[467] Peter Morgenthals Lebens-Geschicht

anzuhören; wie nun selbiger unserer allereinstimmiges Begehren merckte, machte er sich so gleich bereit, seine Gäste vermittelst folgender Erzehlung zu beruhigen:

Mein Geburths-Ort ist die berühmte Stadt Magdeburg, allwo mein Vater als ein Zimmermann viele Jahre nach einander gearbeitet, eine Frau genommen, zwey Kinder mit derselben gezeuget, und endlich bey einem schweren Baue sein Leben eingebüsset hat. Ich war damahls etwa 9. mein[467] jüngster Bruder aber 6. Jahr alt, und weil mein Vater durch seine Arbeit, die er unter andern Zimmer-Meistern nur als Geselle verrichtet, wenig Schätze sammlen, sondern mit genauer Noth die Seinigen erhalten können, musten wir uns, nachdem das wenige Geräthe verkaufft und auffgezehret war, bequemen, nebst unserer Mutter den Bettel-Stab zu ergreiffen, denn weil meine Mutter eine arme frembde Dienst-Magd, mein Vater aber ebenfalls ein frembder gewesen, so fand sich kein eintziger Freund, der eines oder das andere Kind auffnehmen oder ernähren wolte. Dennoch suchten wir unser Brod, von einem Dorffe und Stadt zur andern, mit Beten und Singen vor der Leute Thüren; daß aber solchergestallt, zuweilen viel Kummer und Noth mit untergelauffen, ist leichtlich zu erachten, jedoch meine Mutter, welche um selbige Zeit etwa 32. biß 33. Jahr alt war, gedachte sich ihr Elend zu erleichtern, indem sie einen abgedanckten Soldaten heyrathete, welcher seines abgeschossenen Beins wegen, zu Pferde im Lande herum bettelte. Ob sie sich ordentlich mit ihm copuliren lassen, weiß ich zwar nicht, aber allen Ansehen nach, waren sie rechte Ehe-Leute, u. meine Mutter erzeigte ihrem neuen, wiewohl sehr wunderlichen und jachzornigen Manne alle gehorsamliche Ehr-Furcht, so daß sie wegen der allzustarcken ehelichen Liebe, die Kindliche gegen uns ihre beyden Söhne zu vergessen schien, dessen die täglichen Schläge ein sattsames Zeugniß abstatteten, zumahlen wenn wir armen Knaben, des Abends, nicht gnugsame Pfennige, Brod und andere Victualien-Stücken einbrachten; denn es ist zu merken, daß ich[468] und mein Bruder bereits gewöhnet worden, gantz besondere Streiffereyen zu thun, und Abends in der bestimmten Bettel-Herberge einzutreffen. Die verfluchte Schind-Mehre, nehmlich das Pferd unsers Stief-Vaters, verfraß fast mehr als wir sämmtlich erbetteln konten, und dennoch ließ sein Hochmuth nicht zu, selbiges zu verkauffen, endlich aber, da der Klapper-Storch bey meiner Mutter einkehren wolle, und sie fast nicht mehr fort kommen konte, blieben wir ohnweit Zörbig in einem Dorffe, Radegast genannt, liegen, allwo der Stieff-Vater sein Pferd an einem Bauer vor 11. Thlr. verkauffte, sich nebst uns in ein klein Bauer-Hauß einmiethete, und nebst meiner Mutter das Korbmacher Handwerck anfieng, als in welchem er ziemlich erfahren zu seyn schien. Wenige Zelt hernach kam meine Mutter in die Wochen, und wie ich hörete, so setzte es, noch ehe das neugebohrne Schwesterlein gebohren wurde, bey dem Pfarrer ziemliche Verdrüßlichkeiten, des Trau-Scheins wegen, jedoch weil sich meine Eltern, ich weiß nicht auf was vor Art zu entschuldigen wusten, wurde zwar endlich das Kind getaufft, ihnen aber auferlegt, entweder binnen 6. Wochen ihren Trau-Schein und andere gute Zeugnisse zu schaffen, oder sich aus dem Dorffe zu packen. Meine Mutter gab vor, so bald es ihre Kräffte zuliessen, selbst eine Reise nach Magdeburg zu thun, um von dar die Zeugnisse ihres ehrlichen Lebens und Wandels, unterwegs auch einen neuen Trau Schein, von demjenigen Dorff-Priester, der sie getrauet, abzuholen; weil sie den ersten ohngefähr verlohren hätte. Jedoch weil es noch vor Weyhnachten also im härtesten[469] Winter war, verzog sich ihre Reise biß kurtz vor den Oster-Feyertagen, da sie denn endlich nebst ihrem kleinen säugenden Kinde dieselbe antrat, und noch vor dem Feste wieder zu kommen versprach. Der Stief-Vater war inzwischen sehr fleißig, und machte in der nahgelegenen Stadt Zörbig, alle seine Korbmacher-Arbeit zu Gelde. Mittwochs vor Ostern aber, da die Mutter noch nicht zu Hause war, schaffte er die letzten Stücke in die Stadt, und welches mir am bedencklichsten vorkam, so packte er so wohl meiner Mutter, als sein eigenes angeschafftes Geräthe, in einen grossen Deckel-Korb, verband denselben sehr fest, und ließ ihn mit in die Stadt fahren: hätten ich oder mein Bruder gefragt was dieses bedeuten solte; würde es ohnfehlbar entsetzliche Schläge geregnet haben, derowegen schwiegen wir stille, er aber gab uns gute Worte, und versprach: noch vor Abends wieder zu kommen, wir solten aber ja durchaus nicht aus dem Hause gehen, sondern sein fleißig Korb-Höltzer schnitzeln, denn die Mutter würde heute oder Morgen gantz gewiß zurück kommen, und uns Magdeburger Semmeln mitbringen. Demnach gaben wir uns zufrieden, zumahl da er wieder seine Gewohnheit, den Brod-Kammer Schlüffel stecken gelassen, in welcher noch 4. Haußbackene Brodte, nebst ein halb Schock Käse, etwa zwey Pfund Butter, nebst Möhren, Rüben und andern Koch-Speisen lagen.

Wir kochten, speiseten, und bedieneten uns alle beyde nach Hertzens-Lust, sahen auch öffters zur Thür hinaus nach der Mutter, allein es wolte sich[470] selbige, so wohl als der Stief-Vater, weder diesen noch folgenden Tag einstellen. Wir schlieffen am Char-Freytage, biß fast gegen Mittag, da ich mich aber endlich befürchtete, der Vater oder Mutter möchten mir bey ihren plötzlichen Eintritte in die kalte Stube, einen übeln guten Morgen biethen, erhuben sich die ausgeruheten Glieder aus dem, nicht mit Schwans-sondern Schweins-Federn ausgestopffen Bette, worauff ich mich bemühete eine tüchtige warme Stube zu machen, jedoch, weil ich ein wenig gar zu viel dürres Reiß-Holtz und Spane in den Ofen mochte gesteckt haben, schlug die Flamme dergestallt plötzlich zum Ofen heraus, daß ich mich genöthiget sahe, vor Angst und Schrecken, Feuer zu schreyen. Mein jüngerer Bruder lieff im blossen Hembde zum Hause heraus in eine andere Wohnung, mir aber, der ich schon etwas Wasser in den Ofen gegossen, kamen noch andere Leute, und zwar eben zu rechter Zeit zu Hülffe, denn das Feuer hatte schon oben zwey oder drey Balcken angezündet, jedennoch wurde in der Geschwindigkeit alles völig gelöschet. Dem ohngeacht kam fast alles Volck aus dem Dorffe zusammen gelauffen, ihrer etlichen schryen: Werffet die Mord-Brenner ins Feuer! andere: Lasst uns die Bettel-Bagage ins – – Nahmen verbrennen! wieder andere, die mich von ferne, als einen Koch, der den Brey verdorben, mit niedergeschlagenen Kopffe stehen sahen, rieffen: Haschet, haschet doch jenen grösten Schelm, haltet ihn fest, daß er nicht entlauffe!

Bey so gestallten Sachen, hielt ich, meiner damahligen grossen Einfallt ohngeacht, dennoch darvor,[471] daß es die gröste Thorheit wäre, wenn ich mich hiesiges Orts lange auffhielte, machte mich derowegen auf die baarfussen Beine, und lieff über einen sehr langen Stein-Damm, dermassen hurtig nach der Stadt zu, als ob das angezündete Feuer selbst hinter mir drein schlüge. Da ich aber auf der Höhe vor der Stadt endlich keine Verfolger hinter mir sahe, vergieng die Angst ziemlicher massen, ja ich gieng gantz getrost eine lange Strasse in der Stadt hinauff und bemerckte, indem die Leute gleich aus der Kirche gegangen kamen, daß viele darunter waren, welche sich sehr mitleydig über meine elende Bekleidung uñ gantz blossen Füsse bezeigten, deñ bey damahliger, annoch anhaltenden starcken Kälte, lag noch ziemlich viel Schnee und Eiß auf den Strassen. Endlich war ein Apothecker, den ich Herr Stolle nennen hörete, so barmhertzig mich vor seinen Laden zu ruffen, und mir ein paar alte Strümpffe und Schue zu zu werffen. Auf sein Befragen, wegen meiner Eltern und anderer Beschaffenheiten, erzehlete ich ihm alles auffrichtig, biß auf die eintzige letzte Feuer-Begebenheit, weßwegen er nicht allein aus fernern Mittleyden, wir ein noch sehr gutes Camisol gab, sondern auch verursachte: daß die daherum wohnenden Nachbarn, ihre milde Hand auch aufthaten, und mich mit ein paar alten Hembden, einer rauchen alten Mütze, Handschuen, auch noch mehrern Strümpffen beschenckten.

Ein Gastwirth am Marckte erlaubte, mich in seiner Stube zu erwärmen, und ließ mir Speisen und Geträncke reichen, worbey ich abermahls genöthiget wurde, meine Begebenheiten zu erzehlen, da aber[472] solches noch nicht einmahl geschehen, berichteten etliche dabey sitzende reisende Leute: daß ihnen schon gestern, ein solcher Mann wie ich meinen Stief-Vater beschrieben hatte, nahe vor der Stadt Halle begegnet wäre, wie nun auf mein ferneres Befragen, mit dem Steltz-Fusse und dem Deckel-Korbe, welchen er auf einem Holtz-Wagen sitzend neben sich stehen gehabt, alles sehr eigentlich zutraff, durffte ich keinen fernern Zweiffel tragen, daß dieses mein ungetreuer Stief-Vater gewesen, der allem Ansehen nach, uns armen Kinder verlassen wolle.

Jedoch ich fassete einen behertzen Schluß denselben zu verfolgen, reisete derowegen in Gesellschafft vieler andern Leute, noch diesen Tag auf Halle zu, konte aber die Stadt nicht völlig erreichen, sondern muste in dem nächst gelegenen Dorffe bleiben. Am Oster heil. Abend früh aber, kam ich nicht nur in die Stadt Halle, sondern erfuhr auch nach vielen herum lauffen, von zweyen seit etlichen Jahren her wohl bekandten lahmen Bettel-Leuten, daß sie meinen Stief-Vater so wohl als meine leibliche Mutter mit dem kleinen Kinde, in dieser Stadt Allwosen einsammlend, angetroffen; weil es aber schon ziemlich späte, und die Stadt mir allzuweitläufftig vorkam, versparete ich das fernere Auffsuchen biß auf Morgen. Allein, ohngeacht ich am ersten und andern Oster-Feyertage, allen möglichen Fleiß anwandte, meine Eltern anzutreffen; so war doch alles vergebens, weßwegen bey herein dringender Nacht in einer jenseitigen Vorstadt mein Nacht-Qvartier suchen muste. Ich hatte den Tag über nicht nur verschiedene mahl gute Leute angetroffen, welche[473] mich mit überflüßigen Speisen versehen, sondern auch über dieses bey nahe 3. Ggr. an kleiner Müntze eingesammlet, weßwegen ich in der Herberge gar wohl vor mein Geld zehren konte. Nachdem sich aber bey später Nacht noch viele andere Bettel-Leute daselbst versammlet, und ich ihnen die Ursach meiner Reise entdeckt, versicherten mich einige, daß ihnen dieses vergangenen Nachmittags mein steltzfüßiger Stief-Vater nebst Mutter und Kinde in einem Dorffe zwischen Halle und Qverfurth begegnet, und zu vernehmen gegeben hätten, wie sie gesonnen wären, den berühmten Qverfurthischen Marckt auf der Esels-Wiese abzuwarten. Demnach machte ich mich mit anbrechenden Tage in Gesellschafft eines blinden Mannes, den ein Junge von meinem Alter führete, und noch zweyer andern Land-Streicher auf den Weg nach Qverfurth, und erreichte nebst ihnen vor Abends ein Dorff, welches kaum eine halbe Stunde von der berühmten so genandten Esels Wiese abgelegen war.

Ich machte mich Mittwochs am ersten Jahr-Marckts-Tage sehr früh auf, und war so glücklich binnen zwey oder drey Stunden, von vornehmen Staats- und andern Leuten, mehr als 5. Ggr. zusammen zu betteln, worbey meine Augen sich sehr fleißig nach meinen Eltern umsahen, und endlich mit gantz besondern Freuden dieselben auf dem Roß-Marckte erblickten, allwo mein Stief-Vater, der einen seinen weissen Rock mit blauen Auffschlägen anhatte, um ein Pferd handelte, dasselbe auch endlich mit baaren guten Gelde bezahlete. Meine Mutter, die nicht weniger ziemlich gut bekleidet war, und[474] ihr kleines Kind im Korbe auf den Rücken trug, wurde meiner mit grösten Schrecken am ersten gewahr, gab mir aber mit einem Wincke zu verstehen, daß ich zurück bleiben solle. Ich gehorsamete und blieb von ferne stehen, nachdem aber der Pferde-Handel völlig geschlossen war, und der Stief-Vater selbiges schon auf die Seite geführet hatte, mochte ihm die Mutter meine Anwesenheit mit Manier wissend gemacht haben, weßwegen sie mir beyderseits winckten zu ihnen zu kommen.

Aus den Augen meines Stief-Vaters strahlete mir ein grimmiger Zorn-Blitz entgegen, um nun den vermuthlich darauff folgenden Schlägen vorzubeugen, zohe ich meine gantze zusammen gebettelte Baarschafft hervor, und trug dieselbe meinen ergrimmt scheinenden Eltern entgegen. Der Stief-Vater riß mir das Geld aus den Händen, warff es ohngezählt in seine Tasche, und bewillkommete mich mit folgenden liebreichen Worten: Wo führen dich verfluchte Bestie alle 1000. – – – her? Ich erzehlete mit zittern, wie es mir in Radegast mit dem Feuer ergangen, daß ich meinen kleinen Bruder daselbst zurück gelassen, und ihm nachgelauffen, auch so glücklich gewesen sie beyde zu finden. Hierauff sagte er nichts weiter, knirschete aber dergestallt mit den Zähnen, daß mir hören und sehen vergieng, jedoch auf meiner Mutter inständiges Bitten, sich nicht allzusehr zu ärgern, gab er mir endlich sein Pferd mit Befehl selbiges hinter einer Mühle herum zu führen, und am Wege nach der Stadt etwas Gras fressen zu lassen. Wiewohl nun um selbige Zeit das Gras kaum ein klein wenig aus der Erden[475] käumete, so daß das hungrige Pferd selbiges mit seinen Zähnen kaum fassen konte, bemúhete ich mich dennoch, um meines Stief-Watters Gnade zu erwerben, selbiges an die besten Oerter zu bringen; allein da ich diesen Unglücks-Gaul mit Gewalt über einen Stea führen wolte, riß sich derselbe loß, und lieff qveer Feld ein, ich und viele andere Bettel-Jungens machirten hinter drein, weil aber diese Henckers Buben nicht so wohl gesinnet waren, mir das Pferd wieder fangen zu helffen; als dasselbe nur desto rasender zu machen, scheuchten sie so lange, biß es in einen holen Weg stürtzte, und ein paar Beine entzwey brach. Ich war noch im Begriff das Pferd mit Hertzbrechenden Worten mm Auffstehen zu bewegen, als mein Stief-Vater herzu trat, dessen Ankunfft ich aber nicht ehe gemerckt, biß er mir etliche Streiche mit seinem knolligen Stocke auff den Kopff und Rücken versetzt hatte. Mein Leben würde gantz geiß so dünne als ein seidener Faden worden seyn, wenn nicht einige guthertzige Leute darzwischen getreten und meine Schutz-Engel gewesen wären, meine treuhertzige Mutter kam endlich ebenfalls herbey, und stellete sich an, als ob sie mich in ihren Schutz nehmen wolte; gab mir aber unvermuthet einen dermassen hefftigen Streich mit der vollen Faust auf die Nase, daß mir nicht allein der Geruch sondern auch die übrigen 4. Sinne vergiengen, ja ich habe auch fast nicht einmahl gefühlet, wie sie mir mit einem auffgehobenen Steine ein grosses Loch in den Kopff geworffen.

Die Ankunfft des Gerichts-Knechts hatte endlich meine tyrannischen Eltern verjagt, mir aber sattsame[476] Sicherheit verschafft, hiernechst fand sich ein barmhertziger Wund-Artzt an, welcher meine sehr starck blutende Haupt-Wunde mit dienlichen Balsam und Pflastern verband, wie denn auch unzehlige vorbey gehende Leute, mir immer ein Geld-Stück zuwarffen, so daß ich durch dieses Unglück reicher an Gelde wurde, als ich Zeit lebens noch nicht gewesen, denn es war, nachdem ich selbiges gezählet hatte, über 3. Thlr. Endlich kam ein Cavalier, der schon in Halle im Gasthofe meine Avanturen mit angehöret, mich auch mit einem 6. Pfenning Stücke beschenckt hatte und fragte, indem er meine Person so gleich erkannte: auf was vor Art ich zu diesen Schaden gekommen? Ich gab ihm von allen richtigen Bescheid, ließ es auch an grausamen Schimpff-Worten, die meinen steltzbeinigen Stief-Vater betraffen, nicht ermangeln. Ja, sprach ich, GOTT wird mir helffen, daß ich noch ein paar Jahr hinlebe, und tüchtig werde eine Musquete und einen Degen zu tragen, so dann will ich den verlauffenen Mörder das andere Bein auch vom Leibe herunter hauen. Der Cavalier fieng hierüber hertzlich an zu lachen, und sagte: Junge, dein Vorsatz ist dieserwegen löblich, weil es doch scheinet, daß du Courage im Leibe hast, wenn ich mich auf deine Treue und Redlichkeit zu verlassen wüste, wolle ich dich augenblicklich in meine Dienste nehmen, und dir ein Hand-Pferd zu reiten geben. Ich sprang augenblicklich von der Erden auf, und bat diesen Herrn mit heissen Thränen, mich armen Schelmen anzunehmen, weil ich mich eher 10. mahl todt schlagen lassen, als ihm ein eintzig mahl ungetreu seyn wolte. Demnach befahl er[477] mir ohne fernere Weitläufftigkeit ihm zu folgen, kauffte Tuch, Futter und alles, mich von Fuß auf neue kleiden zu lassen, und gebrauchte mich von dato an würcklich, nicht so wohl zu seinem Pferde, Jungen, sondern als einen Aufwärter, indem er nebst mir noch einen Reit-Knecht hatte.

Ich war um selbige Zeit wenig über 14. Jahr alt, jedoch von dem Bettel-Brodte dermassen wohl gemästet worden, daß mich meiner Länge und starcken Leibes-Gestalt wegen, jedermann vor einen 18. jährigen Purschen ansahe, wuste mich auch in meines Herrn Weise dermassen wohl zu schicken, daß er mir von Tage zu Tage immer günstiger wurde. Derselbe hielt sich niemahls lange an einem Orte auf, sondern reisete beständig bald hier bald dort hin, ausgenommen, wenn er etwa in diesem oder jenen Gast-Hofe einen guten Wirth, und ihm gefällige Gesellschafft antraff, zuweilen reisete er auch auf etliche Tage alleine weg, oder nahm nur den Reit-Knecht mit sich, mich aber musten mitlerweile die Wirths-Leute aufs beste tractiren. Am allermerckwürdigsten war: daß er sehr öffters seinen Nahmen veränderte, und sich bald vor einen Herrn von Franckenstein, Lilienfeld, Rothenstein, Grünenthal, bald wiederum anders nennen ließ, als worzu er so wohl mich, als den Reit-Knecht vorhero abrichtete und befahl: daß wir uns durchaus von niemanden ausforschen lassen, sondern vorwenden solten, wir wären nur allererst wenig Wochen bey ihm gewesen. Ich war noch viel zu einfältig, dieserhalb ein weiteres Nachdencken zu haben, lebte aber seinen Befehlen desto genauer nach, zumahlen[478] da mich wegen der täglich geniessenden Wohlthaten verbunden zu seyn erachtete, ihm, mehr als andern Menschen, getreu und hold zu seyn.

Etwas über ein Jahr mochte ich etwa in seinem Dienste gewesen seyn, da wir endlich auch in meine Geburths Stadt Magdeburg reiseten. Ich hatte eine besondere Freude, da ich nicht allein meine ehemahligen Spiel-Plätze, sondern auch das Hauß wieder fand, worinnen mein seel. Vater gewohnet hatte, ohngeacht sich itzo gantz andere Leute in demselben befanden. Nach wenig Tagen aber traff ich von ohngefähr denjenigen Zimmermann auf der Strasse an, von welchen mein Vater oder Mutter gewöhnlich das Wochen-Lohn geholet hatten. Es war mir fast unmöglich diesen Mann unangeredet passiren zu lassen, und da solches geschehen, erkante er mich so gleich vor denjenigen, vor welchen ich mich ausgab, nahm mich auch mit in ein Bier-Hauß, allwo ich nicht unterlassen konte ihm meine und meiner Mutter, nach des Vaters Tode geführten Lebens-Art, sonderlich aber das letztere übele Tractament meines Stief-Vaters, zu berichten. Er wunderte sich höchlich darüber, nachdem er aber auch die Nachricht von meinen gegenwärtigen guten Zustande erhalten, ermahnete mich der gute Mann sehr treuhertzig, meinen Herrn ja mit bestàndiger Liebe und Gehorsam zugethan zu verbleiben, weil ein solcher vornehmer Herr ohnfehlbar mich auf Lebens-Zeit glücklich machen könte. Wir sassen also biß es Nacht wurde beysammen, ich macht mir ein Vergnügen, vor diesen alten Bekandten, wieder seinen Willen, die Zeche bezahlt zu haben, wovor er mich[479] zur Erkänntlichkeit auf Morgen in seine Behausung nöthigte, worinnen ich ihm denn zu willfahren versprach.

Mein Herr hat sich mitlerweile im Gasthofe höchlich über mein langes aussenbleiben verwundert, da ich aber halb berauscht nach Hause kam, und auff sein Befragen ihm die wahre Ursache erzehlet, war er sehr wohl zufrieden und sagte: Es ist gut mein Sohn, daß du mich an einer nöthigen Sache erinnerst, hier hastu zwey Ducaten, gehe Morgen hin zu dem Zimmer-Meister, und bitte denselben, daß er dir vor dieses Geld einen Gerichtlichen Geburths-Brief wegen deines ehrlichen herkommens verschaffe, denn ich bin gesonnen, dich ein Handwerck lernen zulassen, als worzu dergleichen Brieff höchst nöthig ist. Solle, sprach er ferner, dieses Geld nicht zureichen, so kanst du mehr fordern. Ich war von Hertzen erfreuet über dieses Anerbiethen, denn ich hatte in Wahrheit grössere Lust ein ehrlich Handwerck zu lernen, als ein Laqvey oder Pferde-Knecht zu werden, danckte derowegen meinem Herrn aufs verbindlichste, und gelobte an, mich in allem nach seinen Befehlen zu richten.

Es passirten nicht die geringsten Weitläufftigkeiten wegen meines Geburths-Brieffs, denn der Zimmer-Meister nahm mich folgenden Tages nur zu zwey oder drey Personen mit, auf welchen dergleichen Sachen zu beruhen pflegen, also wurde derselbe binnen 24. Stunden ausgefertiget, und meinem Herrn überliefert, welcher dem Zimmer-Meister noch einen Gulden Trinck-Geld gab, den Brieff selbst in seine Verwahrung nahm, und wenige[480] Tage hernach die fernere Reise fort setzte. Auf selbiger bekam ich weit vortrefflichere Oerter-als bißhero zu sehen, endlich aber blieben wir in Ulm hafften, um daselbst eine Zeitlang auszuruhen. Allhier fragte mich nun mein Herr ob ich bereit sey ein Handwerck anzutreten? Meine Antwort war: daß ich, in so ferne es ihm beliebig, gleich diese Stunde bereit darzu wäre. Was hastu dir, sprach er, vor ein Handwerck ausgesonnen? Noch keins, erklärte ich mich, sondern ich erwarte worzu mich Ew. Gn: bestimmt haben. Ich will, fragte er ferner, doch erstlich wissen worzu du am meisten Lust hast? derowegen sage deine Meynung nur ohne Scheu. Wenn es bey mir allein stünde, versetzte ich demnach, so wehlete ich das Zimmer-Handwerck, weil mein Vater ein Zimmermann gewesen ist. Hierüber fing mein Herr hertzlich an zu lachen und mir vorzustellen, warum ich so ein einfältiger Tropff sey und dergleichen beschwerliche und verdrüßliche Profession erwehlete, die ausserdem nicht das gantze Jahr hindurch gangbar sey, endlich sprach er: Höre mein Sohn, meine eigenthümlichen Güter die ich an den Böhmischen Eräntzen liegen habe, sind etwas weit von der Sadt abgelegen, derowegen macht es mir und den meinigen viel Verdruß, wenn etwa ein Schlüssel verlohren oder sonsten ein oder andere Schlösser-Arbeit nöthig ist, also hatte vors rathsamste, daß du das Schlösser Hand-Werck erwehlest, und dasselbe recht wohl erlernest, solchergestallt will ich dir dein gutes Auskommen biß in den Todt versprechen. In Wahrheit es schien mir diesen Augenblick das Schlösser-Handwerck[481] das allerangenehmste zu seyn, derowegen war so gleich bereit darzu, mein Herr ließ sich von dem Gast-Wirthe einen guten Schlösser zuweisen mit welchen er wegen des Lehr-Geldes und jährlich benöthigter Kleidung so gleich einig wurde, die Helffte von dem veraccordirten Geldern voraus bezahlete, mich aufdingen ließ und wenig Tage hernach fort reisete, mit dem Versprechen, in wenig Wochen wieder zu kommen und zu vernehmen, wie ich mich bey diesem Handwercke aufführete.

Mein Meister fand an mir einen Jungen, der recht nach seinem Kopffe und Wunsche war, denn weil er so wohl als seine gantze Familié sehr selten an das Beten, Singen, Kirchen-gehen und andere christliche Ubungen gedachte, so bekümmerte ich mich auch wenig oder gar nichts drum, u. verlernete so gar die schönen Gebete und Lieder, die ich vor diesen, um mein Brod damit heraus zu pressen, nicht aus Vorsorge meiner Eltern, sondern aus dringender Noth auswendig lernen müssen. Etwa ein halbes Jahr nach meinem Aufdingen kam mein Herr wieder nach Ulm, und vernahm von dem Meister mit grossen Vergnügen, daß ich mich ungewöhnlich wohl beym Handwercke gebrauchen liesse, und ein Ding nachzumachen nur ein oder zweymahlige Unterweisung bedürffte. Ich wuste dazumahl nicht wie es kam, daß mein Herr, der dieses mahl nur gantz allein auf der Post angekommen war, mit meinem Meister ungemein vertraut umzugehen anfieng, sich auch in dessen Hause mit einer gar schlecht ausgezierten Stube behalff und von der Meisterin, so gut als dieselbe konte, beköstigen ließ, da ich doch eine grosse[482] Katze voll Gold-Stücke, nebst einem noch grössern Sacke voll grob Silber-Geld in seinem Coffre liegen, und ihn selbiges zählen, gesehen hatte. Mein Meister arbeitete um selbige Zeit meistens um Mitternacht, wenn die andern Gesellen und Jungen im festen Schlaffe lagen, nebst mir an allerhand Arten ungewöhnlicher Schlüssel und andern, mir unbekandten Instrumenten, verboth mir aber aufs Leben, keinen Menschen hiervon etwas zu sagen, denn es wären sehr geheime künstliche Sachen, die mein Herr mit nach Frankreich nehmen wolte. Eben derselbe that dergleichen Verboth an mich, mit der Bedrohung, woferne er erfahren solte: daß ich von meines Meisters künstlicher Nacht-Arbeit nur ein einzig Wort ausgeplaudert hätte, er mich also fort nackend und bloßausziehen, zum Hencker jagen, und nimmermehr wieder in seine Gnade aufnehmen wolte. In der Gottlosigkeit hatte ich es damahliger Zeit schon so weit gebracht, ihm meiner beständigen Treue und Verschwiegenheit mit den allergrausamsten Flüchen und Schwüren zu versichern, weßwegen er biß auf fernern Bescheid zufrieden war, mich mit 6 gantzen Thalern beschenckte, und darbey ausdrücklich befahl, daß ich mir dann und wann an Son- und Fest-Tagen einen Rausch sauffen solte.

