meinem Vater, und mein Bruder erzählete ihm die obgemeldete klägliche Geschichte in der Kürtze, worüber sich derselbe, weil er über Jahr und Tag nicht in dieser Gegend gewesen, ungemein verwunderte, nachhero seinen Arm mit warmen Weine waschen und sich etwas zu essen bringen ließ. Ich war sehr hurtig, ihm mit aufwarten zu helffen, welches er observirte, und nachhero, da ich Pappier, die Tobacks-Pfeiffe anzuzünden, reichte, mich fragte: Wie alt bist du? 12. Jahr, gab ich zur Antwort. Was wilst du werden? fragte er ferner; und ich antworttete: ja, das weiß GOtt, was aus mir werden wird, denn ich bin ein armes Kind worden, seit dem mein Vater weg ist. Hast du Lust mit mir zu reisen? sprach er; Ach! seuffzete ich: wenn ich nur groß genung wäre, so wolte ich mit einem so wackern Herrn wohl biß ans Ende der Welt reisen. Indem kam mein ältester Bruder in die Stube, zu welchem der Cavallier so gleich sagte: Mein Freund! an diesem euren jüngsten Bruder gefallen mir sonderlich 3. Stück: erstlich sein munteres und dreustes Wesen; zum[370] andern: sein aufrichtiges Gesichte, und zum dritten: seine weissen krausen Haare; ist es euch und ihm gefällig, so will ich ihn in meine Dienste nehmen, und vor sein künfftiges Wohlseyn sorgen? Mein Bruder besann sich so kurtz als ich, und kurtz zu sagen: ich packte mein Bündel mit Freuden eilfertig zusammen, und fuhr mit diesem meinem nunmehrigen Herren nach der Residentz unseres Landes-Herren zu. Allda ließ mir mein Herr sogleich eine saubere Liberey machen, und mich alle Tage 6. Stunden in die Schule gehen, ausser der Zeit aber, muste ich mehrentheils um ihn seyn, auch so gar, wenn er ausging oder ausfuhr. Er probirte meine Treue und Verschwiegenheit auf verschiedene Art und Weise, ohne daß ich damahls sogleich mercken konte, nachdem er mich aber in den ersten 2. Jahren ächt und redlich befunden, wurde ich von ihm sehr öffters mit Gelde und andern Sachen reichlich beschenckt, welches mir zwar bey den ältern Bedienten einigen Neid zuwege brachte, allein, es durffte sich keiner an mir vergreiffen. Mein Herr war unverheyrathet, ich aber wurde von ihm fast alle Tage mit Briefen und Paqueten an eine vornehme Dame, die sehr schön und eine junge Wittbe, doch aber eben nicht allzu starck begütert war, abgeschickt, und er selbst gab derselben gar öffters Visiten, jedoch entweder des Nachts, oder wenn es sonst nicht leicht jemand gewahr werden konte. Einige Zeit hernach veruneinigten sie sich mit einander, und die Dame wurde dergestalt zornig, daß sie von meinem Herrn weder Briefe mehr annehmen, vielweniger ihm erlauben wolte, sie ferner zu besuchen.[371] Indem er nun dennoch Gelegenheit suchte, sie in ihrem Zimmer zu sprechen, und sich dieserwegen einsmahls heimlich in ihr Hauß geschlichen, seinen Zweck aber nicht erreichen können, weil die Dame seiner noch bey Zeiten gewahr worden, und sich in ein anderes Zimmer versteckt und verschlossen hatte, fing er grausam an zu fulminiren, stieß verschiedene Schimpff-Reden aus, welche doch von niemand anders als von ihren Domestiquen angehöret wurden, und ging endlich im grösten Grimm und Zorne nach seinem Logis. Folgenden Morgens sehr früh, da er noch nicht aufgestanden war, bekam er von einer gewissen höhern Hand einen schrifftlichen Befehl, dessen Inhalt, wie ich hernach erfahren, dieser war: daß er sich bey Vermeidung gröster Ungnade, auch ernstlicher Bestraffung, ferner nicht unterstehen solte, diese Dame weder mit Worten, Schrifften, vielweniger mit Wercken zu beleidigen. Ich brachte diesen Brief meinem Herrn ins Bette, so bald er aufgewacht, und zu allem Glück kein eintziger von den andern Bedienten im Schlaf-Zimmer war, er hatte aber denselben kaum gelesen, als er, wie halb rasend, aus dem Bette sprunge, den Brief mit Füssen trat, und sich im Eiffer folgender Worte vernehmen ließ: »Ha! ists so bestellet? warte, Ungetreue – – ich will dir nicht 10. biß 12000. Thlr. werth umsonst ausgebeutelt haben, sondern meinem Hohn an dir rächen, und wenn es auch mein Leben kosten solte.« Hierauf muste ich die andern Bedienten ruffen, um ihn anzukleiden, sie konten es ihm zwar alle ansehen,[372] daß er Grillen hatte, und zornig war, allein, er konte sich doch auch in so weit bezwingen, einem jeden, was er auf heute zu befehlen hatte, mit ziemlicher Gelassenheit zu sagen. Nachhero rieff er den Secretarium und Cammer-Diener in sein Cabinet, besprach sich mit beyden länger als eine Stunde in Geheim, und fuhr darauf, indem er nur einen eintzigen Laqueyen und mich zur Bedienung mit sich genommen, zu einem guten Freunde aufs Land. Wir waren daselbst sehr willkommen und wohl tractiret; nach Mittags aber, da der Hauß-Herr mit seinem Gerichts-Halter in einem Ober-Zimmer etwas geheimes zu tractiren hatte, und mein Herr mitlerweile allein mit der Hauß-Frauen das Bretspiel zum Zeitvertreibe genommen hatte, merckte ich, der ich allein im Zimmer aufwartete, doch gar zu bald, daß beyde einander schon besser kennen müsten. Denn mein Herr küssete und caressirte diese Dame ohngescheuet; und ob sie gleich anfänglich wegen meiner Gegenwart in etwas darüber erschrack, so gab sie sich doch bald zufrieden, als ihr mein Herr, vielleicht meinetwegen, nur wenig Worte ins Ohr gesagt hatte; blieb ihm auch keinen Kuß und Gegen-Caresse schuldig, ja sie wurden gar so dreuste, in ein kleines Cabinet, worinnen nur ein Schlaf-Stuhl und ein Tisch stund, zu gehen, ob sie nun da ebenfalls ein Damen-Spiel spieleten, oder nur zum Fenster hinaus in den Lust-Garten sahen, das weiß ich nicht, jedoch kamen beyde, ehe jemand anders ins Zimmer kam, wieder heraus, und spieleten nunmehro recht ernsthafft im Brete fort.[373]

Abends, nach der Mahlzeit, begab sich mein Herr mit dem Haus-Herrn in ein besonderes Zimmer, allwo sie über 3. Stunden gantz alleine geblieben, so dann zur Ruhe gingen, mit anbrechenden Tage aber hatte sich der Haus-Herr mit nur einem Bedienten auf eine Reise begeben, und mein Herr trunck den Thée mit der Dame in einem abgeschlossenen Zimmer über 2. Stunden lang gantz alleine. Gegen Mittag stelleten sich 2. benachbarte Edelleute nebst ihren Gemahlinnen und einem Officier ein, welche, wie ich bey den ersten Complimenten vernehmen konte, der Haus-Herr auf seinen Hof bitten lassen, um während seiner Abwesenheit meinem Herrn die Zeit paßiren zu helffen. Die Haus-Frau ließ derowegen noch eine Fräulein, die vielleicht nicht weit von ihr wohnen mochte, herzu bitten, um auch ein Frauenzimmer zur Conversation vor den Officier zu haben, allein, dieser hatte seine Augen mehr auf die Wirthin, als auf das Fräulein, gerichtet, welche zwar wohl gewachsen, jedoch eben nicht fein von Gesichte, dahingegen die erstere recht schön war. Es wurde in allen Stücken recht propre tractiret, sie gingen Spatziren, spieleten allerhand Spiele, worbey jedoch mein Herr jederzeit die Wirthin zur Seiten hatte, welches dem Officier, allem Vermercken nach, verdrüßlich fiel, allein, er muste Respect brauchen, weil ihn mein Herr an Stande und Vermögen weit übertraff. Endlich aber, da es Nachts schon weit hin war, kamen doch mein Herr und der Officier, der Haus-Frauen wegen, (ich kan aber nicht eigentlich sagen, welchergestalt) in einen spitzfündigen Wort-Streit,[374] der aber durch die andern Gäste beygelegt, und so gleich Schicht gemacht wurde. Mein Herr legte sich, so bald er in sein angewiesenes Zimmer kam, augenblicklich zu Bette, befahl auch mir, nur gleich einzuschlaffen, weil ich Morgen bald aufstehen müste. Ich legte mich demnach in das, hinter einer Spanischen Wand stehende Feld-Bette; war aber kaum eingeschlaffen, als die Seiten-Thür des Zimmers eröffnet wurde, durch welche eine Person, in einem langen weißlichen Schlaff-Rocke, herein getreten kam, weßwegen ich, etwas furchtsam, Wer da? rieff, mein Herr aber antwortete: Schlaf nur geruhig, Wilhelm, und kehre dich an nichts. Weiln nun die Spanische Wand weit offen stund, konte ich in der Dämmerung doch so viel observiren, daß diese Machine auf meines Herrn Bette zu ging, und hinter seinen Guardinen verschwand, ich wuste nicht, ob es ein würcklicher Cörper oder ein Geist war, konte derowegen vor vielen Scrupuliren kein Auge zu thun, bemerckte auch, daß mein Herr sehr unruhig lag, sich öffters bewegte und herum warff, doch endlich schlieff ich drüber ein, und ermunterte mich nicht eher, biß der helle Tag schon angebrochen war, mich also erinnerte, aufzustehen. Indem ich nun aus dem Bette steigen wolte, rieff mein Herr: Wilhelm! es ist noch zu früh allhier aufzustehen, schlaff nur noch ein paar Stunden, biß ich dich selbst aufruffe. Ich gehorsamete, konte aber, weil ich mich schon gewöhnet, früh munter zu seyn, nicht wieder einschlaffen, sondern lag mit offenen Augen, hörete auch, daß mein Herr in seinem Bette mit jemanden ein leises Gespräch hielt, von[375] welchen ich aber sehr wenig verstehen konte, und endlich, da schon die aufgehende Sonne ihren ersten Strahl durch die Fenster warff, kam die gestrige Machine abermahls zum Vorscheine, hatte den Schlaf-Rock oben über den Kopff hergezogen, so, daß ich Blintzender, nichts als ein paar schöne, grosse, schwartze Augen sehen konte, von welchen ich geschworen hätte, daß es unserer Frau Haus-Wirthin ihre Augen gewesen wären, wenn ich nicht gedacht, daß dieselben, weil sie sehr späte zu Bette gegangen, annoch vielleicht im süssesten Schlummer zugeschlossen lägen. Kaum hatte gemeldte Machine ihren Rückweg durch die Seiten-Thür genommen, als mich mein Herr bey meinem Nahmen ruffte, allein, ich hielt dieses mahl nicht vor rathsam, ihm eher zu antworten, biß er mich zum drittenmahle geruffen hatte. Demnach befahl er, mich hurtig anzuziehen, und einen von des Haus-Wirths Stall-Knechten herauf zu ruffen; als ich mit demselben ankam, saß mein Herr schon im Schlaf-Rocke am Tische, und schrieb, sagte aber zu dem Stall-Knechte: Höret, mein Freund! thut mir den Gefallen, und sattelt vor diesen meinen Purschen einen Klöpper, weil ich keine Reit-Pferde bey mir habe, ich will ihn nur nach der Stadt schicken, und es bey eurer gebiethenden Frau, die ohnfehlbar noch schlaffen wird, verantworten. Der Kerl war so gleich willig, zumahlen, da ihn mein Herr einen Gulden darreichte, ich aber bekam 2. Briefe von ihm, einen an den vornehmsten Kauffmann, und den andern an einen Jubelier, mit dem Befehle, nicht in unserm Logis, sondern in einem[376] Gast-Hofe einzukehren, und so bald ich an beyden Orten meine Abfertigung bekommen, alles wohl in den Mantel-Sack einzupacken, und den Rück-Weg eiligst zu nehmen. Ich versprach alles wohl auszurichten, ob ich aber gleich nicht gelesen, was in den Briefen stund, so war ich doch so schlau, so wohl von des Kauffmanns als des Jubeliers Leuten, heraus zu locken, daß der erstere ein kostbares, mit Golde durchwürcktes Zeug zu einer Frauenzimmer-Kleidung, und der andere ein Diamanten Brust-Creutz nebst einer goldenen Uhr eingepackt hatte. Ich brachte dieses alles bey guter Zeit auf meines Herrn Zimmer, ihn aber selbst traff ich bey der andern Gesellschaft im Garten an, und stattete meinen Bericht ab. Er ging demnach also fort selbst auf sein Zimmer, mochte die Sachen eröffnet, besehen und gut befunden haben, denn er machte mir eine gnädige Mine, als er zurück kam. Ich merckte, daß er die Frau Haus-Wirthin im Garten etwas bey Seite führete, und mit ihr heimlich redete, hernach mich ruffte, und sagte: Wilhelm! gieb Achtung, wenn die Haus-Wirthin zur Garten-Thür hinaus gehet, so gehe erstlich langsam hinter ihr her, lauff sodann voraus, und gieb ihr das, auf meinem Tische im Zimmer liegende Paquet, aufzuheben, denn sie wird da vorbey gehen. Ich war fix, und da die Dame kam, stund ich schon mit dem Paquete in der Thür, sie fragte: Mein Sohn! ist dieses das Paquet, welches ich eurem Herrn verwahren soll? Ja, gnädige Frau! antwortete ich, es ists; Also muste ich es in ihr Schlaf-Zimmer tragen, und in einen Kasten werffen, hierbey bemerckte ich, daß[377] zwischen ihrem und meines Herrn Schlaf-Zimmer nur eine Scheide-Wand, durch deren Thür in vergangener Nacht die Masque pass- und repassirt war. Da ich nun wieder fortgehen wolte, rieff sie mich zurück, und beschenckte mich mit 2. Stücken Leinwand, verboth mir aber, ausser meinem Herrn, keinem Menschen etwas davon zu sagen, sondern vor mich Unter- und Ober-Hembder davon machen zu lassen. Ich danckte gantz unterthänigst davor, und befand hernach beyde Stück sehr fein, auch daß jedes 30. Ellen hielt. Nach der Abend- Mahlzeit, klagte mein Herr über gewaltige Kopff-Schmertzen, weßwegen die Lust auf diesen Abend ziemlich gestöhrt zu seyn schien, und sich ein jedes desto zeitiger zu Bette begab. Jedoch bey meinem Herrn mochten die Kopff-Schmertzen wohl ein blosses verstelltes Wesen seyn, denn da er auf sein Zimmer kam, war er lustig und guter Dinge, rauchte auch, ehe er zu Bette ging, noch ein paar Pfeiffen Canaster. Gegen Mitternacht öffnete sich die Seiten-Thür abermahls, und die Masque hielt es ebenfalls wie in voriger Nacht, ich aber stellete mich an, als ob ich sehr veste schlieffe, biß mich mein Herr etwa um 5. Uhr aufweckte, und befahl, den Thée nicht eher als um 9. Uhr zu fordern, und gegen jederman zu sagen, daß er vor Kopff-Schmertzen die gantze Nacht hindurch fast kein Auge zuthun können. Dieser Tag wurde ebenfalls in lauter Wohlleben zugebracht, ausserdem, daß der Officier und mein Herr immer auf einander stichelten, denn ob schon beyde sonsten noch niemahls mit einander in Compagnie gewesen waren, so schien es doch, als[378] ob eine würckliche Antipathie unter ihnen wäre, doch kam es diesen Tag noch zu keinen Thätlichkeiten, und in der folgenden Nacht ging es eben so zu, wie in den 2. vorigen. Als diese verstrichen, kam der Hauß-Herr etwa ein paar Stunden vor der Mittags-Mahlzeit wieder zurück von der Reise, und gab meinem Herrn, als in dessen Affairen er verreiset gewesen, in einem besondern Zimmer geheime Nachricht von demjenigen, was er ausgerichtet hatte, hernach wurde gespeiset und starck Wein getruncken, weil der Hauß-Herr, als ein grosser Liebhaber des Reben-Saffts, seine Gäste starck darzu forcirte. Der Herr Hauß-Wirth brachte meinem Herrn eine Gesundheit zu: Auf gut Glück in der bewusten Sache! Mein Herr that Bescheid, reichte zugleich dem Hauß-Wirthe die Hand, und als er den Pocal ausgeleeret, danckte er demselben verbindlich davor, daß er ihm das eine Werck so glücklich zum Stande gebracht, und in der andern Sache seine Vices so wohl vertreten hätte; versprach anbey, sich in der That erkänntlich zu erzeigen. Der Hauß-Herr schützte vor, daß seine Schuldigkeit nicht allein solche, sondern weit mühsamere Dienste, meinem Herrn zu leisten, erforderte; worgegen dieser auch keine Complimente schuldig blieb; allein, der Officier, welchen der Wein oder andere Grillen schon zu starck in den Kopff gestiegen waren, melirte sich in ihren Discours, und sagte zu dem Hauß-Wirthe: Mein Herr! sie belieben die Complimenten zu versparen, denn haben sie des Herrn G. Vices vertreten, so hat derselbe vielleicht die Ihrigen auch vertreten, so,[379] daß ihre Frau Liebste wohl nicht über ihn klagen wird. Monsieur! (sprach mein Herr, dem die Galle auf einmahl überging, und das Geblüte ins Gesichte stieg) Was sind das vor Reden? Werden mir nicht diese Herren und Dames Zeugniß geben, daß ich mich als ein honetter Gast und nicht als Wirth aufgeführet? Worinnen bestehen also die Vices, so ich vertreten habe? Das weiß der Himmel und der Nacht-Wächter, antwortete der Officier. Und das ist eine närrische Antwort, gab mein Herr darauf, welchem die andern alle beyfielen, und dem Officier zu verstehen gaben, wie sie gar nicht wüsten, warum er schon vorgestern, gestern und auch heute so wunderliche, ja gantz ungeräumte Stichel-Reden und Mägde-Sprich-Wörter im Munde geführet, man wäre ja sonst von ihm dergleichen gar nicht, sondern einer weit artigern Aufführung gewohnt, u.s.w. Allein, der Officier fuhr auf, und sprach: Ey was, ich halte den vor einen etc. der meine Rede und Antwort vor närrisch hält, es wird ein schlechter Unterscheid seyn zwischen einem Officier, wie ich bin, und einem solchen Herrn, wie der ist. Dieses war genug, meinen Herrn aufs äuserste zu bringen, demnach griff er also fort nach einer an der Wand hangenden Carbatsche, und schlug den Officier etliche mahl damit über den Kopff. Dieser wolte zwar vom Leder ziehen, allein, der Hauß-Herr und die andern beyden von Adel, hielten ihn davon ab, und stiffteten in so weit Friede, weil mein Herr dem Officier versprach, Morgen bey Aufgang der Sonnen, mit ein paar geladenen Pistolen vor ihm auf der Gräntze zu erscheinen.[380] Bald hernach ließ der Officier seine Pferde satteln, und ritt, nachdem er einen negligenten Abschied genommen, voll Wein und Grimm seiner Wege. Jederman war froh, daß er diese Resolution ergriffen, und sonderlich das Frauenzimmer; die Frau Hauß-Wirthin aber, welche eine in der Geburth arbeitende Frau besucht, war bey dem gantzen Streite gar nicht zugegen gewesen, verwunderte sich derowegen ziemlich darüber, und sagte: sie hätte jederzeit eine malhonette Conduite an diesem Officier gemerckt, indem er zum öfftern den tugendhafftesten Leuten Klebe-Flecken anhängen und sich selbsten ein und anderer Sachen berühmen wollen, die wohl niemahls wahr gewesen, etc. etc. (Allein, es hat mir kurtze Zeit hernach ein guter Freund im Vertrauen eröffnet, daß diese Dame eben diesen Officier, in Abwesenheit ihres Gemahls, gar öffters heimlich zu sich bitten lassen, und ihm gar gern ein oder etliche Nacht-Quartiere gönnen mögen, weßwegen ihn allerdings die Eiffersucht wegen meines Herrn, vor dießmahl zu einer wunderlichen Aufführung verleitet haben mag.)

Mein Herr war, ohngeacht der gefährlichen Arbeit, die er auf Morgen früh vor sich hatte, lustig und guter Dinge, mir aber pochte das Hertz als ein Hammer, und an der Frau Hauß-Wirthin merckte ich ein paar mahl, daß, wenn sie sich alleine, ausserhalb der Stube, befand, sie die Hände runge, und Thränen fallen ließ. Jedoch unser beyder Angst wurde in etwas vermindert, da noch selbigen Abend des Officiers Laquey zurück geritten kam, und Nachricht brachte, daß seinem Herrn unterwegs[381] ein Ordonnance-Reuter begegnet, welcher ihm die Ordre überbracht, sich so gleich zu Pferde zu setzen, und zum General zu kommen, weßwegen denn sein Herr die gegebene Parole vor dieses mahl nicht halten könte, sondern sich seine Satisfaction auf einen andern Tag zu fordern, vorbehalten müste. Mein Herr hätte dem Kerl nicht geglaubt, sondern dem Officier einer Zaghafftigkeit beschuldiget, wenn ihm der Laquey nicht die Ordre in Originali vorgezeiget hätte, solchergestalt gab er ihm weiter nichts zur Antwort, als dieses: Es wäre ihm gleich viel, und ein Tag so gut als der andere. Diesen Abend ging ein jedes bald zur Ruhe, weil so wohl mein Herr, als die andern Gäste folgenden Morgen fort wolten, es öffnete sich auch diese Nacht die Seiten-Thür in meines Herrn Zimmer nicht, hergegen schlieff er ungemein ruhig, biß man hörete, daß der Hauß-Wirth und dessen Gemahlin schon ihre Stimmen im Hause hören liessen. Diese beyden muste ich, so bald er angekleidet war, auf ein Wort hinauf in sein Zimmer bitten, da er denn vor alle erzeigte Höflichkeit und Mühwaltung verbindlichen Danck abstattete, und dem Herrn die güldene Uhr, der Frauen aber das Diamantene Brust-Creutz, auch jeglichen einen kostbaren Ring zum freundlichen Angedencken verehrete, anbey versicherte, so bald die ihnen bewusten Affairen völlig zu Stande, sich anderweit erkänntlich zu erzeigen. Beyde schienen recht bestürtzt zu seyn über dergleichen kostbare Geschencke, und wusten fast nicht, ob sie dieselben annehmen solten oder nicht, allein, mein Herr bath: ihn mit fernern Weitläufftigkeiten[382] zu verschonen, nahm beyde an die Hand, und führete sie herunter zur andern Gesellschafft, ging sodann abermahls heraus, und beschenckte die Hauß- und Stall-Bedienten reichlich, welches so viel würckte, daß der Hauß-Herr, mir und meines Herrn Laqueyen, jeden einen Ducaten aufzwunge, die Dame aber mir allein heimlich noch 2. Ducaten in die Tasche steckte. Ich wünschte deßwegen, daß wir öffters an diesen Ort kommen, und den Herrn von E.* denn so hieß der Hauß-Wirth, beschmausen möchten, wenn mir aber das Kugeln-Wechseln, welches mein Herr noch vor sich hatte, in die Gedancken kam, schoß mir das Hertz-Blütgen auf einmahl, doch endlich gedachte ich: Weil mein Herr doch so lustig und frölich ist, muß er gewiß die Kunst schon können, einen Kerl vom Pferde zu schiessen; oder, wer weiß, ob gar was daraus wird?

Wir kamen erstlich des Abends in unserm Logis der Herrschafftlichen Residentz an, allwo mein Herr sogleich die andern Bedienten fragte, ob der Secretarius und der Cammer-Diener noch nicht zurück ge kommen wären? und zur Nachricht erhielt, daß beyde sich noch nicht wieder sehen lassen. Einige Tage stellete sich mein Herr unpäßlich, und kam nicht aus dem Zimmer, wurde jedoch von verschiedenen Cavaliers und andern vornehmen Personen besucht, sobald aber der Secretarius und hernach der Cammer-Diener zurück gekommen, war er wieder gesund, frequentirte fast alle Zusammenkünffte vornehmer Standes-Personen, war aber eine gute Zeit so unglücklich, dasjenige nicht anzutreffen,[383] was er suchte, nehmlich, (wie er mir nach langer Zeit selbst erzählet) die Frau von A.* als seine ehemalige kostbare Geliebte, wegen welcher, wie ich schon gemeldet, er den strengen Befehl bekommen hatte. Endlich kam einer von seinen Spions, denn er hielt deren verschiedene, und belohnete sie reichlich, dieser kam, sage ich, und meldete ihm, wo offt erwehnte Dame auf einer Masquerade anzutreffen seyn würde, beschrieb ihm auch dreyerley kostbare Kleidungen, woran er sie vor allen andern erkennen könte. Mein Herr war nicht faul, sich auch dahin zu begeben, und prostituiret die Frau von A.* auf eine gantz besondere und verzweiffelte Art, die ich nachzusagen, mich itzo selbst noch schämen müste. Es mag ihm solches zwar von den allerwenigsten unter der Compagnie wohl ausgelegt worden seyn, doch movirt sich niemand dieserwegen, als ein eintziger Cavalier, dieser nimmt sich der Dame öffentlich an, geräth mit meinem Herrn in Wort-Streit, welcher verschiedene zweydeutige Reden, die hernach einer höhern Person unordentlich vorgebracht worden, fliegen läst, biß es endlich so weit kömmt, daß beyde einander auf ein paar Degen-Spitzen heraus fordern. Die Dame läst sich vor Chagrin halb ohnmächtig in einer Sänffte nach Hause tragen, mein Herr kam auch zu Hause, lase einen von seinen besten Stoß-Degens aus, legte ihn nebst den steiffen Hand-Schuen zurechte, und befahl dem Cammer-Diener, gleich mit anbrechenden Tage ein Pferd vor ihn, den Herrn, eins vor den Cammer-Diener, und eins vor den Reut-Knecht satteln zu lassen, aus[384] welchen Anstalten wir Bedienten sogleich abnehmen konten, daß er Morgen ein Duell vorhätte. Allein, alle diese Anstalten waren vergebens, hergegen unser Schrecken nicht geringer, da gleich nach angebrochenem Tage ein Ober-Officier mit 4. Mann in meines Herrn Zimmer getreten kam, ihm Arrest ankündigte, ein Unter-Officier mit 8. Mann aber, die Wache aussen vor dem Zimmer hielt, und nachdem alle Bedienten heraus gewiesen waren, niemanden als den Cammer-Diener und mich aus und ein passiren liessen. Anfänglich vermeyneten wir Bedienten, es geschähe dieses alles nur, um das vorhabende Duell zu hintertreiben, erfuhren aber bald, daß mein Herr nicht allein von der prostituirten Dame, sondern auch noch von einer höhern Person actionirt werde. Anfänglich mochte es nicht allzuwohl um ihn gestanden haben, weil er sich aber mit dem Munde und der Feder wohl zu helffen wuste, über dieses sehr viel gute Freunde und Vorsprecher hatte, kam es endlich nach einem 6. wöchentlichen Arrest dahin, daß er etliche 1000. Thlr. Straffe geben und angeloben muste, binnen drey Tagen die Residentz Stadt zu verlassen, und sich wenigstens drey Jahr lang ausserhalb Deutschlandes in frembden Ländern aufzuhalten, wie ihm denn auch nicht mehr als drey Wochen Zeit erlaubt war, in diesem Lande zu bleiben, um seine Sachen in Ordnung zu bringen und sich Reise-fertig zu machen. Dieses letztere war eben so nöthig nicht, denn seit dem er geschworen, die Frau von A.* zu prostituiren, hatte er bereits alle Anstalten zu einer Reise nach Franckreich machen lassen;[385] unterdessen war es eine gewaltige Summa Geldes, welche er dieser eintzigen ihm ungetreuen Weibs-Person halber einbüssen muste. Allein, wie ich etliche Jahre hernach erfahren, hat diese von aussen sehr schöne, jedoch gifftige Creatur noch viel Manns-Personen ins Verderben gestürtzt.

Binnen bemeldten drey Wochen ließ mein Herr seine unnöthigen Sachen, auch Pferde, Kutschen und dergleichen verkauffen, danckte die überflüßigen Bedienten ab, behielt also niemand bey sich, als seinen Cammer-Diener, einen Jäger, mich und 2. Reut- Knechte, 3. Reut-Pferde vor sich und 5. vor die Bedienten. Aus einem kleinen Städtgen, welches schon ausserhalb Landes lag, schickte er den Jäger mit einem Briefe an den Officier ab, welcher ihn auf Pistolen gefordert hatte, denn von diesem war ihm binnen der Zeit, als er im Arrest gesessen, ein anderweites Cartell zugeschickt worden, mein Herr aber nicht im Stande gewesen, sich zu stellen, doch nunmehro benahmte er demselben Ort und Stunde, wo und wenn sie einander sehen könten. Auf eben denselben Platz und zu eben derselben Stunde bestellete er auch in einem andern Briefe, welchen ein Reut-Knecht überbringen muste, denjenigen Cavalier, welcher sich auf der Masquerade der Frau von A.* so ernstlich angenommen, und es erschienen beyde, nach seinen Verlangen, zu gehöriger Zeit. Mein Herr hatte einen bekandten Cavalier zum Secundanten mitgenommen, und war so glücklich, den Officier, nachdem derselbe sich verschossen, eine Kugel durch die Brust zu jagen, daß er augenblicklich todt vom[386] Pferde stürtzte; hierauf stieg er vom Pferde, legte seinen Rock, Camisol und die Sporn ab, zohe den Degen, und nahm es mit dem Ritter der Frau von A.* auf, versetzte ihm auch im andern Gange einen solchen Stoß oben in die rechte Brust hinein, daß demselben auf einmahl Arm und Klinge niedersanck, er ist aber nachhero doch wieder völlig curiret worden, und nach dieser Arbeit, setzte sich mein Herr wieder zu Pferde, und ritt mit seinen Bedienten auf einem frembden Grund und Boden immer fort, als er seinem Secundanten einen kostbaren Gedenck-Ring geschenckt und höflichen Abschied von ihm genommen hatte. Nachdem wir eine Stunde Wegs mit einander geritten, schickte mein Herr den Cammer-Diener mit den andern Leuten voraus, nach der Stadt zu, wohin er seine meiste Equippage mit der Post bringen und absetzen lassen, befahl denselben in Geheim, nicht ehe von dannen aufzubrechen, biß er wieder zu ihnen käme, er aber ritte mit mir lincker Hand fort, biß wir endlich auf den Weg kamen, welcher uns Abends sehr spät in des Herrn von E.* Ritter-Gut führete. Ich glaube, es war meinem Herrn eben nicht so zuwider, als er sich wohl gegen die Bedienten stellete, da er erfahren muste, wie der Herr von E.* schon seit vier Tagen verreiset wäre, auch wohl noch so lange aussen bleiben dürffte, die Frau von E.* hatte eben schlaffen gehen wollen, schien aber über unsere Ankunfft eben nicht mißvergnügt zu seyn, sondern wolte gleich warme Speisen machen lassen, allein, mein Herr deprecirte alles, und bath nur um ein Glaß Wein, 2. Bissen[387] Brod, hernach um ein Bette, weil er vor Müdigkeit fast die Augen nicht mehr offen halten könte. Er nahm auch weiter nichts zu sich, sondern eilete zu Bette, und erzählete der Frau von E.* diesen Abend gar nichts von alle dem, was sich seit der Zeit, vielweniger diesen vergangenen Tag, mit ihm zugetragen hatte. Etwa eine halbe Stunde, nachdem ich mich nieder gelegt, öffnete sich die Thür, ich sahe mich aber nicht einmahl mehr nach dem Gespenste um, welches herein kam, weil ich es aus verschiedenen Umständen schon kennen lernen, wurde auch nicht gewahr, um welche Zeit es wieder fort ging. Früh Morgens beym Thée erzählete mein Herr erstlich der Frau von E.* wie er seine beyden Gegner gestern früh abgefertiget hätte, sie wunderte sich höchlich darüber, gratulirte ihm, daß er so glücklich und ohnbeschädigt davon kommen wäre, und letztlich sagte sie: ich kan nicht läugnen, daß ich allezeit ein Mitleiden mit denenjenigen gehabt, welche im Duell umkommen, oder nur blessirt sind, aber dieser Officier gehet mir gar nicht nahe, nur darum, weil er so sehr viel unbesonnene Reden, die wenigen Tage über, allhier geführet hat, derowegen ist es eben so gut, daß ihm das Maul gestopfft ist. Aber, mein Herr! fragte sie weiter, sind sie allhier auch sicher? O ja! antwortete er, denn ich bin allhier in des dritten Herren Lande, jedoch wenn meine Anwesenheit könte verschwiegen bleiben, wäre es mir um so viel desto lieber. Gut! versetzte sie, daß es mir nur gesagt wird, nun lassen sie mich alleine sorgen, denn alles mein Gesinde hat die Tugend der Verschwiegenheit,[388] und ist mir sonderlich gehorsam.

Jedoch, damit meine Erzählung nicht allzu weitläufftig werden möge, will ich nur kurtz melden: daß mein Herr 6. Nacht und 5. gantzer Tage Zeit hatte, der Frau von E.* alles zu erzählen, was ihm begegnet war, denn am 5ten Tage gegen Abend kam der Herr von E.* erstlich von seiner Reise wieder zurück, und erfreuete sich hertzlich, meinen Herrn gesund und in Freyheit in seinem Hause zu sehen, denn dessen Process-Sachen waren ihm gar gefährlich vorgebracht worden. Wir blieben also noch 3. Tage bey ihm, binnen welcher Zeit mein Herr den Herrn von E.* zum Ober-Aufseher einiger seiner da herum liegenden Güter bestellete, und ihm deßfals schrifftliche Vollmacht ertheilete, auch vor seine Mühe ein und andere Revenüen anwiese, mit dem Bedinge: daß er dahin besorgt seyn solte, damit ihm seine Gelder richtig gezahlt, und par Wechsel nach Franckreich, oder wo er dieselben sonst hin verlangte, übermacht werden möchten. Hierauf theilete mein Herr abermahls reichliche Geschencke aus, die besten aber mochte die Frau von E.* wohl in Geheim von ihm empfangen haben, ohne das allerbeste Angedencken, welches sie seit der neulichsten Anwesenheit meines Herrn unter ihrem Hertzen trug, und ihm solches offenhertzig bekannt und darbey gesagt hatte, daß ihr solches am allerliebsten wäre, da sie in ihrem 6. jährigen Ehestande noch niemahls so glücklich gewesen, hohes Leibes zu seyn. Eben dieses machte, daß sie beym Abschiede, alle Kräffte anspannen muste, ihren Jammer und Thränen zu verbergen, der[389] Herr von E.* aber gab uns, da wir des Nachts bey Mond-Scheine fort reiseten, das Geleite mit 2. seiner Bedienten, weiter, als 3. Meil Weges; kehrete hernach um, wir beyde aber reiseten so eiligst, als möglich war, fort, biß wir unsere Leute an dem bestellten Orte antraffen. Allhier ruhete mein Herr nur einen Tag aus, nahm so dann eine Extra-Post, den Cammer-Diener und mich mit sich, und setzte die Reise auf Paris fort, der Jäger aber nebst den Reut-Knechten und Pferden solten sachte nachkommen. Ohngeacht nun viel schöne Städte unterwegs zu besehen waren, so hielt sich doch mein Herr nirgends lange auf, weiln ihm recht innigst verlangte, das weltberühmte Paris zu sehen.