Nachdem also mein Herr fast einen gantzen Monat lang zu gegen gewesen, nahm er Abschied, unter dem Vorwande: eine Reise in Franckreich zu thun, und gegen die Zeit meines Loßsprechens schon wiederum in eigener Person nach Ulm zu kommen. Bey[483] meinem Meister hatte ich nach wie vor gute Zeit, und ausser den Arbeits-Stunden meine völlige Freyheit hinzugehen und zu machen was ich wolte. Da aber einige Wochen über mein erstes Lehr-Jahr verflossen waren, trat der Lehr-Meister eine Reise an, von welcher er noch biß auf diese Stunde zurück in sein Hauß kommen soll. Drey oder 4 Monat hernach machte sich die Frau auch aus dem Staube und überließ die Haußhaltung ihrer Schwester, welche sich von einem liederlichen Schlösser Gesellen schwängern lassen, der immittelst des Meisters Stelle vertreten solte, jedoch dermassen übel hausete, daß die andern Gesellen nebst einem Lehr-Jungen fort und zu andern Meistern giengen. Mit mir konte er sich noch etwas länger vertragen, jedoch da er eines Abends sehr besoffen nach Hause kam, und so wohl Frau als Magd und mich mit einem Stabe Eisen jämmerlich zerprügelte: verursachte dieses mir gantz ungewöhnliche Tractamant, daß ich gleich mit anbrechenden Tage ebenfals Abschied nahm, und mich zu dem Handwercks-Meister begab, welcher in Erwegung meiner Umstände, es gantz leicht dahin brachte, daß ich biß zur Wiederkunfft meines ersten Meisters, woran jedoch viele, aus wichtigen, mir damahls unbekandten Ursachen, zweiffeln wolten, zu einem andern Meister gebracht werden solte, um meine Lehr-Jahre vollends richtig auszustehen. Bey diesem andere Meister traff ich auch eine gantz andere Haußhaltungs-Verfassung an denn weil derselbe ein sehr frommer und GOttesfürchtiger Mann war, so hielt er auch sein Gesinde zum fleißigen Bethen, Singen und Kirchen-gehen[484] an, verhütete auch unter ihnen, so viel als möglich war, alles Vollsauffen und anderes liederliche Leben. Nachdem er mich im Christenthume examiniret, erstaunete der ehrliche Mann und weinete fast die bittersten Thränen über den jämmerlichen Zustand meiner Seelen, that auch dieserwegen solche Vorstellungen, daß mir die Haare zu Berge stunden, und mein Gewissen auf einmahl plötzlich rege gemacht wurde. So bald er dieses merckte, sprach er mir etwas gelinder zu, ermahnete mich nur zum fleißigen Beten und Kirchen-gehen im übrigen versprach er, wegen meiner fernern Unterweisung alle Anstallten zu machen.

Wenig Tage hernach nahm er einen geistlichen Studenten in sein Hauß, der nicht allein seine 4 Kinder informiren, sondern auch alle Morgen und Abends Beth-Stunde halten muste. Welcher von seinen Gesinde dergleichen nicht mit Andacht besuchen und abwarten wolte; durffte auch weder zur Arbeit noch zu Tische kommen. Ich vor meine Person hatte dem besten Vortheil darbey, denn vors erste erlangte ich nunmehro erstlich einen rechten Begriff vom Christenthum, vors andere war mein Meister so gütig, mir bey müßigen Stunden das Lesen, Schreiben und Rechnen umsonst lernen zu lassen, als wovor ich ihm noch in dieser Stunde nebst seiner Familié tausendfachen geist. und leibl. Seegen wünsche. Anbey versäumete ich aber im Hand-Wercke wenig Stunden, sondern hielt mich dermassen wohl, daß mein Meister vollkommen zufrieden war, es rückte zwar die Zeit meines Loßsprechens[485] allgemach herbey, allein es wolte sich so wenig mein Herr als der erste Meister wieder ein, stellen. Dem ohngeacht wurde mein frommer Lehr-Meister gar nicht verdrüßlich darüber, sondern ließ mich gehöriger Zeit zum Schlösser-Gesellen machen, jedoch mit dem Vorbehalt, daß ich ihm noch anderthalb Jahr um halbes Lohn dienen solte.

Ich konte zwar mich nicht genungsam verwundern, daß mein Herr seine Parole nicht besser hielte, da mir aber vorgestellet wurde, wie derselbe in frembden Ländern durch besondere Angelegenheiten gar leichtlich aufgehalten werden könte, gab ich mich zufrieden, erzeigete meinem Wohlthäter allen schuldigen Gehorsam, hatte auch hierbey nicht den geringsten Schaden, indem mich mein Meister in die andere Werckstadt setzte, allwo ich nicht allein das Stahl-und Eisen-Schneiden, sondern auch nebst diesen, andere künstliche Arbeit verfertigen lernete.

Demnach blieb ich an statt der anderthalb, gantzer drey Jahre, über meine Lehr-Zeit, bey dem Meister, sammlete auch binnen der Zeit über 40 thl. baar Geld, weil ich mich in keine liederlichen Compagnien eingelassen, sondern die müßigen Stunden auf das Schreiben, Rechnen u. Lesung guter Bücher gewendet, ausserdem aber eine solche christliche Lebens-Art angenommen hatte; wie mir solche nicht allein von meinem frommen Lehr-Meister, sondern auch von Gottseeligen Lehrern und Predigern angewiesen worden.

Nach Verlauff dieser Jahre rieth mir mein ehrlicher[486] Meister selbst, die Wanderschafft anzutreten, mich einige Zeit in der Frembde umzusehen, nachhero wieder zu ihm zu kommen, da er denn allenfalls nach Möglichkeit vor mein Glück sorgen wolte.

Ich will ihnen, meine Herrn, mit Erzehlung meines hin und wieder lauffens und anderer Begebenheiten, welche gemeiniglich den reisenden Handwerckss-Purschen vorzustossen pflegen, nicht verdrüßlich fallen, weilen solche wenig besonderes in sich halten, jedoch kan nicht unangemerckt lassen, daß ich etliche Jahr hernach meine Mutter ohnweit Dreßden in sehr erbärmlichen Zustande antraff. Denn der steltzbelnige Bösewicht hatte sie nicht allein durch tägliches prügeln endlich gantz krum und lahm gemacht, sondern hernach mahls gar mit 3 Kindern sitzen lassen. Sie erkante selbst, daß sie diese Straff-Gerichte gewissermassen mit ihrer unziemlichen Aufführung verdienet, gestund auch, daß sie von dem Bösewichte beredet worden, mich und meinen Bruder, als eine rechte Raben-Mutter, sitzen zu lassen, worüber sie nachhero tausend Thränen vergossen, zumahlen da ihr das letztere grausame Verfahren bey Qverfurth auf dem Jahrmarckte, nicht aus den Gedancken kommen, vielemehr das Hertze immer sagen wollen, ich hätte mich aus Verzweiffelung selbst ersäufft. Von meinem jüngsten Bruder konte sie mir ebenfalls Nachricht geben, daß derselbe sich in Leipzig bey einem vornehmen Manne als Laqvay in Diensten befände, wie und von wem derselbe erzogen worden, wuste sie aber nicht zu sagen, indem ihr böses Gewissen nicht zu gelassen hätte, sich ihm zu erkennen zu geben.[487]

Die bittern Thränen meiner leiblichen Mutter löscheten in einem Augenblicke das verhassete Angedencken ihres mir und meinem Bruder zugefügten Jammers aus, so daß ich mein halbes Vermögen an baaren Gelde an sie und mein Stieff-Geschwister wandte, indem ich 60 thl. baar Geld in ein Spital zahlete uñ nach Versprechung, hinfüre nebst meinem Bruder ein mehreres zu thun, die Versicherung erhielt, daß meine Mutter nicht allein biß an ihr Ende wohl verpflegt, sondern auch vor ihre drey Kinder gesorgt werden solte, dieselben, mit zunehmenden Jahren, bey gute Leute zu bringen.

Nachdem solches alles wohl bestellet war, reisete ich hurtig nach Leipzig und traff daselbst meinen Bruder in einer grauen Liberey mit gelben Aufschlägen an. Er war von Hertzen erfreuet, mich wieder zu sehen und eben so begierig die Histoire von meiner Auferziehung, als ich, die von der seinigen anzuhören. Solchergestallt berichtete er mich: wie er, nachdem auch ich ihn verlassen, um sein Brod zu verdienen erstlich die Gänse, hernach die Schweine hüten müssen, wäre aber jederzeit so unglücklich gewesen, daß ihm ein oder etliche Stück an der Zahl gefehlet, weßwegen ihn endlich die Leute fortgejagt hätten. Also muß er sich von neuen aufs Betteln legen, ist auch so glücklich in die Weltberühmte Stadt Leipzig zu kommen, allwo er seine Nahrung in der Leute Häusern sehr behutsam sucht, um den Feinden der Bettel Leute nicht in die Hände zu fallen. Eines Tages bettelt er in den, Hause sehr reicher und vornehmer Leute, indem aber das Gesinde wegen[488] vieler Geschäffte sich nich bemühen will ihm eine Gabe zu reichen, kömt ein kleiner Knabe, der meinem Bruder gern ein Almosen gegeben, wenn er nur Geld bey sich gehab hätte, wie er denn alle seine Schubsäcke aussucht, aber nichts finden können. Demnach laufft das Kind in die Stube, holet zwey silberne Löffel und heisset meinen Bruder damit fortgehen. Dieser gehet zwar in etwas auf die seite, biß der kleine Knabe von seiner, die Treppe herunter kommenden Mutter in die Stube gejagt ist, macht sich darauf an die vornehme Frau, überreicht derselben die von ihrem kleinen Sohne empfangenen Löffel und bittet sich davor etwas zu Essen aus, weil er wohl merckte, daß diese Gabe vor ihm zu kostbar wäre, und vielleicht Gefahr bringen könte.

Die vornehme Dame ziehet sich die Redlichkeit, und den Verstand meines Bruders dermassen zu Gemüthe, daß, nachdem sie diesen Streich ihrem Ehe-Herrn erzehlet, beyderseits Ehe-Leute die Güte haben, meinen damahls etwa 15 jährigen Bruder, zu ihren Bedienten auf zu nehmen, von Fuß auf neu kleiden, hiernächst im Lesen, Schreiben und Rechnen informiren zu lassen. Er war noch biß auf selbigen Tag in Diensten dieser vortrefflichen Leute, welche seine auf vielerley Art probirte Treue, alljährlich reichlich belohneten, und weil er ausserdem so glücklich gewesen, bey einer Lotterie über anderthalb hundert Thaler zu gewinnen, befand er sich in sehr guten Stande.

Nachdem ich ihm aber erzehlet, auf was vor Art ich unsere Mutter und Stief-Geschwister versorgt,[489] war dieser mein Bruder nicht allein so redlich mir 30 thl. baar Geld wieder zurück zu geben, sondern versprach auch, gleich nach geendigter Messe, eine Reise an den Ort ihres Auffenthalts zu thun und zu ihrer desto bessern Verpflegung fernere Anstallten zu machen. Wir blieben also über 14 Tage beysammen, binnen welcher Zeit ich der Herrschafft meines Bruders, meine Avanturen eigenmündig erzehlen, und davor ein Geschencke von 12 harten Thalern annehmen muste. Es fehlete mir an keiner Gelegenheit in Leipzig Arbeit zu bekommen, weil ich aber grosse Lust hatte die berühmtesten Städte in Böhmen und Schlesien zu besehen, nahm ich den Verlaß mit meinem Bruder ihm fleißig zu schreiben, nachhero aber Abschied und reisete meinem Vorsatze zu folgen fort. Es begegnete mir binnen zwey Jahren eben nichts besonders, nach der Zeit aber der allersonderbarste Streich. Denn als ich eines Tages in einer Römisch Catolischen Stadt in der Marter-Woche den Processionen zusahe, wurde ich von ohngefehr meinen ehemahligen Herrn unter der grossen Versammlung des Volcks gewahr, wuste aber anfänglich nicht ob ich meinen Augen trauen solte, biß mir endlich sein alter Reut-Knecht, Martin genannt, hinter ihm zu Gesichte kam. Ich verwandte kein Auge von beyden, biß ich sie als Leute, die einander gantz und gar nichts anzugehen schienen, in den besten Gasthof eintreten sahe, allwo sich gleich ein grün und weiß gekleideter Laqvay zum Dienst des Herrn præsentirte. Ich erkundigte mich so gleich bey vielen Leuten, wer dieser Herr sey, und erfuhr: daß er sich vor[490] einen Schwedischen Baron von Lilienfeld ausgäbe. In betrachtung daß, es seine alte Weise gewesen, bald diesen bald jenen Nahmen zu führen, verursachte mir dieses, daß er sich letztens in Ulm vor einen Herrn von Franckenstein ausgegeben, weniges Nachdencken, nahm aber Gelegenheit den alten Martin auf zu suchen und mit ihm in Geheim zu sprechen, auch denselben zu bitten, mich bey seinem Herrn zu melden. Martin erfreuete sich von Hertzen über meine Gegenwart, eröffnete von seinen und seines Herrn Zustande so viel, als er sich bey demselben zu veranworten getrauete, warnete mich aber in zeiten, gegen niemanden mercken zu lassen, daß er, nehmlich Martin, in des Baron Lielienfelds Diensten stünde, oder gestanden hätte, noch vielweniger solte ich von dessen voriger Lebens-Art etwas erzehlen, biß mir der Herr selbst mündlichen Unterricht gegeben hätte. Solchem nach kam ich bey spätem Abende zur Audience, der Herr Baron war gantz allein in seinem Zimmer, verschloß dasselbe gleich nach meinem Eintritte und empfieng mich nicht etwa als einen ehemaligen Bedienten oder Bettel-Jungen, sondern als seinen leiblichen Sohn oder Bruder. Ich wurde allerdings beschämt über dergleichen unerwartete Höflichkeit und Liebes-Bezeugungen, nachdem er mich aber ein grosses Glaß Mein aus zu trincken genöthiget, muste ich ihm erzehlen wie es mir seit seiner Abreise so wohl in Ulm als anderer Orten ergangen sey. Er stellete sich, da ich mit Reden fertig war, höchst vergnügt über mein gantzes Wesen an, erzehlete mir auch, wie er damahls auf seiner Rück-Reise aus Franckreich[491] von Hertzen gern wieder in Ulm bey mir seyn und mir aus der Lehre helffen wollen; allein er hätte ohnweit Ulm das Unglück gehabt einen Deutschen Cavalier im Duell zu erstechen, weßhalben er sich nach der Zeit vor der gantzen umliegenden Gegend hüten müssen. An meinen Meister hätte er zwar mehr als 12 Briefe abgesendet, jedoch da derselbe, wie er itzo von mir vernommen, darvon gelauffen, so wäre kein Wunder, daß er nicht die geringste Antwort darauf erhalten. Nach fernern weitläufftigen und biß in die späte Nacht gewährten Gesprechen fragte er mich kurtz, ob ich mir indessen, biß er sich auf seine Güter zur Ruhe begäbe, wolle gefallen lassen, bey ihm Laqvayen-Dienste anzunehmen, weil der Kerl, den er itzo bey sich hätte, nichts nützte, dieserwegen morgendes Tages seinen Lauf-Zettel haben solte. Ich erkandte mich schuldig demjenigen, der den ersten Grund-Stein zu meiner zeitlichen Wohlfahrt gelegt, alle Gefälligkeit zu erweisen, zumahlen da mir, meinen Gedancken nach, die sichere Rechnun machen konte; von ihm auf Lebens-Zeit wohl versorgt zu werden. Demnach wurde sein bißheriger Laqvay abgeschafft und ich bekam nebst der Charge, eine kostbar starck mit Silber bordirte Liberey, wöchentlich aber auf meine Person 2 thl. Zehrungs Geld und in Hoffnung 20 thl. Jahr-Lohn.

Mein Herr hielt sich bey nahe 3 Monat in selbiger Stadt auf, reisete zwar zuweilen auf etliche Tage mit leeren Coffre und Mantel-Sacke hinweg, kam aber gemeiniglich wohl bepackt zurücke, ausserdem sprachen fast wöchentlich verschiedene [492] Cavaliers in unseren Gast-Hoffe ein, mit welchen derselbe so gleich in Bekandschafft gerith und tapffer schmausete, worbey es vor meine Person keine geringen Accidentien setzte, allein ich hütete mich sonderlich vor dem überflüßigen Trincken und fuhrete überhaupt eine sehr stille Lebens-Art, so daß mein Herr, wenn er mich über dem Lesen der Bibel oder anderer Gottseeligen Bücher antraff, sehr spöttisch darüber wurde, und es endlich durch sein tägliches Raisoniren dahin brachte, daß ich mich ihm zu gefallen stellete, als ob mir die Lust zum beten und singen vergangen wäre, im gegentheil zeigete ich mich manchen Abend als eine besoffene Bestie, und bemerckte, daß er darüber eine gantz besondere Freude hatte. Indem aber mein Sinn zu der Zeit gantz anders als in vorigen Jahren war, und mich das Gewissen überzeugte, daß dergleichen Lebens-Art den nächsten Weg zur Höllen führete, denn ich täglich nichts als sauffen, schwermen, hurrn, spielen und dergleichen feine Tugenden ersahe, begunte es mir von Hertzen leyd zu werden, daß ich mich in dergleichen Laqvayen-Dienste begeben, ja ich schätzte es nun schon vor kein Glück und Vergnügen mehr, meinen Herrn so unverhofft angetroffen zu haben, sondern hätte lieber gesehen, wenn ich bey einem guten Meister in der Werckstadt arbeiten dürffen und können. Jedoch mein Verdruß verwandelte sich nach und nach in eine grosse Hertzens-Bangigkeit, als ich aus gewissen Umständen immer mehr und mehr abnehmen konte, daß mein Herr nichts weniger als eine vornehme Standes-Person, sondern einer[493] der allerärgsten Spitz-Buben, wo nicht gar das Ober-Haupt einer solchen Bande seyn müsse. Da aber endlich derselbe eines Abends, mir dieses bißherige Geheimniß, mit seinen eigenen Munde eröffnete, und im sichern Vertrauen auf meine Treue und Verschwiegenheit, die stärcksten Bewegungs-Gründe brauchte, meine sehr nützliche Person in die Diebs- und Spitz-Buben-Zunff einzuverleiben; wurde ich dermassen verwirret, daß mir unmöglich war ein eintziges Wort auf zu bringen, sondern ich zitterte an allen Gliedern dergestallt, daß ich nicht mehr auf den Füssen stehen, sondern mich niedersetzen muste. Mein Herr wurde dieserwegen von rasender Wuth dergestallt eingenommen, daß er Augenblicklich seinen Hirsch-Fänger entblössete, mich bey den Haaren ergriff, und, indem er mir die Spitze auf die Brust setzte, sprach: Canaille! bette ein Vater unser in der Stille und gib nicht den geringsten Laut von dir, denn du must sterben; weil ich mercke, daß du eher ein Verräther und Schelm an mir werden, als dich meines Glücks theilhafftig zu machen und mir gefällig zu leben trachten wirst. Ich fieng, so viel ich mich besinnen kan, gleich an meine Seele in GOTTES Hand zu befehlen, und ein andächtiges Vater Unser zu beten, sanck aber mitlerweile ohnmächtig zu Boden, weiß auch nicht was man mit mir vorgehabt hat; biß endlich um Mitternachts-Zeit mein Verstand wieder kam, indem ich auf meines Herrn Bette lag und so wohl von meinem Herrn selbst, als dem Reut-Knecht Martin mit starcken Wassern bestrichen wurde.[494]

So bald mich der erstere wiederum ziemlich bey Kräfften zu seyn vermerckte, sprach er: Peter! sey kein Narre, was ich dir zu Leyde gethan habe, ist in Trunckenheit und zum Schrecken geschehen, ich mercke, daß du ein Kerl bist, der wenig Courage hat, jedoch dieselbe soll sich finden, folge nur mir, denn ich habe es seit etlichen Jahren her besser, als ein leiblicher Vater mit dir gemeinet, es kömmt nur darauf an, daß du mir etwa noch zwey oder drey Streiche vollbringen hilffst, hernach wollen wir ohnfehlbar so viel beysammen haben, Zeit Lebens vollkommen vergnügt zu leben, denn ich schwere, so bald mir nur noch dieses gelungen, daß ich mich von Stund an in ein frembdes Land zur Ruhe begeben, und hernach biß an mein Ende ein stilles Leben führen will, zumahlen da ich schon über 12000. Thlr. an Gelde und Kostbarkeiten besitze. Gnädiger Herr, gab ich zur Antwort, ihr seyd etwas grausam mit mir umgegangen, da euch doch bewust, wie ich alle Augenblicke bereit bin, mein Leben vor und bey euch zu lassen, in andern Dingen bin ich freylich etwas feige und zaghafft, allein, was kan denn ich davor, daß ich niemahls zur Tapfferkeit angeführet worden, mit euch, und wo ihr darbey seyd, will ich alles wagen, was nur ein Mensch sich unterstehen kan, ich wolte, auf euren Befehl, einem das Hertze aus dem Leide reissen, aber vor mich allein etwas zu thun, schätzte ich mich zu einfältig und zaghafft, nehmet mich derowegen nur erstlich mit, und zeiget mir, wie ich mich verhalten soll, so werdet ihr bald erfahren, daß euer Peter kein Schaafs-Kopff ist.[495]

Durch diese Reden ließ sich mein Herr dermassen zum Mitleyden bewegen, daß er mich hertzlich umarmete, er selbst schenckte mir ein Glaß über das andere vom allerbesten Weine ein, gab mir anbey etliche Stücke vom Hertz-stärckenden Confecte, kurtz! mein Herr, Martin und ich lebten die gantze Nacht hindurch dergestalt lustig und brüderlich zusammen, daß wir mit anbrechenden Tage so voll als die Bestien waren. Nachdem der Rausch ausgeschlaffen war, fiengen wir aufs neue an, mit dreyen, mittlerzeit angekommenen andern Ertz-Dieben, zu fressen und zu sauffen, jedoch in aller Stille, so, daß weder der Wirth noch jemand anders wahrnahm, daß Herrn und Knechte in so genauer Freundschafft und ohne alle Ceremonien lebten. Es erzehlete, so bald die Nasen begossen waren, ein jeder seine hier und dort erwiesenen Helden-Thaten und klugen Streiche, die er seit vielen Jahren erwiesen hatte, und es würde keine geringe Erstaunung verursachen, wenn ich dasjenige, was mir annoch davon in Gedancken schwebt, voritzo mit erwehnen wolte, allein, solches mag biß auf eine andere Zeit versparet bleiben, weil es allzu viele Ausschweiffung in meiner eigenen Geschichte machen möchte, derowegen will nur sagen: daß mein Herr, wegen seiner ausgeführten recht seltsamen unzähligen Händel, den besten Preiß darvon trug, unter welches Erzehlung ich angemerckt, daß er grausame Vergifftungen und andere Mordthaten theils angestifftet, theils selbst begangen, und durch subtile und grobe Diebstähle ein grosses Gut erbeutet hätte. Ich armer Schelm war von ihm nicht etwa aus einer[496] besondern Barmhertzigkeit aufgenommen, und zum Schlosser-Handwercke befördert worden, sondern eintzig und allein aus der Ursache, damit er einen Leib-eigenen Schlösser haben möchte, der ihm, so offt es von nöthen, allerley, vorhero in Wachs abgedruckte, Schlüssel und andere Diebs-Instrumenta verfertigen könte. Meinen ersten Meister hatte er seit vielen Jahren zu dergleichen künstlicher Arbeit gebraucht, ohngeacht er sich damahls in Ulm anfänglich gestellt, als ob er ihn erstlich kennen gelernet. Der arme Schelm hatte sich auch belieben lassen, meinem Herrn in das Elsaßische Gebiethe zu folgen, um daselbst durch verwegene Diebs-Streiche auf einmahl reich und glücklich zu werden; allein der gute Schlucker war gleich in dem ersten Lehr-Jahre gefangen und auf gehenckt worden, und hatte noch darzu meinem Herrn sein bestes Spiel verdorben, so, daß sich derselbe über Haltz und Kopff auf- und in ein ander Land machen müssen.

Die Haare stunden mir bey Anhörung aller dieser entsetzlichen Streiche zu Berge, jedoch da ich bey der allergeringsten Bezeugung eines Ibscheues, den schmertzlichsten Todt befürchten muste, stellete ich mich dermassen dreuste und begierig zu diesem saubern Handwercke an, daß mein Herr binnen wenig Tagen nicht allein ein vollkommen gutes Concept von mir fassete, sondern auch sein gantzes Hertze gegen mich ausschüttete, und meine Person zu seinem vertrautesten Freunde machte.

Solchergestalt brachte ich nicht allein sein gantzes Vorhaben, sondern auch die Nahmen und den Auffenthalt aller seiner Mit-Brüder in Erfahrung,[497] erstaunete aber ziemlich darüber: daß sich in dieser Stadt, welche doch keine von den allergrösten war, eine Compagnie von 17. wohl exercirten Haupt-Dieben aufhielt, die theils in Cavalliers-Kleidern, theils in ehrbarer Bürger oder anderer Tracht, bald in diesem, bald in jenem Wirths-Hause meinem Herrn ihre Aufwartung machten, ihren Bericht abstatteten, und fernerweitige Ordre holeten.

So lange man mich nicht anstrengete, mit auf die Rauberey auszugehen, ließ ich alles gehen wie es gieng, bemerckte jedoch inzwischen, daß mein Herr starcke Einkünffte von seinen Untergebenen zu geniessen hatte, welche ihn nicht eher zu beunruhigen pflegten, als wenn ein schweres und gantz sehr profitables-Werck obhanden war.

Indem sie aber einen gewissen Einnehmer des Orts, der ohngefehr 16. biß 18. tausend Thlr. baar Geld im Vorrathe liegen hatte, nicht allein selbiges hinweg nehmen, sondern auch allenfalls Mord und Todtschlag auszuüben, alle Anstalten machten, und mich so wohl bey dem ersten Angriffe, als vornehmlich die Schlösser und Thüren hurtig aufzumachen, gebrauchen wolten, fiel mir auf einmahl aller Muth, zumahlen da dieser Haupt-Diebstahl in kurtzen, nehmlich gleich in der zweyten Nacht, vor sich gehen solte. Ich wuste gewiß, daß mein Leben an einem seidenen Faden hienge, wenn ich von meiner Bangigkeit etwas mercken liesse, oder die geringste Miene machte, mich den Vorschlägen meines Herrn zu widersetzen, derowegen stellete mich an als ein begieriger Löwe, und brachte in meines Herrn Stube einen gantzen Tag mit[498] nichts anders hin, als die künstlichsten lnstrumenta und Brech-Eisen zu Aufmachung aller Schösser und Thüren zu verfertigen.

Mein Herr sprach zu mir: Mein Peter, halte dich auf morgende Nacht wohl, ich versichere, daß zum wenigsten auf deinen Theil 6. biß 800. Thlr. fallen. Herr! sprach ich, und wenn ich nur Ein- oder 200. Thlr. zu bekommen weiß, so will ich mir kein Bedencken nehmen, alle diejenigen, so mir entgegen kom men, mit diesem lnstrumente, (welches ein dreyzackiges Brech Eisen war) mit einem eintzigen Schlage in die andere Welt zu schicken. So recht! sprach er, du bist nach meinem Sinne. Ach, daß ich dich nicht schon seit 10. Jahren bey mir gehabt habe, wir wolten gewiß um 20000. Thlr. oder etwas weniger reicher seyn, denn der Himmel hat mich immer mit dergleichen Kerlen belästiget, die zwar viel Courage im Maule, aber desto weniger im Hertzen gehabt haben, bey dir aber mein Peter, mercke ich nunmehro mehr Courage im Hertzen als im Maule.