Endlich wurde seine Sehnsucht gestillet, denn wir kamen gleich in der schönsten Zeit, nehmlich im May-Monat, in diese kleine Welt, und zwar so wählete mein Herr keins der schlechtesten Quartiere darinnen, sondern ein solches, wo kurtz vorhero nur ein Deutscher Printz logirt hatte, weßwegen viele auf die Gedancken geriethen, er wäre ein würcklicher Printz, und wolte sich des Ceremoniells und der Kosten wegen nur unter verdeckten Nahmen daselbst aufführen. Demnach ist leichtlich zu erachten, daß er bald in Gesellschafft gerathen, und in derselben, nach Fanzösischer Manier, von jedermann complaisant tractiret worden, sonderlich aber von dem Frauenzimmer, denn er sahe im Gesichte vor eine Manns-Person sehr schön, war von Leibe wohl gewachsen, und sonst in der Aufführung ein vollkommener Staats-Mann. Von[390] seinen Divertissements aber kan ich eben so viel nicht melden, weil ich selten darbey gewesen, denn er, mein Herr, welcher alle Mittags ausging oder ausfuhr, war so gütig, mich bey einem Sprach-Meister zu verdingen, welcher mich recht perfect Französisch reden und schreiben lehren solte, ich hatte auch in der That hierzu mehr Lust, als alle Abende dem Lermen, Schwermen, Tantzen, Spielen und dergleichen zuzusehen, gab auch meinem Sprach-Meister noch etwas Geld aus meinem Beutel, daß er die Lateinische Sprache und die Rechen-Kunst mit mir repetiren muste. Solchergestalt verstrich mir viel Gelegenheit, in böse Gesellschafft zu gerathen, hergegen konte ich hoffen, daß mir mein fleissiges Lernen dermahleins guten Nutzen schaffen könte; denn ich war dazumahl noch nicht einmahl 18. Jahr alt. Als wir nun etwa 3. Monat in Paris gewesen, kam mein Herr eines Abends, wider unser Vermuthen, zeitiger als sonst gewöhnlich nach Hause, da mir aber seit einigen Tagen nicht gar zu wohl gewesen, hieß er mich zu Bette gehen, und der Cammer-Diener muste alleine bey ihm bleiben, weil er noch nicht Lust hatte, schlaffen zu gehen. Nach verschiedenen Gesprächen, die er mit dem Cammer-Diener geführet, und die ich, weil nur eine Bret-Wand zwischen unserer und seiner Schlaf-Cammer war, deutlich hören konte, fing mein Herr nach einem langen Stillschweigen folgender massen zu dem Cammer-Diener zu reden an: Heute hat mein Leben an einer Haare gehangen, und ihr hättet mich fast nicht wieder zu sehen bekommen. Ey! da sey der Himmel darvor, (sagte[391] der Cammer-Diener) gnädiger Herr, wie wäre denn das zugegangen. Ich bin, verfolgte der Herr seine Rede, Zeit meines Lebens nicht hefftiger erschrocken, als heute, werde mich aber auch Zeit meines Lebens über keine Begebenheit mehr verwundern, als über die heutige. Ihr habt doch gesehen, daß mir die Marquise von R. – – heute früh ein Billet zugeschickt, derowegen begab ich mich zur Mittags-Mahlzeit zu ihr, denn ihr Mann war, wie sie mir schrieb, auf etliche Tage verreiset. Ich kan nicht läugnen, daß ich diese Liebens-würdige Dame, mit der ich gleich anfänglich in Bekandtschafft gerathen, sehr liebe, weil ich die stärcksten Proben habe, daß sie mich vollkommen und ohne eintziges Interesse liebt, ja ich glaube, wenn ich es verlangte, ihr gantzes Vermögen mit mir theilete, allein, ich bin damit vergnügt, daß ich ihr gantzes Hertze habe, und so offt es sich nur schicken will, das allerangenehmste Liebes-Vergnügen bey ihr geniessen kan, denn ihre Caressen sind extraordinair delicat. Heute Nachmittags nun, da wir beysammen sassen und spieleten, sagte ihr lustiges Cammer-Mädgen: O! wer wolte doch bey so überaus angenehmen Wetter im Zimmer sitzen, und die lumpichte Karte in Händen rum werffen? Wäre es nicht besser, wenn man ein wenig in den Garten hinaus spatziren führe? Es ist auch wohl wahr, sagte die Marquise, gefällt es euch, mein Herr! so soll augenblicklich mein Wagen angespannet werden? Ich war damit zufrieden, wir fuhren hinaus in den Garten, und nahmen zur Bedienung niemanden mehr mit, als gemeldtes lustige Cammer-Mädgen[392] und einen Laqueyen. Unter der Zeit, da ich die Marquise im Garten herum führete, hatte das Mädgen oben in einem Zimmer des Garten-Hauses allerhand Erfrischungen zurechte gesetzt, derowegen begaben wir uns hinauf, selbige zu versuchen. Das Mägdgen nahm sich eine Bouteille Limonade und Schachtel voll Confect aus der Kiste, machte einen Reverentz, und sagte: Meine Engels-Kinder! sie lassen sich es wohl schmecken, und sorgen vor nichts, ich will mit diesen meinem Gewehr vor der Thür am Fenster Schild-Wacht stehen, und wenn ich jemanden auf das Lust-Hauß zukommen sehe, Wer da? ruffen. Die Marquise lachte so wohl als ich über das närrische Ding, welches würcklich zum Zimmer hinaus ging, den Schlüssel davon abzog und herein warff. Wir fingen hierauf an, das Confect der Liebe zu benaschen, der Appetit aber hierzu ward endlich so starck, daß wir die beschwerlichsten Kleidungs-Stücke ab uns alle beyde auf das zur Seiten stehende Faul-Bette legten, und unserer Wollust den Zügel vollkommen schiessen liessen. Indem stieß der Marquis von R. – – eine kleine Cabinet-Thür auf, kam, in jeder Hand ein aufgezogenes Pistol habend, heraus gesprungen, hielt das eine mir, das andere seiner Frau gegen die Brust, und sagte: Regt euch nicht, sondern betet, denn ihr müsset beyde sterben. Ich kan wohl sagen, daß mir alle Gedancken vergingen, weiß auch nicht recht mehr, was die Marquise zu ihrem Manne sagte, und ihn damit bewegte, daß er zu lachen anfing, und mit seinen Pistolen zur Thür des Zimmers hinaus ging. Sie[393] sprung demnach hurtig auf, brachte durch einen derben Kuß meine 5. Sinnen wieder in Ordnung, und sagte: Mein Hertz! seyd gutes Muths, mein Mann ist so tyrannisch nicht, sondern wird uns diesen Fehler vergeben. Also kleideten wir uns beyderseits hurtig an, und sahen, da wir zum Zimmer hinaus kamen, von oben herunter den Marquis unten im Garten ohne Pistolen gantz aufgeräumt herum spatziren. Die Marquise nahm mich bey der Hand, und führte mich ihm entgegen; ich danckte dem Himmel, daß ich meinen Degen an der Seite hatte, und mich auf einem freyen Platze befand. Als wir fast noch 6. Schritt von einander waren, zohe der Marquis schon seinen Hut ab, und bewillkommete mich aufs allerfreundlichste, danckte, daß ich ihm die Ehre erweisen und seinen schlechten Garten besehen wollen, und bath, nicht ungütig zu vermercken, wenn ich nicht nach Würden tractirt würde, weil man sich nicht darauf gesaft gemacht. Ich wurde von neuen dergestalt verwirret, daß ich in Wahrheit selbst nicht mehr weiß, was ich ihm geantwortet habe. Es wendete sich aber der Marquis zu seiner Frau, küssete sie auf den Mund, und sagte mit einer lächlenden Mine: Wie nun, Madame! soll man euch nunmehro auch mit unter die einfältigen Weiber zählen? Und glaubt ihr nun, daß die Männer auch listig seyn? Monsieur! ihr habt in beyden Stücken recht, (gab sie zur Antwort) allein, wenn ihr so gütig seyn, und nicht mehr an das, was einmahl geschehen ist, gedencken werdet, wird sich meine Hochachtung gegen euch vervielfältigen. Der Marquis klopffte sie hierauf[394] sanffte auf den Backen, und küssete ihre Hand, zu mir aber sprach er: Mein Herr! meine Frau sprach nur vor wenig Tagen zu mir, da ich ihr eine ohnlängst passirte Geschicht erzählet hatte: das wären die allereinfältigsten und dümmsten Weiber, die sich im Liebes-Wercke mit einem Galan, von ihren Männern betrappeln liessen, auch wäre der Männer List, gegen der Weiber List, gar nichts zu schätzen. Ich wuste nicht, ob, oder was ich hierauf antworten solte, der Marquis aber, welcher wohl merckte, daß ich mich von meiner Bestürtzung noch nicht recolligiren konte, fuhr im Reden fort: Mein Herr! ich glaube wohl, daß ihr nicht wisset, ob ihr hier bey mir verrathen oder verkaufft seyd, allein, trauet meiner redlichen Parole, fürchtet euch vor keiner Gefahr oder Hinterlist, sondern seyd gutes Muths, und folget mir in jene Grotte. Er nahm also seine Frau bey der lincken Hand, und mir reichte sie die rechte, mithin spatzirten wir in eine vortreffliche Grotte, allwo die köstlichsten Erfrischung bereits zurechte gesetzt waren. Er trunck mir ein Glaß Wein zu, auf redliche Freundschafft, und da ich solches Bescheid gethan, præsentirte er erstlich der Dame, hernach mir verschiedene Confituren, fing hierauf also zu reden an: Mein Herr! ich bin niemahls derjenige, so seine eigene Conduite rühmet, allein, ich zweifle nicht, ihr werdet mir zugestehen müssen, daß dieselbe heute gegen euch und diese Dame gantz sonderbar gewesen. Ich glaube nicht, daß in Europa unter tausend Männern einer anzutreffen, und wenn er auch eine Castrat wäre, der sich bey einer[395] solchen empfindlichen Begebenheit, so gelassen aufführen würde, als ich gethan. Ihr dürfft auch nicht vermeynen, daß ich etwa par Interesse, oder anderer Ursachen wegen, ein guter Mann seyn wolte oder müste. Nein! mein Herr! sondern lasst euch eine Geschicht erzählen: Diese Dame und ich haben einander aus gewissen Ursachen nach dem absoluten Willen des Königs heyrathen müssen, und zwar zu der Zeit, da Sie noch nicht 15. ich aber noch nicht 19. Jahr vor voll alt waren. Es fiel uns dieses auf beyden Seiten sehr schmertzlich, weil wir, eins so wohl als das andere, unsere Hertzen schon anderwerts verschenckt hatten, mithin einander nicht nur gar nicht lieben konten, sondern auch einen würcklichen Abscheu vor einander bekamen. Unsere Freunde wusten dieses, und der König erfuhr es auch, allein, ein jeder meynte, das alles würde sich schon geben, wenn wir nur erstlich zusammen kämen; allein, weit gefehlt, denn ob ich gleich wuste, daß ich eine schöne Frau bekommen, auch sonsten an ihren gantzen Wesen nichts auszusetzen hatte, so war mir doch so wenig als ihr möglich, beysammen in einem Bette zu liegen, und noch vielweniger einander ehelich zu berühren. Wie ich sie ausserdem aber im Hause wohl leiden konte, so wurde zu einem wahrhafften Mitleiden bewegt, da ich sie beständig weinend antraff, derowegen konte mich endlich länger nicht enthalten, sie eines Abends also anzureden: Madame! es jammert mich hertzlich, euch alle Tage und Stunden, so offt ich euch nur zu Hause antreffe, betrübt und weinend zu finden, ich weiß, daß es euch unmöglich fällt, euer Hertze[396] von euren Amanten abzuwenden, und mich zu lieben, aber ich müste unvernünfftig handeln, wenn ich euch darum verdächte, weil mir ja ebenfalls nicht anders zu Muthe ist. Mein eintziger Trost ist, daß ihr selbsten wisset, was massen ich am wenigsten Schuld an unsern Malheur bin, ja ich schwöre: daß ich mehr als die Helffte meines gantzen Vermögens daran spendirte, wenn wir beyde unser Schicksal geändert, und uns vergnügt sehen könten. Damit ihr aber nicht Ursach habt, über mich zu klagen, so schencke ich euch eure vollkommene Freyheit, so zu leben, als ob ihr an keinen Mann gebunden wäret, denn ich werde eher diejenigen Orte, wo ihr euer Divertissement findet, vermeiden, als euch vorsätzlich darinnen stöhren. Lasset euren Amanten, oder wen ihr sonst gern leiden möget, so offt, als euch beliebt, zu euch kommen, ich werde thun, als ob ich von nichts wüste, denn ich bin schon so viel von eurer Conduite versichert, daß ihr bey der Galanterie eure Reputation nicht vergessen werdet. Im Gegentheil aber hoffe, daß ihr auch so raisonnable seyn, und euch um meine Gänge, Thun und Lassen, vornehmlich aber um meine Galanterie-Affairen unbekümmert lassen werdet. Meine Frau saß, nach Endigung meiner Rede, eine gute Weile in tieffen Gedancken, da ich sie aber erinnerte, mir doch einige Antwort zu geben, öffnete sich endlich ihr Mund, und sagte: Monsieur, ihr verdienet eurer guten Gestalt und vortrefflichen Conduite wegen von Königlichen Printzeßinnen geliebt zu werden, allein, vergebet, und habt ein wahrhafftes Mitleyden mit mir Unglückseligen, da ich gestehen[397] muß, daß mir noch biß auf diesen Augenblick ohnmöglich fällt, euch zu lieben. Wegen eures Anerbietens bin ich euch gar sehr und mit noch mehrerer Hochachtung, als vorhero, verbunden, werde mich aber dessen nicht bedienen, denn, wenn es auch voritzo euer würcklicher Ernst seyn möchte, so habe ich doch vernommen, daß die Männer heute so, und Morgen gantz anders gesinnet seyn sollen; demnach wird es mir als einer Gebundenen hinführo besser anstehen, wenn ich euch bey vorhabenden Divertissements jederzeit erstlich um Erlaubniß bitte, Seiten meiner aber könnet ihr vollkommen versichert leben, daß ich mich niemahls um euer Wesen bekümmern werde, ausgenommen, was meine Schuldigkeit im Hause erfodert, damit ich euch wenigstens die äuserliche Complaisance abverdienen kan. Ich war mit dieser Antwort vergnügt, und betheurete nochmahls, daß sie sich, ohne Furcht vor mir zu haben, aller Freyheit bedienen möchte, indem ich ohnmöglich leiden könte, daß eine Person von ihrem Stande und Jahren meinetwegen unglücklich und unvergnügt leben solte. Hierauf verließ ich sie, und bemerckte wenige Zeit hernach, daß sie öffter, als sonsten, in Gesellschafften fuhr, sonderlich wo ihr Amant der Vicomte von T. anzutreffen war. Mir erweckte dieses mehr Zufriedenheit als Verdruß, und so offt ich ihn, den Vicomte, in mei nem Hause angetroffen, ist er allezeit von mir höflich und freundlich tractirt worden, wie ich ihn denn auch zu allen Assambleen, die nachhero in meinem Hause gehalten sind, invitiren lassen, und vor vielen andern distinguirt habe. Allein,[398] er war vor etwa einem Jahre so unglücklich, von einem Deutschen Cavalier im Duell erstochen zu werden. Ich erfuhr bald, daß meine Frau seines Todes wegen fast nicht zu trösten stunde, ließ derowegen erstlich etliche Tage vorbey streichen, und legte hernach meine aufrichtige Condolentz bey ihr ab, welche sie mit weinenden Augen annahm, und mir dagegen alles erwünschte Vergnügen wünschte. Am allerbesten hat mir von ihr gefallen, daß sie diesen ihrem Amanten allein getreu und beständig geliebt, und ausser ihm keine eintzige Manns-Person besonders æstimirt, wie ich denn deßhalber genaue Kundschafft eingezogen, es auch zum Theil selbst aus allen Umständen vermerckt. Nächst diesen hat mir auch gefallen, daß Sie diejenige Dame, von welcher Sie weiß, daß ich dieselbe über alles in der Welt liebe, vor allen andern Dames distinguiret, und, dem Ansehen nach, mehr als ihre eigene Schwester liebt. Wenn ich von dieser abstehen könte, so hätte sich vielleicht meine Frau gewinnen lassen, nach dem Tode des Vicomte, mich allein getreu zu lieben, allein, solches ist mir noch biß auf diese Stunde ohnmöglich. In der tieffen Trauer, welche meine Frau in Geheim, des Vicomte wegen, über ein halbes Jahr lang geführet, habe ich sie nie gestöhret, und sahe gern, daß sie hernach wieder anfing, ein und andere Gesellschafft zu suchen. Endlich vor etlichen Wochen habt ihr, mein Herr! den Schlüssel zu ihrem Hertzen gefunden, und euch in den Platz des Vicomte gesetzt, denn ich habe so gleich von Anfange eurer Liebe an, sichere Nachricht davon gehabt, und weiß wohl, daß die heutige geheime[399] Zusammenkunfft nicht die erste ist, in welcher ich euch in Wahrheit nicht gestöhret haben würde, wenn mir nicht, schon gemeldter Ursachen wegen, die Lust angekommen wäre, meiner Frauen zu zeigen, daß auch die klügsten Weiber von ihren Männern betrappelt werden können. Vergebet mir, daß ich euch einen so hefftigen Schrecken eingejagt, denn es ist mein Ernst nicht gewesen, euch Leydes zuzufügen, vielweniger eine Summe Geldes von euch zu pressen, wie nur neulichst ein Geitz-Halß allhier, bey eben dergleichen Begebenheit gethan. Ihr behaltet dieserwegen den freyen Aus- und Eingang in mein Hauß nach wie vor, und habt nicht Ursach, euch vor mir zu fürchten, denn es wäre bey so gestalten Sachen, da vielleicht ich und meine Frau bezaubert seyn, die gröste Unbilligkeit, wenn ich über sie tyrannisiren, und ihr nicht eben das Vergnügen, so ich anderwerts geniesse, vergönnen wolte. Allein, dieses eintzige, mein Herr, bitte ich mir von euch aus, daß ihr von allen dem, was vorgegangen ist, und etwa noch vorgehen möchte, ingleichen von meiner gantzen Erzählung, reinen Mund haltet, widrigenfalls ist unsere Freundschafft auf einmahl aus, auch hoffe, ihr werdet von selbsten so raisonnable seyn, und euch in Compagnie gegen diese Dame nicht allzu frey aufführen, denn, weil ich in meinem 5. jährigen Ehestande, des Vicomte wegen, von keinem eintzigen Menschen railliret worden, so würde mich solches, wenn es in Zukunfft eurentwegen geschehen solte, zu andern Entschliessungen bringen, anbey werden alle Cavalier, so mich kennen, mir das Zeugniß geben, daß ich mich[400] vor Degen und Pistolen niemahls gefürchtet habe. Nun saget mir, Madame! (fuhr der Marquis fort, indem er sich zu seiner Frau wendete) ob ihr in meiner gantzen Erzählung etwas angemerckt, so wider die Wahrheit lieffe? Nein, mein Herr! (antwortete sie,) ich müste nicht so redlich und aufrichtig seyn, als ihr, wenn ich dieses sagen wolte, es ist demnach zu bejammern, daß, wie ihr selbsten glaubt, wir beyde bezaubert seyn, doch ist bey unsern Malheur annoch das gröste Glück, daß wir in gewissen Stücken noch einerley Sinn haben. Hierauf wandte er sich zu mir, und fragte: Habt ihr wohl, mein Herr! Zeit-Lebens dergleichen besondere Begebenheiten gehöret? Nein, versicherte ich, sondern ich halte dieselbe vor ein unerhörtes Wunder, werde solches in meinem Hertzen vergraben halten, und biß auf den letzten Bluts-Tropffen zeigen, daß ich nichts höher als Dero Generositée und Freundschafft æstimire, und solche mit schuldigster Danckbarkeit zu erkennen alle Gelegenheit suchen. Nach diesen schwatzten wir alle Drey, als die vertrautesten Freunde, von allerhand indifferenten Dingen, und fuhren mit Untergang der Sonnen zurück in des Marquis Wohnung, allwo ich die Abend-Mahlzeit eingenommen, mit den beyden Bewundernswürdigen Ehe-Leuten noch ein paar Stunden l'Ombre gespielet, und mich hierauf nach Hause begeben habe.

Was bedünckt euch, (fragte mein Herr nunmehro den Cammer-Diener) bey dieser Avantüre? Sie scheinet mir (ließ sich dieser vernehmen) sehr wunderlich, und die Folgerung höchst gefährlich,[401] wenn ich demnach meinen unterthänigen Rath geben dürffte, so hielte davor, Ew. Gnaden zöhen mit Manier ihren Kopff aus der Schlinge, denn diese gantze Sache kan gar leichtlich ein Ende nehmen mit Schrecken. Am besten wäre es, wenn Ew. Gn. unter einem scheinbarn Vorwande, Paris auf eine Zeitlang verliessen, und mittlerweile einige andere berühmte Städte Franckreichs besähen. Ja, das wäre mir gelegen, rieff mein Herr, nein! was ich etliche mahl gekostet, und wohlschmeckend befunden, davon lasse ich nicht ab, biß ich mich satt gegessen habe; macht ihr nur Anstalten zu einem kostbaren Balle, dem ich auf den Montag zu geben gesonnen bin, und worbey der Marquis nebst seiner und meiner Frau die Haupt-Personen seyn sollen. Mit unserer Abreise von hier, hat es noch in etwas Zeit, und wenn ich auch keine berühmte Stadt in Franckreich mehr sehen solte, so ist nichts daran gelegen, denn wer Paris alleine nur gesehen, der hat in Franckreich alles gesehen. Morgen früh aber gehet hin, und bringet dem Marquis und seiner Gemahlin von meinetwegen den Morgen-Gruß, und wenn ihr so glücklich seyd, sie selbsten zu sehen, so saget mir hernach wieder, ob man um einer solchen Schönheit willen nicht Leib und Leben wagen solte. Sehr wohl, (gab hierauf der Cammer-Diener) allein, gnädiger Herr! hatten sie heute auch solche gute Gedancken, da der Mann mit den Pistolen aus dem Cabinet gesprungen kam? Ihr seyd ein Narr, (versetzte der Herr,) legt euch nur schlaffen, ich werde es auch so machen. Hiermit hatte dieser getreue Diener und Rathgeber seine Abfertigung.[402] Zwey Tage hernach kauffte mein Herr einen ungemein schönen Neapolitanischen Hengst, welchen viele Cavaliers, denen er zu kostbar gewesen, von sich gelassen, und ritt auf demselben, um ihn recht zu probiren, mit dem Marquis und etlichen andern Cavaliers spatzieren; weil nun dieser Hengst von allen, und sonderlich von dem Marquis, sehr gelobet worden, wurde dem Letztern gleich folgendes Tages ein Præsent damit gemacht, er nahm das Pferd mit Freuden an, schickte aber meinem Herrn dagegen einen neuen Wagen zurück, der mehr als noch einmahl so viel werth war. Ingleichen übersandte mein Herr eines Tages der Marquise, durch mich, sein, mit kostbaren Steinen besetztes, und in einer guldenen Capsel liegendes Bildniß, vor welches ich 4. Louis d'or Bothen-Lohn bekam, mein Herr aber empfing dargegen das Ihrige, welches 3. mahl theurer, als das Seinige, taxiret wurde, auch hat er lange hernach bekannt, daß ihm diese Dame aus grosser Liebe, vor mehr als 15000. Thlr. Jubelen und andere Kostbarkeiten geschenckt, von ihm aber wenig kostbare Sachen, sondern nur ein und anderes von geringen Werth zum Angedencken annehmen wollen. Am besti ten Tage gab mein Herr einen fast Fürstlichen Ball an die vornehmsten Cavaliers und Dames, deren sich eine gewaltige Menge einstelleten, weßwegen sehr viele bey den Gedancken verblieben, daß er eines höhern Standes seyn müsse, als er sich ausgäbe, da sahe man nun die Marquise in ihrer vollkommenen Schönheit, mein Herr begegnete ihr aber nicht als seiner Liebhaberin, sondern als einer grossen Printzeßin,[403] und der Marquis war beständig lustig und guter Dinge, man konte jedoch nicht mercken, welches seine Amasia wäre, indem er mit sehr vielen Damen gantz vertraulich umging, um die eigene Frau aber sich wenig bekümmerte. Mit anbrechenden Tage, wurden wir unsere Gäste erstlich loß, und dergleichen herrliches Leben wurde bald hier, bald dar fortgesetzt, ausser der Zeit aber konte man meinen Herrn nirgends eher als bey der Marquise antreffen, indem er zuweilen 3. biß 4. Tage und Nächte in ihrer Behausung blieb, biß sie endlich mit einem jungen Sohne darnieder kam. Man hörete, daß der Marquis ungemein erfreut über die Ankunfft dieses Stammhalters wäre, und er stellete dieserwegen ein Festin an, welches 3. Tage währete, worbey mein Herr, als ein erbetener Tauff-Zeuge, auch erschien. Nach vollendeten 6. Wochen, hatte die Marquise vorgegeben, als ob sie in ein Bad reisen wolte, allein, sie kam folgenden Morgens nach ihrer Abreise, früh vor Tage, in unsern Logis, nebst ihrer Vertrauten, in Manns-Kleidern an, und mein Herr, welcher die gantze Nacht auf sie gehofft, emfing sie mit ausserordentlichen Freuden. Demnach währete ihre besondere Bade-Cur in einem à parten Zimmer unseres Logis, 4. gantzer Wochen, binnen welcher Zeit sich mein Herr stellete, als ob er den Arm angeschellert hätte, und denselben mit vielen Binden umwickeln ließ, so offt er merckte, daß er eine Visite bekommen würde, wie ihn denn verschiedene Cavaliers, und sonderlich der Marquis, etliche mahl besuchten. Ausserdem paßirte er der Marquise beständig die Zeit, biß sie sich wieder gesegnetes[404] Leibes befunden hatte, setzte sich so dann eines Morgens mit beyden in einen zugemachten Wagen, und brachte sie an beliebigen Ort und Stelle. Zwey Tage hernach erfuhr man, daß die Marquise aus dem Bade wiederum glücklich in ihrer Wohnung angekommen wäre, weßwegen mein Herr so gleich und fernerhin fast täglich seine Visite bey ihr ablegte. Endlich wurde die Marquise von einer schweren Kranckheit überfallen, da er denn wegen der vielen Dames, so stündlich um sie gewesen, sich Wohlstandes halber gemüßiget gesehen, seine Visiten einzustellen, allein, weil ihm die Zeit biß zu ihrer Genesung etwas zu lange zu werden begunte, merckte man bald, daß er nach andern Courroisieen herum schlich, und endlich, was das schli ste war, so verliebte er sich in eine geschminckte Operistin, ohngeacht er wohl nachdencken können, daß dieses falsche und betrügliche Waare wäre. Diese hatte er bald gewöhnet, daß sie auf erhaltene Ordre, sich so gleich einstellete, und viele Nächte bey ihm paßirete, dargegen aber starcke Sportuln von ihm ziehen mochte. Solches Leben währete, biß man hörete, daß die Marquise besser wäre, und wiederum in ihrem Zimmer herum gehen könte, da aber mein Herr zu derselben hinschickte, und vernehmen ließ, ob, und um welche Stunde es ihr gelegen, daß er zu ihr kommen, und die Gratulation wegen ihrer Genesung abstatten dürffte, schickte sie einen Brief zurücke, worinnen sie ihm vorwarff: »Wie er sich würde zu erinnern wissen, daß sie ihn mit der Condition zu ihren Amanten angenommen, wenigstens so lange, als er in Paris sich aufhalten[405] würde, kein ander Frauenzimmer, als sie allein, zu caressiren, weil sie im Lieben ungemein eigensinnig und eckel wäre, er hätte ihr solches gleich anfänglich bey Wechselung der Ringe heilig zugeschworen, jedoch vor weniger Zeit hätte sie erfahren müssen, daß er nicht allein während ihrer 6. Wochen, sondern auch nach der Zeit, da sie 4. Wochen lang bey ihm in seinen Logis gewesen, und ihre allergetreuste Liebe sattsam zu erkennen gegeben, verschiedene Dames von geringern Stande worunter einige die von der Courtoisie recht Profession machten, eiffrig caressiret, über alles dieses aber, einer lüderlichen Schand-Metze, nehmlich einer Operistin, den ersten Ring, welchen sie ihn vor den Seinigen zum Gedenck-Zeichen der Treue, selbsten an den Finger gesteckt, ohne Bedencken hingegeben, auch Dieselbe viele Nacht in seinem Bette bey sich behalten etc. etc. Eben diese seine Untreue nun habe ihr die bißherige schwere Kranckheit zugezogen, an statt aber ihrentwegen bekümmert zu seyn, wäre er immer ungetreuer und lasterhaffter worden, weßwegen sie ihn von nun an nimmermehr wieder mit Augen zu sehen wünschte, u.s.f.«

Dergleichen tröstliche Worte schlugen meines Herrn Muth gäntzlich darnieder, indem er sich in allen Stücken getroffen befand; er schickte zwar durch mich eine Entschuldigungs- und Submissions-Schrifft an die Marquise, allein, sie wolte selbige nicht annehmen, sondern sprach: Ich solte meinem Herrn nur mündlich sagen, daß sie weiter mit ihm nichts zu thun hätte, auch, so lange er in Paris[406] wäre, alle Gelegenheit vermeiden würde, von ihm gesehen zu werden.

Uber dieses Compliment schien er vollends gantz Trost-loß und aller Hoffnung beraubt zu seyn, doch fing diese wiederum ein wenig an zu käumen, als ihm noch selbiges Abends, von einer unbekandten Person, ein Billet mit folgenden Zeilen eingehändiget wurde:


Monseigneur!


Ich zweiffele nicht, daß euch der Eigensinn meiner gebietenden Frauen einigen Kummer werde verursacht haben, allein, weil ich nicht glaube, daß ihr so viel gesündiget habt, als man euch Schuld giebt; so will ich euch ein Geheimniß eröffnen, vermittelst dessen ihr, wo euch anders etwas daran gelegen, bald wieder in vorigen Credit gesetzt werden könnet. Weil ich aber nicht weit von ihr gehen darff, so erwarte euch auf ein kurtzes Gespräch diese Nacht punctuell um 11. Uhr an der Hinter-Thür unseres Pallasts, als


Eure

gehorsamste Dienerin

Lucretia.


Mein Herr machte sich fertig zu diesen nächtlichen Spatzier-Gange, nahm auch den Jäger und einen Reut-Knecht, die Pistolen und Pallasche bey sich hatten, mit sich, und befahl, ihm immer auf etliche 20. Schritte nachzufolgen, wenn er aber stehen bliebe, auch auf ihrer Stelle stehen zu bleiben.[407] Er kömmt glücklich an die Hinter-Thür des Marquisischen Pallasts, dieselbe öffnet sich punctuell um 11. Uhr, es kömmt ein Frauenzimmer heraus auf die oberste Stuffe getreten, und winckt ihm, so viel er in der Demmerung erkennen kan, näher zu kommen; so bald er aber bey ihr ist, stösst sie ihn mit einem Dolche dergestalt hefftig auf die Brust, daß er zurück prallen muß, zu gleicher Zeit springt sie zurück, und schlägt ihm die Thür vor der Nase zu.

Mein Herr hebt den Dolch, welcher ihm vor die Füsse gefallen, auf, kam nach Hause, und erzählte, was ihm begegnet war, wolte auch anfänglich nicht viel Wesens aus der Wunde machen, allein, weil der Stich recht durch den Brust-Knochen ging, und der Dolch, allem Vermuthen nach, vergifftet gewesen, gerieth dieselbe dergestalt übel, daß er bey nahe seinen Geist aufgegeben, denn der gantze Halß und Brust war dergestalt verschwollen, daß er kaum noch ein wenig Athem holen konte. Jedoch nach 5. Wochen fing es sich endlich zu bessern an, so, daß er wieder im Zimmer herum gehen konte, indem er sich aber nicht einbildete, daß der Marquis von der Historie, so zwischen ihm und der Marquise paßirt, die geringste Wissenschafft haben würde, nahm es ihm Wunder, daß er keine Visite von demselben bekommen, er erfuhr aber zufälliger Weise, daß der Marquis in Königl. Affairen verreiset sey. Des Tags darauf, als er sich wiederum in die freye Lufft begeben, brachte ein fremder Laquey einen Brief, welchen ich, weil mein Herr denselben auf seinen Schreibe-Tische liegen lassen, also gesetzt befand:
[408]

Ungetreuer!


Nicht die Lucretia, sondern ich selbst habe euch bestellet, um mich zu rächen, einen Dolch zu euer lasterhafftes und meineydiges Hertze zu stossen, bin aber, wie ich mercke, zu schwach gewesen, diesem Werckzeuge meiner gerechten Rache, gnugsamen Nachdruck zu geben. Jedoch ich getröste mich dessen, daß bald eine stärckere Faust über euch kommen soll, denn es wird nicht eher wieder vergnügt leben, biß da weiß, daß ihr in die andere Welt geschickt seyd,


Die

deren getreuer Liebe ihr niemahls

würdig gewesen.


Nun ist es Zeit, (sprach mein Herr, nachdem er diese Zeilen gelesen, zu dem Cammer-Diener:) daß ich Paris verlasse, machet derowegen Anstalt, daß wir je ehe je lieber nach dem Turinischen Hofe aufbrechen. Der Cammer-Diener, welcher nunmehro mit Mißvergnügen sahe, daß seine Propheceyung mehr als zu zeitig eingetroffen, ließ an seinem Fleisse nichts ermangeln, derowegen brachen wir, nachdem mein Herr von seinen besten Freunden, unter einem gantz andern Vorwande, kurtzen Abschied genommen, eiligst auf, und nahmen unsern Weg mit kurtzen Tage-Reisen auf Troyes zu, allwo wir die Bagage noch antraffen, dieselbe aber voraus gehen liessen, weil mein Herr gesonnen war, einige Tage hieselbst auszuruhen; allein, seine Ruhe währete nicht lange, denn gleich andern Tages gegen[409] Abend kam ein Cavalier, welcher ihm vom Marquis von R. ein Billet, folgendes Inhalts, überbrachte:


Ihr habt eure Parole, wegen Verschweigung eines gewissen Geheimnisses, nicht als ein rechtschaffener Cavalier, sondern als ein – – – – gehalten, derowegen bin ich euch, so bald ich solches erfahren, auf dem Fusse nachgefolget, um euch den offerirten letzten Bluts-Tropffen zur Satisfaction mit meinem Degen abzufordern. Uberbringer dieses mein Beystand hat von mir Vollmacht, wegen Zeit und Orts, Abrede mit euch zu nehmen, denn die Zeit, euch im Reiche der Todten zu wissen, währet viel zu lang


Dem

Marquis von R.


Mein Herr besprach sich also mit dem Cavalier, und es wurde wegen desto besserer Sicherheit, so wohl vor diesen als jenen Theil, beschlossen, daß uns der Marquis biß nach Geneve folgen, und das Duell in selbiger Gegend vorgenommen werden solte, weil sich daselbst die Frantzösischen, Savoyischen und Schweitzerischen Gräntzen scheiden. Mitlerweile gab mein Herr den Cavalier folgende Antworts-Zeilen zurück:


Ihr seyd von Haltung meiner Parole falsch berichtet, oder müsset nunmehro erstlich eine andere Ursache hervor gesucht haben, mit mir anzubinden. Wegen des erstern[410] will meine Unschuld nicht mit Worten, sondern, damit ich nicht vor einen Zaghafften gehalten werden möge, gegen euch lieber mit dem Degen defendiren. Wegen Zeit und Orts, ist, eurem Belieben nach, mit Zurückbringern dieses, bereits Abrede genommen, und es kan nicht schaden, daß ihr euch auf dieser Reise biß an Franckreichs Ende, noch eine kleine Motion machet, bevor ihr von mir ins Reich der Todten geschickt werdet. Denn dahin zu spatziren, ohne eure Gemahlin erstlich wieder ausgesöhnt zu wissen, hat vor itzt noch keine Lust


N.N.


Hiermit ging der Cavalier, wir aber setzten unsere Reise gleich Tags hernach fort, und hielten keinen Rast-Tag, biß wir nach Geneve kamen. Zwey Tage waren wir schon da gewesen, als der Cavalier wieder kam, und nur eine Viertel-Stunde mit meinem Herrn in Geheim redete. Abermahls zwey Tage hernach ging das Duell auf Schweitzerischen Grunde und Boden vor sich. Der Marquis wurde erstlich zweymahl leichte von meinem Herrn blessirt, da er aber, ohngeacht alles Zuredens, nicht zufrieden seyn, sondern meinem Herrn absolut todt haben wolte, jagte ihm dieser endlich seine Klinge dergestalt tieff in die Brust, daß er, ohne ein Wort zu sprechen, zu Boden sanck. Wir hielten uns also nicht lange bey seinem erblasseten Cörper auf, sondern eileten von dannen, und erreichten gar bald ein Savoyisches kleines Städtgen,[411] und etliche Tage darauf die Haupt-Stadt Turin; allwo mein Herr und wir alle von der beschwerlichen Reise ausruheten. Mir schwebte der entleibte Marquis stets vor Augen, und wunderte mich sehr, daß mein Herr sich dergleichen Blut-Schulden gantz und gar nicht zu Gemüthe zohe, sondern in Turin erstlich als gantz von neuen lustig zu leben anfing, auch sich nicht nur mit einer, sondern etlichen vornehmen Dames in ein geheimes Liebes-Verständniß einließ, welches mir, als dem Brief- und Complimenten-Träger, zwar manchen schönen Ducaten einbrachte, jedoch, weil ich nunmehro schon ziemlich zu Verstande gekommen, und bemerckt, daß meines Herrn Lebens-Art recht Epicurisch, indem er sich weder um Beten, Singen, noch Religion etwas bekümmerte, auch so lange ich bey ihm gewesen, nicht zum Heiligen Abendmahle gewesen war, wünschte ich, daß er sich ändern, und nicht etwa einmahl so in seinen Sünden dahin fahren, oder, daß ich bald von ihm hinweg kommen und solches Unglück nicht mit ansehen möchte. Weil ich aber etliche Tage Zeit darzu haben müste, wenn ich alle seine Liebes- und andere zum Theil sehr verwegene Streiche, die er in Italien gespielet, ordentlich erzählen wolte, so will nur, um kurtz darvon zu kommen, noch so viel melden, daß, nachdem wir binnen 3. Jahren die vornehmsten Städte Italiens besehen, ihn das Angedencken einer wunderschönen Kauffmanns-Frau, zum andernmahle fast von der Gräntze zurück nach Mayland zohe. Allein, da er das vorige mahl mit derselben in der allergrösten Vertraulichkeit gelebt,[412] muste er nunmehro erfahren, daß sie ihm sehr kaltsinnig begegnete, und endlich erfuhr er auch, daß ein gantz junger Frantzösischer Duc, seinen Posten bey ihr eingenommen hätte; derowegen sparete er weder Mühe noch Kosten, denselben wieder auszustechen, und das wollüstige Weib mag sich endlich wohl resolviren, ihre Gunst-Bezeugungen unter diese beyden Amanten gleich einzutheilen, um entweder ihre Geilheit recht zu ersättigen, oder vielleicht von Beyden starcken Profit zu ziehen. Demnach bringet sie es auf listige Art dahin, daß beyde keine öffentliche Visiten ferner bey ihr ablegen dürffen, heimlich aber läßt sie, Wechsels-weise, bald den Franzosen, bald meinen Herrn zu sich kommen, welcher keine Gelegenheit verabsäumete, dieser geilen Frauen aufzuwarten, ohngeacht ihm gesteckt wurde, daß dem Kaufmanne seinetwegen ein Floh ins Ohr gesetzt worden. Mittlerweile starb meines Herrn Cammer-Diener an einem hitzigen Fieber, woran wohl nichts anders als der Wein, welchen er gar zu gern trunck, Ursach seyn mochte. Mein Herr bedauerte denselben, wegen seiner treu-geleisteten Dienste, sehr, bekam zwar einen andern Deutschen feinen Menschen an dessen Stelle, hatte aber dennoch mehr Vertrauen zu mir als zu ihm, und gab mir das meiste von seinen kostbarsten Sachen unter meinen Verschluß; wie gern ich aber gesehen hätte, daß mein Herr, um nur von seiner gefährlichen Lebens-Art abzukommen, das verführerische Mayland einmahl verlassen hätte, so gedachte er doch niemahls daran, zumahlen da nicht allein aus Deutschland frische Wechsel einlieffen, sondern er[413] auch von seinem Mit-Buhler, dem Frantzösischen Duc, welcher ihm eines Abends, in einer Assamblee beym Spiele starck forçirte, 1500. spec. Ducaten baar Geld, und über dieses einen Wechsel-Brief auf 1000. Ducaten, gewonne. Nach der Zeit stellete sich der Frantzmann sehr hochmüthig gegen meinen Herrn, welcher selbiges zwar nicht sonderlich æstimirte, endlich aber erfuhr, daß der Duc gegen jemanden, der ihn wegen seines grossen Geld-Verlusts beklagt, diese Worte ausgestossen: Die drittehalb tausend Ducaten gönne ich dem Deutschen gerne, weil ihm das Glücke in aufrichtigen Spiele günstiger gewesen als mir, allein, wenn er mir, wie unter der Hand verlauten will, an einem gewissen Orte ins Gehäge gehet, und ich ihn attrappire, so kostet es einem unter uns beyden das Leben. Ein anderer Cavalier hatte den jungen Duc gewarnet und gesagt, daß mein Herr ein wohl exercirter Fechter sey, auch, wie man vernommen, vor einiger Zeit einen geschickten Frantzösischen Marquis, ohnweit Geneve, erstochen; der Duc aber hatte darauf geantworttet: »Wohlan! so wird es mir eine desto grössere Ehre seyn, wenn ich ihm was anhabe, und zugleich meinen erstochenen Lands-Mann rächen kan.« Mein Herr lächelte, als man ihm dieses vorbrachte, und sagte: »Ich weiß noch nicht, wo der Gelb-Schnabel sein Gehäge hat, sonsten wolte aus Erbarmung und Eckel selbiges vermeyden, indem ich, ohne allen Schertz, viel Commiseration mit seiner Schwachheit habe, wünsche im übrigen, daß er andere Gedancken bekommen, und meine Gesellschafft meiden[414] möge.« Von der Zeit fing mein Herr selbst an, zwar die Gesellschafft des Duc, nicht aber der Kauffmanns Frau zu meiden, sondern schlich so lange nach derselben, biß er von jenem auf dem fahlen Pferde attrapiret und rencontriret wurde. Der Duc bekömmt etliche Hiebe über den Kopff und rechten Arm, welche ihm aber weder Kranckheit noch Lähmung verursachten, weßwegen er meinem Herrn ein Cartell zuschickte, und wegen dieser Blessuren, die er, seinem Vorgeben nach, unredlicher Weise empfangen, sehr gestrenge Satisfaction forderte. Mein Herr ließ ihm zurück melden, daß, ohngeacht er gesonnen gewesen, binnen wenig Tagen nach Deutschland aufzubrechen, er doch nunmehro biß zu des Duc Wiedergenesung in Mayland verbleiben wolte, anbey wünschte, daß selbige bald erfolgen möchte.

Etliche Tage hernach, da mein Herr verschiedene Cavaliers, auf seinem Zimmer tractirte, ließ sich in einem Gast-Hause gegen über eine vortreffliche Vocal- und Instrumental-Music hören, weßwegen immer eine Parthey von unsern Gästen nach der andern in die Fenster traten, und darauf merckten. Mein Herr stund hinter 2. Cavaliers, welche sich zum Fenster hinaus bückten, und ehe man sichs versahe, hörete man einen Platz und Erschütterung des Fenster-Rahmens, mein Herr aber fiel zu gleicher Zeit rückwärts zu Boden, und es lief ihm aus einer an der Stirn habenden Wunde das Blut über das Gesichte herab. Unterdessen, als man beschäfftiget war, denselben aus der Ohnmacht zu reissen, kam ein erfahrner Chirurgus, welcher[415] ihm eine Ader öffnete, und nachhero bey Untersuchung der Wunde eine Bley-Kugel in dem Stirn-Beine steckend fand. Ob nun schon dieselbe mit grosser Mühe heraus gebracht und sonsten alles zu seiner Lebens-Erhaltung angewendet wurde; so merckte doch ein jeder bald, daß ihm diese Blessur den Todt verursachen würde, denn er lag ohne Verstand mit halb eröffneten Augen beständig als in einem tieffen Schlaffe, holete aber doch starck Athem darinnen. Aller Anwesenden Urtheile nach, war die Mord Kugel aus einer Wind-Büchse, und zwar etwa durch ein Dach-Fenster des gegen über liegenden Gast-Hauses herab geschossen worden, und würde ohnfehlbar meinem Herrn biß ins Gehirne eingedrungen seyn, wenn sie nicht vorhero ein Stück vom Fenster-Rahmen hinweg genommen, mithin sich ermattet gehabt. Es wurde bey dem Gast-Wirthe eine scharffe Nachfrage angestellet, jedoch nichts heraus gebracht, denn dieser gestund zwar, daß seit etlichen Tagen einige fremde Personen in seinem obersten Stock-Werck logirt, da sie ihn aber das Logis voraus bezahlt, hätte er sich um ihren Ausgang nicht bekümmert, jedoch kein Schieß Gewehr, viel weniger eine Wind-Büchse bey ihnen gesehen. Das war es alles, was man des Thäters wegen erfahren konte, demnach muste mein Herr behalten, was er hatte, ausgenommen das Leben. Doch ehe er dieses einbüssete, kam in der 4ten Nacht nach der empfangenen Blessur sein Verstand auf einmahl plötzlich wieder, und blieb gantzer 8. Stunden bey ihm, weßwegen die Aertzte, und sonderlich wir, seine Bedienten, sehr[416] freudig wurden, allein, er sagte gantz hertzhafft: Kehret euch an nichts, denn es ist nichts gewissers, als daß ich sterbe.

Hierauf befahl er mir, einen Protestantischen Geistlichen, welchen zwey junge Deutsche Barons unter dem Titul eines Gouverneurs bey sich hatten, zu ruffen. Dieser unterredete sich über zwey gantzer Stunden lang mit ihm, reichte ihm auch nachhero in meinem Beyseyn das Heilige Abendmahl. Hierauf ließ er 2. nicht weit von ihm wohnende Deutsche Cavaliers ruffen, bath dieselben, seine Disposition, die er schon ehedem, auf einen solchen plötzlichen Fall gemacht, mit seinem, ihren und des Geistlichen Petschafften zu versiegeln, und den Tag, da dieses, seinem Willen gemäß, geschehen, nebst ihren Nahmens darauf zu notiren. Auch musten dieselben verschiedene Kasten mit seinen und ihren Petschafften versiegeln, und dieserwegen eine Schrifft in meine Hände liefern. Hernach beschenckte er seine Bedienten reichlich, ehe er aber an mich kam, vergingen ihm die Gedancken, und er lag abermahls gantzer 28. Stunden, ehe er sich wieder besinnen konte. Dieses letztere geschahe Morgens früh, eben da die vorigen Freunde wieder bey ihm waren, und seine erste Rede war: Wo ist mein Willhelm? Ich trat mit weinenden Augen zu ihm; er aber sprach: Gib dich zufrieden, einmahl muß ich doch sterben, mein Chatoull und der rothe Coffre, mit allen dem, was drinnen ist, soll deine seyn, hiervon aber solst du meine Begräbniß-Kosten bezahlen, und das im rothen Coffre blau laquirte Kästlein an die bewuste Person liefern,[417] ich traue deiner Redlichkeit schon so viel zu, daß du dieses ohne fernere Weitläufftigkeiten bewerckstelligen wirst; was sonsten noch von meinen unversiegelten Sachen umher stehet und liegt, soll nach meinem Tode ebenfals alles deine seyn.

Nachdem er hierüber die anwesenden Herrn zu Zeugen angeruffen, bath er, man möchte ihn mit dem Geistlichen etwas alleine lassen; dieser blieb also bey ihm, biß er abermahls in einen Schlummer verfallen war, aus welchen er sich denn auch nicht ermunterte, sondern ein paar Stunden nach Mittags seinen Geist aufgab.

Ich sparete keine Kosten, meinen erblasseten Herrn Standes-mäßig zur Erden bestatten zu lassen, indem ich baares Geld genung darzu fand, mit dem Uberbliebenen aber wohl zufrieden seyn konte. Indem ich nun Anstalten zu unserer Reise nach Deutschland machte, kam mir eines Tages ein Billet, folgendes Inhalts, zu Handen:


Monsieur Wilhelm!


Damit ihr den Verdacht wegen Entleibung eures Herrn nicht etwa auf eine unrechte Person werffen möget, so wisset und glaubet, als eine sichere Wahrheit, daß niemand anders, als die Frantzösische Marquise von R. Schuld daran sey; denn diese hat, nachdem sie vernommen, daß ihr Gemahl von ihm erstochen worden, so gleich 3. Banditen erkaufft, und mit dem Befehle, ihn in gantz Italien aufzusuchen, und das Lebens-Licht auszublasen, fortgeschickt. Es[418] ist in Rom, Neapolis und Venedig erliche mahl fehl nach ihm geschossen, auch an viel andern Orten auf ihn gelauret worden, er ist uns aber jederzeit zu gescheut gewesen, biß es uns allhier in Mayland endlich doch geglückt, die andere Helffte unseres versprochenen Recompenses zu vedienen, ohne ihn biß nach Deutschland zu verfolgen. Nun reiset ihr so glücklich, als wir drey es uns wünschen.


Adieu!


Ich lasse es dahin gestellet seyn, ob es wahr, daß die Marquise so einen gar grausamen Haß auf meinen erblasseten Herrn gelegt, zumahlen er derselben mit Entleibung ihres Mannes vielleicht keinen Tort gethan, vielmehr wolte wohl sagen, wie ich mehr glaubte, daß mir der Frantzösische Duc diesen Brief zupracticiren lassen, nachdem er vielleicht die Banditen selbst zu dieser Mordthat erkaufft, und was mich in diesem Glauben stärckt, ist dieses, daß ich nachhero erfahren, wie eben offt gemeldeter Duc, nach seiner Heimkunfft die Marquise von R. geheyrathet hat.

Dem allen aber sey nun wie ihm wolle, genung! wenn mein Herr sich von der Weiber-Liebe nicht allzu sehr bethören lassen, so wäre er einer der glückseeligsten Cavaliers gewesen, und lebte vielleicht diese Stunde noch, denn er hatte eine vollkommen gesunde und ungemein starcke Natur, so aber war bloß das Frauenzimmer Schuld und Ursach an allen seinen Wiederwärtigkeiten, Unglücks-Fällen und endlichen frühzeitigen Tode.