Es muß sich ohnfehlbar wunderlich schicken, ja ich glaube vielmehr, der Allmächtige GOtt muß einen Menschen sonderlich verblenden, wenn er ihn reif zur Straffe befindet, denn mein Herr, der doch sonsten der Ausbund eines erfahrnen und klugen Menschen zu seyn schien, hätte mich nur ein klein wenig genauer betrachten dürffen, so würde er in meinen Augen und zerrütteten Gebärden, alle Merckmahle der Angst, Furcht, wenigstens der Verstellung erblicket haben, allein, wie gesagt, seine[499] Augen wurden ohnfehlbar gehalten, derowegen blieb ich sein vertrautester Peter. Zu mehreren Beweiß, daß GOtt seinen bißherigen Mord- und Diebs-Streichen einmahl Einhalt thun wolte, muste er auf die Gedancken gerathen, mich Tages vorhero, ehe der grausame Diebstahl geschehen solte, zum Stadt-Richter zu senden, um vor ihm und mich einen Reise-Paß nach Wien auszulösen, als worzu er mir zwey spec. Ducaten mitgab. Indem ich hingieng, mein befohlenes Geschäffte auszurichten, war noch nichts weniger in meinen Gedancken als die gantze Karte zu verrathen, sondern ich hatte mir vorgenommen, gegen Abend, vorsichtiger weise die Treppe herunter zu purtzeln, und mich zu stellen, als ob ich sehr beschädigt, also untüchtig wäre, mit auf Parthie auszugehen, nachdem ich aber bey dem Stadt-Richter meines Herrn Compliment angebracht, die Reise-Pässe erhalten, und ihm darvor die 2. spec. Ducaten dargelegt hatte, sprach dieser ehrliche Mann: Ach mein Freund, nehmet in GOttes Nahmen euer Geld zukücke, ich verlange nichts, und wünschte von Hertzen, daß ich eurem Herrn diesen Dienst schon vor etlichen Wochen leisten können, wo es anders sein Ernst ist, von hier abzureisen. Ich stutzte ziemlich über dergleichen Redens-Art, da aber vermerckte: daß dieser Mann ohnedem kein gut Concept von meines Herrn Lebens-Art gefasset hatte, brach ich auf einmahl loß, und sagte: Woferne ich mich auf seine augenscheinliche Redlichkeit verlassen dürffte, so, daß mir, als einem ehrlichen Handwercks-Purschen, der[500] ob er gleich itzo Laqveyen-Kleider anhätte, dennoch lieber auf seiner Profession arbeiten, als Herren dienen wolte, kein unschuldiger Tort angethan würde, ich im Stande sey, ihm ein solches Geheimniß zu offenbahren, wodurch vielleicht einem grausamen Ubel vorgebauet werden könte. Solchergestalt sahe mich der Stadt-Richter etwas eigentlicher an, bath aber mich, ihm auf seine geheime Stube zu folgen. Daselbst fieng er so gleich also zu reden an: Mein Freund, ich mercke, daß ihr ein redlich Hertze im Leibe habt, scheuet euch derowegen nicht, mir alles zu vertrauen, was so wohl eure Person als andere gefährliche Sachen betrifft, und glaubet, daß ich nebst meiner Haabe und Gütern, auch mein Leib und Leben, ja meinen Theil, den ich an der ewigen Seeligkeit dermahleins zu haben verhoffe, zum Pfande setze, wenn ich nicht alle Mittel vorkehre, euch in allen Schadloß zu halten, ihr möchtet auch die allergrösten Verbrechen begangen haben, denn mein Hertze sagt mir im Voraus, daß ihr den hiesigen Löbl. Stadt-Gerichten ein solches Licht anzünden könnet, welches wir längstens vergeblich gesucht haben.

Hierauf brach ich loß, erwiese erstlich meine Unschuld durch kurtze Erzehlung meines Lebens-Lauffs, nachhero aber eröffnete der Länge nach, alles, was mir von meines Herrn Wesen und itzigen Vorhaben wissend war, worüber der Stadt-Richter zwar ziemlich erstaunete, jedoch sich bald zu fassen und Mittel zu ersinnen wuste, die frechen Diebe gantz artig in die Falle lauffen zu lassen. Immittelst befahl[501] er mir, nur wieder zu meinem Herrn zu gehen, und, um ihn keinen Verdacht zu erwecken, lustig und gutes Muths zu seyn, daferne ich aber in zukünfftiger Nacht ja allenfalls mit auf Parthie ausgehen müste, solte ich nur ein weiß Schnupff-Tuch um den rechten Arm binden, damit mir so dann die plötzlich heraus brechende Schaar-Wache nicht etwa Leydes zufügen möchte. Ich nahm alles wohl in acht, und verfügte mich aufs eiligste zu meinem Herrn, der meines langen Aussenbleibens wegen schon allerhand Gedancken gehabt hatte, und sehr scharff nach des Stadt-Richters Aufführung forschete, allein ich berichtete, daß derselbe ausser dem weitläufftigen Complimenten, welche er mir an Ihro Gn. zu machen befohlen, wenig oder gar nichts anders geredet, doch wäre er anfänglich nicht gleich zu Hause gewesen, weßwegen ich in dem Bier-Hause gegen über, auf ihn gewartet hätte. Er war also zu frieden, befahl mir noch, die Extra-Post zu bestellen, welche früh um 2. Uhr absolut parat stehen müste, und da auch dieses geschehen, wurde die übrige Zeit biß in die späte Nacht, theils mit Einpacken, theils mit Verabredung unseres mächtigen Vorhabens hingebracht. Schon um 11. Uhr brachten die von meinem Herrn ausgestelleten Spions die Nachricht ein, daß bereits seit 9. Uhren, in des Einnehmers Hause alles ruhig und stille, auch zu noch besserer Anzeigung eines guten Glücks, nicht das geringste Licht zu sehen wäre, welches doch sonsten in der Eck-Stube die gantze Nacht hindurch zu brennen pflegte, vor[502] dießmahl aber ohngefähr ausgegangen seyn müsse. Dem ohngeacht befahl mein Herr, noch so lange gute Schildwacht zu halten, biß der Seiger zwey Viertel auf 1. Uhr schlüge, um welche Zeit er sich nebst mir bey dem Hinter-Gebäude des Einnehmers einfinden wolte, um daselbst, als an dem beqvemsten Orte, einzubrechen, und so dann in aller Stille die vordersten Hauß-Thüren zu eröffnen, oder sich nach andern Retiraden umzusehen.

Kurtz von der Sache zu reden, unser Vorhaben schien nach Wunsch von statten zu gehen, indem wir in aller Stille nicht allein das Hinter-Gebäude durchbrachen, sondern auch alle Thüren im Hause ohne das geringste Getöse eröffneten, worbey ich mir mit Fleiß einen Riß in die rechte Hand gab, daß das Geblüte häuffig hervor quall, mithin desto bessere Ursache hatte, eine grosse weisse Serviette so wohl um die Hand als um den Arm zu binden. Es waren unserer 13. bemühet, die letzte Thür zu der Cammer, worinnen der Einnehmer mit dem Gelde anzutreffen seyn solte, vollends aufzubrechen, erreichten auch nach vieler Bemühung unsern Zweck. Allein, indem die Thür völlig aufgethan wurde, geschahe nicht allein in der Cammer ein Pistolen-Schuß, sondern es zeigten sich auch bey dem Bette des Einnehmers 12. Geharnischte-Männer, die entsetzlich grosse Säbels an der rechten Hand hangen, ihre Büchsen aber im Anschlage liegen hatten. Ich war, ohngeacht meines guten Gewissens, dennoch fast halb todt bey diesem Anblicke, hörete aber aus der Cammer eine[503] Stimme ruffen: Ihr ungebethenen Herrn Gäste, gebt euch gefangen oder sterbet! Bey so gestallten Sachen hielt ich nicht vor rathsam, lange Stand zu halten, sahe mich derowegen nach dem Rückwege um, wurde aber auf der Treppe von zweyen Knechten, ohngeacht meines weissen Arm-Bandes, bey der Kähle genommen, und gantz stillschweigend in einem finstern Keller gestossen, aus welchen über 24. Mann wohl bewaffneter Bürger herauf stiegen. Solchergestalt sahe ich weiter nichts, hörete aber unter einem starcken Tumulte etliche Schüsse, und habe hernach erfahren, daß mein, biß dahin gewesener Herr, als er gesehen, daß unmöglich zu entkommen sey, sein Terzerol hervor gezogen, und damit Feuer auf den Einnehmer gegeben, indem er aber fehl geschossen, treffen ihn die Geharnischten mit drey Kugeln desto gewisser, so, daß er augenblicklich todt darnieder fällt, die übrigen 11. Cameraden, werden nach allerstärckster Gegenwehr, so wohl als zwey andere, die auf der Strasse Schildwacht gestanden hatten, gefangen und gebunden, ich aber wurde, so bald der Tumult vorbey, noch vor Tages Anbruch aus dem finstern Keller hervor gelanget, in des Stadt-Richters Behausung geführet, und daselbst aufs allerbeste verpflegt.

Ich will mich mit dem Bericht, wie es denen auf frischer Fahrt ertappten Ertz-Dieben ferner ergangen, voritzo nicht aufhalten, zumahlen ich ohnedem selbiges erstlich nach einiger Zeit bald so, bald anders erzehlen hören, denn nachdem meine wohlbedächtige Aussage binnen 4. Wochen von Tage zu[504] Tage nieder geschrieben worden, brauchten mich die Gerichts Herrn zu keinem ferneren Beweise, sondern liessen mich endlich mit einem Geschencke von 500. Thalern hinreisen wohin ich wolte, jedoch bath mich der ehrliche Stadt-Richter, ihm dann und wann von meinem Auffenthalte Nachricht zu geben, welches ich auch nachhero zweymahl aus Stettin und Rostock gethan, allein, keine Antwort erhalten habe, ohngeacht mein Auffenthalt an beyden Orten über 2. Jahr lang gewesen. Endlich resolvirte ich mich, wieder zurück in mein Vater-Land zu reisen, war auch schon würcklich biß Berlin gekommen, jedoch weil ich daselbst einen verfluchten Ertz-Dieb erblickte, der mit meinem Herrn in sehr genauer Freundschafft gestanden hatte, werckte ich so gleich, daß diese Rotte noch nicht gantz ausgerorter wäre, befürchtete also leichtlich erkandt, und als ein Diebs-Verräther von diesen rachgierigen Mord-Gesellen ermordet zu werden. Demnach nahm ich aufs eiligste die geschwinde Post über Braunschweig nach Holland zu, und weil mir dem ohngeacht immer zu Muthe war, als ob ich von Mördern verfolgt würde, erwehlete ich endlich eine Reise zu Schiffe zu wagen, etliche Jahr aussen zu bleiben, und mit der Zeit, wenn GOtt Leben und Gesundheit verliehe, mein Vaterland wieder zu suchen, weiln doch vermuthlich binnen der Zeit diese Mörder- und Diebs-Bande entweder würde abgethan oder zerstreuet werden. Allein, der Himmel hat durch seine glückliche Führung zu dem Herrn Wolffgang, mich nunmehro auf dieser Insul[505] in eine solche vergnügte Sicherheit gesetzt, daß ich mein Vaterland sehr wohl entrathen kan, weßwegen ich nicht unterlassen werde, nach Möglichkeit, mich gegen GOTT, den Herrn Wolffgang und alle hiesige getreue Freunde, Zeit-Lebens dergestalt danckbar und erkänntlich zu erzeigen, als es meine Schuldigkeit erfordert.


Und also endigte der ehrliche Gevatter, Freund und Schwager, Peter Morgenthal, die Erzehlung seiner Lebens-Geschicht, als vor welche wir ihm so wohl als vor alle andere erwiesene Gefälligkeit vielen Danck sagten, und uns sämmtlich zurück in unsere verschiedenen Wohnungen begaben.


Not. Hier hat Mons. Eberhard Julius, der Ordnung gemäß, die Lebens-Geschichte der übrigen letzt mit angelangeten Europäer, nehmlich des Pappier-Müllers Kleemanns, des Tuchmachers Wetterlings, des Böttchers Garbens, und des Töpffers Schreiners mit eingeflochten, weiln ich Gisander aber befürchte, daß, wenn ich selbige gleichfalls beybrächte, vielleicht dieser andere Theil des Wercks, den Ersten um viele Bogen übertreffen dürffte, so will die Erzehlungen besagter Avanturiers entweder, wo Platz vorhanden, zum Anhange, oder biß in den ohnfehlbar bald folgenden dritten Theil versparen, indessen, den proprio ausu begangeñen Fehler, (wo es anders ein Fehler zu nennen) feyerlichst depreciren, die Haupt-Sache aber selbst-erwehlter Ordnung nach also fortsetzen:
[506]

Am 13. Octobr passirte in Stephans-Raum ein erbärmlicher Streich, indem sich ein 6. jähriger artiger Knabe allzu weit in das Fluth-Bette der Mühle wagte, dahero schnell fortgeführet, und von dem Mühl-Rade dermassen starck gegen die gleich über liegenden Steine geworffen wurde, daß man ihn von der Stelle mit zerschmetterten Kopffe, todt aufgehoben.

Den 7. Nov. stürtzte sich eine entsetzlich-grosse Felsen-Spitze zwischen Osten und Süden mit grausamen Krachen in die See. Es verursachte dieses ein sehr grosses Schrecken auf der gantzen Insul, jedoch, nachdem wir Jüngern, solches in Augenschein genommen, und dem Alt-Vater Rapport abgestattet hatten, sagte derselbe, daß er diesen Absall schon seit etliche 20. Jahren vermuthet, indem sich diese Spitze immer nach und nach tieffer geneigt hätte.

Den 22. Novemb. wurde in Christians-Raum ein Knabe von einem Füllen darnieder gerennet, sehr zertreten, und am Schenckel starck verwundet, so, daß man an dessen Aufkommen zweiffelte, jedoch Mons. Kramer hat denselben binnen kurtzer Zeit wiederum völlig gesund hergestellet.

Die See ist in diesem Früh-Jahre dermassen aufgeschwollen gewesen, daß wir sehr selten, kaum 50. Schritt lang auf dem Sande vom Felsen hingehen können. Hergegen haben wir bey der Gelegenheit eine grosse Menge von Austern, Muscheln, Fischen und Meer-Thieren eingefangen.[507]

Andere geringe Veranderungen, die sich noch in diesem 1727ten Jahre zugetragen haben, will beliebter Kürtze wegen nicht berühren, jedoch befinde mich schuldig, ein abermahliges Verzeichniß der copulirten, gebohrnen, confirmirten und begrabenen, vermittelst nachstehender Tabelle, darzulegen:


Peter Morgenthals Lebens-Geschicht

Solchem nach sind die Felsenburgischen Bewohner in ob erwehnten Jahre vermehret worden um 28. Personen als 17. Männliches und 11. Weibliches Geschlechts.

Mithin wurde das neue 1728. Jahr mit vollem Seegen und Vergnügen angetreten, der GOttes-Dienst vor allen andern Dingen wohl abgewartet,[508] im übrigen aber alle andere erlaubte Christliche Freuden-Bezeugungen und Lustbarkeiten, so, wie im vorigen Jahre, ja noch viel ordentlicher angestellet, von welchen ich aber voritzo keine verdrüßliche Wiederholung anstellen, sondern von etwas merckwürdigern Sachen schreiben will.

Unser Böttcher Melchior Garbe hatte binnen etlichen Wochen nebst verschiedenen Gehülffen, 4. ordentliche Wagens mit Rädern und allen Zubehör, so, wie dieselben in Deutschland gesehen werden, verfertiget, welche, bey der, dieses Jahr ungemein gesegneten Erndte, treffliche Dienste thaten, indem Herr Wolffgang und Mons. Kramer die tüchtigsten Pferde darzu hergaben, und bald diesen bald jenen Pflantz-Stätten die Früchte einführen liessen, solchergestalt hatten nun nicht allein die Menschen, sondern auch die armen Affen, welche bißanhero nebst den wenigen zahm-gemachten Hirschen, dergleichen Emfuhre verrichten müssen, eine grosse Erleichterung zu spüren.

Die wilden Affen waren hingegen durch bißheriges tägliches Verfolgen sehr vermindert, und die übrigen wenigen dergestalt in die Enge getrieben worden, daß man, und zwar nur in den alleräusersten und wilden Oertern der Insul, sehr selten ein paar oder etliche beysammen fand. Ich habe bey den Merckwürdigkeiten des vorigen Jahres zu melden vergessen: daß diese wilden zornigen Bestien einen von den Roberts-Raumer jungen zahmen Affen, der sich allein etwas zu weit ins Geholtze gewagt, schändlich zerfleischt, und die Stücken auf dem Fuß-Stege hin, biß nahe an die Pflantz-Stadt Roberts-Raum[509] ausgestreuet hatten, welches ein starckes Merckmahl war, daß sie unserer zahmen Hauß-Affen geschworne Feinde gewesen. Jedoch wir hatten dieses letztern wegen noch viel deutlichere Wahrzeichen, welche ich doch beliebter Kürtze wegen übergehe.

Die Weinlese war in diesem Jahre nicht weniger Segenreich, als die Geträyde Erndte, weil sich sonderlich die letzt angekommenen Europäer sehr bemühet hatten, die Weinberge zu verbessern, und weiter auszubreiten, ingleichen geriethen die Cocos-Nüsse und andere vortrefflichen Früchte, dermahlen in ungemeiner Menge, fast ausserordentlich wohl und köstlich, so daß es aller Orten alle Hände voll zu thun gab, eine jede Sache zu ihren Nutzen zuzurichten, und gehöriges Orts zu verwahren. Von immer besserer Einrichtung unserer Schulen, Künstler und Handwercks- Leute, ingleichen von ein und andern Bau-Sachen annoch zu reden, halte ebenfalls vor überflüssig und unnöthig, weil die Haupt-Stücke schon oben, meines Erachtens, ziemlich deutlich vorgestellet habe, derowegen will nur einige Denck würdigkeiten des 1728ten Jahres nebst andern Sachen vortragen, die obgleich nicht alle von sonderbarer Wichtigkeit sind, jedoch vielleicht diesem oder jenem Leser nicht so gar verdrüßlich fallen werden.

In spätester Herbst-Zeit wurden fast die meisten Einwohner der Insul eines Abends in besonderes Schrecken gesetzt, denn wie ich theils selbst gesehen, theils aus dem Berichte dererjenigen, welche auf dem Nord-Felsen die Wacht gehabt, vernommen,[510] kam anfänglich zwischen West und Nord eine dicke blaß-feuerige Pyramide aus der See am Himmel herauf gestiegen, welche sich zumahlen an denjenigen Stellen, wo etwas dicke Wolcken waren, recht gräßlich ansehen ließ. Bald kamen sehr viele Strahlen oder Pfeile, auf die Art, wie die Donner-Pfeile gemahlet zu werden pflegen, heraus geschossen, bald aber sprungen einzelne groß und kleine helleuchtende Funcken heraus, dergleichen man in den Feuer-Eßen der Schmiede siehet. Binnen einer Stunde verlohr sich die Pyramiden-Gestalt, hergegen zohe sich eine Streiffe, die ohngefähr 5. oder 6. mahl breiter, als ein gewöhnlicher Regenbogen zu seyn schien, erstlich gantz biß an den Polar-Stern hinauf, zertheilete sich so dann der Länge nach in etliche schmählere Streiffen, die da ingesa t gegen Osten zu, wieder biß in die See reichten, und sich gantz wunderbar unter einander verzogen. Hierbey sahe man unter diesen lichten Streiffen ein öfteres Zucken, ungewöhnliches Blitzen, und Flimmern, welches aber doch nicht also in die Augen fiel, als ein ordentliches Wetterleuchten und Blitzen, so vor dem Donner herzugehen pfleget. Um Mitternachts-Zeit erhub sich ein mittelmäßiger Wind, der die Streiffen aus ein ander trieb, an deren Stelle sich fast am gantzen Himmel sehr wunderbare Figuren zeigten, die aber nicht gar lange in einerley Stellung blieben, worbey das Zucken, Flimmern oder Blitzen beständig fort dauerte, je näher aber der Tag heran ruckte, je blasser begunten die feurigen Strahlen und andere Figuren zu werden, biß endlich mit anbrechenden Tage das gantze Gesichte verschwand.[511]

Wie ich bereits oben gemeldet, waren nicht allein die aller meisten Einwohner hierüber hefftig erschrecken, so daß auch fast kein eintziger Mensch an das Schlaffen gedacht, sondern das Ende abgewartet hat, sondern es wurde auch davor gehalten, daß dieses Feuerzeichen eine vorher Verkündigung gantz besonderer Zufälle seyn müsse; allein da Herr M. Schmelzer, Mons. Litzberg, Herr Wolffgang nebst dem Alt-Vater, und andern, die sich von der Physic einen rechten Begriff machen konten, die Sache weiter überlegten; und darinnen einig wurden, daß dieses Wunder vor ein starckes Meteoron oder Nord-Licht zu achten sey, Herr Mag. Schmelzer auch nächst darauf folgenden Sonntage Nachmittags einen erbaulichen Sermon darüber gehalten, und die Wunder GOttes, welche er in die Natur gelegt, anbey die vernünfftigen Ursachen solcher Feuerzeichen angezeigt hatte, verwandelte sich der meiste Theil des Schreckens bey allen in eine Gottesfürchtige Bewunderung, so daß wir dergleichen Meteora, welche sich nachhero noch etliche mahl, wiewohl nicht gar so sehr fürchterlich zeigten, sämtlich mit mehrerer Gelassenheit betrachteten.


Mons. Eberhard Julius hat bey dieser Passage einen gar feinen und gelehrten Discours, den die Felsenburgischen Herrn Naturkündiger dieses Meteori wegen gehalten, beygebracht, weil aber derselbe gar zu weitläufftig, über dieses seit wenig Jahren fast aller Orten verschiedene Observationes und Abhandlungen von solcher Materie, in deutscher, Lateinischer und andern Sprachen gedruckt zum Vorscheine[512] gekommen sind, so daß fast ein jeder gemeiner Mann in Deutschland ziemlich wohl darvon zu raisoniren weiß, als habe mich unterstanden, selbigen aussen zu lassen.*


Am 15. May kam in Alberts-Raum durch Verwahrlosung eines kleinen 4. jährigen Mägdleins, welches in Abwesenheit der Eltern einen glüenden Feuer-Brand zu nahe an den gedörrten Flachs getragen, ein Hauß dergestalt geschwind in Brand, daß, ohngeacht aller angewandten Arbeit, keine Rettung zu thun war, sondern dasselbe, nebst Scheunen und Ställen zum Aschen-Hauffen werden muste, jedoch, ausser dem am allermeisten Haußgeräthe dieser guten Leute, war nichts beklagenswürdiger, als ein junges Rind, und 13. Stück Hüner, welche, weil man in der Angst nicht an dieselben gedacht, mit verbrandt waren.

Die klare Wahrheit zu sagen, so war uns allen an diesen jungen Stück Rind-Vieh, und den Hünern dermassen viel, ja weit mehr gelegen, als an einem gantzen Hause und allen darzu bęnöthigten Hauß-Rathe, denn dergleichen Hauß war bey so redlicher Handreichung, binnen kurtzer Zeit wieder aufgebauet, der Hauß-Rath aber konte in einem eintzigen Tage, ohne jemands Schaden, zehnfach, ja was sage ich: hundertfach ersetzt werden. O! wie mancher Bösewicht in Deutschland solte sich mit grösten Vergnügen, ohne eintzigen Gewissens-Scrupel zu machen, sein Wohnhauß selbst über dem Kopffe anzünden, und nackend und bloß heraus lauffen, wenn er sich nur dergleichen Beneficien zu getrösten hätte. Sonsten, weil ich eben jetzo gedacht,[513] in was vor sonderbaren Werthe das Europæische Vieh auf unserer Insul gewesen, fällt mir bey, daß als eines Tages Herr Wolffgang den Alt-Vater, nebst einigen andern guten Freunden zu Gaste, und unter andern Gerichten, etliche gekochte junge Hüner nebst einem Kalbs-Braten aufgesetzt hatte, war der Alt-Vater dermassen eigensinnig, daß er weder von dem einem noch dem andern Gerichte etwas kosten wolte, sondern es dem ehrlichen Herrn Wolffgang vor eine unverantwortliche Verschwendung auslegte, indem sich selbige Thiere noch lange nicht so starck vermehret hätten, daß man sie mit Recht zu Leckerbissen brauchen dürffte. Herr Wolffgang aber zeigte sich hierauff dermassen gefällig gegen den Alt-Vater, daß er ihm ungelobte binnen Jahr und Tag kein einzig Stück Feder-Vieh, binnen 5. Jahren, auch kein vierfüssiges Europæisches Thier schlachten zu lassen, ohngeacht wir damahliger Zeit schon eine ungemein starcke Anzahl von Hünern, Gänsen, Tauben und dergleichen halten.

Am 23. May wurde ein junger Mann aus Simons-Raum, welcher zur unrechten Zeit etwas von sehr feinen Thone aus den Thon-Gruben hauen wollen, plötzlich verschüttet und sehr zerdrückt, jedoch weil es andere Leute zeitig wahrgenommen, annoch vom jämmerlichen Ersticken errettet, und von Mons. Kramern wiederum völlig aus curiret. Acht oder 10. Tage hernach fiel unsers ehrlichen Töpffers, Meister Schreiners, Brenn-Ofen ein, so, daß alles darinnen befindliche Töpffer-Zeug zerschlagen, einer von seinen Lehrlingen aber durch einen Stein auf dem Kopffe sehr beschädiget wurde.[514]

Zu Ende des Monats Julii brachte in Davids-Raum ein Schaaf ein monstreuses Lamm zur Welt, mit zwey Köpffen, 4. Beinen und zwey Schwäntzen, am 5ten Tage wurde selbiges von Mons. Kramern geschlachtet, anatomirt, und dessen Haut zur Raritzt ausgestopfft, auch die Gebeine ausgekocht, und ordentlich an einander gehefftet, gleicher gestalt wie die aufgerichteten Scelata in den Europaæischen Anatomie-Cammern gesehen werden.

Am 16. Augusti etwa zwey Stunden vor dem Mittage, höreten wir auf der Insul ein starckes Donnern von abgefeuerten Canonen aus Osten her erschallen, weßwegen sich die hurtigen Roberts-Raumer sogleich auf die Felsen-Höhen begeben, und unsern dahin abgefertigten Bothen die Nachricht entgegen gebracht hatten, daß auf dem hohen Meere ein Schiff vor Ancker läge, welches einmahl über das andere fein Geschütz lösete. Ich sprung vor Freuden in die Höhe, weil mir sogleich ahndete, daß es vielleicht der aus Ost-Indien zurückkommende Capitain Horn seyn werde, indem sich aber Herr Wolffgang und Mons. Litzberg bey uns einstelleten, nahm mir der erstere das Wort aus dem Munde, und erinnerte, daß es rathsam sey, unser leichtes Schiff aus der Süd-Bucht her aus zu langen, und diesen Frembden mit einigen Erfrischungen entgegen zu fahren, wenn doch zu vermuthen, daß es Christent-Leute wären, die von unsern hiesigen Auffenthalt einige Nachricht hätten, im Fall ja der Capitain Horn selbst nicht gegenwärtig sey. Auserdiesen könte auch wohl seyn: daß die vor Ancker liegenden in grossen Nöthen stäcken, und durch Abfeuerung[515] ihrer Canonen Hülffe rieffen. Der Alt-Vater hielt Herrn Wolffgangs Meynung vor billig, und weiln der Stamm-Vater David eben zu rechter Zeit ankam, nahm derselbe, ohngeacht seines hohen Alters, die Mühe über sich, nebst erforderlicher Mannschafft unser Schiff hervor zu führen, und in aller Eil ein und andere gute Lebens-Mittel einzuladen. Allein, wenig Stunden hernach, landete ein von dem frembden Schiffe ausgeworffenes Boot, an der Nord-Seite bey unsern Felsen an, und wir erkannten so gleich von der Höhe herab die Person des Capitain Horns, welcher noch 3. andere Personen bey sich hatte. Demnach stiegen Herr Wolffgang, Mons. Litzberg, Mons. Kramer und ich so gleich hinnab, und empfiengen denselben auf eine solche zärtliche Art, als ob er unser leiblicher Bruder gewesen wäre.

Die drey bey ihm seyenden, waren seine auf den Philippinischen Insuln erkauffte Sclaven, konten aber jedoch schon ziemlich gut Holländisch sprechen, weil uns nun etliche junge Männer mit einigen Flaschen Wein, weissen Brodte, gebratenen Fischen und Fleische, auch allerley Früchten beladen, nachgestiegen waren, musten ihrer 6. die 3. frembden Gäste, in diejenige, von der Natur wohl zubereitete, Felsen-Höle führen, worinnen ehemahls noch vor Entdeckung des Landes, der Alt-Vater Albertus nebst Franz van Leuven, Concordien und Lemelie viele Tage lang ihren Auffenthalt genommen hatten, und sie daselbst aufs beste bewirthen, denn Mons. Wolffgang wolte ohne specielle Erlaubniß des Alt-Vaters, keinen andern Frembden als den [516] Capitain Horn, auf die Insul führen. Die drey guten Menschen, welche seit etlichen Wochen keine recht schmackhafften Speisen, vielweniger dergleichen köstliches Geträncke zu sich zu nehmen, Gelegenheit gehabt, waren vor Vergnügen gantz ausser sich selbst, also weiter um keine anderen wichtigen Sachen bekümmert, als ihres Leibes zu pflegen. Mittlerweile waren oben auf dem Lande die Schleusen zugesetzt worden, und das Wasser im Felsen-Gange abgelauffen, weßwegen wir den Capitain Horn, nachdem er etwas Speise und Tranck zu sich genommen, auch seinen Sclaven befohlen, seinethalben ohne alle Sorgen zu leben, biß er wieder zurück käme, hinauf führeten, vor Nachts noch etliche Gebund Stroh, Bett-Decken, nebst noch mehrern Lebens-Mitteln vor die drey Frembden hinunter tragen liessen, und den lieben Gast, auf der Albertus-Burg dem Alt-Vater in seinem Zimmer vorstelleten.

Der Alt-Vater saß in seinem Groß-Vater-Stuhle, welchen ihm Lademann sehr bequehm gezimmert, mit Tuch beschlagen, und mit Wild-Haaren ausgestopfft hatte. Mons. Horn erstaunete recht bey seinem Eintritte, einen solchen venerablen Greiß mit dem weissen langen Barthe zu sehen, der eine schwartze Sammet-Mütze, und einen langen Schlaff-Rock von braunen Atlas trug, machte ihm aber ein solches höffliches Compliment, als man sonsten gegen Fürsten und Herrn zu thun pflegt, indem er sich aber näherte, stund der Alt-Vater auf, und empfieng ihn mit einem Kusse.

Des Capitain Horns Anrede bestund ohngefähr[517] in folgenden Worten: Ehrwürdiger Alt-Vater! Ich komme zu ihm als einem Manne, den der Himmel durch seine besondere Fügung vor andern Menschen in einen bewunderens würdigen Stand gesetzt, mit Erzeigung des schuldigen Respects, und dancke gehorsamst davor, daß mir die Erlaubniß gegeben worden, dieses sonderlich glückseelige Erdreich, so gar auch sein Zimmer zu betreten, will aber bey dieser ersten Zusammenkunfft weiter nichts melden, als, daß ich ehe mein Leben, wenn es möglich wäre, tausendmahl verliehren, als des löblichen ewigen Nachruhms entübriget seyn wolte, ein getreuester Knecht und Freund von ihm und allen dessen Angehörigen zu seyn.

Des Alt-Vaters Gegenrede lautete ohngefähr also, Mein Herr und Freund! ich lobe den Allerhöchsten, daß er euch nach einer bey nahe dreyjährigen, und ohnfehlbar mit vielen Gefährlichkeiten verknüpfften Reise, gesund zu uns geführet hat. Herr Wolffgang und andere von meinen lieben Angehörigen haben mir dermassen viel von eurer sonderbaren Treu und Redlichkeit vorgesagt, daß ich, in eure Person das geringste Mißtrauen zu setzen, eine Missethat begehen dürffte, derowegen habt ihr keine Ursach euch bey uns als einen Knecht, sondern vielmehr als einen werthen Hertzens-Freund auszugeben, wollet ihr aber mir und den Meinigen nach Gelegenheit ein oder andere Gefälligkeit erzeigen, so versichere dagegen, daß ich im Stande bin, euer zeitliches Glück, daferne es anders die Göttliche Vorsicht nicht verhindert, auf solchen Fuß zu setzen, daß ihr vor vielen, ja etlichen[518] 1000. andern Europäern auf diese oder jene Art sehr vergnügt leben könnet.

Es wären freylich noch ein- und andere höffliche Reden gewechselt worden, allein Herr M. Schmeltzers Liebste hatte die Abend-Mahlzeit in dem grösten Zimmer bereits auftragen lassen, weßwegen wir uns in Begleitung der mehresten Aeltesten der Geschlechter, und einiger naturalisirten Felsenburger dahin verfügten, unsern neu-angekommenen Gast best möglichst zu bewirthen. Herr Wolffgang allein war nicht zu bereden, sich mit zu Tische zu setzen, sondern er ließ sich ein Pferd satteln, jagte damit nach der mittägigen Seite, und halff dem Alt-Vater David alle diejenigen Sachen einschiffen, welche denen vor Ancker liegenden gleich mit anbrechenden Tage überbracht werden solten, unterrichtete auch einen jeglichen mitfahrenden, was er gegen die Frembden sprechen, und wie er sich gegen dieselben aufführen solte.

Immittelst speiseten wir andern in guten Vergnügen, vermerckten aber, daß sich Mons. Horn fast mehr nach einer sanfften Ruhe, als nach leck erhafften Speisen und Geträncke sehnete, denn er hatte würcklich etliche Tage daher nicht allein einen mittelmässigen Sturm ausgestanden, sondern war wegen wieder Antreffung dieser Insul dergestalt besorgt gewesen, daß er bereits feit etlichen Wochen sehr wenig schlaffen und ruhen können. Derowegen wurde er bald nach aufgehobener Taffel, und nachdem wir uns ingesamt eine kleine Bewegung gemacht, in meine Cammer auf ein besonders gutes Lager geführet, und ermahnet, ohne alle Sorgen[519] so lange ruhig zu schlaffen, als es ihm selbst möglich wäre, ich aber bestellete ein paar geschickte Knaben zu seiner Bedienung, welche ihm, so bald er aufgestanden, behörig bedienen, hernach zu Herr Mag. Schmeltzern zum Caffeé führen solten, und begab mich, ohngeacht es fast Mitternacht war, nebst Mons. Litzbergen, Kramern und Lademannen auf den Weg noch der Ostlichen Höhe, um auf derselben kommenden Morgen unser Schiff bey dem vor Ancker liegenden anfahren zu sehen. Wir erreichten das Wacht-Hauß auf der Ostlichen Höhe noch lange vor anbrechenden Tage, legten uns derowegen noch auf ein paar Stunden zur Ruhe, und schlieffen so lange, biß wir durch die Donnernden Canonen, wormit so wohl unser als das vor Ancker liegende Schiff einander begrüsseten, aufgeweckt wurden. Es mochte wohl ohngefähr 8. Uhr seyn da sich die Unsern an das Gast-Schiff anhingen, weßwegen wir durch überflüßige Neugierigkeit sattsam vergnügt zurück kehreten, und noch mehr ermüdet um Mittags-Zeit auf der Alberts-Burg wieder eintraffen, allwo Herr Wolffgang ebenfalls zurück gekommen war.

Nachdem wir die Mittags-Mahlzeit eingenommen hatten, hath sich der Capitain Horn von selbsten die Freyheit aus, eine so kurtz als möglich gefassete Relation von seiner Reise, seit dem er im Novembr. 1725. von uns Abschied genommen, abzustatten, weiln nun alle Anwesende höchst begierig waren, selbige mit anzuhören, als setzten wir uns sämtlich in bequehmliche Ordnung, worauf Mons. Horn folgendergestalt zu reden anfieng:[520]

Nachdem ich vor nunmehro 3. Jahren auf der Reise aus Amsterdam, biß Angesichts dieser glückseeligen Insul, von meinem allerbesten und werthesten Patrone, gegenwärtigen Herrn Wolffgang sattsame Instructiones, wegen meiner künfftigen Aufführung, fortzusetzenden Reise und endlichen Rückkehr erhalten; auch wie ihnen allerseits wissend seyn wird, behörigen Abschied genommen hatte, führete, mich ein nicht allzugütiger Wind bey nahe zwey Monat fort, ohne das geringste Ungemach zu empfinden, endlich aber wurde uns bange, da das süsse Wasser, und das Brenn-Holtz gantz auf die Neige gekommen war, und wir nicht wusten zu welcher Seite wir uns wenden solten, etwa eine Insul anzutreffen, auf welcher dieser Mangel ersetzt, und auch sonsten ein oder andere nöthige Verbesserung am Schiff vorgenommen werden könte. Ehe aber unser Wunsch erfüllet wurde, musten wir einen entsetzlichen Sturm ausstehen, welcher biß in den 11ten Tag anhielt, und uns nicht allein dergestalt abgemattet, sondern auch das Schiff, ohngeacht es ungemein dauerhafft gebauet war, also zugerichtet hatte, daß wo sich nicht bald Land zeigte, nichts gewissers als das Verschmachten und Versincken zu vermuthen war.

Zwey Tage nach dem gewünschten Abschiede des Sturms traffen wir ein in letzten Zügen liegendes Portugiesisches Schiff an, dessen Gefahr wir dennoch weit grösser als die Unsrige befanden, denn es saß auf einer verdeckten Sandbanck dergestalt feste, als ob es angenagelt wäre, und einen Flinten-Schuß davon, rageten die Masten eines andern[521] versunckenen Schiffs aus dem Wasser heraus. Wir waren sämtlich nicht allein wegen unserer eigenen Noth, sondern aus mitleydigen Triebe so gleich bereit diesen Elenden unsere Hülffe anzubieten, brachten auch des Portugiesen beste Ladung, so wohl, als die darauf befindliche Menschen, in unser Schiff, und das Portugisische Schiff glücklich von der Sandbanck ab, worein sich aber niemand mehr wagen wolte, weiln es bey dem geringsten Ungestüme auseinander zu gehen drohete. Das versunckene war ein Englisches Schiff, von welchem der Portugiese den Capitain nebst 6. Mann die sich noch bey zeiten ins kleinste Boot werffen können, auffgenommen hatte, hingegen war den guten Engels-Männern ihr Vermögen mit versuncken.

Ich und die Meinigen waren nur in diesem Stück sehr vergnügt, daß wir von dem Portugiesen frische Kost und süsses Wasser bekamen, denn derselbe hatte sich nur neulichst auf dem Cap der guten Hoffnung mit allen Bedurffnissen wohl versorgt. Nachdem uns derselbe aber angezeigt, daß wir, nach kurtzen herum creutzen, ohnfehlbar ein oder die andere kleine obschon unbewohnte Insul in dieser Gegend antreffen müsten, folgten wir seinem Rathe, traffen auch würcklich nach dreyen Tagen zwey derselben mit den Augen an, wovon wir die nächste und kleineste zu unserm Trost- und Ruhe-Platze erwehleten. Des Himmels- Vorsorge ließ uns auf derselben dasjenige antreffen, was wir am allernöthigsten brauchten, nehmlich süß Wasser und ziemlich gutes Holtz zu ausbesserung der Schiffe, ausserdem reichte uns nicht allein die See vielerley Fisch-Arten, sondern[522] auch das Land einige Früchte und Fleisch Werck, jedoch was das letztere anbetraff, nicht sonderlich überflüßig.

Wir machten uns meistentheils vor allererst über das Portugiesische sehr zerlästerte Schiff her, und brachten dasselbe nach vieler sauern Arbeit endlich in vollkommen guten Stand, hierauff wurde das Unserige vorgenommen, welches mit leichterer Mühe und in kurtzer Zeit völlig ausgebessert war.

Immittelst begegneten uns auf dieser Insul zweyerley Unglücks-Fälle, denn beym Holtz abhauen fuhr einem von unsern Leuten ein scharff zugespitztes Beil vom Handgriffe ab, und dem gegen über sitzenden, der seine Axt auf dem Schleiffsteine wetzte, solchergestallt gerade und tieff in das lincke Auge hinein, daß er, ohngeacht alles angewandten Fleisses dreyer Wund-Aertzte, nehmlich des unsern, wie auch des Portugiesischen und Englischen, zwey Tage hernach sterben muste. Er hieß Johann Tobias Fasert, meines behalts von Minden an der Weser gebürtig, seiner Profession ein Becker, sonsten ein feiner arbeitsamer und behertzter Mensch von etwa 26. Jahren.

Das andere Unglück begab sich folgender gestallt: zwey Portugiesen, 2. von meinen Leuten, und ein Engelländer, streifften eines Tages etwas weit in die Insul hinnein, und brachten gegen Abend zwey junge Stücken Wild, 6. geschossene Vogel, die an Grösse den Amseln gleichten, und dann einen ziemlichen Sack voll delicater Wurtzeln, von welchen man ein überaus wohlschmeckendes Gemüse kochen[523] konte. Sie gaben alles Preiß, behielten auch nur etwas weniges von Wurtzeln, nebst den 6. Vogeln, und bereiteten daraus vor sich eine besondere Abend-Mahlzeit, giengen auch alle 5. in eine besondere Hütte, um vor ihre gehabte Mühe sich etwas a partes zu gute zu thun. Indem sie nun ihr zubereitetes Gemüse, nebst den gebratenen Vogeln angerichtet haben, gehet von ohngefähr der sehr betrübte Englische Capitain Wodley vorbey, weßwegen sein Lands-Mann zu den übrigen Compagnons spricht: Sehet, meine Herrn! wie betrübt mein Capitain daher spatzieret, wolte der Himmel er hätte nicht mehr verlohren als ich: so würde ihm das versunckene Schiff lange nicht mehr im Kopffe herum schiffen, aber wenn es euch nicht zuwieder, so will ich ihn auf den 6ten gebratenen Vogel zu Gaste bitten, denn wir behalten dennoch der Mann noch einen Vogel.

Meine Leute lassen sich dieses so wohl als die Portugiesen gefallen, derowegen wird der Capitain Wodley, der doch sonsten bey mir speisete, zu Gaste gebethen, und weil er ein sehr liebreicher Mann war, schlägt er solches nicht ab, sondern isset so wohl etwas von dem Gemüse, als den ihm zugetheilten Vogel mit gutem Appetite, so wohl als die andern, welche noch selbigen Abend lustig und guter dinge waren, und an keine Kranckheit gedachten. Allein folgenden Morgen wurden meine zwey Deutschen, der Engelländer und ein Portugiese auf ihrem Lager todt gefunden, der Capitain VVodlay aber und der andere Portugiese, waren erbärmlich dicke geschwollen, und konten kaum ein Glied am gantzen Leibe regen.[524]

Daß unser allerseitiges Schrecken über diese Begebenheit nicht geringe gewesen seyn müsse; ist leicht zu erachten, jedoch da unsere Schiffs-Barbiers herzu kamen und die Meynung bestärckten, daß so wohl die Verstorbenen als die noch etwas lebenden Patienten ein starckes Gifft genossen haben müsten, wurden alle möglichen Mittel vorgekehret, die letztern von dem augenscheinlichen Tode zu retten, welche denn auch so gut anschlugen, daß so wohl der Capitain als der Portugiese, binnen 14. Tagen gäntzlich ausser Gefahr gesetzt wurden. Die Verstorbenen begruben wir, jeden in ein besonderes Grab, doch nahe beysammen, unter einem sehr dicken, ohnfern vom Ufer stehenden Baum, ich aber bejammerte sonderlich meine zwey wackern Leute, deren einer ein verunglückter Handelsmann aus dem Lüneburgischen war, Nahmens Georg Ulrich Vorberg, seines Alters 52. Jahr, der andere ein Fleischhauer aus dem Anhältischen, Nahmens Johann Martin Stahlkopff, von 29. Jahren.

Es entstund unter uns viel Disputirens, woran sich eigentlich diese Personen die Kranckheit und den Todt gegessen hätten, denn die meisten von uns, hatten so wohl als jene, von den Wurtzel-Gemüse, obschon keine Vogel gespeiseit, als auf welche letztern niemand einigen Verdacht legte, sondern vielmehr vermeynte: es müsse etwas sehr gifftiges in ihren Gemüse-Topff, oder in die Anrichte-Schüssel gefallen seyn, allein der Capitain Wodley halff uns aus dem Traume, denn derselbe hatte beobachtet, daß die 4. Verstorbenen, die Magens und das meiste vom Eingeweide ihrer gebratenen Vogel mit gespeiset,[525] welches er und der eine Portugiese zu allem Glück unterlassen hatten. Zu noch stärckern Beweißthume aber dienete, des Capitain Wodley Hund, welcher nicht das geringste vom Gemüse, jedoch die zwey hinweg geworffenen Eingeweyde, nebst den Knochen der Vogel gefressen hatte, und noch in selbiger Nacht gestorben war:

Ich habe etliche Tage hernach in Gesellschafft unseres Chirurgi selbst 8. Stück von eben dergleichen Art Vogeln geschossen, dieser secirte derselben 3. und fand in ihren Mägen eine gewisse Sorte grünlicher Beeren, nebst einem dicken sehr scharffen Saffte, welcher so gleich sein Incision-Messer blau anlaufend machte, und zwar so, daß es nicht wieder blanck zu machen war. Mich daureten unsere 4. getreuen bey uns befindlichen Hunde, sonst hätte ich so fort ein paar Bogel braten und die Probe machen lassen, allein der Chirurgus Mons. Brachmann, war dennoch so neugierig und schalckhafft gewesen, ein paar zu braten, und dieselben unvermerckt eines Portugiesen Hunde vorzuwerffen, welcher dieselben begierig gefressen hatte, und noch vor Abends verreckt war.

Nachdem aber so wohl das Portugiesische als unser eigenes Schiff völlig Seegelfertig gemacht war, nahmen wir, auf inständiges Anhalten des Engelländers, unsern Weg zurücke nach dessen versunckenen Schiffe, denn er hatte sich mit dreyen bey mir befindlichen Täuchern beredet, und nicht allein ihnen, sondern uns allen ansehnliche Geschencke versprochen, wenn ihm die besten Sachen aus seinen so tieff unter Wasser stehenden Schiffe herauff geholet[526] würden. Der Portugiese sahe solches ungern, allein weiln er mir und den Meinigen selbst vielen Danck schuldig war, konte er sich nicht wohl entbrechen meine Zuredungen statt finden zu lassen, und dem gantz verarmten Engelländer eine der allergrösten Hülffe mit zu leisten. Wir funden aber das versunckene Schiff in weniger Zeit glücklich wieder, unsere 3. Taucher machten sich und ihre Gehäuse, vermittelst deren sie von uns wolten in die Tieffe hinnab gelassen werden, alsobald fertig und traten dergleichen gefährliche Farth wechsels-weise binnen 5. Tagen so offt an, biß sie des Engelländers beste Sachen nach und nach in die hinnab gelassenen Haaken eingehängt hatten, welche so dann von uns hinnauff gewunden, und ihm zugestellet wurden. Er hätte vermuthlich nicht ungern gesehen, wenn wir nicht nur noch 5. Tage, sondern so lange gearbeitet hätten, biß nicht das geringste von guten Waaren mehr in seinem Schiffe geblieben wäre; allein weilen er selbst gestunde, daß die grösten Schätze und Kostbarkeiten nunmehro auffgefischt, wurden meine Leute des gefährlichen Handels überdrüßig, also fuhren wir, nachdem er dem Portugiesen ein reichliches Geschencke, an baaren Gelde, vor die erste Aufnahme gegeben, und sich nebst seinen Sachen bey mir eingeschifft hatte, von dannen, und setzten unsere fernere Reise nach Ost-Indien fort.

Ich will alle Weitläufftigkeiten vermeiden, sonsten müste mein Tage-Buch zur Hand nehmen, wenn alle Kleinigkeiten bemerckt werden solten, da nun aber wohl weiß, daß solche den allermeisten Zuhörern verdrüßlich zu fallen pflegen, so will berichten,[527] daß wir ohne fernere allzugefährliche Beunruhigung wohl vergnügt bey der Insul Java anlangeten. Der Portugiese blieb, ich weiß nicht ob vielleicht aus besondern Ursachen, eine ziemliche Weite zurücke, ich aber ließ mich von dem treuhertzigen Engelländer bereden, in dem Bantamischen Haafen einzufahren und daselbst mein Gewerbe zu treiben, welches mich auch nicht gereuet hat, denn meine Leute, so wohl als ich selbst, zogen an diesem Orte einen ungemeinen Profit.

Hergegen war der gute Capitain Wodley desto unglücklicher, inmassen seine gemachten Anschläge, sich allhier wieder in guten Stand zu setzen, das gewünschte Ziel nicht erreichten. Denn seine übrig gebliebenen 5. Gefährten, spieleten ihm gar garstige Streiche, und brachten den ehrlichen Mann um sehr viel Vermögen, derowegen, ob er schon noch eine ziemliche Geld-Summe vor sich hätte, wolte er dennoch mit selbiger keinen andern Hazard wagen, als sich mit mir in Compagnie einzulassen, und meiner Redlichkeit anzuvertrauen.

Mir und den Meinigen war dieses ein gefundener Handel, denn er besaß im Seefahren und Handelen eine weit stärckere Erfahrung und Wissenschafft, als wir alle mit einander, derowegen nahmen wir ihn, seinen Feinden und Verfolgern zum Possen, uns aber zum Vortheil mit Freuden auff, und fuhren mit ihm ohne viel Wesens zu machen, von dannen nach der grossen Insul Borneo zu.

Daselbst ließ es sich vor mich und die Meinigen zu einer sehr profitablen Handlung an, denn diejenigen[528] Waaren, welche mir Herr Wolffgang in Commission anvertrauet, und auch dasjenige, was ich so wohl als viele andere vor mich selbst mit genommen hatte, fand überall Liebhaber genung, da aber der Capitain Wodley merckte, daß ich gegen Gold und Specereyen, sonderlich aber gegen ungemein schöne Diamanten allzuviel loßschlagen wolte, sprach er in geheim zu mir: Mein Freund, übereilet euch nicht mit Vestechung eurer Waaren, vor welche ihr anderer Orten weit mehr Gold, die Specereyen aber fast umsonst bekommen könnet, was aber die Diamanten anbelanget, so kauffet die schönsten auf, denn in gantz Ost- und West-Indien werdet ihr dergleichen nicht leicht feiner und wohlfeiler finden, eure Leute aber lasset von ihren Gütern immerhin verhandeln so viel als sie wollen, denn auf solche Art wird euer Schiff lediger, und desto bequemer, andere nützliche Waaren vor euch selbst einzunehmen.

Ich vor meine Person konte mir fast nicht einbilden, irgendswo eine vortheilhafftere Handelschafft anzutreffen als allhier, allein da der ehrliche Capitain Wodley sein gantzes Hertze gegen mich ausschüttete und sich sehr obligirte, uns auf einige kleine Insuln in der Gegend der Philippinischen zu führen, allwo wir Gold und Specereyen zur gnüge antreffen würden; folgte ich nicht allein dem guten Rathe, sondern überließ mich seiner guten Vorsorge fast gäntzlich.

Meine Gefährten, die etwas zu verhandeln hatten, aber, wie dem Herrn Wolffgang bekandt ist, mehrentheils junge unerfahrne Kauffleute waren,[529] schlugen gewaltig loß, weil sie die Messe zu versäumen vermeyneten, anbey sich einbildeten ich würde mich eben nicht allzulange in Ost-Indien auffhalten, sondern meine Waaren an einem gewissen Orte auf einmahl loßschlagen und verstechen, hernach wiederum auf den eiligen Rückweg dencken. Allein es war gefehlt, und meine Versicherungen, die ich ihnen aus auffrichtigen Gemüthe that, halffen nichts.

Nachdem ich mich aber ihnen zu gefallen lange genug daselbst auffgehalten, das Schiff auch mit allen Bedürffnissen wohl versehen hatte, fuhren wir endlich Sud-Ostwerts ausserhalb der langen Reihe, kleiner, mehrentheils unbewohnter Insuln um Borneo herum, immer gerades Wegs auf die Philippinischen Insuln loß, wurden aber bald hernach, durch Sturm, an die Macassarischen Küsten verschlagen.

Nicht so wohl die Noth als der Vorwitz trieb uns daselbst auszusteigen, zumahlen da der Capitain Wodley berichtete: daß die Holländer dieser Orten mehrentheils den Meister spieleten, und nicht allein die Hauptstadt in Besitz, sondern auch andere Vestungen darauff hätten. Meine doppelten Bässe, die mir so wohl den Respect eines freyen Kauffmanns, als Holländischen Schiff-Capitains zu wege brachten, kamen uns daselbst nicht wenig zu statten, meine Leute handelten und wucherten, aber nicht anders als Juden, und weil die Wollüstigen etwas erworben hatten, geriethen sie in ein liederliches und schändliches Leben, welches verursachte, daß sich ihre Zahl unglücklicher weise um 5. Mann verringerte,[530] und zwar solchergestallt: Es befanden sich auf diesem Lande in Wahrheit sehr viele, vor andern Indianeriñen wohlgebildete Weibs-Personen, welche sonderlich die Europäer, der weissen Haut wegen, wohl leyden können. Ob nun schon dieselben von ihren Eltern, Befreundten und Männern ziemlich gehütet werden, so wissen sie doch so gut als unser Europäisches Frauenzimmer, leichtlich heimliche Zusammenkünffte anzustellen, zumahlen wenn sich die weissen Manns-Personen fein freygebig gegen dieselben anstellen. Nun hatte sich einer von meinen Leuten, nehmlich Jonas Branckel, ein junger liederlicher Kauffmanns Sohn aus Rotterdam, der sein väterliches Erbtheil biß auf etliche 100. Thlr. verthan, und dieserwegen die Reise nach Ost Indien angetreten, in eine junge Ehe-Frau sterblich verliebt, auch bereits verschiedene mahl Gelegenheit gefunden selbige nach seinem Wunsche zu bedienen. Dieses merckt ein daselbst in Besatzung liegender Holländischer Soldat, der ohnfehlbar vorhero ebenfalls mit dieser Ehe-Frauen in schändlicher Bekandschafft mag gelebt haben, steckt es derowegen ihrem Ehe-Manne, welcher sogleich auf Rache bedacht ist, und noch selbigen Tages einen Meuchelmörder erkaufft, um den frembden Liebhaber seiner Frauen hinzurichten.

Jonas Branckel wurde folgendes Tages durch eines unbekandten Zuschrifft gewarnet, sich bey zeiten aus dem Staube zu machen, oder wenigstens seine Maitresse zu qvittiren, allein er lachte darzu, und machte aus der gantzen Sache einen Spaaß, etwa zwey oder 3. Tage hernach aber, da er nebst 4.[531] seiner Cameraden aus einem Schenck-Hause gehet und sich, ohngeacht es kaum Mittag war, schon ziemlich berauscht hatte; kömmt plötzlich ein toller Maccassarischer Bube aus einem andern Hause gesprungen, und indem er etliche mahl Moka! Moka! schreyet, läufft er hurtig auf Branckeln zu, und legt denselben mit einem eintzigen Dolch-Stiche zu Boden. Branckels Cameraden ziehen zwar vom Leder und wollen ihres Zech-Bruders Todt rächen, stechen auch gewaltig auf den Macasser loß, der aber, weil er nicht nur unter den Kleidern geharnischt, sondern auch durch einen, bey ihnen gebräuchlichen starcken Tranck zur ausserordentlichen Tollkühnheit gereitzt ist, sich nicht das geringste darum bekümmert, sondern seine 4. Gegner mit dem grossen Seiten-Gewehre dergestallt zurichtet, daß sie noch vor Anbruch des andern Tages, so wohl als Jonas Branckel, ihren Geist auffgeben musten. Denn es ist zu mercken, daß diejenigen Macasser, oder Celebes, welche auf das Moka-Schreyen, oder deutlicher zu sagen, Mord- und Todtschlagen ausgehen, ihre Dolche, Schwerdter und Pfeile dergestallt vergifften, daß ein damit Verwundeter nicht leicht beym Leben bleibt, wenn ihm nicht mit dem Saffte aus den Blättern eines gewissen Baumes bey zeiten Hülffe gethan wird. Wir brauchten zwar durch Vorschub etlicher redlicher Leute dieses Mittel auch, allein die Wunden waren entweder zu groß, oder die Artzeney war bereits zu spät angekommen.

Am allermerckwürdigsten kam mir dieses bey der gantzen Sache vor, daß Jonas Branckeln, wie er uns allen wenige Monate vorher erzehlet hatte,[532] durch einen Nativität-Steller war Propheceyet worden: Er würde in Rotterdam erstochen werden, um nun so wohl diesen Propheten zum Lügner zu machen, als auch aus einiger Furcht, vor seinen vielen Feinden, hatte er seine Geburths-Stadt Rotterdam verlassen, und einen grossen Schwur gethan, selbige gutwillig nimmermehr wieder zu betreten, allein der elende Mensch konte seinem Verhängnisse solchergestallt so wenig entgehen, als den Nativität-Steller auf das mahl zum Lügner machen, denn diese Vestung auf der Insul Celebes, in welcher er erstochen wurde, führete ebenfalls den Nahmen Rotterdamm.

Es wird leichtlich zu glauben seyn, daß mir diese klägliche Begebenheit viele Versäumniß, Mühe und Sorgen zugezogen habe, zumalen da mich alle meine übrigen Leute forciren wolten, durchaus ohne Satisfaction nicht von dannen zu weichen; Allein es war nichts zu thun, denn den Thäter wolte oder konte niemand finden, dannenhero gaben mir einige daselbst einquartirte redliche Holländer den Rath, ich solte, um mein Leben selbst nicht in Gefahr zu setzen, in GOTTES Nahmen fort reisen, denn die Macasser wären eingefleischte Teufel, und sehr schwer zur Raison zu bringen, also kauffte ich den Holländern noch 4. Sclaven vor eine ziemliche starcke Summe Geldes ab, und seegelte weit verdrüßlicher als vormahls, auf die Philippinischen Insuln zu.