Nunmehro war vor mich nichts weiter zu thun,[419] als den Weg ins Vaterland zu suchen, derowegen nahm ich, nachdem mir die Deutschen Cavaliers tüchtige Pässe ausgewürckt, Wagen und Maul-Thiere zur Miethe, um meines Herrn Sachen darauf fort zu schaffen, der Jäger und die zwey Reut-Knechte blieben bey mir, der neulichst angenommene Cammer-Diener aber, wolte sich in Italien einen andern Herrn suchen. Nach einer sehr beschwerlichen und verdrüßlichen Reise, gelangeten wir endlich auf dem Ritter-Sitze des Herrn von E.* an, den ich zwar nicht sogleich selbst zu Hause antraff, von der Frau von E.* aber gantz wohl aufgenommen wurde, als welche eine wahrhaffte Betrübniß und Wehmuth über den jämmerlichen Todt meines Herrn empfinden mochte, wie sie denn auch gegen mich kein besonderes Geheimniß daraus machte, sondern sehr vertraut nach allen Umständen fragte. Weil ich nun schon bescheidet war, daß in dem blau laquirten Kästgen der Schatz verwahret lag, der der Frau von E.* vor sie selbst und ihren kleinen Sohn zugedacht war, (welcher Knabe meines Herrn gantze Person, wie er geleibet und gelebt, en Mignature præsentirete) so säumete ich mich nicht, ihr dieses gantz und gar mit Gold und Jubelen angefüllete Kästgen zu überreichen, wo vor sie mir denn zum Gratial, ehe noch ihr Herr nach Hause kam, 100. spec. Ducaten aufdrunge. Es war aber noch eine andere grosse Kiste mit vielen Italiänischen Kostbarkeiten vor den Herrn und die Frau von E.* unter den mitgebrachten Sachen von meines Herrn Verlassenschafft, welche ich, da der Herr zu Hause gekommen,[420] demselben einhändigte. Beyde mochten vor sich so viel darinnen finden, daß sie Ursach hatten, darüber vergnügt zu seyn, und meines seeligen Herrn Generositee zu bewundern, mir aber schenckte der Herr von E.* vor meine Mühe und getreue Einlieferung 200. Thlr. an lauter Lüneburgischen Gulden. Die übrige Verlassenschafft wurde nach meines seeligen Herrn gemachter Disposition, unter seines, schon vor längst verstorbenen Bruders Kinder getheilet, welche wohl in Wahrheit lachende Erben zu nennen waren, indem sie zwar mit den Kleidern traureten, allem Ansehen nach aber im Hertzen jauchzeten. Ich bekam, weil ich bey ihnen keine Dienste nehmen wolte, von allen insgesammt nicht mehr als 100. spec. Thlr. ein Kleid und ein Pferd mit Sattel und Zeuge zum Recompense, war auch gesonnen, gewisser Ursachen wegen eine Reise nach Wien zu thun, allein, mein Landes-Herr ließ mich eines Tages zu sich ruffen, und zwang mich, mit vielen liebreichen Worten und andern Gnaden-Bezeugungen, dahin, daß ich in drey Abenden nach einander, einen ausführlichen Bericht von meines seeligen Herrn Reisen und Begebenheiten abstatten muste; wie denn dieser besonders gnädige Herr versprach, solches alles bey sich zu behalten. Es beschenckte mich derselbe hierauf mit drey güldenen Medaillen, so zusammen 65. Ducaten wugen, und ließ mir durch seinen Ober-Hofmeister eine Cammer-Diener-Stelle bey ihm antragen. Ich resolvirte mich kurtz, dieselbe anzunehmen, indem mir, ausser den starcken Accidentien, eine gute Besoldung versprochen wurde, jedoch[421] bath ich mir vorhero aus, auf etliche Wochen in meinen Affairen zu verreisen, welches mir der Landes-Herr gnädigst erlaubte. Die erste Reise, so ich that, ging nicht weiter als zu meinem ältesten Bruder, der in dem Hause, wo ich gebohren worden, Wirthschafft trieb, und seinen Förster-Dienst besorgte. Er hatte geheyrathet, aber, leyder! (das GOTT zu erbarmen) ein Fräulein Mägdgen vom Hofe, welche von ihrem Fräulein eine starcke Mitgifft von Theé- und Coffeé-Kannen, Schälchen, Löffelchen, und dergleichen Tänteleyen und Löffeleyen bekommen hatte. Von dem sauber gestickten Knöppel-Küssen, Bildern, â la mode Bette, propren Stühlen (deren aber, mit einem verunglückten, nur 6. waren) und dergleichen will ich nichts gedencken, weil ich solche Sachen nach ihrem innern Werth, mir nicht zu taxiren getraue. Mir aber schien es hell und klar in die Augen, daß mein Bruder einen abgenutzten Affen, fœminini generis, oder ein solches Frauenzimmer zur Frau bekommen hatte, die sich zwar sehr wohl an den Tisch und ins Bette, aber desto schlechter zu seiner Oeconomie schickte, und wie es sonsten um seine Schwagerschafft gehalten, darum habe mich mit allem Fleisse nicht erkundigen wollen. Genung, ich spürete an ihm, daß er die Nach-Wehen einer unglückseeligen Heyrath, mehr als zu sehr im Kopffe fühlete. Seinen Kummer auf einige Zeit zu vertreiben, schenckte ich ihm verschiedene feine Sachen von ziemlichen Werth, seiner Frauen aber, um ihre Galanterie vollkommen zu machen, eine Italiänische Uhr und Tabatiere.[422] Von meinem Vater, konte mir dieser mein ältester Bruder so viel Nachricht geben, daß derselbe gleich nach dem gehabten Unglücke in ein Römisch-Catholisches Ländgen geflüchtet, sich daselbst in ein Hospital gekaufft, allwo er gut Essen und Trincken, auch gute Verpflegung gehabt, dahero von seinen Kindern nichts verlanget, sondern denselben noch etliche 30. Thlr. zurück geschickt; es wäre aber derselbe vor ohngefähr zwey Jahren gestorben. Mein jüngster Bruder hätte durch Vorschub guter Leute studiret, aber nur biß an den Hals, indem er sich auf Universitäten, in der besten Zeit, auf die faule Seite gelegt, und die Stipendia, so er verstudiren sollen, durch die Gurgel gejagt, jedoch sässe derselbe voritzo gantz wohl, indem er in der nächsten Stadt eine gebrechliche Wittbe geheyrathet, die ihm einen Secretarien-Titul gekaufft, nur daß sie mit solcher Manier sich auch in vornehmer Tracht sehen lassen dürffte. Endlich erfuhr ich, daß meine älteste Schwester als Vieh-Magd, und die jüngste als Mädgen auf einem Edel-Hofe dieneten. Diese beyden letztern jammerten mich am meisten, weßwegen ich ihnen einen Bothen schickte, und sie zu mir ruffen ließ. Es war in Wahrheit Schade, daß diese beyden armen Thiere bißhero so verächtlich leben müssen, denn sie sahen nicht häßlich aus, derowegen befahl ich ihnen, sich so bald, als möglich, Dienst-loß zu machen, gab einer jeden 50. Thlr. davor sie sich saubere Bürgerliche Kleider anschaffen, und in der nächsten Stadt bey guten Leuten in die Kost verdingen[423] solten, biß sich anständige Männer vor sie fänden, da ich denn einer jeden 300. Thlr. zur Ausstattung zu geben, auch mitlerweile das Kost-Geld und andere Bedürffnisse zu zahlen versprach. Man kan leicht erachten, daß beyde hierüber ungemein froh gewesen, und es währete nicht lange, so heyrathete die Aelteste einen Bader, und die Jüngste einen Gewürtz-Cramer, empfingen auch von mir die versprochenen Ehe-Gelder. Weil ich aber doch auch meinen jüngsten Bruder gern sehen und sprechen wolte, reisete ich zu ihm, traff ihn aber nicht als einen Gelehrten, sondern als einen schmutzigen Brau-Knecht an, jedoch er warff sich bald in weisse Wäsche und in einen seidenen Schlaff-Rock, und empfing mich nunmehro erstlich recht brüderlich, dergleichen die Frau Schwägerin auch that, jedoch ihre Freundlichkeit nachhero erstlich recht blicken ließ, da ich einige Italiänische Sachen von nicht geringen Werthe zum Geschencke überreichte. Dieserwegen eröffnete sich nun ihr holdseeliger Mund dergestalt, daß, wenn man hinein sahe, man sich die Rudera eines abgebrandten Dorffs gantz eigentlich vorstellen konte, weil sie sich die Cronen von den Zähnen fast alle abgebissen, jedoch, wie ich nachhero gewahr wurde, noch ziemlich keiffen konte. Ich hielt mich, weil ich meine Schwestern, mir Antwort dahin zu bringen, bestellet hatte, etliche Tage bey meinem Bruder auf, und wurde von ihm und seiner Frauen gantz wohl tractiret; allein, da ich kaum 3. oder 4. Tage da gewesen, hörete ich, wenn ich nur den Rücken gewendet,[424] daß sie sich, um der geringsten Ursache willen, aufs hefftigste mit einander zanckten, hergegen konte das alte Murmel-Thier, so bald jemand darzu kam, so freundlich thun, als ein Ohr Wurm, und ihrem Manne sehr viel Respect erweisen, da doch derselbe ein würcklicher Sclave von ihr war. In meinen Ohren klung nichts ärgerlicher, als wenn sie früh Morgens, wenn ich noch im Bette lag, oder auch sonsten des Tages über, zum öfftern, bald diese, bald jene Commando-Wörter von sich hören ließ: e.g. Herr Secretarius! gehet doch hin, und gebt den Schweinen; Herr Secretarius! hänget den Käse-Korb wieder auf; Herr Secretarius! hackt doch etliche Scheiter-Holtz; Herr Secretarius! sehet zu, ob etwa die Kuh gekalbet hat; Herr Secretarius! befühlt die Hüner, ich stecke im Teige; Herr Secretarius! gebt dem Mädgen vor einen halben Weiß-Pfennig steiffen Käse, und ja nicht mehr, als 3. Klitsche; etc. etc. Ja, ich sage es noch einmahl, wenn ich diese Ordres hörte, hätte ich vomiren mögen, und gedachte meines Bruders wegen: Du armer Hanß! hast du auch gefreyet? Eines Tages, da ich mit meinem Bruder, welcher im Walde Holtz besehen wolte, Spatzieren ging, fragte ich denselben unter andern, ob er auch sonst vergnügt in seinem Ehestande lebte? Ach! (erseuffzete er) wenn ich gewust hätte, was ich nachhero erfahren, so wolte zehnmahl lieber eine Musquete auf die Schulter genommen, und meinen Puckel dem Corporal alle Woche ein paar mahl hingehalten haben, denn ich[425] bin durch mein Heyrathen zum allerunglückseeligsten Menschen gemacht. Mit schönen Kleidern behängt mich meine Frau, so, wie etwa ein grosser Herr seinem Leib-Hengste ein kostbar Zeug auflegen läßt, um Staat darmit zu machen, aber ich darff nirgends damit hingehen, wo sie nicht darbey ist, ausgenommen in die Kirche, und auch dahin nicht einmahl, wenn ihr der Kopff nicht recht stehet, denn sie spricht gleich: ich ginge nicht in die Kirche, GOttes Wort zu hören, sondern mich nur nach schönern Weibern und Jungfern umzusehen. Macht mir ein ander Frauenzimmer etwa ein höflich Compliment, und ich ziehe meinen Hut dargegen wieder ab, fängt sie alsofort zu brummen an: Ja ja! Die kennest du auch schon besser, und hättest sie lieber als mich, sehet nur, wie das Canaillen-Pack vor meinen sichtlichen Augen mit einander charmiren kan; I, denckt doch! daß ich nicht ein Narre wäre, und mich hinlegte und stürbe, und dich singen liesse:


Die Alte verließ mir diß steinerne Hauß,

Die Junge guckt mit mir zum Fenster hinaus.


Ja, bestuhlgängele dich nicht, Parißgen, in 50. Jahren wirst du mich noch nicht loß, auf 1. Jahr magst du mich wohl genommen, aber nicht gesehen haben, wie viel Nullen dabey stehen. Hundert Jahr gedencke ich alt zu werden, dir zum Schure, du Nack – – – –! Denn ich habe dich aus einem verdorbenen Studenten zum rechtschaffenen Manne gemacht, und dir zwar eins von meinen[426] besten Häusern zuschreiben lassen, aber das ist auch das beste, daß ich mir noch ein Cläuselchen dabey ausbedungen und vorbehalten, es also in Zukunfft doch noch halten kan wie ich will. etc. etc. Solche und dergleichen Reden (fuhr mein Bruder fort) muß ich fast täglich von ihr anhören und einfressen, weßwegen mir alle Bissen, so ich einschlucke, zu Gifft und Galle werden, und mich nur wundert, wie es zugehen muß, daß ich doch immer dicker und fetter werde, und zwar zu meinem grösten Verdrusse. Was ich vor Quaal von ihren Kindern und einigen nächsten Freunden ausstehen muß, davon will ich, jetzo nichts gedencken, auch noch andere vorgefallene Sachen und Geschichte biß auf andere Zeit verschweigen, und dir, allerliebster Bruder! nur so viel im Vertrauen sagen, daß ich diese Sclaverey und den Spott der Leute, (dessentwegen ich mich fast in keiner honetten Compagnie darff sehen lassen,) so lange mit Gedult ertragen will, biß ich nur erstlich den Leichen-Stein gefunden, worunter meiner Frauen ihr Mammon begraben liegt. Diesen will ich so dann bald auferwecken, lebendig machen, und mit mir in alle Welt führen.

Ich redete meinen Bruder zu, von dergleichen Gedancken abzustehen, des ruhigen Lebens und guten Auskommens wegen, sein flüchtiges Geblüthe zu besänfftigen, und mit Gedult auf die Aenderung des Himmels zu warten; allein, er schwieg stille, und ich bedaurete ihn in meinem Hertzen, daß ein altes böses Weib, denselben in der besten[427] Blüte seiner Jahre erhascht, und an statt ihrer Meynung noch glücklich, dennoch zum unglücklichen und unvergnügten Menschen gemacht hatte.

Nachdem aber meine Schwestern da gewesen, und mir berichtet, wie sie bereits andere in ihren bißherigen Dienst gestellet, und nunmehro im Begriff wären, ihre eigene Wirthschafft bey einer gewissen alten Wittbe zu führen, ich ihnen beyden hierzu auch noch 50. Thlr. baar Geld gegeben hatte, nahm ich bald von meinem Bruder Abschied, überließ ihm seinen Verhängnisse, mit dem hertzlichen Wunsche, daß er künfftig vergnügter leben möchte, reisete auf die Residentz unsers Landes-Herrn zu, und trat meinen Dienst bey Demselben an. Das Hof-Leben begunte mir gar bald besser zu gefallen, als immer von einem Orte zum andern zu reisen, zumahlen da ich einen sehr gnädigen Herrn, wenig Dienste, richtige Besoldung, einen vortrefflichen Tisch und starcke Accidentien hatte, derowegen beschloß ich, Zeit-Lebens allda zu bleiben, getreu zu dienen, jedoch, auf dem Fall der Veränderung, eine gute Heyrath zu treffen, und mein Capital, welches, ohne die Meublen, annoch in 3000. Thlr. bestunde, nebst den zu hoffen habenden Heyraths-Geldern, an ein eigen Hauß, Feld und dergleichen zu legen, auch sonsten etwa einen vortheilhafften Verkehr anzufangen. So bald meine kaum aufgekäumten guten Freunde dieses merckten, schlugen sie mir verschiedene Parthieen von Jungfern und Wittfrauen von 2. 3. 4. 5. biß 10000. Thlr. reich, vor, allein, wenn ich es bey dieser oder jener[428] recht untersuchte, so war überall ein Nisi darbey. Endlich fiel mir ohngefähr ein Frauenzimmer in die Augen, welche, weil ich hörete, daß sie noch ungebunden wäre, mein Hertz auf einmahl gantz besonders an sich zohe, denn sie war, wiewohl etwas starck und fett von Leibe und Gesichte, aber sehr proportionirlich gestaltet, und überhaupt mit einer schönen und zarten Haut überzogen. Bey fernerer Erkundigung, dieser Person wegen, erfuhr ich: daß sie zwar keine Eltern mehr, aber doch 4000. Thlr. baares Geld auf Zinsen aussen stehen hätte, bey ihrer seeligen Mutter Schwester als eine Tochter im Hause gehalten, und dermahleins auch noch etwas von derselben erben würde. Ferner sagte man mir, daß, ohngeacht sie kaum 20. Jahr alt, doch schon mehr als noch einmahl so viel Freyer bey ihr gewesen, worunter einige in grossen Aemtern sässen, allein, sie wolte durchaus nicht ehe heyrathen, biß sich einer fände, den sie rechtschaffen lieben könte, er möchte reich oder arm, auch nur mittelmäßigen Standes seyn, wenn er nur etwas zu erwerben vermögend, damit sie ihr vergnügliches Auskommen, eine liebreiche Ehe und keine Schande von ihm haben möchte. Ubrigens wäre sie sehr stilles Gemüths, eine Feindin der Wollust und des überflüßigen Staats, versäumete hingegen fast keine eintzige Kirche.

Das wäre ein Weibgen vor mich; (gedachte ich in meinem Hertzen, als man mir dieses sagte, und an einigen Orten confirmirte) derowegen suchte alle Gelegenheit, diese Schöne zu sprechen zu[429] kriegen, allein, es hielt schwer, und noch schwerer auszuforschen, ob ihr meine Person zum Ehe-Manne anständig, am allerschwersten aber ging es zu, sie biß dahin zu bringen, daß sie sich ordentlich und öffentlich mit mir verlobte; unsere Hochzeit aber muste ein und anderer wichtiger Umstände wegen noch etwa auf ein Viertel Jahr hinaus verschoben werden. Jedoch, gleich nach dem das Verlöbniß gewesen, gönnete mir die alte Frau Muhme etwas mehr als sonsten Freyheit, meine Liebste zu besuchen, ausgenommen, wenn ich etwas spät vom Schlosse kam, wolte sie mich durchaus nicht zu ihr einlassen. Endlich ließ sich meine Liebste, welche ihre eigene Stube und Cammer hatte, dahin erbitten, daß sie mir einen Nach-Schlüssel zur Hinter-Thür des Hauses machen ließ, da ich denn im Stalle erstlich zwey Treppen hoch in die Höhe steigen, über einen langen Boden hin- und so dann erstlich wieder eine Treppe herunter schleichen muste, ehe ich in ihre Stube kommen konte. Solchergestalt passirete ich manche nächtliche Stunde mit meiner Liebste in Geheim, muß aber gestehen, daß sie sich gegen mich ungemein keusch und tugendhafft stellete, indem sie mir, ausser den Küssen, nicht die allergeringste Liebes-Freyheit erlaubte, auch sich hoch verschwur, bey dieser Art zu verbleiben, biß wir würcklich mit einander copulirt wären. Derowegen verschonete ich dieselbe mit fernern Versuchungen, und gratulirte mich im Hertzen, daß ich eine solche keusche und züchtige Liebste hätte. Eines Tages befahl mir mein Herr, mich zu einer[430] Reise anzuschicken, von welcher ich vielleicht in 2. biß 3. Wochen nicht wieder zurück kommen möchte, derowegen nahm ich mit allem Fleisse auf 4. Wochen von meiner Liebste Abschied, um, meiner Meynung nach, ihre Freude zu vergrössern, wenn ich unvermuthet zeitiger zurück käme, allein, meine Verrichtungen lieffen dergestalt glücklich, daß ich schon in der zwölfften Nacht, jedoch ziemlich späte, zurück kam, denn es war nicht anders, als wenn mich ein starcker Wind fort triebe, welches ich der hefftigen Liebe zu meiner Braut Schuld gab, auch keine Minute versäumete, ihr selbst die erste Nachricht von meiner glücklichen Zurückkunfft zu bringen. Nachdem ich aber die Hinter-Thür geöffnet, und, nach der Treppe zu schleichen wolte, sahe ich, daß 2. Weibs-Personen, mit einer Laterne auf den Stall zugegangen kamen, weßwegen ich eilete, und mich in der Geschwindigkeit hinter die halb mit Bretern verschlagene Boden-Treppe verkroch, auch sehr bewunderte, was diese noch so späte allhier zu suchen hätten, da ich sonsten um selbige Zeit, niemahls einen Menschen mehr munter gefunden, als meine Liebste gantz alleine. Indem kam die Magd mit der Laterne, ingleichen eine Frau, die etwas unter dem Mantel hatte, in den Stall getreten, welche letztere, da sie beyde an die Hinter-Thür kamen, gantz leise zu sprechen anfing: »Gertrute! wartet, und leuchtet her, ich muß erstlich noch einmahl darnach sehen.« Hiermit setzte die Frau einen unter dem Mantel habenden Hebe-Korb auf den Boden, nahm ein darüber[431] gedecktes Tuch ab, mithin konte ich zwischen den Bretern hindurch sehen, daß ein kleines, allem Ansehen nach, neugebohrnes Kind in dem Korbe lag, von welchem die Frau sprach: »Ach! das kleine Würmchen schläfft sanffte, es würde mich ewig jammern, wenn es umkommen solte, denn es siehet gar zu schön aus, eben als wenn es Jungfer Charlottchen aus den Augen geschnitten wäre.« »Ja, (sagte die Magd lachend) es hat sich nunmehro noch was zu jungfern; nun heist es sch – – – in die Jungferschafft.« »Ha! Possen! (replicirte die Frau) weiß es doch kein Mensche, als wir unter uns, und zum grösten Glücke ist auch eben ihr Bräutigam, Monsieur Horn, verreiset. Ach! macht nur, (regte die Magd an) daß ihr fort kommet, ehe es zu späte wird, und wartet ja meiner hier bey der Laterne, biß ich auch wieder zurück komme.« Hierauf gingen beyde hinaus auf die Strasse, machten die Thür hinter sich zu, und liessen die Laterne im Stalle brennend stehen. Wie mir bey dieser Geschichte zu Muthe gewesen, mag ein jeder selbst bedencken, denn es waren kaum 4. Monat, da ich meine liebste Charlotte zum ersten mahle von ferne gesehen hatte. Erstlich wolte ich bald hinter den Weibs-Bildern herlauffen, da ich aber bedachte, daß sie das Kind nur weg- jedoch nicht ums Leben bringen wolten, resolvirte mich, unter der Treppe stecken zu bleiben, um anzuhören, was diese beyden nach ihrer Zurückkunfft weiter sprechen würden. Lange durffte ich nicht warten, denn erstlich kam die[432] Frau, und noch keine halbe Stunde hernach die Magd zurück, welche, so bald sie den Stall zugeschlossen, zur Frauen sagte: »GOtt Lob u. Danck, es ist schon gefunden und aufgehoben, eine Blitz-Kröte, ein Junge, der einen Herrn mit der Fackel heim leuchtete, ward den Korb am ersten gewahr, deckte ihn auf, und machte Lerm, worauf so gleich noch 5. biß 6. Leute darzu kamen, welche es wieder warm zudeckten, biß es von den Gerichts-Personen aufgehoben und fortgetragen wurde. Nun haben wir unser Trinck-Geld redlich verdient, und ein gut Gewissen dabey behalten, unser Charlottchen aber muß hinführo doch vor Jungfer passiren, biß sie Monsieur Horn zur Frau macht.« »Bey mir (sagte die Frau,) soll es wohl verschwiegen bleiben, denn ich will meinen Eyd nicht brechen, den ich der Frau N. und Charlottchen geschworen habe. Und ich auch nicht, sagte die Magd;« Worauf beyde mit der Laterne nach dem Vorder-Hause zu gingen, ich aber schlich mich auch sachte fort, in das Quartier, welches ich mir in der Stadt gemiethet hatte. Folgenden Morgens war die gantze Stadt voll, daß auf dem Marckte, am Wege nach dem Spring-Brunnen zu, in vergangener Nacht ein Findel-Kind wäre aufgenommen worden, ich verwunderte mich so wohl mit darüber, als andere Leute; es kam viel unschuldiges Frauenzimmer darüber in Verdacht, allein, ich glaube, es wusten wenig Manns-Personen in der Stadt das, was ich wuste, wie ich denn auch nachhero auf eine wunderbare Art erfahren, wer[433] eigentlich Vater zu diesem Findlinge gewesen. Unterdessen war mein erster Gang auf das Schloß, um meinem Herrn von meinen Verrichtungen Rapport abzustatten, er war damit vergnügt, weiln ich aber in vergangener Nacht vor Chagrin kein Auge zugethan, zudem auf der Reise mich ziemlich strapaziret hatte, sagte der Herr gleich zu mir: Euch ist nicht wohl, man siehet es an eurer blassen Farbe; dieses machte ich mir so fort zu Nutze, gab vor, ich hätte unterwegs einen kleinen Sturtz mit dem Pferde gethan, solches zwar anfänglich nichts geachtet, aber nunmehro müste ein starckes Stechen in der Brust empfinden. Bey so gestalten Sachen befahl mir mein Herr, nach Hause zu eilen, und nicht ehe wieder auszugehen, biß ich vollkommen restituiret wäre. Demnach begab ich mich in mein Logis, legte mich zu Bette, und stellete mich würcklich kräncker, als ich war, um zur Lust abzuwarten, was meine bißherige Liebste angeben würde, zu welcher ich meinen Jungen abschickte, derselben meine kränckliche Zurückkunfft melden und darbey vernehmen ließ, ob sie sich noch bey guten Wohlseyn befände. Die alte Frau Muhme nimmt meinen Jungen gleich auf die Seite, und spricht unter einer ängstlichen Stellung: Ach, das GOTT erbarm, mein Sohn! wir haben es leider! schon gehöret, daß euer Herr unglücklich gewesen, und mit dem Pferde gestürtzt ist; weil aber meine arme Charlotte auch seit etlichen Tagen fast todt-kranck gewesen, so halte vor das beste, daß wir ihr gar nichts darvon sagen, sondern[434] viel lieber thun, als ob euer Herr noch gar nicht wieder gekommen wäre, damit sie nicht etwa aus Schrecken wieder in die vorige Kranckheit verfällt; unterdessen wünsche ich eurem Herrn baldige Besserung, daß er sie selbst besuchen kan, und ich glaube, daß sie alsdenn alle beyde auf einmahl wieder gesund werden, wenn sie nur erstlich einander wieder gesehen haben.

So listig konte das verzweiffelte Weibes-Volck seine Streiche spielen, mich zu übertölpeln, allein, es war ein Glück, daß mich der Himmel noch zu rechter Zeit hinter solche Boßheiten kommen lassen. Indessen schwieg ich mit allem Fleisse noch eine Zeit lang stille, um der Jungfer Wöchnerin in den ersten Tagen kein Schrecken einzujagen, und sie etwa um ihre Gesundheit, oder gar um ihr keusches Leben zu bringen; die Complimenten-Träger aber gingen täglich ab und zu, und endlich empfing ich von der Madame Charlotte ein also lautendes Schreiben:


Mein allerliebster Schatz!


Heute ist mir erstlich gesagt worden, daß Ihr bereits vor 14. Tagen von der Reise zurück gekommen und unglücklich gewesen seyd. Hätte man mir solches gleich zu wissen gethan, so wäre ich bey meinen damahligen Zustande auf der Stelle des Todes gewesen, weil, wie ihr schon überzeugt[435] seyd, ich euch mehr liebe, als mein eigenes Leben, und glaube, daß, wenn man es recht untersucht, sich finden wird, daß ich mit euch wegen der Sympathie, so sich zwischen unsern Hertzen und Seelen findet, zu einer Zeit und Stunde kranck worden bin. Jedoch, da man mir itzo schmeichelt, daß Ihr halb wieder genesen, und euch schon an dem Fenster sehen lasset, stellen sich auch meine Kräffte allmählig ein, ja! wenn ich nicht von meiner Frau Muhme abgehalten würde, so wagte ich es, euch zu besuchen, es möchte mir auch gehen, wie es wolte. Jedoch, da solches nicht geschehen darff, wünsche ich desto sehnlicher eure vollkommene Genesung, damit ich, euch ehester Tages zu umarmen, das Vergnügen haben möge. Die ich mit aller beständigen Treue biß ins Grab beharre


Eure

Charlotte ...


Verfluchte Schlange! ists denn doch dein würcklicher Ernst, mich zu bethören? Nein, das soll nicht geschehen, sondern ich will dir bald andere Gedancken beybringen. So gedachte ich bey mir selbst, ließ aber der vor der Thür wartenden Magd sagen, daß sie, nebst meinem Compliment an ihre Jungfer, derselben melden solte, wie ich[436] ihr diesen Mittag auch schrifftlich zu antworten willens wäre. Dieses geschahe, denn ich nahm mein Schreib-Zeug, und setzte folgende Zeilen an dieselbe zur Antwort auf:


Madame!


Und wenn ich auch ihres Geschlechts wäre, so würde mich doch nicht überzeugt wissen, daß ich, vor ohngefähr 3. Viertel-Jahren, so viel Liebes-Confect eingenommen, mit ihnen per Sympathiam zu gleicher Zeit und Stunde kranck davon zu werden, und dem Publico einen bejammerns-würdigen Fündling hinsetzen zu lassen. Jedoch ich gratulire Ihnen zur glücklichen Niederkunfft, bedaure, daß sie mich etliche Wochen daher (wo es anders wahr ist) geliebt haben, und bitte, Sie wollen sich deßfalls keine fernere Mühe geben, weil ich, ohngeacht ich Ihrer Fruchtbarkeit schon im Voraus versichert bin, dennoch einen starcken Eckel bey mir verspüre, mit einem Frauenzimmer solches Schlages ins Ehe-Bette zu steigen. Meine Kranckheit ist so gefährlich nicht gewesen, sondern ich hätte Dieselbe gleich in der ersten Stunde nach meiner Zurückkunfft, ohngeacht es schon ziemlich späte war, ohnfehlbar besucht, befürchtete aber, die Wehen zurück zu treiben, und, weil ich mit dem Amte der Hebe-Mütter[437] nicht umzugehen weiß, etwa meinen Hut einzubüssen. Demnach ist nichts übrig, als daß ich Ihnen einen frölichen Kirchgang wünsche, und den Verlöbniß-Ring, nebst andern Sachen, so Sie mir auf die Treue gegeben, zurück sende, auch was ich Ihnen dargegen gegeben, wieder abfordere, und beharre


Madame

vôtre obeissant Serviteur

P.W. Horn.


Es mochte aber doch noch zu frühzeitig gewesen seyn, dem zarten Bilde dergleichen Schrecken zu machen, denn sie hat meinen Brief kaum gelesen, als sie in Ohnmacht sinckt, so, daß die Frau Muhme und Magd viel Mühe haben, sie wieder zu sich selbst zu bringen. Diese letztere geräth in den Verdacht, als ob sie sich durch Geschencke verleiten lassen, mir das Geheimniß zu offenbahren, weil sie aber ihre Unschuld mit grausamen Eydschwüren bekräfftiget, errathen sie endlich fast die Wahrheit, wie ich nehmlich im Hause gewesen seyn, und das gantze Spiel selbst mir angehöret haben müste. Eben dieses gestund ich der alten Frau Muhme, welche noch selbigen Abends selbst auf meine Stube kam, ohne alles Bedencken gantz offenhertzig; gab derselben auch den Schlüssel zu ihrer[438] Hinter-Thür, weil mir dieser nun nichts mehr nütze war. Ohngeacht mir aber dieselbe meine der Charlotten geschenckte Sachen, von kleinesten biß zum grösten, wieder brachte, ließ ich mich doch verlauten, daß ich wegen des vorgehabten Betrugs und bösen Streichs, den sie mir spielen wollen, meinen Hohn schon auf andere Art rächen wolte; weßwegen die Alte Himmel-hoch bath, die unglückseelige Charlotte nicht weiter zu kräncken, und vor aller Welt auf eine dreyfache Art zu prostituiren. Allein, ich stellete mich, als ob es mein würcklicher Ernst wäre, biß sie es endlich auf vielfältig wiederholtes Bitten so weit brachte, daß ich mir mit 500. Thalern das Maul stopffen ließ, und sie nicht zu beschimpffen, theuer angelobte. Hiermit hatte meine gantze Liebes-Begebenheit mit Charlotten ein Ende, ich habe sie auch niemahls wieder mit Augen gesehen, wohl aber vernommen, daß sie bald hernach weit hinweg gezogen, wegen unseres Verlöbniß aber muste es heissen, ich hätte ihr anfänglich versprochen, meinen Dienst bey Hose zu quittiren, und ein ander Amt anzunehmen, weil mich aber dieses nachhero gereuet, und ich nicht Wort gehalten, so hätte sie auch nicht Wort halten wollen, demnach wären wir in Streit gerathen, und hätten einander den gantzen Handel aufgesagt. Alle Menschen glaubten dieses, und kein eintziges wäre auf die Gedancken gerathen, daß die von aussen so keusch, züchtig, fromm und Gottesfürchtig scheinende Charlotte ein Jungfer-Kindgen bekommen, und dasselbe wegsetzen lassen.[439]

Kaum waren mir die verdrüßlichen Grillen wegen dieser unglückseligen Liebes-Begebenheit aus dem Kopffe gekommen, als ich mich von frischen in eine 16. jährige schöne Jungfrau verliebte, die zwar von vornehmen Eltern erzeugt war, jedoch kaum 4. biß 500. Thlr. im Vermögen hatte, wiewohl mich dieses letztere gar nicht abschreckte, mit derselben eine vergnügte Ehe zu führen, indem sie sehr wohl erzogen war, und ich mich erinnerte, daß es eben nicht rathsam sey, im Heyrathen allezeit auf vieles Geld zu sehen. Allem Ansehen nach liebte sie mich recht von Hertzen, hatte aber doch einen Schalck im Nacken, denn, ohngeacht ihrer Jugend, war sie schon bemühet, sich im verbothenen Liebes-Spiel zu exerciren. Eines Tages, da ihre Eltern verreiset waren, kam ich Mittags zu einer Stunde, da man sich meiner wohl am allerwenigsten vermuthete, in ihr Hauß, fand aber die Jungfer nicht zu Hause, sondern die Köchin sagte, sie würde ohnfehlbar zu einer benachbarten Jungfer Nähen gegangen seyn, weil sie diesen Mittag bey Tische davon geredet; ging auch gleich fort, dieselbe zu ruffen, mitlerweile ich ein wenig hinter in Garten spatzieren solte. Demnach war sonst niemand bey mir, als meiner Liebsten jüngster Bruder, ein Knabe von etwa 6. Jahren, welcher mich, weil ihn fast täglich mit Zucker-Werck, Gelde und andern Sachen beschenckte, sehr liebte. Dieser Knabe fing von freyen Stücken an: »Ich weiß es wohl besser, wo meine Schwester ist, aber ich darff es nicht sagen, gehen sie[440] nur in den Garten, sie wird bald auch hinein kommen.« Ich gab dem Knaben ein Stück Geld, und bath, er solte mir nur sagen, wo sie wäre, ich wolte ihn nicht verrathen. Hierauf eröffnete er mir in kindischen und einfältigen Vertrauen, daß sie sich mit seines Herrn Vaters Schreiber, oben in dessen Cammer geschlichen und verschlossen hätte. Das war mir genung; demnach schickte ich den Knaben fort zum Zucker-Becker, ich aber schlich, noch ehe die Köchin wieder kam, gantz leise, ohne daß ich eine Maus verstöhren mögen, hinauf vor des Schreibers Cammer, weil ich im gantzen Hause schon ziemlich Bescheid wuste. Zu meinem Glücke war ein grosses Taffel-Blat in der Ecke aufgelähnet, hinter welches ich mich steckte, und weil die Cammer nur mit Bretern verschlagen war, alles sehr genau hören konte, was darinnen vorging. An dem vielfältigen Seufzen, Stöhnen, Aechtzen und Rasseln des Bettes, konte man leicht abnehmen, daß ein paar Personen mit einander kämpfften, endlich wurde es etwas stiller, indem beyde verschnaubten, doch bald darauf hörete ich, unter offt wiederholten Klatschen der Küsse, folgendes gantz leise Gespräch: Er, der Schreiber: Ach! mein allerliebstes Ließgen, ich dencke immer, es wird nun die längste Zeit mit unserer Liebe gewähret haben, wenn dich aber nun der Cammer-Diener Horn von mir gerissen hat, werden dir seine Caressen weit besser schmecken, und du wirst gar nicht mehr daran gedencken, daß ich nun bald drittehalb[441] Jahr so manches Vergnügen mit dir gehabt habe. Sie, meine Liebste: Liebster Schatz! wenn du mir an meinen Bräutigam, Horn, gedenckest, möchte ich allezeit bitterlich weinen. Wolte der Himmel! daß ich nicht unter der Gewalt meiner Eltern stünde, so solte nimmermehr ein anderer an meine Seite kommen, als Du, ich werde auch nimmermehr jemanden recht lieben können, als dich allein, denn die erste Liebe ist doch die hefftigste und beständigste, derowegen wird mir es mein zukünfftiger Mann nimmermehr so zu Dancke machen können, als wie du es mir nun, nicht allein seit dritthalb Jahren, sondern noch länger her gemacht hast. Weist du nicht – – – Er: Ich weiß es wohl, aber damahls spieleten wir nur wie die Kinder, und nunmehro, da wir kaum recht klug geworden sind, werden wir auf ewig von einander gerissen. Sie: Das will ich nicht hoffen, mein Engel, bedencke doch: mein künfftiger Mann wird manchen Tag und manche liebe Nacht nicht zu Hause seyn, indem er bey seiner itzigen Bedienung auch gar öffters auf etliche Wochen verreisen muß, ich verspreche dir mit Hand und Hertzen, dich bey solcher schönen Gelegenheit, allezeit heimlich zu mir und dir manchen schönen Thaler zukommen zu lassen. Das 20. Ducaten-Stücke aber, welches mir Horn geschenckt, und ich dir heute wieder geschenckt habe, must du ja behutsam verwechseln, damit es nicht offenbar wird. Laß dir gegen meine Hochzeit ein neues Kleid und andere schöne Sachen darvor machen, damit ich an meinem traurigen[442] Ehren-Tage nur meine Freude an dir sehen kan. Er: Das soll alles geschehen, aber auch das würde meine gröste Freude auf der Welt seyn, wenn du mir erlaubtest, deinem Horne in Geheim Hörner aufzusetzen, denn weil ich dem Kerle deinetwegen so gramm bin, als dem – – – so könte ich mich nicht besser, als auf solche Art, an ihm rächen. Sie: Was ich dir versprochen habe, will ich redlich halten, unterdessen haben wir in diesen Hause nur noch 5. Wochen Zeit, mit einander zu spielen, aber spiele mir ja nicht grob, damit – – – Er: Ach! das weist du ja schon, mein Hertzens-Engel, daß ich redlich bin, komm, ich will dir noch eine Probe davon geben: Sie: Ach! du kanst ja wohl nicht mehr – trincken: Er: Das will ich dir zeigen, mein Schatz! und zwar auf Mons. Horns Ungesundheit.

Hiermit muste der Liebes-Becher von frischen herhalten, und es ist leicht zu erachten, daß ich nicht allein dieser, sondern auch der angehörten empfindlichen Reden wegen zwar vielen Gifft eingeschlungen, aber doch, weil noch immer stille dabey gestanden, eine ungemeine Contenençe gehabt haben müsse. Allein selbige, so wohl als das Vergnügen der Verliebten, wurde von der Köchin gestöhret, indem dieselbe ihrer Jungfer mit vollem Halse ruffte, weßwegen selbige eiligst auf- und unter diesen Worten aus der Cammer sprung: Daß dir der Hencker in den Rachen führe, was gilts, der verfluchte Horn wird gekommen seyn, mein Engel, bleib ja oben, damit niemand merckt, daß[443] du zu Hause bist, ich will meine Dinge schon machen. Der Schreiber versprach, Gehorsam zu leisten, umarmete und küssete sie noch recht veste vor der Cammer-Thür, so, daß beyde gantz blind und ausser sich selbst zu seyn schienen. Indem sprang ich hervor, und sagte: Mademoiselle! sie können nur hier bleiben, denn Horn wird sie nicht ferner in ihren Liebes-Vergnügen stöhren; aber, mein Freund! (redete ich den Schreiber an) ehe ihr mir die zugedachten Hörner aufsetzet, muß ich euch erstlich etliche selbst wachsend machen. Unter diesen Worten schlug ich ihn etliche mahl mit dem Spanischen-Rohre über den Kopff, der Kerl aber, welcher doch vor 2. Pfennige Courage im Leibe haben mochte, holete seinen annoch gantz neuen Degen, und ging damit auf mich loß hieb mir auch einen Aufschlag vom Rocke herunter; allein, auf meinem ersten Hieb, blieb ihm die rechte Hand nur an einer eintzigen Flechse hangen, weßwegen er sich dieselbe wenig Tage hernach muste ablösen lassen. Meine Jungfer Braut hatte sich unsichtbar gemacht, also ging ich auch nach Hause, schrieb die gantze Speciem facti auf, und schickte selbige, am dritten Tage dem zurück gekommenen Herrn Schwieger-Vater, vel quasi, zu; Bedanckte mich auch dabey gantz freundlich vor seine Jungfer scil. Tochter. Der Mann war redlich, bejammerte sein Unglück und meinen Chagrin, ersetzte mir alles, was ich der Tochter geschenckt, und bath inständig, nicht um ihrent-sondern um seiner Renommée wegen, diese Sache nicht weiter kundbar zu machen.[444] Wie ich nun ein würckliches Mitleyden, wegen seiner ungerathenen Tochter, mit ihm hatte, so versprach ihm, reinen Mund zu halten, und erfuhr von ihm selbst, daß er dieselbe bald hernach an einen solchen Ort gebracht, wo sie so gut, als in einem Spinn-Hause, verwahrt war; der Schreiber aber hatte sich, noch eh er völlig curirt, auf und darvon gemacht.