Wir waren noch nicht zwey Nacht unter Seegel gewesen, als mir durch das verdammte Laster der Geilheit, eine neue Verdrüßlichkeit zugezogen[533] wurde. Denn Lorentz Wellingson ein Schwede, und Gürgen Frisch ein Hollsteiner, hatten vor sich allein, jedoch mit meiner Erlaubniß, einen jungen 18. jährigen Sclaven gekaufft, und wo mir recht ist, 60. oder 80. Ducaten davor gegeben. Sie warteten und pflegten denselben aufs allerbeste, um wie sie vorgaben einen rechten Kerl aus ihm zu ziehen, denn der Pursche sahe sehr wohl aus von Gesichte, und zeigte, allen Anzeigungen nach, einen sehr gelehrigen Kopff, auch gantz geschickte Hände. Endlich kam ich hinter ihre Schelm-Streiche, und merckte, daß sie mich betrogen hatten, denn es war keine Manns- sondern eine Weibs-Person, welche sie beyde vor sich zur gemeinschafftlichen Unzucht halten wollen, jedoch sich biß dato noch nicht vereinigen können, eines theils aus Eiffersucht, andern theils, weil das Mädgen wieder alles Vermuthen ihre jungfräuliche Keuschheit gantz sonderlich bewahret hatte. Ich ließ beyde Buhler so wohl des mir gespielten Betruges, als des vorgehabten ärgerlichen Lebens wegen, in Ketten und Banden legen, laß ihnen darbey das Capitel ziemlicher massen, und bedrohete sie mit einer behörigen Strafe, wodurch denn heraus kam, daß ein jeder dieselbe, ihrer sonderbaren Keuschheit wegen, zur ehelichen Frau haben, und dem andern die vorgeschossene Helffte des Geldes wieder erstatten, auch wegen der ehelichen Verbindung und Beyschlaffs, so lange Gedult haben wolte, biß das Mensch getaufft und zum christl. Glauben bekehret wäre. Ein jeder war bereit dem andern das Geld auszuzahlen, keiner aber wolte dem andern die Braut überlassen. Ich fragte das Mensch, welche[534] ziemlich gut Holländisch verstehen, aber annoch sehr schlecht reden konte, ob sie lieber den 43. jährigen Schweden, oder den 31. jährigen Hollsteiner zum Eh-Manne verlangte; allein sie bezeugte zu dem einen so wenig Lust als zum andern, sondern bat, ich möchte ihr darzu behülfflich seyn, daß sie eine Jungfrau biß in ihr zwantzigstes Jahr bleiben dürffte. Auf die Frage aber, warum eben biß in ihr zwantzigstes Jahr? wolte sie durchaus keine richtige Antwort geben. Der Capitain Wodley, Adam Gorqves mein Lieutenant, und alle andere verwunderten sich ungemein über dieses Mägdleins scheinbare Tugend, ich aber wolte selbiger eher keinen Glauben beymessen, biß sie eine stärckere Probe ausgestanden hätte, legte es also mit Wodley, Gorqves und etlichen andern ab, daß sie sich in meiner Cammer heimlich verbergen musten, um alles mit anzusehen und anzuhören, was ich vorzunehmen willens war.

Demnach ließ ich gegen Abend die Talli, denn so war ihr Nahme, in meine Cammer ruffen, und indem ich auf meinem Bette saß, sie aber, neben mich zu sitzen, halb gezwungen hatte, fieng ich dem Scheine nach, aufs allerverliebteste mit derselben zu sprechen an, praesentirte ihr sehr vielerley Sorten von den besten Confituren und Früchten, nebst Wein und andern starcken Geträncke, allein sie genoß alles dergestallt mäßig, daß sich darüber zu verwundern war, und meine verliebten Reden wurden mit lauter kaltsinnigen aber doch sehr höflichen Gegen-Gesprächen erwiedert: Nach und nach stellete ich mich etwas dreuster, zeigte ihr vortreffliche kostbare Zeuge[535] zu Kleidungen, nebst allerhand Gold-Stücken und Edelsteinen, mit dem Versprechen ihr selbiges alles zu verehren, wenn sie sich entschliessen wolte, mir die Haupt- Probe ihrer Gegen-Liebe zuzustehen, aber sie blieb hierbey gantz unbeweglich, weßwegen ich mich endlich anstellete, als ob ich das gesuchte Vergnügen mit Gewalt finden wolte; Allein die keusche Seele fiel zu meinen Füssen nieder, umfassete meine Knie, und bat mich unter Vergiessung häuffiger Thränen, ihrer Keuscheit vielmehr ein Beschützer als Verfolger zu seyn. Diese seltsame, und von einer Heydin niemahls vermuthete tugendhaffte Aufführung, gieng mir dergestallt zu Hertzen, daß ich mich nicht länger halten konte, sondern ihr das gantze Geheimniß eröffnete, auch die versteckten Zeugen ihrer besondern Keuschheit herbey rieff. Die Sachen wurden nachhero dahin verglichen, daß Wellingson und Frisch, mit einander um die Braut loosen, der Gewinner aber dieselbe nicht eher als nach Verlauff zweyer Jahre heyrathen solte, binnen welcher Zeit sie nicht allein den christl. Glauben, sondern auch nachhero, den ihr vom Glück zugetheilten Ehe-Mann anzunehmen, selbst versprach.

Solchergestallt wurden die beyden Arrestirten, ohne weitere Strafe wieder auf freyen Fuß gestellet, und liessen sich den Vorschlag des Loosens endlich auch in so weit gefallen, daß der Gewinner nicht allein die Braut behalten, sondern auch nicht schuldig seyn solte, dem andern das geringste vom Kauff-Gelde heraus zu geben, sondern selbiges als eine Morgen-Gabe zu behalten.

Das Glücke wendete sich im Loosen, auf des Holsteiner[536] Frischens Seite, wir wünschten ihm allerseits Glück darzu, Wellingson aber suchte seine Bekümmerniß aufs möglichste zu verbergen, denn er mochte die Indianerin, welche, ohngeacht ihrer bräunlichen Farbe, von nicht gemeiner artigen Gesichts-Bildung war, recht hefftig lieben. Immittelst war auf allen Seiten guter Friede, wir wendeten auch ingesammt grossen Fleiß an, unsere Talli nicht allein in der Holländischen Sprache, sondern auch in der Kocherey und Wirthschafft, hauptsächlich aber im Christenthume, nach besten Vermögen zu unterrichten, welches alles sie mit leichter Mühe und grossen Vergnügen erlernete. Allein der Satan war geschäfftig ihrentwegen ein neues Mord-Spiel anzustifften, denn als wir nach etlichen Wochen auf einer kleinen Insul ausgestiegen waren, um etwas Holtz nebst frischen Wasser einzunehmen, vornehmlich aber frisches Wildpret und Vögel zu schiessen, die Talli aber eines Tages etwas tieff ins Gesträuche gehet, um allerhand schmackhaffte Koch-Speise einzusammlen, schleicht ihr Lorentz Wellingson so lange nach, biß sich dieselbe an einem beqvemen Orte, seinen Muthwillen an ihr auszuüben, befindet. Er trägt ihr seine Leidenschafft mit freundlichen Worten, Gebärden und Anerbiethung etlicher Gold-Stücke vor, da sie aber von nichts hören will, sondern seine schandbaren Forderungen mit sehr harten Worten bestrafft, wird er endlich desperat, und will alle seine Kräffte anwenden das gute Mädgen mit Gewalt zu nothzüchtigen. Talli hingegen wehret sich tapffer, und versetzt ihm mit einem leichten Grab-Stichel einen kräfftigen Stoß[537] ins Angesichte, wovon er gantz betäubt wird, sie aber Zeit bekömmt, sich gäntzlich von ihm loß zu reissen und fort zu lauffen. Zu allem Unglück kömmt ihr sogleich ihr Bräutigam frisch entgegen, dem sie das leichtfertige Vorhaben erzehlet, und ihn dergestallt zum Zorne reitzet, daß er so gleich den Wellingson auffsucht und mit ihm anbinden will, allein dieser Bösewicht läst den armen Frisch, nicht einmahl gantz an sich kommen, sondern wirfft ihm sein in Händen habendes scharff gespitzt und geschliffenes Beil dergestallt tieff in den Leib hinnein, daß sogleich das Eingeweide durch die heßlich grosse Oeffnung heraus dringet.

Wir hatten nicht so bald Nachricht von diesem abermahligen Unglück empfangen, als wir den tödtlich Verwundeten auf einer Trage-Baare in die Hütten trugen, vermeynten anbey Wellingson, würde nicht wieder zum Vorscheine kommen, sondern sich vielleicht des bösen Gewissens wegen in der Wildniß verbergen, allein er kam noch ehe es Abend wurde, und stellete sich mit ergrimmten Gebärden an, als ob er noch Recht überley hätte, ich ließ ihn aber sogleich fest machen, und biß auf fernern Bescheid krum zusammen schliessen.

Frisch starb dritten Tages nach empfangener Wunde recht erbärmlich, und so zu sagen mit gesunden und frischen Hertzen, nachdem wir ihn aber mit grossen Leydwesen begraben hatten, traten wir die fernere Reise an, und erreichten endlich, nach vielen ausgestandenen Widerwärtigkeiten von Wind und Wetter, die grosse Philippinische Insul Mindanao.[538]

Indem nun der Capitain Wodley allhier bereits Bescheid wuste, fuhren wir biß an den Ort, allwo wir einen mittelmäßigen Fluß aus der Insul in die See fallen sahen, warffen daselbst etwa auf anderthalb Meilwegs von der Küste die Ancker aus, steckten grosse neue Englische Flaggen auf, und gaben den Mindanaern unsere Anwesenheit durch 6. Canonen-Schüsse zu verstehen. Es wurde uns von der Insul mit dreyen geantwortet, bald aber kam ein kleines Fahrzeug an, worauff sich ein Ober-Officier nebst 4. Mindanaischen Soldaten und einem Dollmetscher, der ein Engelländer war, befanden. Capitain Wodley kante den letztern seit etlichen Jahren her, weßwegen sie einander mit höfflichen Worten hertzlich bewillkommeten. Er nöthigte nicht allein diesen seinen Lands-Mann, sondern auch den Officier nebst seinen Leuten zu uns an Boord zu kommen, allein die letztern entschuldigten sich damit, daß ihnen solches bey ihrem Sultan Verantwortung bringen möchte, dem Engelländer aber wurde das Herauff steigen erlaubt, mit welchen sich Wodley in ein ernstliches Gespräch einließ, da inzwischen ich und einige der Meinigen, den Officier nebst seiner Mannschafft, mit Wein und Confect tractirten, und einen jeglichen reichlich beschenckten.

Mittlerweile ruffte mich VVodley auf die Seite und sagte: Mein Freund, jetzo ist es Zeit darvon, daß wir einige Kostbarkeiten in die Schantze schlagen, und den Sultan in Mindanao nebst seiner Familie, sonderlich auch seinen Groß-Vetzir der sein naher Vetter ist, ansehnliche Geschencke schicken,[539] denn ich versichere, daß wir hundertfältigen Nutzen davon ziehen können.

Ich ließ mir solches gefallen, suchte derowegen aus meinen besten Sachen hervor: erstlich eine güldene Halß-Kette, an welchen VVodley eine 12. Ducaten schwere güldene Medaille befestigte, auf welcher das Brust-Bild Sr. Königl. Maj. in Engelland Georg des Ersten abgedruckt war. Zum andern eine kostbare Flinte mit zwey Schlössern und Läufften, 12. Elen Violet-Sammet, und 24. Elen güldene Spitzen, ein Fäßlein Canari-Sect, nebst einer kleinen Rolle Canaster-Toback, und vielerley Arten Europäischer Confituren. Capitain VVodley legte nicht weniger kostbare Sachen bey, vor des Sultans vornehmste Gemahlin, und deren 5. Kinder, welches 3. Printzeßinnen und 2. Printzen waren, ingleichen vor den Groß-Vetzier, und dieses alles muste Adam Gorqves, welcher sehr gut Spanisch und Englisch reden konte, nebst noch einem andern Engelländer von des Capitains VVodley überbliebenen Leuten, auf einem besondern kleinen Fahrzeuge, in Begleitung des Officiers überbringen, wir aber schossen wacker mit denen Canonen hinter ihnen her.

Unsere Abgesandten waren nicht allein ungemein wohl empfangen, und nebst den Geschencken angenommen worden, sondern der Groß-Vetzier kam gleich darauff folgenden Tages gantz früh zu uns an Boort, und brachte ein Gegen-Geschencke, dieses bestund in zwey Püffel-Ochsen, zwey jungen Kühen, 6. Ziegen, 3. Körben schön Mehl, 15. grossen[540] Brodten, 6. Körben mit allerley Koch-Speisen, und Früchten, 6. Körben mit Reiß, und in etliche 60. Krügen eines wohlschmeckenden kostbarn Geträncks. Anbey brachte er uns die Erlaubniß mit, unser Schiff den Strohm hinauff ziehen zu lassen, und unser Gewerbe nach allen eigenen Gutbedüncken zu treiben.

Der Capitain VVodley gab sich hierauff dem Groß-Vetzier zu erkennen, wie er nehmlich bereits vor 12. Jahren mit dessen Vater, ja ihm den Groß-Vetzier selbst, als einen damahligen Jüngling von etwa 14. biß 16. Jahren sehr wohl bekandt gewesen, welches dem letztern, als er sich der Wahrheit an ein und an dern Merckmahlen erinnerte, eine ausserordentliche Freude erweckte. Er ließ demnach nicht ab zu bitten, sich aufs baldigste mit ihm zum Sultan zu begeben, als welches des itzigen Groß-Vetziers Vaters-Bruders-Sohn war, und ich sahe nicht ungern daß ihm VVodley dahin folgte. Mittlerweile aber war ich nebst den Meinigen beschäfftiget unser Schiff an einen solchen Ort zu bringen, wo es vor den Sturm Winden und den Würmern, welche sich um dasige Gegend sonderlich auffhalten, und binnen weniger Zeit einen Schiffs-Boden gäntzlich durchzufressen vermögend sind, in sicherer Verwahrung liegen konte.

Am zweyten Tage kam der Capitain VVodley wieder zurück, und führete uns sämmtlich in die Residentz des Sultans, biß auf einige Mannschafft, welche zur Besatzung und Verwahrung des Schiffs und unserer Sachen zurück bleiben musten.[541]

Ich würde aber länger als zwey biß drey Tage Zeit haben müssen, sagte hierbey der Capitain Horn, wenn ich der Länge nach alles erzehlen wolte, wie uns allhier von den Mindanäern und etlichen daselbst gegenwärtigen Engel- und Holländern begegnet worden, denn es hatten sich verschiedene, welche des herum schweiffens überdrüßig gewesen, daselbst fest gesetzt, Weiber genommen und Kinder gezeuget, wie sie denn auch zwey Englische Priester bey sich, und ein besonderes Hauß zu Haltung des Gottes-Dienstes erbauet hatten, jedoch fanden sich viele unverheyrathete Mannes-Personen unter ihnen, welche mit dem dasigen Zustande nicht allerdings zu frieden waren. Immittelst ging unsere Handlung daselbst sehr profitabel von statten, das meiste was wir eintauschten, bestund in lautern Golde, Wachs, trefflichen Toback, Nägel-Rinde und andern Specereyen. Nachdem wir uns aber eine gantz neue Barque gebauet, fuhren wir mit diesem Leichten Schiffe auf andere umliegende Insuln und zogen aus selbigen einen ungemeinen Nutzen, indem wir die Näglein und Muscaten-Nüsse ausser dem ohne dieses wohlfeilen Preise halb umsonst bekamen, anbey alle Gelegenheit flohen, unsern Lands-Leuten den Holländern, welche sich auf die Moluccischen Insuln feste gesetzt, vor die Augen zu kommen.

Indem aber ich und die arbeitsamsten von meinen Leuten unter Anführung des Capitains Wodley allen möglichsten Fleiß und Mühe anwendeten, die völlige Ladung auf das Schiff und die Barque zu schaffen, muste Adam-Gorques nebst einer hinlänglichen[542] Mannschafft auf Mindanao, in unserer Niederlage als Ober-Aufseher zurück bleiben. Allein da wir einsmahls nach 4 Monatlicher Abwesenheit wieder zurück kamen, fand sich alles in sehr verwirreten Zustande, denn Adam Gorques war so wohl als seine Untergebenen in ein sehr liederliches Leben gerathen, hatte nicht allein sein gantzes Vermögen durchgebracht, sondern nebst seinen übrigen liederlichen Gesellen von unsern Gütern und Sachen genommen, verkaufft oder verschenckt was ihnen beliebt hatte. Dieserwegen erhub sich ein starcker Streit unter uns, und wenn ich so hitzig als Gorques und sein Anhang gewesen wäre, dürffte es leichtlich zu einem blutigen Gefechte unter uns selbst gekommen seyn. Allein weil der Capitain Wodley merckte, daß sich Adam Gorques einen starcken Anhang unter den Mindanäern gemacht, und ein gantz besonderes Vorhaben aus zuführen willens hatte, stifftete er einen Vergleich unter uns allen, so daß wir denen Rebellen annoch etwas Gewisses heraus gaben und zufrieden waren, daß sie sich von uns trenneten und als Leute, die hinfüro beständig auf dieser Insul zu bleiben Lust hatten, ihre Haußhaltungen einzurichten anfingen.

Adam Gorques war einzig und allein Schuld und Ursach an dieser Trennung, denn er hatte sich in die Tochter eines daselbst wohnenden Engelländers verliebt, mit der er sich auch bald hernach trauen ließ, und unter allerhand süssen Vorstellungen, begaben sich nach und nach die allermeisten auf seine Seite, so daß aus der höchstnöthigen Anzahl annoch getreuer Schiff-Knechte, letzlich[543] nicht mehr als 8 Personen und der Capitain Wodley mit seinen Engelländern auf meiner Seite blieben und mit mir zurück gehen wolten. Dieses ging mir sehr verdrüßlich im Kopffe herum, jedoch der Capitain Wodley sprach mich zufrieden, und gab den Anschlag, wie wir, durch Geld und eine kluge List, Leute genung zur Rück-Farth erlangen könten. Er sprach demnach etliche mißvergnügte Holl- und Engelländer an, welche, wie ich bereits gemeldet, schlechte Lust länger auf Mindanao zu bleiben hatten, und machte den Handel in geheim mit ihnen richtig! daß sie ohnbewust der Mindanäer und unserer Rebellen heimlich mit uns abfahren solten, ich aber kauffte, nicht allein hier, sondern hernach auch anderer Orten so viel Sclaven auf, als zu besetzung des Schiffs und der Barque nöthig waren, machte aber durch getreue Beyhülffe des Capitain Wodley unser Schiff mit guter Musse seegelfertig, überredete so wohl den Sultan nebst seinen Unterthanen, als auch unsere Abtrünnigen, denen Holländer als unsern eigenen Lands-Leuten auf dieser oder jener Specerey-Insul noch etwas abzuzwacken, und so dann wieder nach Mindanao zu kommen, fuhren also mit ziemlichen Vergnügen von dannen, des Willens so bald nicht wieder daselbst zu erscheinen.

Nunmehro erzehleten diejenigen, welche der Capitain Wodley von Mindanao abspenstig gemacht hatte, öffentlich, daß alle daselbst zurück gebliebenen Europæer eine Zusammenverschwerung unter sich errichtet hätten, nach und nach immer mehr Volck an sich zu ziehen, Schiffe und Vestungen[544] zu bauen, in Summa lauter solche Anstallten zu machen, daß sie den Sultan von Throne stossen, nebst seiner gantzen Familie und vornehmsten Bedienten ermorden, ja in der gantzen Stadt und Lande, ein grausames Mord-Spiel anrichten und solchergestallt wenigstens den grösten Theil der Insul unter ihre Bothmäßigkeit bringen wolten, Adam Gorques aber sey das Haupt dieser Zusammenverschwornen und vermeynte König darauf zu werden, hätte aber aus keiner andern Ursache das Geheimniß gegen uns verschwiegen, als weil er entweder vermeynet der Capitain Wodley und ich möchten uns in diesen gefährl. Handel nicht mischen, oder ihm nach glücklichen Ausschlage etwa die Ehre disputirlich machen wollen.

Wir, die solches zum ersten mahle höreten, erstauneten über solche tollkühne Anschläge, propheceyeten aber dem Adam Gorques und seinen Anhängern wenig guts, und danckten dem Himmel, daß diese zusammen Verschwerung nicht bey unsern Daseyn verrathen worden, weil es sonsten gar leichtlich unser Leben mit kosten können, ohngeacht wir unschuldig waren.

Immittelst führete uns der Capitain Wodley einen gantz besondern Weg nach der Küste von Neu-Guinea hin, und brauchte alle Behutsamkeit, die mit Holländern oder Portugiesen besetzte Insuln zu vermeiden, doch stiegen wir bald bey dieser, bald bey einer andern unbewohnten, oder einer solchen Insul aus, allwo Wodley gewiß wuste, daß keine Gefahr zu befürchten war, um uns mit frischen[545] Wasser, Holtz und andern nützlichen Sachen, wie vorhanden waren, zu besorgen. Hierauf schlugen wir uns gantz weit nach der Küste von Neu-Holland hinnüber, weilen aber einem jeden schon bekandt war, daß dieses Land eines von den allerelendensten der gantzen Welt sey, betraten wir dasselbe nicht, besuchten aber etliche nicht weit davon liegende Insuln und fanden dieselben wenig besser, wie denn auch die dasigen Menschen fast den unvernünfftigen Thiren gleichen. Wenig Zeit hernach überfiel uns ein erschrecklicher Sturm, der die Barque, worauf sich nebst den Ruder-Knechten 4 Mann von meinen Europæischen Passagiers befanden, von uns hinweg geführet hat, ob dieselbe untergegangen oder irgend an einem Ort in Sicherheit gekommen ist, weiß der Himmel, denn ohngeacht wir bey nahe 6 Wochen auf der Cocos-Insul stille gelegen und unser Schiff daselbst calfatert auch derselben viele Losungen aus den Canonen gegeben haben, so ist sie doch nachhero nicht wieder vor unsere Augen gekommen. So bald wir die Cocos-Insul zurück gelegt, entdeckte ich dem Capitain Wodley, als einem Manne, der mir die allerstärcksten Proben seiner Redlichkeit, bey so vielfältigen Gelegenheiten geleistet hatte, mein Vorhaben, wie ich nehmlich nicht gesonnen sey auf das Cap der guten Hoffnung zu, sondern ferne bey demselben vorbey zu fahren und auf einer gewissen unbenahmten Insul Rast-Tage zu halten, allwo ich gantz besondere Freunde wüste, die sich vor einigen Jahren daselbst in geheim etabiliret und Vorrath genung[546] hätten, uns mit allen Bedürffnissen reichlich zu versorgen. Er legte seine Verwunderung deßfalls zur gnüge an Tag, und ließ nicht ab, biß ich ihm, nachdem er mir den Eyd der Verschwiegenheit über gewisse Puncte geleistet, so viel erzehlte, als mir Hr. Wolffgang selbst von dem Felsenburgischen Staat eröffnet hat. Sein Vergnügen über dergl. Geschichte war unbeschreiblich und wünschte derselbe so wohl als ich, nur fein bald dieses glückseelige Land zu erblicken, welches ich ihm indessen auf meiner, nach besten Vermögen selst gezeichneten Land- und See-Carte, wiese. Wir brauchten hierauf unsere mathematischen Instrumenta fast täglich, um ja nicht etwa auf einen Irrweg zu gerathen und der Insul Felsenburg zu verfehlen, allein es hat uns dennoch Kummer, Sorge und Gedult genung gekostet, durch alle Verdrüßlichkeiten, die sonderlich Wind und Wetter verursachten, hindurch zu dringen, biß uns endlich gestern früh bey aufgehender Sonne, die, durch deren Strahlen erleuchtete Felsen Spitzen, zu unaussprechlicher Freude in die Augen fielen.

Solchergestallt habe ich von allen Personen die mit uns aus Amsterdam gefahren sind, nicht mehr zurück gebracht als 6 Boots-Knechte, und 4 Freywillige nehmlich den Nadler Johann George Bucht aus dem Hildesheimischen, den Hut-Staffier Michael Eichert von Bremen, den Handels-Diener Friedrich Christian Fleischmann aus Glaucha, und den Peruquen-Macher August Dietrich von Erffurt. Die übrigen so sich vor itzo bey mir befinden[547] sind alle unterwegs eingenommen oder als Sclaven von mir erkaufft worden, unter den erstern befindet sich, nebst 9 Holländern 7 Engelländern und zweyen Deutschen, der Capitain Wodley mit seinen 5 Engelländern, die letztern aber, nehmlich meine Sclaven, deren annoch 9 an der Zahl sind, weiln auf der Cacos-Insul einer davon gestorben, haben sich biß anhero dermassen wohl aufgeführet, daß mich die angewandten Kosten nicht im geringsten gereuen, ohngeacht sie mich über 1500 Rthl. zu stehen kommen. Über diese alle habe ich auch die Talli annoch bey mir, die sich ungemein fromm, keusch und redlich aufgeführet hat, sie ist in allen Articuln des christl. Glaubens ziemlich wohl unterrichtet, zur Zeit aber noch nicht getaufft.

Von meinen eigenen und auch gemeinschafftl. Waaren ist mit der Barque ein ziemlicher Theil verlohren gangen, und wir sind insgesammt noch nicht im Glauben einig, ob die Barque vom Wellen verschlungen, oder bey Gelegenheit des Sturms leichtfertiger weise von denen darauf befindlichen Personen entführet worden, um die darauf befindlichen Güter an einen sichern Orte unter sich zu theilen.

Jedoch bekümmern ich und alle die bey mir sind uns nicht halb so viel um das verlorne, als um die armen Leute, wenn sie ja verunglückt und ertruncken seyn solten, denn biß hieher haben wir sämmtlich noch so viel Gut und Geld, daß uns die überstandenen Gefährlichkeiten eben nicht verdrüssen dürffen, der Himmel helffe weiter.

Hiernächst habe vermuthlich alles wohl ausgerichtet[548] und eingekaufft was mir Herr Wolffgang vor die werthgeschätzten Einwohner der Insul Felsenburg aus Ost-Indien mit zu bringen befohlen hat, erwarte also nur Befehl, wenn und wo ich alles aussetzen und wie mich in allem übrigen verhalten soll, denn vielleicht werden Dinge dabey seyn, an welche sie allerseits nicht gedacht haben, und dennoch theils zum Nutzen, theils besondern Laabsal, theils aber nur zur Lust gereichen.

Hiermit endigte der Capitain Horn den kurtz gefaßten Bericht von seiner gethanen Reise, mit dem Versprechen, selbigen bey bequemen Gelegenheiten von Stück zu Stück weitläufftiger zu erzehlen, worauf beschlossen wurde, daß er morgendes Tages zurück auf sein Schiff gehen, mit selbigen um die Süd-Seite der Insul Felsenburg herum fahren, und bey der andern Insul klein Felsenburg anländen solte, unser Schiff aber wurde bestellet, bey dessen Ankunfft voraus zu fahren, und ihm den sichersten Weg biß in die Bucht zu zeigen, allwo seine Leute aussteigen uñ auf etliche Wochen Dableibens, Hütten bauen konten, weilen ohne dem voritzo die allerschönste Jahrs-Zeit im völligen Anzuge war. Von der Insul Groß-Felsenburg aber solten sie wöchentlich ja fast täglich mit allen Bedürffnissen reichlich Versorget werden. Anbey wurde auch verabredet, daß biß auf fernern Bescheid noch niemand anders mehr unsere Insul betreten solle als der Capitain Wodley und die Talli.