Nunmehro, hätte man dencken sollen, müste mir der Appetit zum Heyrathen ziemlich vergangen seyn, und es war mir auch würcklich fast so zu Muthe; aber ich fiel aufs neue in das Netz der Liebe, und zwar bey einer 34. jährigen wohl gebildeten Wittbe, deren erster Mann ein vornehmer Bürger gewesen war: Sie hatte kein Kind, mehr als 12000. Thlr. werth im Vermögen, und sich vor 4. Jahren mit einem Gelehrten wiederum versprochen, den ich Bambo nennen will. Es hatte aber dieser Bambo verschiedene liederliche Streiche angefangen, und unter andern eine Magd zur Frau gemacht, welches ihm zwar niemand nachsagen durffte, allein, besagte Wittbe hatte dieserwegen einen Eckel vor seine Person geschöpfft, und wegen annulirung ihres Verlöbniß schon einige Zeit mit ihm im Processe gelegen, weßwegen sie sich einsmahls auf einem Ehren-Gelacke, da ich sie vor andern bürgerlichen Frauenzimmer besonders bedienete, an mich addressirte, und versprach, daß, wenn ich es dahin bringen könte, daß der Landes-Herr in ihrer Process-Sache, ihr zum Vortheil, einen[445] Macht-Spruch thäte, und sie von dem liederlichen Bambo absolvirte, sie 200. Thlr. ad pias causas und mir 200. Thlr. Discretion geben wolte. Ich stellete ihr vor, wie mir nicht bange wäre, den Macht-Spruch zu ihrem Vergnügen auszuwürcken, allein, die mir zugedachten 200. Thlr. könte sie ersparen, wenn sie mich nehmlich an des Bambo Stelle zu ihrem Schatze erwählen wolte. Sie warff solchen meinen manierlichen Liebes-Antrag eben nicht weit von sich, und gab zur Resolution: ich solte nur erstlich die Haupt-Sache ausmachen, wenn es sodann mein Ernst bliebe, sie zu heyrathen, und sie mir nicht etwa schon zu alt oder sonsten zu schlecht wäre, würde sich alles bald schicken können. Demnach ging ich an meinen Herrn, und brachte dieser Wittbe Affaire sehr plausible vor, da nun Derselbe merckte, daß mir selbst daran gelegen wäre, und mein Wohlstand dadurch auf vesten Fuß gesetzt werden könte, erhielt die Wittbe, was sie verlangte, both mir zwar die 200. Thlr. an, weil ich mich aber dieselben zu nehmen weigerte, sondern ihre eigene Person im rechten Ernst verlangte, erlaubte sie mir, als ihren neuen Freyer, den täglichen Zutritt, und wir wurden in weniger Zeit dergestalt bekandt mit einander, daß es nur an mir fehlete, noch vor der Copulation würckliche Ehe-Leute zu seyn. Weil wir aber wegen der bevorstehenden Fasten-Zeit selbige biß nach Ostern verschieben musten, so redete ich inzwischen von einem ordentlichen Verlöbnisse, denn mir war[446] bange, daß etwa ein reicherer als ich, kommen, und mich ausstechen möchte; allein, sie gab zur Antwort: Mein Schatz! wir sind ja beyde nun schon verlobt, und wo das nicht genung ist, so können wir uns alle Tage und Nächte so vest, als wir wollen, verknüpffen und verloben; was wollen wir den Leuten ein Maul-Gesperre machen? Laß uns doch lieber Hochzeit und Verlöbniß zusammen machen. Ich muste also damit zufrieden seyn, und, ohngeachtet, daß ich wohl merckte, daß sie bey ihren itzigen Jahren dennoch sehr geil und wollüstig wäre, indem sie mir den Haupt-Genuß der Liebe fast immerdar entgegen trug, und gantz betrübt wurde, wenn ich nicht anbeissen wolte, so schrieb ich es doch dem zu, daß sie vielleicht an meiner Person etwas Liebens-würdigers gefunden, als an dem Bambo und andern Freyern. Unterdessen war ich bemühet, ihre Brunst mit freundlichen moralischen Worten zu stillen, womit ihr aber so wenig, als mir, mit der Unzucht gedienet war, denn weil ich bis dahin meine Keuschheit rein erhalten, und kein Frauenzimmer auf der Welt in Unehren berühret hatte, so war ich auch nunmehro desto eigensinniger, und wolte vor Priesterlicher Copulation nicht auf der Hochzeit schmausen. Unter der Zeit merckt Bambo, wie die Kreite bey Hofe, wegen der Witt-Frau, meiner und seiner, geschrieben hat, stößt derowegen die schimpfflichsten Reden in einer honetten Compagnie gegen mich aus, und da ich ihn deßwegen besprechen[447] ließ, forderte er mich des dritten Tages, mit einem blancken Degen auf die Grantze, um ihme, (wie er gesprochen) vor die, an ihm begangene Filouterie Satisfaction zu geben. Ich war gleich parat darzu, weiln es aber, bekandter massen, bey Hofe entsetzlich viel Posten-Träger giebt, war dieses bevorstehende Duell so gleich Brüh-siedend-heiß meinem Herrn zu Ohren gebracht worden, welcher mir bey seiner Ungnade verboth, dem Bambo vor der Klinge zu stehen, hergegen befahl er mir, gleich Augenblicklich eine Reise in Geld-Affairen nach F. anzutreten, und nicht eher wieder zu kommen, biß ich alles, was in meiner schrifftlichen Instruction stünde, ausgerichtet hätte, und mitbringen könte. Bey so gestalten Sachen würde mich nun ein jeder vernünfftiger Mensch leichtlich excusirt gehalten haben, wenn ich dem Bambo nicht gekommen wäre; doch ich war toll, und vermeynte, meine gantze Ehre und Renommée würde caducirt werden, wenn ich demselben mein Versprechen nicht hielte, und weil ich ohnedem auf den Fecht-Bödens in Franckreich und Italien, auch sonsten aus der würcklichen und ernsthafften Erfahrung so viel gelernt zu haben gläubte, diesen prahlhafften Eisenfresser behörige Abfertigung zu geben, ritte ich, ohne von meiner Liebsten Abschied zu nehmen, (weil mir selbiges expresse verbothen war) mit einem zugegebenen Reut-Knechte, nach Westen zu, wendete mich aber bald gegen Norden, nach der Gräntzé und Orte, wo mich Bambo[448] hin bestellet hatte, traf denselben zu gesetzter Zeit an, und fertigte ihn mit einer gewaltigen Blessur in seinen rechten Arm hurtig ab, setzte hierauf meine Reise recht vergnügt und eiligst nach F. fort. Mein Herr hatte mir so viel Arbeit aufgegeben, daß ich erstlich in der 8ten Woche wieder zurück kommen konte. An statt nun meinen Rapport bey dem Herrn selbst abzustatten, wurde ich an den Ober-Hofmeister verwiesen, welches mir gleich bedencklich fiel, jedoch ich gehorsamete, legte meine Rechnung ab, überlieferte alles mitgebrachte Gut, und erhielt das Lob von Demselben, daß ich meine Sachen wohl ausgerichtet hätte. Dem allen ohngeacht, (sagte der Ober-Hofmeister letztlich) haben mein Herr dennoch eine Ungnade auf ihn geworffen, indem er, Dero expressen Befehle zuwider, sich dennoch mit dem liederlichen Bambo in ein Duell eingelassen, lassen ihme derowegen itzo durch mich auf 4. Wochen den Hof verbiethen, binnen welcher Zeit sich mein Herr seinetwegen weiter resolviren werden. Ich machte, ohne eintziges Wort zu sagen, ein tieffes Compliment, und ging in mein Logis, wolte auch selbigen Abend noch meine Liebste besuchen, allein, sie war nicht zu Hause, oder ließ sich verläugnen. Hergegen kam ein guter Freund zu mir, und erzählete solche Sachen, worüber ich Maul und Nase aufsperrete. Mein Freund! (sprach er:) eure so genannte Liebste ist ein wunderlich Weib, ihr waret kaum 8. oder 10. Tage weg, so ließ sie den Bambo holen, ihm eine eigene Stube in ihrem Hause zurechte[449] machen, und denselben vor ihr Geld, an der Blessur, die ihr ihm beygebracht, völlig curiren. Ich (fuhr dieser mein Freund fort) kam eines Tages zu ihr, und fragte, was denn wohl ihr Liebster, Mons. Horn, darzu sagen würde, daß sie den Bambo so wohl aufgenommen hätte? Ey! gab sie mir zur Antwort, was gehet mich Horn an, er hat nicht einmahl Abschied von mir genommen, ehe er von hier weggereiset ist, ausserdem habe ich an ihm gemerckt, daß er zwar mein Geld und Gut, aber meine Person nicht æstimirt, denn er hat sich allezeit bey mir aufgeführt, nicht als ein Liebhaber, sondern als ein verschnippelter Stroh- Mann. Verlöbniß habe ich niemahls mit ihm gehalten, darum kan er mir auch nichts anhaben, es wäre denn, daß ich ihm die ehemahls versprochenen 200. Thlr. geben müste, die kan er vielleicht kriegen, wenn er höflich ist, und weiter nichts. Bambo liebt mich doch als eine rechtschaffene Manns-Person, nicht allein um meines Gutes, sondern um der Person willen, ist er gleich ein bißgen liederlich, so caressirt er mich doch recht eiffrig; er muß viel verthun, ehe er meine jährlichen Interessen verthut, und kan sich auch wohl noch ändern, wenn ich ihm gute Worte gebe. Uber alles dieses hätte ich mir doch ein schwer Gewissen machen müssen, wenn ich ihn verlassen hätte, da ich mich einmahl ehrlich, redlich und christlich mit ihm verlobt gehabt; es haben böse Leute zwischen uns gesteckt, nunmehro aber, da ich erfahren, daß er sein Blut aus Liebe vergossen, und sich mit dem Cammer-Diener[450] Horn meinetwegen auf Leib und Leben geschlagen hat, habe ich ihn noch tausend mahl lieber, als sonsten. etc. etc.

So viel waren ohngefähr der Worte, welche mir mein guter Freund aus dem Munde meiner vermeyntlichen Liebste erzählete. Ich gab ihm zur Antwort: Gantz wohl, das geile Weib mag sich mit ihrem liederlichen Bambo divertiren, wie sie will, aber die 200. Thlr. will ich par tout haben. Die will ich euch (versetzte mein Freund,) morgen schaffen, wenn ihr versprechen wollet, an dieser Frau weiter nichts zu fordern. Ich ging den Handel ein, und bekam gleich Tages darauf bemeldte 200. Thlr. worgegen ich schrifftlich quittirte, und mich obligirte, an dieser Frauen Person und Gütern fernerhin nichts zu fordern. Um aber meine Verachtung gegen dieselbe zu bezeigen, schenckte ich die 200. Thlr. ins Hospital, zu desto besserer Verpflegung der alten Weiber, welches ihr, wie ich vernommen, am meisten verdrossen hatte.

Unterdessen ward es Stadt-kündig, daß ich bey Hofe in Ungnade gefallen wäre, worüber sich wohl niemand mehr als Bambo freuete, in allen Compagnien aufs schändlichste von mir redete, mich aus seiner Frauen Munde nur einen verschnippelten Stroh-Mann nennete, sich damit breit machte, daß er mich bey der Frauen ausgestochen, und dennoch den Platz behalten, zwar gestehen müste, daß ich ihme einmahl eine Blessur angebracht, doch wünschte: daß er mich nur noch ein eintzig mahl vor der Klinge haben möchte, um seinen Hohn[451] nachdrücklich zu rächen. Diese und dergleichen Reden führete er so lange, biß ich endlich einmahl ohngefähr darzu kam, und ihm ein paar tüchtige Maulschellen gab, weßwegen er mich, weil er den Degen daselbst nicht ziehen durffte, und mit der Faust wenig Ehre einzulegen glaubte, zum andern mahle auf den vorigen Tummel-Platz forderte, es solte gleich, wie vorhero, auf den 3ten Tag geschehen, allein, ich ließ ihm sagen: Ein solcher Bärenheuter, wie er, müste wohl biß den 9ten Tag auf Satisfaction warten. Mittlerweile waren meine 4. Straf-Wochen biß auf wenig Tage verflossen; weßwegen mich der Ober-Hofmeister zu sich ruffen ließ, und mir unter den Fuß gab, bey dem Herrn, in einem unterthänigsten Memorial, um gäntzliche Vergebung meines begangenen Fehlers anzuhalten. Ohngeacht ich nun dieses baldigst zu thun versprach, so wolte doch vorhero den Bambo erstlich noch einmahl abfertigen; da mir aber das Hertze im voraus sagte: daß dieses Duell nicht so mager als das vorige abgehen würde, schaffte ich, ausser den meisten und besten Sachen, so ich nicht bey mir führen konte, das übrige an sichern Ort, verließ mein Logis guten Theils ledig, that, als ob ich mit meinem Jungen Spatziren reuten wolte, kam aber am 9ten Tage früh Morgens mit dem Bambo auf dem erwähnten Gräntz-Platze zusammen, fand ihn nebst seinem Secundanten in guter Verfassung, weil aber ich keinen Secundanten bey mir hatte, muste jener angeloben, auf 20. Schritte von uns zu bleiben, oder gewärtig zu seyn, daß[452] ihn mein so genandter Junge, der schon ein Pursche von 21. Jahren war, mit den parat haltenden Pistolen auf den Kopff schösse. Jedoch der Secundant war ein ehrlicher Kerl, und hielt sein Wort, hergegen ging mir Bambo, der eine gar zu starcke Dosin von Courage-Wasser oder Fusel zu sich genommen haben mochte, gantz desperat zu Leibe, ich parirte nur, und ließ ihn recht müde werden, er verlangte Ruhe, ich gönnete sie ihm, mit der Warnung, nicht so desperat zu thun, widrigenfals ich nicht darvor könte, wenn er bey seinen öfftern Bloßgeben an statt des Arms einen Stoß in die Brust bekäme. Allein, er sagte mit einer hönischen Mine: Es hat mich Zeit-Lebens noch kein Hunds – – mit der Klinge auf die Brust gestossen. Das war genung gesagt, bey solchen Umständen meine Galle überlauffend zu machen, weßwegen ich ihm keine fernere Ruhe gönnete, sondern gleich im ersten Gange einen Stoß unter der Wartze der Brust beybrachte, mit den Worten: Jetzt thut es ein ehrlicher Kerl zum ersten mahle. Das ist wahr, (sagte er) ich habe genung, und muß daran sterben. Er reichte mir hierauf die Hand, und bath ihm, zu vergeben, daß er mich ohnnöthiger Weise forcirt hätte, dem Secundanten trug er den Abschieds-Gruß an seine Liebste auf, mit der Expression, daß sie Schuld an seinem Tode wäre, befahl seine Seele GOTT, und verschied; ich aber setzte mich zu Pferde, und ritt mit meinem Purschen immer weiter nach abgelegenen Ländern zu, war auch nicht eher ruhig,[453] biß ich über die Holländische Gräntze kam. Jedoch, was will ich von Ruhe sagen, bey mir wolte sich gantz und gar keine Ruhe einfinden, denn es war immer, als wenn der Schatten oder Geist, des von mir erstochenen Bambo, um mich schwebte, und mich so wohl Tages als Nachts in meiner Ruhe stöhrete, ohngeacht er selbst mehr Ursach an seinem Tode war, als ich. Hätte ich, sprach ich bey mir selbst, mich nach keinem Weibe umgesehen, so könte der vergnügtesten Menschen einer auf der Welt seyn, denn ich hatte selbst feine Mittel, einen austräglichen Dienst und gnädigen Herrn, so aber bin bloß des Frauenzimmers wegen, um die beyden letztern Stück gebracht, derowegen will auch nunmehro, dieses gefährliche Geschlecht zu vermeiden, nicht mehr im Lande bleiben, sondern zu Schiffe gehen, vielleicht ist mir das Glück so günstig, daß ich einmahl ein Admiral werde. Dieses waren meine damahligen Gedancken, um aber wieder gutes Muths zu werden, nahm mir vor, die berühmtesten Städte in diesem Lande zu besehen, ließ mich ein Stück Geld nicht gereuen, sondern reisete mit meinem Diener von einer Stadt zur andern, fand vieles so mir wohl gefiel, und endlich, weil ich meine Touren mit Fleiß also eingerichtet, nahm ich den Weg nach Amsterdam, um von dannen eine Reise nach Ost-Indien zu thun. Weil ich nun sehr curieux war, und jedes Orts alles merkwürdige aufschrieb, so gingen fast 4. Wochen hin, ehe ich in dieser volckreichen und grossen Stadt herum kam.[454]

Eines Tages, da ich vor der Börse stund, und mich an diesem kostbarn Gebäude nicht satt sehen konte, zupffte mich jemand beym Ermel, und da ich mich umsahe, war es mein jüngster Bruder, über dessen Daseyn ich mich fast zu Tode verwunderte, nachhero aber von ihm erfuhr, daß er endlich seiner Frauen altes Thaler-Loch gefunden, die meisten heraus genommen, und weil er es nicht länger bey ihr ausstehen können, hierher gereiset wäre, um nach Ost-Indien zu gehen. So bald er hörete, daß eben dieses mein Vorsatz wäre, war er ungemein erfreuet, wir schossen demnach unsere Gelder zusammen, legten dieselben an taugliche Waaren, engagirten uns bey der Ost-Indischen Compagnie, und gingen als Kauff-Leute mit zu Schiffe, und nach Ost-Indien, erworben bey der ersten Reise ein ziemlich Stück Geld, allein, weil wir Brüder, uns im Handel nicht wohl vertragen konten, theileten wir unsern Erwerb christlich, und schieden in Friede von einander, da denn einer nach Ost- und der andere nach West-Indien ging. Mein Bruder, welchen ich nachhero zwey mahl wieder gesprochen, war so glücklich geworden, in wenig Jahren ein eigenes Schiff und anderweitiges Vermögen zu erwerben, allein mit mir wolte es nicht fort, denn wenn mir gleich das Glück nach vieler sauren Mühe und Arbeit etwa ein ziemliches Capital zugewendet, so verlohr doch bald hier, bald dort etwas darvon, und endlich war ich auf der Retour aus West-Indien so unglücklich, alles mein Gut durch Schiff-Bruch zu verliehren, danckte[455] aber doch dem Himmel, vor meine wunderbare Lebens-Erhaltung, und war froh, daß ich nach 3. tägigen herumschwimmen in der See, von einem Spanischen Schiffe aufgenommen, und mit nach Spanien gebracht wurde. So viel Geld hatte noch in meinen Kleidern bey mir, daß ich zurück nach Holland zähren konte, allwo ich mehr nicht als 1000. Thlr. an einem sichern Orte zu suchen wuste, nahm derowegen selbige auf, und ging aufs neue nach West-Indien, allwo ich das Glück hatte, mit Mons. Wolffgangen in Bekandtschafft zu gerathen, indem wir vielen Verkehr mit einander hatten, und ich nichts bedaurete, als daß es sich schon damahls nicht schicken wolte, mit ihm in Compagnie zu reisen, indem mir sein gantzes Wesen über alle massen gefiel. Jedoch, was sich damahls nicht schicken wolte, muste sich nach der Zeit, da ich noch einmahl so unglücklich gewesen, fast um alles das Meinige zu kommen, dennoch schicken, weil ich nunmehro als ein armer Schöps, mich zu gratuliren hatte, daß ich von ihm, als ein Frey-Beuter, mit aufgenommen wurde. Er selbst, Herr Wolffgang, hat etliche mahl allhier umständlich erzählet, wie es ihm auf der ersten Reise, so ich mit ihm that, ergangen, wie er von dem boßhafften Jean le Grand und seinem Anhange, zu derselben Zeit, da ich eben sehr kranck auf dem Schiffe darnieder lag, tractiret worden, und wie man ihn zu verderben, an diese Felsen-Insul ausgesetzt, mithin sein kostbares Gut benebst dem Schiffe abgestohlen; weßwegen[456] ich nicht vor nöthig halte, solches zu wiederholen. Genug, der Himmel hat es ihm und den Felsenburgern zum Vergnügen mit Fleiß also geschickt; die Verräther aber bekamen ihre gerechte Straffe, indem sie, als das Schiff, ohnweit der Insul Madagascar, zerscheiterte, mit ihrem Rädelsführer dem Jean le Grand jämmerlich ersauffen musten, wiewohl auch viel Unschuldige ihr Leben darbey einbüsseten, und ich, nebst drey andern, nur allein Gelegenheit fanden, uns zu retten, auch einige Zeit hernach wiederum nach Holland, jedoch ziemlich von Gütern entblösset, zu kommen. Solchergestalt trieb mich die Noth darzu, den Quartiermeisters-Dienst auf einen Kauffarthey-Schiffe nach Batavia anzunehmen; allein, eben noch zu rechter Zeit kam mein werthester Herr Wolffgang in gutem Wohlstande und starck bemittelt wieder zum Vorscheine, weßwegen ich sogleich einen andern Quartier-Meister an meine Stelle schaffte, und mich bey dem Herrn Capitain Wolffgang engagirte, weil er mir gantz besondere Vortheile versprach, auch zu dem Ende, wie ich merckte, meine Treu und Fleiß auf verschiedene Proben setzte, die, nachdem ich sie redlich überstanden, mich bey ihm in vollkommenen Credit setzten, und solchergestalt bekam nicht geringe Hoffnung, unter dessen Commando mein Glück aufs neue zu machen. Ja das Vertrauen zu ihm, war bey mir grösser als zu meinem leiblichen Bruder, denn ohngeacht mein Bruder abermahls mit starcken Profite aus Ost-Indien zurück kam, mir,[457] nach Vernehmung meiner Unglücks-Fälle, ein gut Stück Geld und verschiedene Vortheile anboth, wenn ich mit ihm zu reisen mich resolviren wolte, so konte es doch nicht in meinen Kopff bringen, unter seinem, als meines jüngsten Bruders Commando zu stehen, ich nahm auch, ausser einigen Raritäten, keine andern Geschencke von ihm an, weil mir Herrn Wolffgangs Generositée bereits so viel an baaren Gelde und andern Dingen zugewendet, daß mich zu einer neuen Reise vollkommen hätte equippiren können. Ja eben dieser mein besonderer Wohlthäter hat mich bekandter massen in den Stand gesetzt, worinnen ich mich voritzo befinde. Ich hätte ihnen, meine Herrn, zwar eine viel weitläufftigere Beschreibung von meinen Reisen zur See machen können, allein, weil ich sehe, daß der Tag bereits zu den Fenstern herein bricht, muß ich wohl vor dieses mahl den Schluß machen, damit wir wenigstens nur noch ein paar Stunden ruhen können.