Gleich darauf folgenden Tages früh ging also der Capitain Horn nebst seinen 3 Sclaven, welche[549] sich ungemein wohl gepflegt, auch von Herrn Wolffgangen gantz neue Kleidungen empfangen hatten, zurück nach seinem Schiffe und landete gantz zeitig bey der Insul Klein-Felsenburg an. Ich Eberhard Julius war nebst Mons. Lizbergen, Harckerten und Lademannen mit auf unsern Schiffe unter denen, die ihm den Weg und alle nöthige Anstallten zeigeten. Bucht, Eichert, Fleischmann und Dietrich, wie auch die annoch bekandten Boots-Knechte umarmeten uns hertzlich, und vergossen mehrentheils Thränen vor allzugrossen Freuden, wegen vergnügter Zusammenkunfft, ohngeacht wir noch nicht einmahl völlig 3 Jahr von einander geschieden gewesen. Sie erzehleten uns ihre gehabten privat Avanturen und suchten im gegentheil zu erforschen, wie es uns gegangen, auch was es eigentlich vor eine Beschaffenheit auf der gegen überliegenden Insul wäre, allein wir sagten anfänglich nicht mehr als ihnen zu wissen dienlich war, liessen inzwischen aus unsern Schiffe die mitgebrachten Delicatessen herbey bringen, und weil der Felsenburgische Wein ihre Kähle sonderlich wohl zu statten kam, betruncken sie sich grösten theils dermassen, daß sie fast nicht mehr sitzen oder stehen konten, derowegen übergaben die Capitains Horn und Wodley, einem alten ansehnlichen Engelländer, welcher die Stelle des Ober-Steuermanns begleitete, daß völlige interims Commando und fuhren mit beyden Schiffen, nach dem eines jeden nothwendigste Sachen heraus getragen waren, mit Anbruch folgendes Tages zurück nach Groß-Felsenburg.[550]

Die Verwunderung des Capitain Wodley und der Talli, welche sie beyderseits beym Eintritt auf unsrer Insul, noch mehr aber im fernern Fortgange und endlicher Ankunfft auf der Albertus-Burg spüren liessen, ist nicht wohl zu beschreiben. Die letztere konte nicht allein vollkommen gut Holländisch, sondern fast noch besser Deutsch reden, weil sie selbiges von dem Capitain Horn und seinen bey sich habenden Deutschen, als zu welchen sie jederzeit die gröste Neigung getragen, aufgefasset hatte.

Man merckte eine grosse Blödigkeit an derselben, ohngeacht sie sich schon so lange unter so vielen Manns-Personen allein befunden hatte, derowegen wurde sie von Herr Mag. Schmeltzers und Mons. Wolffgangs Liebste in eine besondere Cammer geführet, und daselbst auf die Felsenburgische Frauenzimmers Art, von Fuß auf neu angekleidet, wodurch ihre feine Gesichts-Bildung und übriges gutes Ansehen, noch weit besser als vorhero aus nahm.

Immittelst aber der Capitain Wodley, von dem Alt-Vater und andern Aeltesten der Stämme aufs beste bewirthet und mit Gesprächen unterhalten wurde, war der Capitain Horn nebst Herrn Wolffgangen und uns andern Europæern, unten an der Nord-Seite auf seinen Schiffe gegenwärtig, um die Ausladung, welche durch unsere Leute verrichtet wurde, zu befördern. Es würde sehr weitläufftig fallen, wenn ich alle mit gebrachten Güter der länge nach specificieren wolte, jedoch kan nicht umhin zu[551] melden was uns am angenehmsten in die Augen fiel, als 1) 4 Chinesische unvergleichlich schöne Zucht-Pferde, 2.) 4 Stücken Rind Vieh worunter zwey trefflich grosse Büffel. 3) 8 Mindanaische Schaafe. 4.) 2 junge Maulthiere. 5.) 6 Chinesische Schweine. 6.) 2 paar Pappegayen von besonderer Art, nebst verschiedenen andern raren und uns unbekandten Vögeln. 7.) 12 stück Indianische Hühner und Hähne. 8.) 5 paar Turteltauben. Dieses hielt ich meinen Gedancken nach vor die vornehmsten Stücke, nechst dem war etwas höchst verwunderbarliches, daß er auf einer so fernen Reise 3 Bienen-Körbe mit lebendigen Bienen fortbringen können, es hatte aber dem guten Capitain Horn nicht wenig Mühe gekostet dieselben zu erhalten, wie ihm denn von 12 körben, die er eingeschifft, nur diese 3 übrig geblieben, die andern aber ausgestorben waren. Uns gereichten diese, wegen ihres mehr als zu wohl bekandten Nutzens zum gantz besondern Vergnügen, weilen bey des Alt-Vaters Lebzeiten noch niemahls eine Biene auf der Insul Felsenburg gesehen worden. Indem aber der Pappiermacher Klemann eine sonderliche Wissenschafft von Verpflegung der Bienen zu haben vorgab, so wurde ihm erlaubt die drey Binen-Körbe nebst einen Fäßlein Honig mit sich nach Johannis-Raum abzuführen. Sonsten hatte der Capitain einen starcken Vorrath von Honig, Wachs, Zucker, Taback, Theé, Coffeé Muscaten-Nüssen, Näglein und andern Specereyen, feinen Zeugen, Chinesischen Porcellain und andern Geschirre, eine grosse Quantitæt Eisen Stäbe,[552] sehr viel gegossene Kupffer Klumpen, allerley Sämereyen, worunter sonderlich Mindanaischer Taback-Saamen, Thee-Saamen etc. etc. vielerley Frucht-Kernen, dergleichen bey uns nicht zu finden, in Summa lauter solche Sachen, die den Felsenburgern ungemein zu statten kamen, wiewohl was die Gewürtz-Waaren it. allerley Chinesische Zeuge, Tapeten, Decken und d. gl. anbelangte, so behielt er mehr als die Helffte nach Europa mit zu nehmen, weiln der Alt Vater, Herr Mag. Schmeltzer und Hr. Wolffgang nicht vor rathsam hielten, die Insulaner mit allzuvielen unnöthigen und überflüssigen Sachen, die zumahl mit der Zeit im langen liegen verderben könten, zu überhäuffen.

Solchergestallt wurden fast 3 volle wochen, mit Ausladung und Hinaufschaffung der Sachen, die in Felsenburg bleiben solten, zugebracht, nachhero verlieff fast eben so viel Zeit, ja wohl nochmehr, biß jede Sachen an ihren gehörigen Orth gesetzt und meistentheils unter die Familien vertheilet wurden, denn es bekam ein jeder Hauß-Wirth seinen bescheidenen Theil, nachdem er viel oder wenig Kinder, oder sonsten Lust und Gelegenheit hatte, dieses oder jenes zu nutzen.

Ich muß aber ein wenig zurück gehen und melden, daß es der 13. Sontag p. Trinit. war, da die Capitains Wodley und Horn nebst der Talli in unserer Kirche dem öffentl. Gottesdienste beywohneten. Sie bezeugten ein ungemeines Vergnügen, vornehmlich bey Hrn. Mag. Schmeltzers Predigt über[553] das Evangelium von Barmhertzigen Samariter, die Talli sonderlich, stellete sich dergestallt andächtig, daß jedermann glauben muste, wie es ihr ein rechtschaffener Ernst sey den christlichen Glauben anzunehmen. Herr Mag. Schmeltzer ließ sich nach gehaltener Nachmittages-Predigt mit derselben in ein ernsthafftes Gespräch ein, und befand in der That warhafftig zu seyn, daß sie des Capitain Horns Bericht nach, schon einen ziemlichen Begriff von dem christlichen Glauben hätte, um nun auf diesen Grund ferner fortzu bauen, nahm Herr Mag. Schmeltzer selbige von dato an täglich etliche Stunden vor, die übrige Zeit aber wurde ihr von dessen und Mons. Wolffgangs Liebste der Catechismus, nest verschiedenen schönen Gebethern auswendig herzusagen gelehret, so daß sie binnen 4 Wochen hinlänglich zubereitet erfunden wurde die Heil. Tauffe zu empfangen.

Eines Abends, da nach der Mahlzeit der Alt-Vater vor der Burg auf dem Hügel in der Lufft saß, u. von vielen seinen Angehörigen umgeben war, sahen wir die Talli mit Herr Mag. Schmeltzers Liebste von Christians-Raum her spazirt kommen, weil sie daselbst die Frau VVolffgangin besucht hatten, weßwegen der Alt-Vater den neben ihm sitzenden Capitain bey einer Pfeiffe Toback also anredete: mein Herr; nehmet doch meine Neugierigkeit nicht übel auf, wenn ich frage: was ihr doch eigentlich in zukunfft mit und aus eurer Sclavin der Talli zu machen willens seyd? Capitain Horn gab hierauf geschwind zur Antwort: wenn mein Herr erlauben[554] wolte, daß die Talli ihre Lebenszeit auf dieser glückseligen Insul zubringen dürffte, so wäre ich gesonnen diese mir zugefallene Sclavin, und das an ihrer Person habende Recht an des Herrn Mag. Schmeltzers Liebste abzutreten, weilen vermercke, daß die Frau Magisterin selbige wohl leyden mag, und mir deucht sie solte sich in kurtzer Zeit bald darein finden lernen, eine gute Köchin abzugeben, ob sie nunmehro aber etwa Lust zu heyrathen bekommen hat, kan ich nicht sagen, weilen in langer Zeit von dieser Materie nichts mit ihr gesprochen habe.

Der Alt-Vater wurde über diese Antwort sehr erfreuet und versprach nicht allein die Talli von Hertzen gern auf der Insul zu dulden, sondern das an die Frau Magisterin gethane geschencke aus seiner Schatz-Cammer zu recompensiren.

So bald nun beyde auf dem Hügel anlangeten, und sich bey uns niederliessen, sagte der Capitain Horn: höre meine gute Talli! mache dich fertig, denn wir werden in wenig Tagen wieder zu Schiffe gehen. Talli verbarg zwar ihr Betrübniß wegen dieses plötzlichen Befehls, sagte aber mit einem tieff geholten Seuffzer: mein Herr! Leute die so wenig Sachen haben als ich, können sich gar bald fertig machen, allein erzeiget mir die Gnade und lasset mich bey diesen vortrefflichen Leuten, in ihrer Kirche die Heil. Tauffe empfangen, damit wenn ich ja auf einer abermahligen langwierigen Reise sterben solte, ich doch nicht als eine Heydin, sondern als eine getauffte Christin sterben möge. Sie begleitete[555] diese letztern Worte mit einigen Thränen, welches verursachte, daß dem Alt-Vater und vielen andern ebenfals die Augen übergingen, wenigstens wurden alle Anwesende sehr bewegt. Der Capitain Horn aber fuhr im Fragen fort: höre Talli deine Bitte ist schon gewähret, du wirst ehester Tags, so bald es dem Herrn Mag. Schmeltzer gefällig ist, getaufft werden, allein sage mir aufrichtig verlangestu nicht viellieber allhier auf dieser Insul zu bleiben, als wiederum zu Schiffe zu gehen? einer Sclavin, gab Talli zur Antwort, gebühret dem Befehle ihres Herrn Gehorsam zu leisten, wenn ich aber eine freye Person wäre, so würde allerdings weit lieber an einem solchen Orte bleiben, wo mehr Weibs-Personen, vornehmlich aber Grund fromme Leute wohnen; als unter lauter Manns-Personen im wilden Meere herum schiffen. Meine gute Talli, rieff demnach der Capitain Horn, deine Aufrichtigkeit verursacht, daß ich mich nach deinem Vergnügen bequeme, und mein, an deiner Person habendes Recht, an gegenwärtige Frau Magisterin verschencke, die ich zugleich gehorsamst ersuche diese meine bißherige Sclavin, welche ich aber, da der Himmel mein Zeuge ist, nicht als eine Sclavin, sondern als eine leibliche Schwester tractirt habe, zu meinem Angedencken auf- und anzunehmen. Talli wuste vor Freuden nicht was sie thun oder sagen solte, nachdem aber die Frau Mag. Schmeltzerin ihre verbindliche Dancksagung dieserhalb bey dem Capitain Horn abgelegt hatte, fiel die Talli hurtig vor des Capitains Füsse, und danckte vor die erzeigte[556] Gnade, da er sie aber aufgehoben und ihr viel Glück und Seegen gewünscht, küssete sie der Frau Mag. Schmeltzerin die Hand, und wolte derselben ebenfalls einen Fußfall thun, allein diese verhinderte solches, küssete die Talli auf den Mund und erklärete sie augenblicklich vor eine freye Person, sagte anbey sie hätte verno en, daß die Sclaverey unter den Christen nicht erlaubt wäre.

Nächst darauf folgenden Sonntags nehmlich am 17 p. Trinit. wurde die Talli Nachmittags in Gegenwart fast aller Insulaner getaufft, ihre Tauff-Zeugen waren: der Alt-Vater Albertus, die Frau Mag. Schmeltzerin und die Frau VVolffgangin, welche ihr die Nahmen Albertina Christiana Sophia beylegten. Herr Mag. Schmeltzer hielt darbey, an statt der Mittags-Predigt, einen erbaulichen Sermon und stellete nach Gelegenheit des Sonntags Evangelii in artiger Vergleichung vor: die durch Christum verrichtete Heilung des Wassersüchtigen, und die Reinigung, welche durch das Wasser-Bad der Heil. Tauffe geschicht etc. etc.

Bald nach empfangener Tauffe legte sie im Beicht- Stuhle ihre Beichte ab, und hierauf wurde ihr das Heil. Abendmahl gereicht, in dem sie sich den gantzen Tag der Speise und Trancks enthalten, auch vor Untergang der Sonnen nicht essen oder trincken wolte, ohngeacht ihre Pathen eine köstliche Mahlzeit vor alle Anwesenden Insulaner auf Herrn VVolffgangs Taffel-Platze zugerichtet hatten.

Immittelst daß dieses alles in Groß-Felsenburg[557] vorgieng, wolten die Frembden auf der Insul Klein-Felsenburg vor Neugierigkeit fast die Schwindsucht kriegen, da sich der Capitain Horn bey ihnen von einer Zeit zur andern entschuldigte, daß er von dem Gouverneur der grossen Insul keine Erlaubniß bekommen könte frembde Leute hinnein zu führen, und weilen sie nicht das geringste Land, sondern rings herum lauter steile wüste und unförmliche Klippen gesehen hatten, gleichwohl aber wöchentlich die allerschönsten frischen Victualien, lebendiges Wildpret und andere Thiere bekamen, mochte ihr verlangen alles in Augenschein zu nehmen um so viel desto grösser seyn, allein der Capitain wuste sie von einer Zeit zur andern zu trösten, und ihnen das gute Leben, so sie allhier hätten, nebst der Hoffnung reichlicher Beschenckung, dergestallt süsse vorzumahlen, daß sie von einer Zeit zur andern bey der Güte erhalten wurden, wie sie sich denn sehr bequeme Hütten gebauet, und ihre Wirtschafft aufs beste eingerichtet, auch Gelegenheit genung hatten, sich bey der allerschönsten Jahres-Zeit, den vergnütesten Zeit-Vertreib mit jagen, fischen, spielen und dergleichen zu machen.

Zwischen der Zeit musten unsere Schiffs-Bau-Leute das frembde Schiff aufs Trockene bringen, den Boden nebst allem was wandelbar daran gefunden wurde, unter Anweisung Herrn VVolffgangs und der beyden Capitains von gantz ebenen Holtze machen und solches auf eine ferne Reise vollkommen wohl zubereiten, worauf der Capitain Horn, der nunmehro nicht mehr volle Ladung hatte,[558] eine grosse Quantitæt Reiß und Rosinen von den Felsenburgl. einlude, und sich immer allmählig bereit machte, aufs längste im künfftigen November Monat von dannen zu fahren. Wir hätten sonsten den Frembdlingen gern das Vergnügen gegönnet, unsere Insul und alle Anstallten derselben zu besichtigen, allein Ratio status erfoderte vor diesesmahl ein anders, doch da einsmahls der Capitain Horn seine gantze Gesellschafft noch einmahl herrechnete, und darbey ihre Professionen und Lebens-Arten erwehnte, hielt sich Herr VVolffgang bey nachfolgenden auf, die uns auf dieser Insul noch fehleten und vielleicht gute Dienste leisten könten, nehmlich, 1) ein Gürtler. 2) ein Nadler, 3) ein Gerber, 4) ein Hutmacher. 5) ein Seyler. 6) ein Kupfferschmidt. Weilen nun der Capitain Horn versicherte, daß dieses alles gantz feine unveralterte Kerls wären, die sich leichtlich würden bereden lassen auf dieser Insul zu bleiben, indem er von ihnen vernommen, daß keiner in seiner Heymath viel zu suchen wüste, als wurde beschlossen, dieselben gleich morgendes Tages mit guter Manier und, wo möglich, ohne Vorbewust der andern herüber zu holen.

Der kluge Capitain Horn legte auch in diesem Stücke eine Probe seiner Verschlagenheit ab, denn er hatte einen nach den andern heimlich vorgenommen, und mit ihnen verabredet, daß, mittlerweile er sich nebst allen andern auf den Weg ins Gebüsche, um das Land auszukundschaffen, begeben würde; sie sich indessen heimlich zurück schleichen, und ins Schiff verstecken solten, damit er gegen Abend unvermerckt[559] mit ihnen abfahren könte. Diese List war also glücklich von statten gegangen, ausgenommen daß sich ein eintziger ungebethener, gleichfalls mit eingeschlichen hatte, den der Capitain, um das gantze Spiel nicht zu verderben, auf sein unabläßiges Bitten fast mit Gewalt mitnehmen müssen. Demnach bekamen wir bey schon gantz später Nacht in Groß-Felsenburg folgende fremde Gäste zu sehen:


1. Johann George Bucht, ein Nadler aus Deutschland, 27. Jahr alt.

2. Balthasar Gottfried Herbst, ein Gürtler aus Deutschland, 35. Jahr alt.

3. Johann Conrad Rümpler, ein Gerber aus Schlesien, 31. Jahr alt.

4. Heinrich Tau ein Hutmacher aus Engelland, 29. Jahr alt.

5. Matthäus Pür, ein Kupfferschmidt aus Engelland, 32. Jahr alt.

6. Michael Bertholt, ein Seyler aus Holland, 28. Jahr alt.

7. August Dietrich, ein Peruquenmacher aus Deutschland, 32. Jahr alt.


Der siebende und letzte, war derjenige, welcher sich mit Gewalt eingeschlichen hatte, jedoch weil der Mensch gantz fein und redlich aussahe, wurde ihm die gebrauchte Verwegenheit, benebst dem gantzen Fehler, vergeben. Sie wurden aber alle zusammen bey Mons. Kramern in Alberts-Raum[560] aufs beste tractiret, in folgenden Tagen aus einer Pflantz-Stadt in die andere geführet, um alle dasige Anstalten wohl in Obacht zu nehmen, nach diesen præsentirte Mons. Horn dieselben dem Alt-Vater, und zuletzt nahmen wir sie mit in unsere Kirche dem Gottesdienste beyzuwohnen.

Rümpler, Herbst, Dietrich und Bucht hielten bald darnach bey Herrn Magist. Schmeltzern an, ihnen das Heil. Abendmahl zu reichen, worinnen ihnen auch gewillfahret wurde, weil sie gute Lutheraner waren, Bertholt der Holländer aber, ingleichen die beyden Engelländer, Tau und Pürr wurden nicht so bald darzu gelassen, ohngeacht sie es verlangeten, denn der erste, der sich zu der Secte der Calvinisten bekennete, hatte einen sehr elenden Begriff von Glaubens-Sachen, die andern beyden aber schienen Indifferentisten zu seyn, weil sie selbsten nicht eigentlich wusten, zu welcher von den dreyen Haupt-Secten des Christenthums sie sich zählen solten. Herr Mag. Schmeltzer hingegen fieng von selbigen dato an, sich täglich ein paar Stunden von der reinen Glaubens-Lehre, mit ihnen zu besprechen, brachte auch alle drey noch vor meiner Abreise so weit, daß sie einige, bißanhero, ja von Jugend auf gehegten irrigen Meynungen erkandten, selbigen absagten, und sich zu der reinen und unverfälschten Evangelischen Wahrheit bekandten, und darauf das Heil. Abendmahl nach Christi Einsetzung empfingen.[561]

Es wurde immittelst auf eines jeden Thun und Lassen sehr genau Achtung gegeben, da wir aber vermerckten, daß einer so wohl als der andere die allergröste Lust bezeigte, auf der Insul zu verbleiben, wurden die 6. erstgemeldten Handwercker eines Tages zum Alt-Vater beschieden, welcher ihnen durch Herrn Wolffgangen seine Meynung vortragen ließ: ob sie nehmlich, wo nicht auf Lebens-Zeit, jedoch etwa auf 3. oder 4. Jahr, in dieser Insul zu verharren, und ihre Professionen den Unsern zu lehren Belieben trügen, da ihnen denn letztern Falls, die freye Abfuhre nach Europa nebst einem Geschencke von 2000. Thlr. zu statten kommen solte; Sie nahmen also den Vorschlag ohne eintziges Bedencken sämmtlich mit Vergnügen an, und legten gleich darauf folgenden Tages, den, ihnen allen zur Uberlegung aufgeschriebenen und zugestelleten Eyd der Treue ab, wurden auch also fort unter die Zahl der Felsenburgischen Einwohner gerechnet.

Dietrich der Peruquier hatte dieses kaum vernommen, als er mit gantz betrübten Gebärden zu mir kam, und fragte: warum denn er unter seinen 6. übrigen Cameraden allein vor so unwürdig und verächtlich geachtet, und nicht auch auf dieser Insul geduldet werden solte, da er doch aus Liebe zu dieser angenehmen Lebens-Art nicht allein seine Eltern, Geschwister, Erbschafft und alles zurück setzen, und sich so ehrlich, als wohl einer von den andern sechsen, aufführen wolte? Ich gab ihm hierauf zur Antwort: Mein werther Freund, an eurer[562] Person und Redlichkeit hat niemand das geringste auszusetzen, allein, wie ich vermercke, so ist dem Befehlshaber dieses kleinen Landes eure Profession zuwider, wie ihr denn selbst absehen könnet, daß selbige allhier gantz nichts nützig ist, weil kein eintziger eine Peruque trägt, ich vor meine Person habe zwar selbst so wohl als Herr Mag. Schmeltzer, Mons. Litzberg und andere mehr, in Europa auch Peruquen getragen, allein auf Zureden Herrn Wolffgangs, warffen wir dieselben hinweg, so bald wir in Amsterdam zu Schiffe gegangen waren, und liessen unsere Haare, der Natur gemäß, wachsen, demnach hat von hiesigen eingebohrnen Insulanern niemahls einer eine Peruque gesehen, es sollen auch dergleichen niemahls eingeführet werden. Saget demnach, was ihr uns auf dieser Insul vor Nutzen schaffen köntet, und ob es nicht besser vor euch sey, wenn ihr ein ansehnliches Geschencke empfanget, wodurch ihr euch, so bald wir in Europa anländen, an irgend einem guten Orte niederlassen, und eure Profession treiben könnet? Der gute Dietrich wurde dieser Reden wegen noch betrübter, und gab zu vernehmen, wie auf der gantzen Welt wohl kein Mensch zu finden, der des Herumschweiffens überdrüßiger wäre als er, derowegen er inständig bitten wolte, es doch auf eine Person mehr oder weniger nicht ankommen zu lassen, sondern ihm das Dableiben zu erlauben, indem er sich so hertzlich sehr nach dergleichen ruhigen und vergnügten Leben sehnete, er wolte hingegen an seine Peruquenmacher-Profession gantz und gar nicht mehr gedencken, sondern[563] sich bey Mons. Plagern in die Lehre begeben, und demselben aufs fleißigste arbeiten helffen, wie er sich denn völlig versichert hielte, daß ihn dieser gute ehrliche Freund an- und aufnehmen, und in allerley Künsten unterrichten würde. Ausserdem, setzte er hinzu, wäre ja diese Insul groß genung, noch mehr als 1000. Menschen zu ernehren, die zumahlen ihr Brod nicht mit Müßiggehen zu verdienen gesonnen, in Europa hergegen, wäre man tausenderley Verdrüßlichkeiten unterworffen, man möchte auch gleich viel oder wenig Geld haben.

Die aufrichtige Art, womit Dietrich dieses alles vorbrachte, bewegte mich dahin, daß ich so gleich bey dem Alt-Vater, Mons. Wolffgangen und Herr Mag. Schmeltzern sein Wort redete, und endlich zuwege brachte, daß ihm erlaubt wurde, auf der Insul zu bleiben. Mons. Plager nahm ihn mit Freuden zu sich in seine Behausung, und man merckte binnen wenig Wochen, daß sich Dietrich nicht allein sehr wohl zu dieser Profession schickte, sondern sich auch alle Mühe gab, Mons. Plagers seiner Frauen jüngste Schwester, welches ein artiges Mägdlein von 14. Jahren war, bey Zeiten zu seiner Braut zu erwerben. Es ist auch dieser beyden Verlöbniß noch vor meiner Abreise gehalten worden.

Beyläuffig muß ich auch melden, daß sich Heinrich Tau sonderlich in die Talli verliebt hatte, allein er war unglücklich, denn vors erste schützte die Talli vor: daß sie ihn nicht lieben könte, und vors andere hätte der Alt-Vater auch ungern gesehen,[564] wenn zwey frembde Personen ein besonderes Geschlechte auf der Insul errichtet hätten. Demnach fand sich ein junger Gesell aus Simons-Raum zu ihrem Liebsten an, welchen sie, allem Ansehen nach, etwas besser leyden konte, allein, vor meiner Abreise wuste man noch nicht gewiß, ob ein Paar aus ihnen werden würde.

Mit Eintrit des Monath Novembris war endlich der Capitain Horn am eiffrigsten beschäfftiget, alles das, was er mit nach Europa nehmen solte, gäntzlich einzuschiffen, weil es demnach nur an meiner Equippage fehlete, ersuchte der Alt-Vater Mons. Wolffgangen einen Aufsatz von denenjenigen Sachen zu machen, welche zu meiner Abfertigung und Besorgung aller fernern Angelegenheiten unumgänglich erfordert würden, und da dieses geschehen, bekam ich aus des Alt-Vaters Schatz-Cammer eine überflüßige Quantität von gemüntzt und ungemüntzten Gold, Silber, Perlen, Edelsteinen und dergleichen Kostbarkeiten, nächst dem eine weitläufftige schrifftliche Instruction, dessen, was ich mit Beyhülffe des Capitain Horns zum weitern Behuff und Nutzen der Felsenburgischen Einwohner anschaffen und bestellen solte. Hierbey gab mir nicht allein Herr Mag. Schmeltzer ein groß Paqvet Briefe mit, um dieselben an die Seinigen zu übersenden, sondern es folgten dessen Exempel auch verschiedene von den andern letzt eingekommenen Europäern, als welche Commissionen ich von einem so wohl als dem andern mit besondern Freuden übernahm, und alles bestens auszurichten versprach.[565]

Am 14. Novembr. nehmlich am 25. Sonntage p. Trinit. nachdem uns Herr Mag. Schmeltzer in öffentlicher Predigt tausendfaches Glück auf die Reise gewünschet, auch versprochen hatte, so wohl mich als den Capitain Horn ins gewöhnliche Kirchen-Gebeth biß zu glücklicher Wiederkunfft mit einzuschliessen, nahmen wir Mittags nach verrichteten GOttes-Dienste von allen Stämmen, die sich auf dem Kirch-Hofe in besondere Hauffen getheilet, und ihre Aeltesten vor sich stehen hatten, zärtlichen Abschied, empfiengen ihre hertzlichen Glück-Wünsche auf die Reise, und begaben uns hernach mit den sämmtlichen Aeltesten auf die Albertus-Burg, allwo noch ein und anderes erinnert wurde, welches ich, um in Europa nichts zu vergessen, in meine Schreib-Taffel eintragen muste.

Hierauf setzten wir uns zu Tische, die Valet-Mahlzeit einzunehmen, worbey verschiedene Gespräche vorfielen, unter andern sagte der Capitain Wodley zu Herrn Wolffgang und dem Capitain Horn: Meine Herren, ich habe ihnen meines Wissens alles mein baares Geld und Gut gezeiget, was meynen sie wohl, wie hoch sich dasselbe belauffen solte? Indem nun beyde einstimmig waren, daß er selbiges, inclusive der vielen Edelgesteine und andern Kostbarkeiten, die zwar von kleinem Gewichte, aber desto grössern Werthe wären, schwerlich unter dreymahl hundert tausend Reichs-Thaler hingeben würde; sprach Wodley ferner: Sie haben richtig genung taxiret, meine Herren,[566] wolte aber der Himmel! es wäre solches hinlänglich, mich damit in diese glückseelige Insul einzukauffen, denn ich habe Zeit meines Hierseyns, bey der vergnügten Lebens-Art hiesiger Einwohner, einen solchen Eckel gegen andere Gesellschafft geschöpfft, daß ich nicht anders als mit betrübten Hertzen zurück in mein Vaterland gehen kan, allwo voritzo mehr Laster als Tugenden zum Vorscheine kommen. Ich läugne zwar nicht, daß ich von Jugend auf derjenigen Secte, welche man in Engel- und Schottland Presbyterianer nennet, zugethan gewesen, als welche den hiesigen Religions- und Kirchen-Gebräuchen, um ein nicht geringes entgegen ist, allein, die erbauliche Lehr-Art des Herrn Mag. Schmeltzers, hat mein Hertz dergestalt gerühret, daß ich wünschen möchte, von ihm weiter unterrichtet, und endlich einmahl auf meinem Todt-Bette zum seeligen Sterben bereitet zu werden, denn ohngeacht ich ein Mann von nur etliche 50. Jahren bin, der sonsten eine von den stärcksten und gesündesten Naturen gehabt, so glaube doch, daß der vor wenig Jahren genossene vergifftete Vogel, selbige dergestalt geschwächt hat, daß ich mein Leben wohl nicht allzu hoch bringen möchte. Sonsten bin ich mein Leb-Tage niemahls verheyrathet gewesen, habe auch keine andere Freunde und Erben, als einen eintzigen leiblichen Bruder, der ein Kupfferstecher in Yarmouth ist, und etliche 100. Pfund Sterlings im Vermögen haben mag, welchem ich doch wohl etliche kostbare Jubelen zum Andencken meiner, wünschen möchte,[567] daferne ich ja so glücklich seyn solte, von dem vortrefflichen Alt-Vater und Herrn dieses Landes, Erlaubniß zu erhalten, den Rest meines Lebens unter möglichster Arbeit, auf dieser glückseeligen Insul zuzubringen.

So bald der Capitain Wodley seine Rede geendiget, sahen wir alle mit verlangenden Augen den Alt-Vater an, um zu vernehmen, was derselbe darauf antworten würde, selbiger aber reichte, ohne langes Besinnen, dem, ihm zur Rechten sitzenden Capitain Wodley, die Hand, und sagte: Bleibet hier, mein Freund, im Nahmen des Herrn, denn weil diese Insul zum Ruhe-Platze redlicher Leute von dem Himmel bestimmt zu seyn scheinet, so wäre es ein unverantwortliches Verbrechen, wenn ich euch den beliebigen Auffenthalt versagen wolte, von allerverdrüßlichen Mühe und Arbeit werdet ihr jederzeit befreyet leben können, an meinem Tische und in dieser Burg, so lange ich lebe, vor lieb nehmen, nach meinem Tode aber werden euch die redlichen Meinigen auch niemahls Noth leyden lassen, denn ich bin versichert, daß sie den Befehle ihres Alt-Vaters nimmermehr so starck zuwider handeln können. Was aber eure Schätze anbelanget, so wendet dieselben in GOttes Nahmen euren leiblichen Bruder zu, mein Eberhard kan ihn zu sich nach Amsterdam oder einen andern Holländischen Ort verschreiben, und demselben alles einhändigen, denn wir haben dergleichen zeitliche Güter, nach hiesiger Beschaffenheit, in solchem Uberflusse, daß wir nichts mehr bedürffen.[568] Im übrigen aber, mein Freund, erweget nochmahls wohl, ob ihr ohne eintzigen Gewissens-Scrupel, euch so wohl unseren Satzungen, als hauptsächlich der Religion, gemäß und gleichförmig, nicht allein jetzo, sondern jederzeit, bezeigen könnet und wollet.

Capitain Wodley küssete hierauf des Alt-Vaters Hand, und nach weitläufftiger Dancksagung, betheurete er hoch, daß er seit etlichen Wochen, alles wohl überlegt, und den festen Schluß, sich erwehnter Lebens-Art gleichförmig zu bezeigen, gefasset, doch beständig gezweiffelt hätte, ob man ihm auf sein inständiges Ansuchen, und zwar in Betrachtung seines Alters, das Dableiben erlauben würde. Nachhero wendete er sich zu mir, und sagte: Mons. Eberhard! alle meine Sachen sind bereits eingeschifft, biß auf ein kleines Kästlein, welches ich noch bey mir habe, ich will aber von allen nichts zurück nehmen, als einen eintzigen Kasten, worinnen zwar wenig kostbare, jedoch solche Sachen verwahret liegen, welche vielleicht den Einwohnern dieser Insul auch lange Jahre nach meinem Tode angenehm und nützlich seyn werden. Ausser diesen will ich sie, mein Herr, bitten, eine schrifftliche und versiegelte Instruction wegen meiner übrigen Sachen anzunehmen, dieselbe aber nicht ehe zu erbrechen, biß sie in Europa zu Lande gekommen sind, hergegen meiner Verordnung aufs allergenaueste nachzuleben, denn ich versichere, daß sie ihnen keinen Gewissens-Scrupel, auch nicht allzu grosse Mühe verursachen wird.[569]

Ich versprach dem Capitain Wodley mit Hand und Munde, seiner Verordnung aufs genaueste nachzuleben, und ihm jederzeit alle möglichsten Gefälligkeiten zu erzeigen, indem aber unter solchen Gesprächen die Mahlzeit geendigt, und das übrige abgetragen war; hatte Mons. Litzberg das gantze Collegium Musicum zusammen beschieden, um uns Abreisenden noch zu guter letzt ein musicalisches Vergnügen zu machen, welches dem Alt-Vater so wohl als allen andern hertzlich wohl gefiel. Ich durffte vor dieses mahl nicht mit musiciren, indem Herr Mag. Schmeltzer selbst den General-Bass zu vielen moralischen und andern Lobens-würdigen Cantaten spielete, saß derowegen bey meiner liebsten Cordula im stillen Vergnügen, und trocknete ihr zuweilen einige Thränen ab, die sie meiner fernen Reise wegen vergoß. Zum Beschluß aber der gantzen Music sunge Mons. Litzberg noch folgende selbst gemachte und componirte Cantata ab:


CANTATA.

Aria.

Adieu, das herbe Wort

Thut treu-gesinnten Hertzen

Nach keusch-verliebten Schertzen

Den allergrösten Torr.[570]

Auf Scheiden reimet sich das Leyden,

Denn, muß man sein Geliebtes meiden,

So gönnt die Sehnsucht immerzu

Wenig Ruh.


Recit.

Ach Eberhard und Cordula!

Ihr allerliebsten Beyde,

Mich düncket, eure Freude

Ist jetzo sehr vergällt,

Doch wenigstens verstellt,

Warum? die Abschieds-Zeit ist da.

Der liebste Eberhard

Muß sich den Wellen anvertrauen,

Die wir so offt von hier mir Furcht beschauen;

Der frohe Muth erstarrt,

Wenn wir an die Gefahr gedencken,

Jedoch des Himmels Macht,

Die stets vor unser Glücke wacht,

Kan alle Noth zurücke lencken.


Aria.

Sorge nicht, getreue Seele,

Angenehme Cordula!

Laß dein halbes Hertze fahren,

Denn der Himmel will es ja

Auf der Reise wohl bewahren,

Daß, nach überstandner Pein,

Deine Lust kan völlig seyn.


Da Capo.


Recitativ.

[571] Verbeiße deinen Schmertz

Mein Eberhard, und laß den Hi el walten,

Der kan und will und wird dich wohl erhalten.

Bleibt gleich dein halbes Hertz

Auch hier bey deiner Cordula zurücke;

So büssestu an solchen schönen Stücke

Doch gar nichts ein,

Ein gantzes Hertzgen soll davor dein eigen seyn,

So bald der Hi el dich, nach unsern Hoffen,

Gesund zurück gebracht;

Drum sey auf lauter Trost und keinen Schmertz bedacht

Ein frischer Muth hat stets das beste Ziel getroffen.


Aria.

So reise denn, geliebter Freund!

Und komm und eile bald zurücke.

Der Himmel, der dir günstig scheint,

Verdopple stets die Sonnen-Blicke.

Regen, Winde, Sturm und Wellen,

Die sich dir entgegen stellen,

Müssen so, wie Sonnenschein,

Deiner Groß-Muth Zeugen seyn;

Biß daß wir dich wieder in Felsenburg haben,

Allwo dich dein Hertzgen mit Küssen kan laben.
[572]

Diese Cantata, ohngeacht sie sich in der Music vollkommen wohl ausnahm, that dennoch bey meiner Cordula einen wiedrigen Effect, indem selbige dadurch in völlige Wehmuth gesetzt wurde, so daß ihre Thränen noch viele 1000. andere Thränen von abwesenden Personen beyderley Geschlechts, heraus lockten. Selbige Nacht aber, muste bey allen auf der Alberts-Burg versammleten Freunden, ihren behörigen Zoll einbüßen, weilen kein eintziger, auch so gar der Alt-Vater nicht zu bereden war, sich einige Stunden der Ruhe zu bedienen. Um Mitternachts-Zeit wurden, bestelltermaßen, die Schleußen des Nord-Flusses niedergelassen, so bald aber der Himmel zu grauen anfing, nahm ich erstlich von dem Alt-Vater und von meiner Cordula den allerzärtlichsten Abschied, hernach beuhrlaubte mich von Herr Mag. Schmeltzern, Herr Wolffgangen und allen anwesenden getreuen Freunden, Mons. Horn that dergleichen, und also marchirten wir unter starcker Begleitung durch den Wasser-Fall hinunter an das Meer-Ufer, allwo die Boote bereits fertig stunden uns in die grossen Schiffe überzuführen.

Mons. Wodley fuhr nebst denen 7. neu eingenommenen Europæern mit hinüber auf die Insul Klein-Felsenburg, um den daselbst einlogirten, denen aber die Ordre zur Abreise albereit kund gethan war, zu zeigen, daß sie mit guten Willen zurück blieben. Diese Verlassenen schienen anfänglich sehr müßvergnügt zu seyn, nachdem aber ich auf Verordnung des Alt-Vaters, einen jeden durch[573] die Banck hinweg und ohne Ansehn der Person 2. Pfund Gold und ein Sächsis. Nößel der schönsten Orientalischen Perlen eingehändiget, auch versprochen hatte, daß nach glücklicher Anländung in Europa, daferne sie sich wohl aufführeten, ein jeder noch 100. spec. Duc. von mir empfangen solte; war alles lustig und guter dinge, ausser diesem machte ihnen ein paar Fässer des mitgebrachten allerbesten Felsenburgischen Weins, doppelte Curage, so daß wir den 16. Novembr. Nachts etwa um 1. Uhr, wohl besorgt abfahren konten.

Wir gaben aber unsere Abfahrt den Groß-Felsenburgern durch eine Salve von 12. Canonen zu verstehen, worauf uns aus allen auf den Felsen-Höhen stehenden Geschütze, drey mahl hinter einander nochmahls Glück auf die Reise gewünschet wurde, nachhero höreten wir biß über Mittag des zweyten Tages ordentlich alle zwey Stunden, 3. Canonen-Schüsse von der Felsenburg, worauf wir, wegen Sparsamkeit des Pulvers jedesmahl nur mit einem Schusse antworteten, jedoch nach der Zeit erhub sich ein etwas stärckerer Wind, welcher unser Schiff mit fast unglaublicher Geschwindigkeit dergestalt fortführete, daß wir die Insul St. Helenæ fast 14. Tage eher, als den ordentlichen Vermuthen nach, erreichten.

Wie glücklich aber die biß daherige gantze Fahrt gewesen war, so unglücklich war hingegen die Einfahrt in dasigen Hafen, denn unser Schiff wurde, wie die meisten sagten, aus Versehen des Steuer-Manns dergestalt gegen eine Klippe geworffen, daß[574] wegen des grausamen Krachens und Erschütterens, ein jeder nicht anders vermeynete, als daß es augenblicklich zerfallen, und zu Grunde sincken würde, allein der Himmel verhütete selbiges Unglück, und halff uns glücklich zu Lande, allwo wir, um den genommenen Schaden auszubessern, fast 6. Wochen lang stille liegen musten.

Es ist dieses, wie ich, wo mir recht ist, schon ehemahls gemeldet, eine anzügliche und gefährliche Insul vor lüsterne und Geldhabende See-Leute, derowegen hatte der Capitain Horn die gantze Zeit über wenig Ruhe, weil er stets besorgt war, der Seinigen Schaden zu verhüten, dem ohngeacht konte er folgendes Unglück nicht ablencken: Des zurück gebliebenen Capitains Wodley Schiffs-Barbier, der ein Engelländer von Geburth war, hatte ein junges Mägdlein von 16. Jahren, in ihrer Eltern Behausung zu seinen Willen beredet, auch seine Wollust täglich mit ihr fortgetrieben, und zwar unter dem Versprechen, sie voritzo gleich mit sich nach Engelland zu ihren annoch lebenden Groß-Eltern zu führen, und daselbst sich mit ihr ehelich verbinden zu lassen, der liederliche Mensch aber hat nicht so bald vernommen, daß wir binnen 3. oder 4. Tagen abseegeln wollen, als er seine gethanen Eydschwüre, so wohl, als das geschwängerte Weibs-Bild ins Buch der Vergessenheit schreibt, und sich bey Zeiten aus dem Staube und auffs Schiff macht. Die Eltern und Befreundte der Geschwängerten kamen und suchten ihn mit Erlaubniß des Capitain Horns auf unsern Schiffe, fanden[575] aber nicht die geringste Spur, weil er sich ungemein klüglich verborgen hatte. Zu seinem Unglücke aber, kam er Tags vor der angestellten Abfahrt, hinter mir und dem Capitain hergegangen, eben, da wir im Begriff waren, noch zum letzten mahle auf die Insul zu gehen, wir riethen ihm, er solte alle Weitläufftigkeiten zu vermeiden, zurück bleiben, allein er hatte seinen Spaaß darüber, kaum aber waren wir 200. Schritt weiter fort gegangen, als der Vater nebst dreyen Brüdern der Geschwächten herzu kamen, und den wollüstigen Barbier ermahneten, er möchte sein Wort halten, und seiner geschändeten Liebste die Ehre ersetzen, jedoch der Barbier lachte darzu, und sagte: Die Ehre wäre theuer genug bezahlet, indem er ihr bey nahe 10. Ducaten werth davor gelassen hätte. Das ist nicht genung, sagte der Vater, sondern ich will, daß ihr entweder meine Tochter heyrathen, oder ihr 200. Ducaten vor den Jungfer-Crantz bezahlen sollet. Nicht 200. Kieselsteine antwortete der Barbier. Der Vater war ziemlich raisonable, ließ immer weiter nach, biß es endlich auf 50. Duc. herunter kam, welche aus zu zahlen, der Capitain Horn, dem Barbier selbst zuredete, auch sich erboth, ihm dieselben gleich auf dem Platze vorzustrecken, daferne er allenfalls kein Geld bey sich hätte. Allein der eigensinnige und tollkühne Mensch wolte durchaus nicht, sondern sagte mit Ausstossung eines schrecklichen, den Engelländern aber sehr geläuffigen Schwures: Ich gebe nicht 50. Pfifferlinge, denn vor dergleichen Hure, sind 10. Ducaten schon mehr[576] als zu viel gewesen. Kaum aber war das letzte Wort ausgesprochen, als er schon 3. Dolche auf einmahl im Leibe stecken hatte, welche die 3. Brüder der Geschwächten dergestalt hurtig auf ihn zuckten, daß der Capitain Horn so wenig, als ich vermögend war, der plötzlichen Rache Einhalt zu thun. Die Mörder hielten sich so wohl, als ihr Vater nicht lange bey uns auf, indem aber etliche von unsern Leuten herzu kamen, wolten wir Anstalt machen, den, allem Ansehen nach tödtlich verwundeten Barbier auf unser Schiff zu schaffen, allein er starb uns gleich unter den Händen, und so bald etliche Einwohner der Insul solches vermerckten, gaben sie nicht einmahl zu, daß wir des Entleibten Kleider aussuchten, sondern schlossen einen Creyß um den Cörper, und jagten uns mit ziemlichen Ungestüm zurück in unser Boot.

Capitain Horn versuchte zwar dieses Streichs wegen von dem Gouverneur Satisfaction zu erhalten, merckte aber sehr zeitig, daß derselbe ziemlich partheyisch, auch nicht ungeneigt wäre, uns unschuldigen viele Händel und Weitläufftigkeiten zu verursachen, derowegen schien am klügsten gethan zu seyn, wenn wir stille schwiegen, und uns mit guter Manier aus dem Staube machten, weil in Wahrheit der entleibte Barbier auch wenig Recht überley hatte.

Unsere weitere Fahrt gieng hernachmahls desto glücklicher von statten, denn wir traffen bey der Insul Ascension 5. aus Ost-Indien zurückkommende Holländische Kauffarthey-Schiffe, unter[577] einer starcken Convoye an, zu welchen wir uns nach abgegebenen billigen Discretion-Geldern schlugen, und ohne die geringste Gefahr auszustehen, erstlich die Insuln des grünen Vorgebürges, hernachmahls aber die Canarischen erreichten, allwo abermahls Rast gehalten, und eine kleine Ausbesserung des Schiffs vorgenommen wurde. Die bey uns befindlichen Engelländer wären dahier hertzlich gern von uns ab und nach ihren Vaterlande gegangen, allein der Capitain Horn hatte seine besondern Ursachen, warum er dieselben nicht ehe, als in Amsterdam von sich lassen wolte, immassen nun ein jeder annoch 100. spec. Ducaten rückständig wuste, musten sie sich um so viel desto mehr nach des Capitains Willen bequemen. Demnach lieffen wir endlich am 24. Mart. des 1729. Jahres im Texel ein, und kamen 12. Tage hernach glücklich in Amsterdam an, in welcher Stadt der Capitain Horn und ich Herrn Wolffgangs ehemahliges Quartier bezogen. Wir lieferten vor allererst Herrn Wolffgangs vornehmen Patronen und andern guten Freunden, die an sie gestelleten Brieffe und kostbarn Geschencke ein, erhielten nachhero besondere Erlaubniß, unser Gut aus zu laden, ohne dasselbe von einem oder dem andern eröffnen und besichtigen zu lassen. So bald dieses geschehen, zahlte der Capitain einem jeden nicht nur den rückständigen Sold, sondern auch das versproche Geschenck an 100. spec. Ducaten aus, die Engelländer begaben sich so gleich von dannen in ihr Land, die übrigen bathen sich mehrentheils Pässe vom Capitain Horn aus, um die ihrigen zu[578] besuchen, versprachen aber mehrentheils aufs längste gegen das Ende des Augustmonats sich wiederum anzumelden, und noch eine Fahrt mit uns zu wagen, solchergestalt blieb niemand von allen mitgekommenen bey uns, als drey Schiffs-Officiers, und die 9. Sclaven, welchen letztern der Capitain allen überein graue Kleider mit gelben Aufschlägen machen, auch einen Evangelischen Studiosum aufsuchen ließ, der sie sämtlich, täglich 6. Stunden, in der deutschen Sprache, welche einer vor dem andern schon ziemlich gut reden konte, unterrichten, und den Lutherischen Catechismum nebst der Auslegung mit ihnen tractiren muste.

Jedoch von meinen eigenen Angelegenheiten etwas zu melden, so war mein allererstes Vornehmen, nach Hamburg an Herrn W. als meines Vaters getreusten Freund zu schreiben, um von demselben zu vernehmen, ob ihm nichts von dem Auffenthalte und Zustande meines Vaters bekandt wäre. Es begleitete diesen Brieff eine Kiste, worinnen vor mehr als 1000. Thlr. Ost-Indianische Raritæten und Kostbarkeiten lagen, um denselben zu desto geschwinderer Antwort zu bewegen. Mittlerweile ich aber recht mit Schmertzen auf dessen Antwort wartete, fiel mir die von dem Capitain Wodley empfangene schrifftliche Instruction in die Gedancken, die ich ohne ferneres Bedencken erbrach, und also gesetzt befand:


[579] Monsieur Eberhard Julius!


Die mir zugehörigen auf dem Schiff befindlichen Güter werden euch ohnfehlbar durch den Capitain Horn ausgeliefert werden. Derowegen häbt die Gutheit, die mit 1. W.W. No. 3. bezeichnete Kiste, meinem Bruder in Yarmouth den Kupfferstecher Melchior Jacob Wodley zuzustellen, denn es befindet sich alles darinnen, was ihm von mir zugetheilet ist, mehr aber soll er aus gewissen Ursachen, durchaus nicht haben und ich hoffe, daß er damit völlig zufrieden seyn kan und wird. Alles übrige stelle zu eurer freyen Disposition, denn ich weiß im Voraus, daß ihr es entweder den Felsenburgern zum Nutzen, oder wenigstens also anwenden werdet, daß ich keine Ursache, es zu bereuen, haben kan. Ich beschwere euch demnach bey der Felsenburgischen Treue und Redlichkeit, das mir gethane Versprechen zu erfüllen, und dieser meiner kurtzen Instruction genug zu thun. Geschrieben auf der Insul Groß-Felsenburg den 15. Novembr. 1728.


Anbey lag dessen eigenhändiges an seinen Bruder gestelltes Schreiben, welches ich mit dem nechst abgehenden Post-Jagt-Schiffe nach Yarmouth abschickte, nachdem ich einen Umschlag darum gemacht und darinnen den Kupffer-Stecher, entweder selbst zu kommen, oder einen Gevollmächtigten an mich zu schicken, ersucht hatte. Es stellete sich auch derselbe binnen weniger Zeit persönlich ein,[580] nahm das brüderliche Geschencke mit grossen Vergnügen in Empfang, stellete davor an mich ein Recipisse aus, und war eifrig bemühet seines Bruders des Capitain Wodley eigentlichen Zustand von mir auszuforschen, allein weilen ihn derselbe alle Umstände zu offenbahren einiges Bedencken getragen, so erfuhr er auch von mir nicht mehr als ich ihm zu wisen nöthig erachtete.

Mittlerweile erhielt ich von Hamburg die Antwort: daß mein Vater seinen Banquerot durch eine glückliche Avanture bey nahe drittentheils remedirt, und vielleicht seine gantze Sache auf neuen guten Fuß gesetzt, wenn ihm nicht ein plötzlicher melancholischer Zufall daran verhindert hätte. Hr. W. schrieb ferner, daß so wohl des Herrn Wolfgangs als meine eigene an meinen Vater zurück gelassene Briefe, demselben nicht anders als Fabelhafft vorgekommen wären, so daß seine Melancholie nur um so viel desto mehr zugenommen, weilen er aber, ohne wenigstens eins von seinen leiblichen Kindern um sich zu sehen, nirgends einige Ruhe finden können, als habe er, Hr. W. sich seiner erbarmet, und ihn vor nunmehro einem halben Jahre nach Schweden hinüber zu meiner Schwester bringen lassen, allwo es binnen 3 oder 4. Monaten bald sehr schlimm, bald aber ziemlich gut mit ihm gewesen, allein nach der Zeit habe Hr. W. keine weitere Nachricht von ihm erhalten, wisse also nicht gewiß, ob er noch lebendig oder todt sey.

Ich war dieses letztern wegen dergestallt consternirt in meinem Gemüthe, daß fast nicht wuste[581] worzu ich am ersten schreiten solte, nachdem ich aber den Capit. Horn zu Rathe gezogen, so übermachte an den Hrn. W. in Hamburg sehr starcke Wechsel-Briefe, bath denselben in Person nach meiner Geburths-Stad zu reisen, daselbst meines Vaters sämtlichen Creditores mit allem Interesse, so dieselben nur mit Recht fordern könten, zu befriedigen, seine eigenen Reise-Kosten inne zu behalten, mir die Gerichtliche General-Quittung nach Schweden zu senden, und so lange in meiner Geburths-Stadt zu verharren, biß ich mit meinem Vater daselbst anlangete oder ihm wenigstens schrifftliche fernere Nachricht gäbe. Hr. W. that mir seine Willfährigkeit vermittelst einer der schnellesten Staffeten zu wissen, weßwegen ich mich alsofort zu Schiffe und auf die Fahrt nach Schweden begab. Zu Gothenburg ließ ich mich ausschiffen und setzte meine Reise zu Lande biß nach Stockholm fort, indem ich aber daselbst vernahm, daß sich meine Anverwandten von dar hinweg und nach Nyköpping gewendet hatten, muste ich einen verdrüßlichen Rückweg biß dahin vor mich nehmen, allwo mir zwar die Wohnung meiner Befreundten gar bald angewiesen wurde, allein in selbiger war niemand anders als das Hauß-Gesinde anzutreffen, welche mich berichteten, daß ihre Herrschafft vor zweyen Tagen verreiset sey, es wisse aber keines von ihnen eigentlich wohin. Ich fragte weiter ob die Mademoiselle Juliin auch zugleich mit gereiset wäre, und ob sich etwa deren Vater bey ihr befände, man sahe mich aber dieser Fragen wegen, noch um so viel mehr[582] vor einen Spion an, ohngeacht ich endlich meldete, daß ich ein naher Anverwandter von ihrer Herrschaft wäre. Kurtz, es war bey dem entweder allzugetreuen oder allzueigensinnigen Hauß-Gesinde nicht das geringste auszulocken, weßwegen ich mich mit nicht geringen Verdruß in das fast gegen über liegende Wirths-Hauß begab, und daselbst allerley Calender machte.

Es war mir höchst verdrüßlich, daß ich die Schwedische Sprache nicht selbst reden und verstehen konte, sondern alles durch einen Dollmetscher, welchen ich nebst zweyen von des Capitain Horns Indianischen Sclaven aus Holland mitgenommen, abhandeln muste, jedoch eben dieser Dollmetscher welches der Ausbund eines verschlagenen Kopffs war, brachte mir noch selbigen Abend das gantze Geheimnüß nebst dessen völliger Erklärung zu Ohren, indem er sich mit einer jungen Magd in ein vertrauliches Gespräch eingelassen, und nachdem er vermerckt, daß ihr so wohl meiner Schwester, als der Anverwandten Wirthschafft und gantzes Wesen sehr genau bewust, sie durch gute Worte und Geschencke dahin gebracht, daß sie ihm den Ort gemeldet, wohin man meine Schwester geführet, welche sich daselbst mit einem reichen Kauffmanne verloben solte, dem das gantze Untermaul vor einiger Zeit abgehauen worden. Von meinem Vater hatte dieses junge Mensch zwar nichts gewisses zu meldē gewust, als dieses, daß sich gleichfals vor einiger Zeit ein kräncklicher Mann in dem Hause meiner Baase aufgehalten, von dem gesagt worden, daß[583] er sehr viel schuldig sey, sie wisse aber nicht ob er noch in selbigem verborgen, oder bereits wieder fortgeschafft wäre.

Ich ließ demnach gleich ohne ferneres Uberlegen eine schnelle Post bestellen, setzte mich mit meinem Dollmetscher und zweyen Bedienten drauff, und gelangete Nachts um ohngefähr Ein Uhr in dem bezeichneten Orte an. Der Postillon muste im Wirthshauß ausspannen unter dem Befehle, so lange zu verziehen, biß ich ihn selbst abfahren hiesse, ich aber wanderte nebst meinen Leuten nach einem grossen Hofe zu, in welchem alles, wie von aussen zu hören war, herrlich und in Freuden hergieng. Wir schlichen so lang um den Pallast herum, biß mein Dollmetscher einen Domestiqen antraff, von welchen er nicht allein erfuhr, daß der Hauß-Herr seinen Verlöbniß-Schmauß ausrichtete, sondern auch daß die Braut Madem. Juliin hiesse. Mir pochte das Hertz im Leib ungemein starck, ehe ich das Glück oder Unglück haben konte, meinen neuen und einzigen Herrn Schwager kennen zu lernen, schickte aber alsofort den Dollmetscher an denselben, ein gehorsamstes Compliment abzustatten, und zu vernehmen, ob einem der allernechsten Bluts-Freunde der Jungfer Braut, erlaubet wäre, seine Aufwartung bey ihnen zu machen? Im Augenblicke wurde im gantzen Hause alles noch einmal so lebhafft, als es vorhero gewesen war, zugleich kamen mehr als 30. Lichter und Laternen, welche meine Personalitæt besichtigen und nach Befinden an diejenige Treppe begleiten musten, alwo das halb vergnügte und halb[584] unvergnügte Braut-Paar sich auf der obersten Stuffe præsentirte. Kaum hatte ich meine liebste Schwester nur durch einen eintzigen Blick erkannt, als mich, im andern Blicke, die entsetzliche häßliche Gesichts-Bildung und gantze Leibes-Gestallt ihres mir bereits einiger massen beschriebenen Liebsten, dergestallt erschreckte, daß ich die Augen sogleich niederschlagen muste, und dieselben kaum empor heben konte, da ich mich bereits auf der obersten Stuffe bey ihnen befand.

So bald mir meine Schwester ins Gesichte gesehen, fiel sie nach den ausgeschryenen Worten: Ach mein Bruder Eberhard! augenblicklich ohnmächtig zurücke. Ich befand mich am allermeisten hierdurch bewegt, und war nicht im Stande die höfflichen Complimente zu beantworten, mit welchen mich so wohl der Hr. Schwager als meine Frau Baase, nebst andern unbekandten Personen überschütteten, sondern hatte beständig die Augen auf meine Schwester gerichtet, welche doch von den Anwesenden Dames in kurtzen völlig wieder zu sich selbst gebracht wurde.