Hiermit war des Capitain Horns Lebens-Geschichts-Erzählung zum Ende, und ich nahm denselben mit in mein Logis, allwo wir, ohne seine und meine Liebste in der Ruhe zu stöhren, uns in einer besondern Cammer schlaffen legten. In folgenden Tagen wurden noch mehrere Conferentzen gehalten, und endlich beschlossen: daß der Capitain Horn dieses 1733ste Jahr noch bey uns aushalten, im Januario des 1734sten aber, von uns ab- und nochmahls nach Europa seegeln solte.[458] Er ließ sich solches endlich gefallen, und wir deliberirten inzwischen über die schrifftliche Instruction, so ihm mit auf die Reise gegeben werden solte. Die Haupt-Stücke, welche er mitzubringen und zu besorgen hatte, waren: 1.) Eine vollkommene Buch- und Kupffer-Druckerey, nebst allem Zubehör von Sachen und Personen, als nehmlich Buchdrucker, Setzer, Schrifft-Giesser, Form-Schneider, Kupfferstecher, Kupffer-Drucker und dergleichen. 2.) Verschiedene Medicamenta und Chymische Præparata. 3.) Wollen- und Flächsen-Tuch, auch Wolle und Flachs, so annoch unverarbeitet. 4.) Noch mehr Pferde-Rind- und Schaaf-Vieh, und zwar so viel, als nur davon fortzubringen. 5.) Solte er sich an gelehrte Leute addressiren, um zu vernehmen, ob die in den Heyden-Tempel gefundenen Schrifften ausgelegt werden könten, wo nicht, die Taffeln benebst etwa ein paar Pfund Goldes bey ihnen zu lassen, und noch 10. Pfund zur Discretion vor diejenigen zum Gratial zu versprechen, welche sich bemühen wolten, das Geheimniß in diesen Schrifften auszufinden, als worzu sie biß 10 Jahr Zeit haben solten, indem wir nicht gesonnen wären, unter 10. Jahren wieder eine Fahrt nach Europa anzustellen. 6.) Wenn er, der Capitain Horn, auf den Gedancken verharrete, nach seiner glücklichen Zurückkunfft auf dieser Insul bey uns zu bleiben, müste er hauptsächlich dahin bedacht seyn, einen getreuen und redlichen Menschen in Pflicht zu nehmen, der das Schiff, nach der Wiederankunfft[459] und Ausladung allhier, nachdem es von uns mit sattsamen Proviant versorgt, so gleich mit den darauf befindlichen Personen, welche wir nicht bey uns zu haben verlangten, wieder abführen solte. etc. etc.

Die übrigen Puncte, weil sie nicht eben allzu wichtig, halte vor unnöthig zu melden, und den Lesern damit verdrüßlich zu fallen, genung, weil wir sattsame Bedenck-Zeit hatten, so vergassen wir auch, unseres Erachtens, gar nichts, was zu Verbesserung unseres Staats annoch nöthig war, verliessen uns im übrigen auf des Capitain Horns selbst eigenen guten Verstand, indem dieser gescheute Kopff binnen der Zeit, als er bey uns gewesen, sich bereits manche Marque in seine Schreib-Taffel gemacht, woran es uns nehmlich in diesen und jenen Stücken noch fehlete.

Unterdessen lieff uns die Zeit, ich weiß nicht wie, geschwind unter den Händen weg, weßwegen gleich nach Martini Anstalt gemacht wurde, des Capitain Horns Schiff mit Rosinen, Reiß und andern Felsenburgischen Früchten, auch überflüßigen Lebens-Mitteln zu beladen, seine Leute, ingleichen die Portugiesen bekamen einer wie der andere, von Häupten biß zum Füssen gedoppelte neue Montur, nebst 6. Anzügen weisser Wäsche und andern Bedürffnissen, ausser ihrem ordentlichen Lohne aber, ein jeglicher 3. Pfund gediegenes Goldes, und die Officiers 4. Pfund, welches mancher wohl nicht erworben, wenn er gleich als Matrose binnen der Zeit in Ost-Indien oder auf der[460] See herum geschwermet hätte. Anbey wurde ihnen gesagt, daß, wenn sie sich auf der Fahrt nach Europa wohl hielten, der Capitain Horn ihnen sodann die eingeladenen Rosinen und Reiß Preiß geben würde. Alle diese Leute waren wohl zufrieden, und hielten nach hertzlicher Dancksagung ein Freuden-Fest. Die Fässer und Kisten, worinnen die kostbarsten Sachen, zu Bestreitung aller Kosten vor den Capitain Horn, eingepackt waren, stunden auch schon parat, solten aber nicht ehe als biß auf die letzte eingeschifft werden. In Summa, es war vor den Christ-Feyertagen zu des Capitains Abreise alles in vollkommen fertigen Stande, so, daß wir die nach einander folgenden Fest-Tage andächtig und vergnügt hinbringen konten, wie denn auch den Klein-Felsenburgern ein Priester hinüber geschickt wurde, um ihnen bey dieser heiligen Zeit das Wort GOttes zu predigen, und den darunter befindlichen Evangelischen das Heilige Abendmahl zu reichen. Sonderlich liessen sich in der Neu-Jahrs-Nacht die Stücken, Paucken und Trompeten tapffer hören, und Montags und Dienstags drauf, als den 4ten und 5ten Januarii, wurden auf dem grünen Taffel-Platze vor alle Insulaner, zum Abschieds-Schmause des Capitains Horn, ein herrliches Tractament gegeben, bey welchen er, von allen insgesammt Abschied nahm, und von den auf der Insul befindlichen Europäern mit vielen Briefen und Paqueten beschweret wurde, um selbige an ihre in Europa befindlichen Freunde mitzunehmen,[461] welches er gern und willig zu thun versprach, und 2. Kisten damit anzufüllen hatte. Weiln er nun den 7. Jan. in Person zu Schiffe zu gehen und abzuseegeln gesonnen war, auch darzu alles veranstaltet hatte, so nahm er Tags vorhero von seiner Liebste, dem Alt-Vater, Aeltesten und andern speciellesten Freunden, bey mir aber zuletzt Abschied, weil verabredet war, ihm diese meine fortgesetzte Geschichts-Beschreibung der Felsenburger, gantz auf die letzte Stunde mitzugeben. Welche ich denn hiermit beschliesse, und wohl glaube, daß sich einige finden und sagen werden, ich hätte mich bey einer Sache zu lange, bey der andern zu kurtz aufgehalten, und manches zu melden, gar vergessen; was aber das letzte anbelanget, so werden diejenigen, so ich nicht berühret, wohl von schlechter Wichtigkeit und nicht besonders merckwürdig seyn, und wegen der erstern habe es vor dißmahl nach meinem eigenen Belieben gehalten, hätte zwar eins und das andere verbessern können, indem keine Sache so gut, daß sie nicht verbessert werden könte; allein, ich kan versichern, daß auch andere wichtigere Geschäffte mir nicht erlauben wollen, dieser Neben-Sache wegen allzu viele Zeit zu verlieren, zumahlen, da ich weder Lob, noch Danck, noch Gewinst darvor verlange. Habe ich nicht genung geschrieben, so habe ich doch etwas geschrieben, und wie müste man thun, wenn ich gar nichts von unsern Zustande geschrieben hätte? Nicht wahr, es würde deßwegen doch an Historien-Büchern kein[462] Mangel seyn? Ob hinfüro noch mehr von den Felsenburgischen Geschichten zum Vorscheine kommen möchte, daran zweiffele fast sehr, wenigstens würde es wohl unter 10. Jahren nicht geschehen, und wenn wir alle noch so lange lebten und gesund blieben; denn es dürffte vor der Zeit wohl kein Schiff von Felsenburg wiederum nach Europa abgehen. Unterdessen empfehle ich einen jeden, der diese meine Fortsetzung und vorherigen Schrifften zu lesen bekömmt, so wohl als alle andere Menschen, der Göttlichen Obhut, und verbleibe, ohngeacht ich sehr weit von Deutschland wohne, dennoch


der redliche Deutsche

Eberhard Julius.


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Ein mehrers, als was bißhero gemeldet worden, habe ich, Gisander, in Mons. Eberhard Julii Manuscripto nicht gefunden, will aber dennoch kund machen, was ich dieser Geschichte wegen nachhero weiter in Erfahrung gebracht. Demnach bekam ich im Februario 1735. ein Schreiben von Herrn H.W. aus Hamburg, in[463] welchem er mich invitirte, gegen Ostern bey ihm zu seyn, weil der Capitain Horn um selbige Zeit ohnfehlbar bey ihm eintreffen, und mich gern selbst sehen und sprechen wolte. Weil ich nun versichert war, daß ich diese Reise nicht umsonst thun würde, setzte ich mich zu rechter Zeit auf die geschwinde Post, und kam 14. Tage vor Ostern in des Herrn H.W. Behausung an, welcher mich sehr wohl aufnahm, der Capitain Horn aber stellete sich erstlich 8. Tage nach Ostern ein, war sehr erfreut, mich zu sehen, und gab mir das unverdiente Lob, daß ich die zwey ersten Theile der Felsenburgischen Geschichte, welche er schon in A.* und D.* zu lesen bekommen, gantz wohl besorgt und ausgefertiget hätte, weßwegen er nunmehro, empfangener Ordre gemäß, mir nebst einem Honorario auch den dritten und letzten Theil einhändigen, darbey nicht zweiffeln wolte, daß ich denselben eben so wohl, als die beyden erstern, besorgen würde, doch bath er sich aus, daß ich ihm dieses des Eberhard Julii Manuscript erstlich vorlesen solte. Dieses geschahe, denn wir nahmen einige Abende hintereinander immer 3. biß 4. Stunden darzu, discurirten dazwischen, da ich denn von dem Capitain Horn vieler Dinge wegen besser verständiget wurde, endlich aber, als wir hiermit fertig, thal der Capitain dem Herrn H.W. und mir folgende Erzählung:[464]

Am 7. Jan. des abgewichenen 1734sten Jahres ging ich von Felsenburg ab und zu Schiffe, fand auf selbigen alles in bester Ordnung, so, daß ich den 8. dito mit anbrechenden Tage bey gutem Winde und Wetter von dannen seegeln konte, nachdem ich mit 12. Canonen-Schüssen nochmahligen Abschied genommen, das Glück auf die Reise! aus ihren Canonen aber annoch hören konte, da ich schon etliche Meilen von dannen war. Noch niemahls habe ich eine geruhigere Fahrt gehabt, als dieses mahl, weil es aber zuweilen gar zu langsam ging, bin ich erstlich zu Ende des May-Monats im Texel eingelauffen. Nachdem ich nun die Portugiesen, so ich mitgeführet, bereits an dem Ufer ihres Vaterlandes ausgesetzt, versprach ich meinen Leuten alles dasjenige zu halten, was ihnen annoch in Felsenburg versprochen worden, sie musten mir aber ihren gethanen Eyd wiederholen, daß sie von allen unsern Begebenheiten in Holland nicht viel Plauderens und grosses Wesen machen wolten. Hierauf brachte ich, vermittelst einer guten Summa Geldes, alles in solche gute Ordnung und Richtigkeit, daß ich mein Volck und Bagage frey und sicher ausschiffen durffte, nahm auch mein Logis abermahls in Amsterdam bey Herrn G.v.B. welcher mich mit sehr grossen Freuden-Bezeugungen empfing. Nachdem nun das Schiffs-Volck wohl befriediget war, ließ ich alles von mir, mit der Erklärung, daß, wer von ihnen Lust hätte, noch eine Reise mit mir zu thun,[465] nach Ostern 1735. in Amsterdam bey Herrn G.v.B. oder wenn ich gegenwärtig, sich bey mir selbst melden könte; mithin behielt nur die 9. Freygelassenen zur Bedienung bey mir. Mein erstes war, daß ich mich nach meinem Bruder erkundigte und erfuhr, daß derselbe bereits auf der Retour aus West-Indien begriffen wäre, weßwegen ich ihm zu Gefallen noch so lange in Amsterdam zu bleiben beschloß, biß er sich einstellete, jedoch meine Zeit nicht müßig daselbst zubrachte, sondern immer nach gerade Anstalten machte, dasjenige anzuschaffen und wohl auszurichten, was mir committiret war. Endlich zu Ausgange des Augusti kam mein Bruder, und wuste vor Freuden nicht, was er sagen solte, daß er mich allhier frisch und gesund antraff, denn bey meiner letztern Anwesenheit in Europa war er nicht gegenwärtig, sondern ebenfalls in West-Indien gewesen. Er führete mich aufs erste in sein Logis, und entdeckte mir offenhertzig, wie glücklich er bißhero auf verschiedenen Reisen gewesen, so, daß er nunmehro ein Capital von etliche 20000. Thlr. beysammen, vor wenig Jahren aber seiner Frauen, das ihr entwendete Geld cum Interesse, einen jeden seiner Geschwister aber 1000. Thlr. durch Wechsel übermacht hätte. Nunmehro wäre er gesonnen, in Holland auf einem guten Orte sich zur Ruhe zu setzen, und von seinen Interessen zu leben, denn zu seinem alten Weibe, welches ihn so schändlich tractiret hätte, könte er sich unmöglich wieder begeben; im übrigen meynete[466] er, ich solte ihm nur offenhertzig sagen, womit er mir helffen und dienen könte, indem er bereit sey, auch die Helffte seines Vermögens mit mir zu theilen. Diese seine Redlichkeit und brüderliche Liebe gefiel mir ungemein von ihm, weßwegen ich ihm liebreich umarmete, und zur Antwort gab: Mein liebster Bruder! ich bin von Hertzen erfreuet, daß euch der Himmel gesegnet und mit zeitlichen Gütern vergnüget hat, aus allen Umständen, und sonderlich dem brüderlichen Anerbiethen, vermercke, daß ihr dem Geitze nicht ergeben seyd, vor meine Person aber dancke ich vor euren guten Willen, denn der Himmel hat mich seit der Zeit auch gesegnet, und ich will euch, ohne meinen geringsten Schaden, noch 2. mahl 20000. Thlr. zu den Eurigen geben, damit ihr euch, wenn ihr ja nicht wieder in unser Vaterland zu kehren gesonnen, ein feines Land-Gut erkauffen, und euer Leben darauf ruhig zubringen könnet; allein, dargegen wolte mir dieses ausbitten, daß ihr nur noch eine eintzige Reise zur See mit mir thun, und mich auch erstlich zur Ruhe bringen möchtet. Mein Bruder hörete bey Vernehmung solcher Reden hoch auf, versprach aber endlich, mir alles zu Gefallen zu thun, was ich nur von ihm verlangen und ihm möglich zu verrichten seyn würde. Es ist wohl gut, mein Bruder, sprach ich, allein, ohngeacht ihr mein leiblicher Bruder seyd, so ist mir doch, eines geleisteten theuren Eydes wegen, nicht erlaubt, euch einige sonderbare Begebenheiten zu eröffnen, es wäre denn Sache, daß ihr[467] mir ebenfalls, gewisser Puncte wegen, auf einige Zeit den Eyd der Treue und Verschwiegenheit zu præstiren, euch entschliessen köntet. Wie er sich nun dessen gegen mich, als seinen leiblichen und ältern Bruder, gar nicht weigerte, so führete ich ihn hierauf in mein Logis, allwo er nicht allein das Geheimniß, so viel als ihm nehmlich davon zu wissen nöthig war, von mir erfuhr, sondern auch meine Schätze zu sehen bekam, worüber er nicht wenig erstaunete. Ich gab ihm demnach im voraus so viel, als ich ihm versprochen hatte, schickte, 15000. Thlr. par Wechsel nach Franckfurth am Mayn, welche meine 3. übrigen Geschwister daselbst heben und sich darein theilen solten, überließ diesem meinem jüngsten Bruder nebst dem Herrn G.v.B. in Amsterdam einen grossen Theil von Besorgung meiner Affairen, und reisete, nachdem ich auch alle mit bekommene Briefe und Paquete wohl bestellet hatte, nach D. zu dem Handels-Manne, welcher des Herrn Franz Martin Julii seiner seeligen Ehe-Frauen Bruders-Sohn war, brachte demselben von seinen Felsenburgischen Befreundten nicht allein verschiedene kostbare Geschencke, sondern auch Briefe und Siegel mit, daß ihm das Julische Hauß, Gewölbe in Summa alles mit einander, was er ihrentwegen zu verwalten hätte, auf erb- und eigenthümlich geschenckt seyn solte. Man kan leicht erachten, daß ich, bey so gestalten Sachen, diesem jungen Manne kein unangenehmer Gast[468] gewesen seyn müsse, und gewiß, er hat sich meiner Affairen wegen viel Mühe mit Reisen und dergleichen gegeben, auch mir die Bekandtschafft vieler Grund-Gelehrten Leute zuwege gebracht, dem ohngeacht konte ich weder hier, noch da, noch dort jemand finden, der sich die auf den Taffeln befindliche Heyden-Schrifft zu lesen und zu erklären unterstund, derowegen sahe ich mich genöthiget, selbige gegen einen Revers, in den Händen eines sehr reichen und Grund-gelehrten grossen Mannes zu überlassen, welcher mir, vor die zwey Pfund Goldes, so ich ihm zur Discretion gab, versprach, dieselben an die vornehmsten Societäten der Künste und Wissenschafften in Europa zu übersenden, und von Zeit zu Zeit seinen Rapport an den Kauffmann in D. ingleichen an Herrn G.v.B. in Amsterdam, und auch an Herrn H.W. in Hamburg abzustatten, weßwegen ich denn die 10. Pfund Goldes Gratial gegen einen Revers bey dem Kauffmanne in D. ließ, welcher zugleich Vollmacht bekam, den glücklichen Ausleger derselben Schrifft damit zu belohnen, die Taffeln einzulösen, und biß sie von den Felsenburgern abgefordert würden, bey sich zu behalten. Wegen der Buch- und Kupffer-Druckerey, aller dazu erforderlichen Leute und Materialien, hat, wie die letztern Briefe von Herrn G.v.B. und meinem Bruder aus Amsterdam lauten, auch schon alles seine vollkommene Richtigkeit, weßwegen ich glaube,[469] daß an den andern geringern Sachen auch nichts versäumt seyn und ermangeln wird. Und also werde ich mich hier in Hamburg nicht lange aufhalten, sondern meine Reise nach Amsterdam beschleunigen, um, was ja etwa noch fehlen möchte, vollends selbst zu besorgen, und circa Johannis-Tag, meine Heim-Reise nach Felsenburg anzustellen; denn ich werde auf meinem und auf meines Bruders Schiffe, eine starcke Ladung haben, wenn mich aber mein Bruder auf der Insul Klein-Felsenburg, mit allen meinen Waaren ausgesetzt, soll er, bereits genommener Abrede nach, auch die Personen, so auf meinem Schiffe gedienet, auf das Seinige nehmen, selbiges mit lauter Felsenburgischen Victualien beladen, und in GOttes Nahmen wieder zurück nach Europa fahren.

So viel hat mir der Capitain Horn von seinen Um ständen eröffnet, er tractirte nachhero noch verschiedene Sachen mit dem Herrn H.W. um welche ich mich eben nicht zu bekümmern hatte, indem ich ein gutes Honorarium vor meine Reise-Kosten und alles von ihm bekommen. Gern wäre ich mit demselben nach Amsterdam gereiset, und hätte die Schiffe und alle Anstalten selbst in Augenschein genommen, indem er mir allen Aufwand und Versäumniß gedoppelt zu bezahlen versprach, allein, ein wichtiger Umstand, den ich eben nicht melden will, verhinderte[470] mich an dieser Reise, die ich zu anderer Zeit, auch vor mein eigen Geld, mit Lust gethan haben würde. Demnach reisete der Capitain mit dem Herrn H.W. ohne mich, fort, der letztere aber hat mich nachhero schrifftlich berichtet, daß der Capitain, bey seiner Ankunfft in Amsterdam, alles zu seinen grösten Vergnügen in vollkommenen Stande angetroffen, und am 4ten Julii des itzt lauffenden 1735sten Jahres nebst seinem Bruder mit 2. Schiffen aus dem Texel gelauffen sey. Demnach machte ich mich, wenn mir meine ordinairen Geschäffte einige müßige Stunden vergönneten, auch an die Arbeit, und brachte eben noch zu rechter Zeit


Die Felsenburgische Geschichts-Beschreibung zu ENDE.

Fußnoten

1 Hier hat Mons. Eberhard, vielleicht aus besondern Ursachen, die ich, Gisander, vollkommen zu errathen, mir eben nicht getraue, etwas kurtz und verblümt von der Sache geschrieben, denn als ich, nachdem mich der Capitain Horn, da er glücklich in Europa angeländet, zu sich kommen lassen, eines Abends in Vorlesung des Manuscripts auf diese Passage kam, sagte er, der Capitain Horn, selbst im Vertrauen zu mir: »Hier ist Eberhard mit dem Flederwische drüber her gefahren, und hat nicht so anfrichtig als sonst geschrieben, denn ich versichere euch, mein Herr! daß in der einen Cammer ein, unschätzbarer Schatz von Gold-Klumpen, Gold-Scheiben, Gold-Stangen, Diamanten und andern kostbaren Steinen, gefunden und so wohl als die Götzen-Bilder nach Groß-Felsenburg geschafft worden. Wenn ich (fuhr der Capitain Horn gegen mich fort) mich nicht bereits vollkommen in die angenehme Lebens-Art der Felsenburger verliebt, auch mir ein überaus schönes Bild daselbst zur künfftigen Ehe-Gattin auserwählt, mich mit ihr versprochen, und die gröste Lust gehabt, meine übrige Lebens-Zeit auf dieser Insul zuzubringen; würde ich ohnfehlbar meinen Theil von diesen unter der Erde gefundenen Schätzen gefordert haben. So aber dachte ich: was ist dir Gold, Geld und Gut nütze, da du nicht in Europa, sondern allhier verbleiben wilst? zudem, so haben sie mir mehr Gold und Geld mitgegeben, als ich verlangt und nöthig habe. Aber das ist wahr, daß die Felsenburger Königreiche kauffen und baar bezahlen könten, wenn sie feil wären.« Ich gab ihm hierauf zu verstehen: wie mich wunderte, daß bey diesen gefundenen Schätzen gar keines Silber-Zeugs, auch keines gemüntzten Geldes erwehnt würde; worauf er versicherte, daß weder Silber-Werck noch Müntze, sondern nur bloß Gold und Edle-Steine gefunden worden. Weil nun ich, Gisander, mich nicht verbindlich gemacht, unser beyder besonderes Gespräche zu verschweigen, als habe mir kein Bedencken genommen, dem geneigten Leser, um die Geschicht desto deutlicher zu machen, das nöthigste zu offenbaren.


Quelle:
Johann Gottfried Schnabel: Wunderliche Fata einiger Seefahrer absonderlich Alberti Julii, [...], Vier Theile, Teil 4, Nordhausen 1743.
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