Ein jedes solte zwar von rechtswegen glauben, diese Ohnmacht wäre ihr von gar zu jählinger Freude zugestossen, allein es stack ein mehreres darhinter. Inmittelst war dieses Zufalls wegen die gantze Lust unterbrochen, ohngeacht man mir aber, unter dem Vorwande einer sorgfältigen Bewirthung, alle Gelegenheit abschneiden wolte mit meiner Schwester etliche Wort in geheim zu sprechen, so ließ ich mich doch nicht eher von ihrer Seite bringen, biß[585] mir so viel Nachricht, so wohl von ihr als meiner Baase gegeben worden, daß mein Vater nur vor wenig Tagen nach meiner Geburts-Stadt abgereiset wäre, um daselbst noch einen grossen Theil seiner Schulden zu bezahlen, und mit einem neuen Compagnon in frische Handlung zu treten, auch seine gantze Haußhaltung daselbst von neuen wieder anzufangen.

Man machte sich hierauf viele Mühe, mich als der Braut Bruder aufs beste zu verpflegen, allein weil es bereits sehr späte war, hatte ich die beste Gelegenheit, mich dieses mahl gar bald von dem verdrüßlichen Herrn Schwager, so wohl als der andern Ruh bedürfftigen Gesellschafft loß zu wickeln, und den übrigen Theil der Nacht mit sehr verdrüßlichen Gedancken zu zubringen.

Kaum war der Tag völlig angebrochen als meine Schwester nebst ihrer Aufwarte-Frau, die in der Kindheit ihre Amme gewesen war, zu mir in die Schlaf-Ca er kamen, und nach gebothenen guten Morgen, an statt fernerer Worte häuffige Thränen hervor brachten. Die erstere setzte sich auf mein Bette nieder, und sagte endlich mit kläglichen Seufftzen: Ach mein allerliebster Bruder, ist noch ein eintziger Trost in meinem Jammer zu finden, so ist es gewiß dieser, daß doch ihr selbsten Zeuge seyd und mit sichtlichen Augen sehet, wie bloß um meines Vaters Renommé einigermassen wieder herzustellen, ich mich in den aller beklagens-würdigsten Zustand setze. Inmassen nun ich mich gegen meine Schwester weiter mit nichts heraus lassen wolte, biß ich der Haupt-Sache[586] wegen völlige Nachricht eingezogen, so erzehlete sie mir auf mein Bitten in aller Kürtze, daß ihr par force Bräutigam vor einen der allerreichsten Handels-Leute, nicht allein in diesen, sondern auch in andern Landen, geschätzt würde. Unser Vater wäre auf der Reise mit ihm bekandt worden, und hätte denselben vor Jahres-Zeit mit sich nach Stockholm gebracht, allwo dieser Mensch sie nicht so bald gesehen, als er sich schon auf eine recht närrische Weise in ihre Person verliebt gehabt. Sein Ansehen wäre damals zwar vor ein junges Frauenzimmer übel genung aber des tausenden Theils nicht so heßlich gewesen als anitzo, so bald er ihr aber seine hefftige Liebe angetragen, hätte sie ihn ein vor allemal zu verstehen gegeben: daß sie Zeit Lebens mit guten Willen nicht dahin zu vermögen seyn würde, einen Mann zu nehmen der mehr 1000. als sie 100. Thlr. im Vermögen hätte. Nun wäre zwar leichtlich zu mercken gewesen, daß er mit ihren Vater in sehr wichtigen Handlungs-Tractaten gestanden, endlich aber sey es heraus gekommen, daß eben unser Vater sich von der Noth gedrungen gesehen, zwischen seiner eintzigen Tochter und einem sehr ecklen Menschen, seines Vortheils wegen, eine Verbindung gut zu heissen, die er in seinem Wohlstande, ehe mit etlichen 1000. Thlr. zu hintertreiben, gesucht hätte.

Mittlerweile wäre ein gewisser Cavalier der Hr. von L** ebenfals mit verliebten Regunge gegen diese meine Schwester angefüllet worden, der sich, so bald er nur gehöret, daß sie dem Kauffmanne (welchen[587] ich gewisser Ursachen wegen nur Peterson genennet haben will) versprochen werden solte, aufs grausamste vermessen, dem, wie er gesagt, wurmstichigen Kerle, ehe 1000. mahl den Halß zu brechen, als zu vergönnen, daß er die schöne Preußin, (denn unter diesem Nahmen war meine Schwester in Stockholm bekandt, jedoch nicht offt zu sehen gewesen) ins Braut-Bette führen solte.

Kurtz von der Sache zu reden, es war endlich dahin gekommen, daß der Herr von L** Gelegenheit gesucht, dem Peterson ein wichtiges anzuhängen, und sein nicht lobenswürdiger Anschlag war ihm in so weit gelungen, dz er demselben unter vielen starcke Verwundungen, fast das gantze Unter-Maul hinweg gehauen hatte, welches den armen Menschen vollends ungemein verstellete. Weilen sich aber mein Vater mit Peterson allbereit zu tieff verwickelt, so soll dem ohngeacht die Verbindung desselben mit meiner Schwester vor sich gehen, und da dieselbe solcher Ursachen wegen vor Jammer fast vergehen will, ziehet es sich mein Vater dergestallt zu Gemüthe, daß er gantz melancholisch wird, derowegen schlagen sich unsere so genandten Freunde ins Mittel, welche, aus lauterm Eigen-Nutz, meine Schwester unter den trifftigsten Vorstellungen dahin bewegen, daß sie um unsers Vaters Leibes- und Gemüths-Kranckheit, ingleichen dessen Renommé wieder herzustellen, sich endlich entschliesset: mit dem eckelhafften Peterson, ein, auf die Ehe abzielendes Verlöbniß einzugehen, jedoch bedinget sie sich erstlich noch so lange Zeit aus, biß sie sähe, ob ihr Vater[588] seine völlige Gesundheit wieder erlangen und Peterson sein Wort halten könte, demselben so viel Gelder herzuschiessen, als zu Wiederauffrichtung seiner vorigen Handelschafft und gantzen Wesens erfodert würde.

Indem nun meine Schwester ihren geheimen Kummer sonderlich zu verbergen, und sich anzustellen weiß, als ob ihr mit dergleichen Heyrath gantz wohl gedienet sey, wird der Vater nach und nach völlig gesund, so bald Peterson dieses merckt, giebt er sich alle Mühe dessen Creditores dahin zu behandeln, daß sie mit der Helffte der zu fodern habenden Capitalien zufrieden seyn, und ihn vor voll quittiren wollen, weßwegen er meinen Vater die darzu benöthigten Gelder auszahlet, sich als Compagnon mit ihm zu handeln engagiret, und nachdem er so wohl dieser, als meiner Schwester wegen einen schrifftl. Contract mit dem Vater geschlossen; selbigen dahin bewegt, immer nach Hause in meine Geburths-Stadt zu reisen, und alle Sachen richtig zu machen, binnen welcher Zeit Peterson mit meiner Schwester ordentlich Verlöbniß und Hochzeit halten, und bald darauff nachfolgen wolle. Demnach war gestern Abend das Verlöbniß celebrirt, und meiner Schwester Hand in Petersons Hand gelegt worden, jedoch weil dieselbe dabey gantz ohnmächtig gewesen, und auf öffteres Befragen, kein Ja-Wort sagen können oder wollen, hatte der dabey anwesende Priester den Kopff geschüttelt und gesagt: Mit dergleichen Verlöbnissen habe ich nichts zu thun; war auch alsobald zum Hause hinaus gegangen.[589] Dem ohngeacht wenden unsere bestochenen Freunde allen Fleiß an, meine Schwester nur dahin zu vermögen, daß sie, um den Peterson nicht gäntzlich zu prostituiren, sich endlich mit zu Tische setzt, auch nachhero etliche Reyhen mit ihm und andern anwesenden Gästen tantzet, wiewohl ihr eben nicht gar täntzerlich zu muthe gewesen. Peterson hatte sich sonsten bey dieser verdrüßlichen Affaire ziemlich politisch und vernünfftig auffgeführet, jedoch sich etliche mahl gegen die alte Amme verlauten lassen: Er wolle seine Liebste in zukunfft schon anders gewöhnen.

Dieses war also der kurtze Haupt-Innhalt von meiner Schwester damahligen unglückseeligen Zustande, welchen sie mir nicht so bald erzehlet hatte, als ich ihr den allerkräfftigsten Trost zusprach, und die Versicherung gab: mein alleräuserstes anzuwenden, sie aus dieser Noth zu erlösen, indem mir der Himmel so viel Vermögen zugewendet, nicht allein meines Vaters gäntzliche Schulden damit zu bezahlen, sondern auch ihren ungestallten Liebsten mit feiner Haabe und Gütern vielleicht wohl zwey oder mehrmahl auszukauffen.

Sie hörete dieses mit bangen Hertzen als ein blosses Mährlein an, jedoch nachdem ich ihr noch weit theurere Versicherung gegeben, und nicht ehe aus diesem Hause zu weichen versprochen, biß ich sie mit mir hinweg führen könte; fieng sie an etwas stärckere Hoffnung zu schöpffen, und schlich sich mit ihrer Amme gantz sachte wieder in ihre Cammer, ehe noch jemand von Petersons Leuten auffgestanden,[590] und unserer Zusammenkunfft inne worden war.

Etwa eine Stunde hernach, wurde alles völlig munter, und die Musicanten liessen sich zu meinem damahligen grösten Verdruß tapffer wieder hören, ich war bereits angekleidet, trat derowegen aus meiner Cammer heraus, und fragte nach meiner Schwester Zimmer, als wohin mich die bereits abgerichtete Amme so gleich führete. Es befand sich niemand bey ihr, als unsere Baase, indem ich aber meine Schwester weinend antraff, fragte ich alsobald, was ihre gestrige und noch itzige betrübte Aufführung zu bedeuten hätte. Indem nun meine Schwester vor Thränen nicht antworten konte: nöthigte mich die Baase zum niedersitzen, und fieng eine weitläufftige Erzehlung an, von derjenigen Glückseeligkeit, worein meine Schwester nicht allein sich selbst, sondern auch meinen Vater und meine eigene Person setzen könte, daferne sie ihren Eigensinn bräche, ein wenig in einen sauern Apffel bisse, und den Peterson sich gefällig bezeugte; dessen verlobte Braut sie nun ohnedem schon wäre. Was? rieff ich aus, soll meine Schwester etwa mit Gewalt den ungestallten Menschen heyrathen? Das wolle der Himmel nimmermehr. Es ist nun nicht anders, antwortete meine Baase, deñ gestern Abend vor eurer Ankunft, mein Vetter, ist das Verlöbniß schon geschehen. Ey was Verlöbniß? fieng nunmehro meine Schwester zu reden an, wer hat von mir ein Ja-Wort gehört? hat man nicht meine Hand mit Gewalt in seine Hand geleget? Man frage doch den dabey gewesenen Priester, was der darzu sagt. Sie[591] beruffen sich alle auf den Contract den Peterson mit meinem Vater geschlossen, allein ich glaube die Obrigkeit in Schweden wird nicht billigen, daß ein Vater seine Tochter als eine leibeigene Sclavin verkauffen kan.

Unter diesen Gesprächen trat Peterson mit dem gantzen Gefolge seiner Freunde oder Anhänger, ins Zimmer, und weil er uns ohnfehlbar behorcht hatte; mengete er sich alsofort in unser Gespräch und sagte zu mir: Monsieur! ich hätte vermeynet, ihr wäret als ein getreuer Sohn eures Vaters, und als ein guter Freund gekommen, dessen Glück und mein Vergnügen zu befördern, allein wie ich aus wenigen Worten gemerckt, so raisoniret ihr so unglücklich als eure capriçieuce Schwester. Monsieur! gab ich etwas hitzig zur Antwort, wir haben vielleicht, als freygebohrne Kinder ehrlicher Eltern, nicht geringe Ursache eurer Aufführung, Person und gantzen Wesens wegen, capriçieus zu seyn, und mich wundert nicht wenig, daß ihr euch des besitzenden Reichthums wegen unterstehen wollet, ein honettes Frauenzimmer mit Gewalt in euer Ehe-Bette zu zwingen.

Es geschicht nicht mit Gewalt, versetzte er, sondern sehet! hier ist der mit mir geschlossene Contract eures leibl. Vaters, und hier sind die Handschrifften über diejenigen Gelder, welche ich ihm bereits vorgeschossen habe, auch noch ein weit mehrers vorzuschiessen willens bin. Hiermit zohe er etliche Briefschafften aus seiner Tasche hervor, welche ich mit flüchtigen Augen überlase, jedoch bald darauff sagte: Der Väterliche Contract kan meine Schwester[592] zu nichts verbindlich machen, unterdessen ist es billig daß euch eure vorgeschossenen Gelder mit Danck und Interesse wieder bezahlet werden. Seyd ihr, sprach er hierauff mit einer hönischen und häßlichen Gebärde, etwa ein solcher Capitaliste, der diese Gelder heute, oder längstens binnen 8. Tagen an mich bezahlen, oder einen Bürgen schaffen kan, so nehmet eure Schwester und reiset mit derselben wohin ihr wollet, ausser diesem lasset sie hier, und packet euch augenblicklich zum Hause hinaus.

Holla! nicht so hitzig, vermeintlicher Herr Schwager, versetzte ich, wie man merckt so beruhet eurer gantzer Vorschuß in allen, etwa auf kahlen 70. oder 80000. Thlrn. Hiermit zohe ich vor 120. tausend Thlr. Wechsel-Briefe, die Hr. G.v.B. in Amsterdam ausgestellet hatte hervor, und fragte ob er diese vor gültig erkennete, darauff Geld heraus geben, oder vor so viel Werth an Diamanten annehmen, oder noch heute vor Abends in Nyköpping sein baares Geld eincassiren wolte. Er stutzte gewaltig bey diesem unvermutheten Erbiethen zumahlen, da ich ihm den Ernst zu zeigen, eine güldene, und mit den allerkostbarsten Edelgesteinen angefüllete Dose aus der Tasche zohe, und selbige zur Schaue darlegte.

Es befand sich ein Jubelier unter Petersons Beyständen, der, als ein Habicht über meine Kleinodien und Edelgesteine herfiel, und dieselben mit begierigen Augen beschauete, indem er vielleicht muthmassete, daß es falsche und betrügerische Waaren wären, nachdem er aber alle und jede ächt und recht befunden:[593] sprach er mit ziemlich bestürtzten Gebärden, als welche Zeugen seiner Boßheit waren: die Sachen sind zwar gut, allein aufs höchste taxirt, so werden sie wenig über 40000. Thlr. betragen. Mein Herr! gab ich zur Antwort, lernet entweder solche Sachen besser kennen, oder redlicher taxiren, denn ihr habt in Wahrheit mit ehrlichen Leuten und mit keinen Juden zu thun. Indem nun Peterson von dergleichen Sachen ebenfalls gute Wissenschaft zu haben vorgab, und sich verlauten ließ, daß er dieselben kaum vor 30000. Thlr. annehmen könte, sprach ich: Mein Herr, ihr thut euch selbsten Schaden, denn in Betrachtung eures guten Gemüths, welches ihr gewisser massen gegen meinen Vater und Schwester blicken lassen, hätte ich euch alle diese Sachen nebst der güldenen Dose, welche unter Brüdern eine Tonne Goldes werth sind, theils zu Bezahlung der Väterlichen Schuld, theils zum guten Andencken überlassen, bey so gestallten Sachen aber, werdet ihr euch gefallen lassen, daß ich meine Schwester, als eine freye Person, mit mir hinweg führe, eure Geld aber könnet ihr noch vor Abends in Nykópping, entweder selbst, oder durch einen Bevollmächtigten in Empfang nehmen, und mich meines Vaters gemachten Contracts wegen, völlig qvittiren. Mithin sehet ihr, daß ich ein solcher Capitaliste bin, der eure Prætensiones aufs genauste erfüllen kan. Peterson wuste vor Verwirrung nicht was er antworten solte, indem er sich dergleichen Schicksal nimmermehr eingebildet hatte, wolte also verwenden er hätte nichts mit dem Sohne, sondern[594] mit dem Vater allein zu thun, allein ich sprach dargegen: Mein Herr! ich bitte euch nochmahls, machet keine Weitläufftigkeiten, denn ein vor allemahl habt ihr das Wort von euch gegeben, daß ich euch meines Vaters Schuld bezahlen, u. mit meiner Schwester hinreisen soll, wohin ich will, ausser dem glaubet mir nur sicherlich, daß ich mehr Tonnen Goldes an meiner Schwester Vergnügen zu wenden habe, als ihr vielleicht meynet. Peterson ließ zwar hierauf einige empfindliche Reden fliegen, konte sich aber zu nichts gewisses entschliessen, sondern ging mit seinen Anhängern davon, und ließ mich nebst meiner Schwester und Baase gantz allein im Zimmer zurücke. Die letztere wuste nunmehro nicht was sie vor Worte zu Marckte bringen solte, jedoch weil ich vorher aus allen Umständen vermerckt, daß sie gäntzlich auf Petersons Seite hinge, sprach ich: Liebste Schwester, wir sind hiesiges Orts so zu sagen verrathen und verkaufft, kommet wir wollen unsere Affairen auf einen kurtzen Spazier-Wege in geheim überlegen. Gut mein Bruder! versetzte sie, allein thut so wohl, und schreibet vorhero ein paar Zeilen an Peterson, daß er binnen Zeit von einer oder zwey Stunden seine völlige Erklärung von sich geben solle, damit wir hernach unsere anderweitigen Messures nehmen können. Ich hielt diesen Vorschlag vor höchst billig, folgte derowegen, schrieb wenige Zeilen an Peterson, übersendete ihm selbige durch die alte Amme, nahm hierauf meine Schwester bey der Hand, um mit derselben einen Spatzier-Gang auf die[595] freye Straße zu thun, allein ob schon die Hauß-Thüren offen stunden, so waren doch alle Thore und Thüren des Hofes verschlossen. Wir merckten also wie es gemeynet war, da aber eben eine Magd mit einem Bunde Graß, aus dem weitläufftigen Baum-Garten heraus trat, drungen wir uns neben derselben hinein und gingen biß an das Ende desselben, welches mit starcken Pallisaden versetzet war. Glaubet sicherlich Bruder! sagte meine Schwester, Peterson will uns allhier im Arreste behalten, er ist ein sehr untugendhaffter Mensch, wer weiß was ihm der Satan vor Bosheiten eingiebt sich an uns zu rächen: Wolte GOtt! wir könten nur diese Pallisaden übersteigen und uns in des Priesters Behausung begeben, daselbst verhoffte ich weit sicherer als in Petersons 4. Pfählen zu seyn. Meiner Schwester Gedancken konten mir nicht anders als sehr vernunfftmäßig vorkommen, derowegen versuchte ich bald hier bald dort ein paar Pallisaden auszubrechen, und war endlich, nach allen angewandten Leibes-Kräfften so glücklich, solches ins Werck zu richten. Wir schlupfften alle beyde durch die gemachte Oefnung, und vermerckten im nochmahligen Umsehen, daß der Peterson mit vielen von seinen Hanß-Gesinde hinter uns her gelauffen kam, und dieses bewegte uns, daß wir ebenfalls hurtiger lieffen, auch das Pfarr-Hauß glücklich erreichten, da Peterson mit den seinen noch weiter als 50. Schritte zurücke war.[596]

Es blieben viele Leute auf der Strasse stille stehen, welche vermeyneten, wir hätten sä tlich aus Wollust ein Wett-Rennen angestellet, allein da Peterson grausam zu fluchen, lästern und schimpffen anfing, merckten sie bald Unrath, der Zulauff aber wurde nur desto grösser, zumahlen da Peterson als ein rasender Mensch in des Priesters Hauß gelauffen kam, und meine Schwester mit Gewalt heraus zu reissen Mine machte. Der Priester, ohngeacht er mich nicht kannte, zeigte sich bey seiner Bestürtzung sehr höflich, ich gab ihm in lateinischer Sprache, ohngefähr so viel zu verstehen, daß ich und meine Schwester unter seinem Dache Schutz suchten, gegen einen irraisonablen Menschen, der die letztere, wieder alle Rechte, seine Ehe-Frau zu werden, zwingen wolte. Wie ihm nun dieses genung gesagt war, so wendete er sich alsofort zu Peterson, und redete denselben, wie mir hernachmahls verdeutscht wurde, also an: Mein Herr, ihr wisset die Gesetze dieses Landes vielleicht nicht völlig, allein woferne euch eure rechte Hand lieb ist, so hütet euch in meinem Hause den geringsten Unfug anzufangen, ihr habt in Wahrheit nicht viel gerechte Sache vor euch, derowegen lasset entweder fremden Personen ihre Freyheit, oder den Policey Richter anhero beruffen, welcher einem jeden sein Recht sprechen wird, wo nicht, so will ich selbsten einen Bothen nach ihm senden, wollet ihr euch aber nicht warnen lassen, so kan ich mein Hauß-Recht zu beschützen, durch wenige Glocken-Schläge die Nachbarn bald zusammen ruffen lassen, werdet ihr alsdenn [597] prostituirt oder in Schaden gebracht, so habt ihr niemanden als euch selbst die Schuld beyzulegen. Nach Anhörung dieser guten Erinnerung zog Peterson alsobald gelindere Saiten auf, und da er mich so wenig als meine Schwester bereden konte, wieder mit ihm zurück auf sein Guth zu kehren, begab er sich mit seinem Gefolge von dannen, ohne zu melden, ob er meine ihm gethane Vorschläge in der Güte annehmen wolle oder nicht. Mir war es immittelst eine besondere Freude, daß der Schwedische Priester sehr gut deutsch sprechen konte, denn er hatte nicht allein auf der Universität Wittenberg drey Jahr lang studiret, sondern auch als Feld-Prediger im Jahr 1707. in Sachsen ohnweit Bitterfeld im Quartiere gelegen. Ich erzehlete ihm von meines Vaters und meinen eigenen Geschichten so viel als vor nöthig hielt, machte mich auch seines guten Raths sehr wohl bedient, indem mir die Schwedischen Reichs-Gesetze, so wohl als dasiger Nation Lebens-und Gemüths-Art nicht sonderlich bekant waren, denn Peterson wolte sich durchaus nicht mit uns vergleichen, sondern stellete eine würckliche Klage wieder meine Schwester an, allein selbige lief nicht so glücklich, als er wünschte, sondern wurde zu unsern grossen Vergnügen, gleich im ersten Termino beygelegt, so daß ich an Peterson, die, meinen Vater vorgeschossene Gelder, so viel er darthun konte, bezahlen, er hingegen mir den väterlichen Contract nebst den Obligationen zurück liefern muste. Solchergestalt nahm ich von dem Priester, bey dem wir uns biß zu ausgemachter[598] Sache aufgehalten hatten, liebreichen Abschied, beschenckte ihn und seine gantze Familie reichlich, und reisete unter ausgebethener gerichtlichen Begleitung in guter Sicherheit nach Nyköpping zurücke, allwo wir nur wenige Tage auf ein Seegelfertiges Schiff warten musten, nachhero aber auf selbigen in unsere Gebuhrts-Stadt überführet wurden. Ich trat mit meiner Schwester, dem Holländisch-Schwedischen Dollmetscher und denen zweyen Bedienten, in einem der vornehmsten Wirthshäuser ab, allwo ich mich durch den Dollmetscher vorhero unter der Hand erkundigen ließ, wie es um meines Vaters Wesen stünde, erfuhr aber zu meinen grösten Freuden gar bald, daß derselbe nicht nur seine Schulden völlig bezahlet, sondern auch bereits sein ehemahliges Hauß wieder bezogen und das Gewölbe eröffnet hätte. So bald die Abend-Demmerung eintrat, nahm ich meine Schwester an die Hand und führete dieselbe zu unser beyderseits unbeschreiblichen Vergnügen nach demjenigen Hause hin, in welchen wir zum ersten das Licht dieser Welt erblickt hatten. Es war eben an einem Sonntags Abend, als wir bey unserm lieben Vater gantz unverhofft in die Stube traten, da er mit einem alten guten Freunde am Tische saß und im Schach spielete. Er fieng hertzlich an zu weinen, als wir ihm fast beyde zugleich um den Halß fielen, so daß sich unsere Freuden-Thränen, mit den seinigen, die von Kummer und Freude zugleich ihren Ursprung nahmen, vermischeten, jedoch da ich dieses merckte, erkante ich[599] mich schuldig, ihm so gleich, vor allen andern Dingen, zu eröffnen, daß meine Schwester annoch ledig und frey wäre, auch sich wegen des verdrießlichen Petersons nichts mehr zu besorgen hätte. Worbey ihm zugleich den durchrissenen Contract nebst Petersons Quittungen in die Hände lieferte, worüber mein Vater vor Freuden fast aus sich selbst gesetzt wurde. Hierauf erzehlete er von des Herrn W. von Hamburg unverhoffter Ankunfft, und wie derselbe alles was ich ihm aufgetragen treulich ausgerichtet, auch nur vor etwa drey Wochen zurück nach Hamburg gereiset wäre, immittelst hätte so wohl Herr VV. als er mein Vater selbst, verschiedene Briefe an mich und meine Schwester nach Schweden abgeschickt, es hätten uns aber selbige theils unmöglich antreffen können, theils möchten auch wohl von Peterson und unserer Baase unterschlagen seyn, denn weil die letztere, biß auf die letzte Stunde Petersons Parthie hielt, so war ihr noch vor dem Abschiede alle fernere Freundschafft von uns beyden aufgekündigt, die meiner Schwester anderweitig erzeigten Gefälligkeiten aber, zehnfach bezahlet worden.

Folgendes Tages ließ mein Vater Anstalt zu einer grossen Gasterey machen, worzu nicht allein alle seine getreu verbliebenen Freunde, sondern auch viele andere geladen wurden, die ihm bißhero Tort gethan hatten, nunmehro aber Zeugen seines neuen guten Wohlstandes seyn musten. Ein jeder war begierig einen umständlichen Bericht von meiner Reise und den darauf erworbenen fast erstaunlichen[600] Reichthümern anzuhören, denn mein Vater sagte unverhohlen, daß er nur durch den zwantzigsten Theil meiner Baarschafften und Kostbarkeiten, wieder in vorigen, ja noch weit bessern Stand gesetzt worden, allein ich nahm mir vor dißmahl ein Bedencken, allzu aufrichtig im Erzehlen zu seyn, sagte derowegen nicht mehr als ihnen allen zu wissen dienlich, mir aber unschädlich seyn möchte, und gab vor, ich hätte auf einer gewissen Insul einen vergrabenen Schatz gefunden, auch ein ansehnliches von einem unterwegs verstorbenen speciellen Freunde ererbet, der ein Deutscher von Geburth gewesen, und mich als seinen Lands-Mann in Ermangelung anderer Anverwandten zu seinem Erben eingesetzt hätte. Ubrigens bekümmerte ich mich sehr wenig darum ob man mir vollkommenen Glauben zustellete oder nicht. Hergegen entdeckte ich meinem Vater und Schwester allein das gantze Geheimniß, und setzte damit beyderseits in die gröste Verwunderung, beyde bezeugten nicht geringe Lust die Insul Felsenburg und unsere dasige starcke Freundschafft selbsten in Augenschein zu nehmen, nur der ferne Weg schien ihnen so beschwerlich als gefährlich, jedoch auf mein hefftiges Zureden und Bitten, versprach endlich mein Vater sich weiter darauf zu bedencken, binnen welcher Zeit ich eine Reise nach Herrn Mag. Schmeltzers Anverwandten vornahm, um vornehmlich dessen jüngsten Bruder zu sprechen, als welchen ich bereits bey seinen Schwestern und Schwägern eingetroffen zu seyn vermuthete, indem[601] ich des Hrn. Mag. Schmeltzers und meine eigenen beygelegten Briefe schon vor etlichen Wochen, durch Herrn W. aus Hamburg, dahin bestellen lassen.

Mein Wünschen war nicht vergebens, denn ich traf nicht allein Mons. Schmeltzern, sondern auch noch einen Candidatum Theologiæ, bey des erstern Herrn Schwager dem Dorff-Prediger an. So bald meine Ankunfft kundbar worden, versammlete sich Herr M. Schmeltzers gantze Freundschafft, um von ihren werthesten Bruders und Freundes vergnügten Zustande ausführlichen Bericht zu vernehmen, weil aber Herr M. Schmeltzer den Ort seines Auffenthalts so wenig, als eine gar zu genaue Beschreibung von dasiger Lebens-Art kund gethan, als nahm auch ich mich in acht, nicht über meine Instruction zu schreiten, jedoch so bald ich vergewissert wurde, daß Mons. Jacob Friedr. Schmeltzer, nebst dem andern Candidaten, der sich Joh. Friedr. Hermann nennete, die allergröste Lust bezeugten, mit mir dahin zu reisen, wo sich Herr Mag. Ernst Gottl. Schmeltzer aufhielte; ließ ich ihnen etwas mehr von dem Geheimnisse als andern wissen, und versprach die völlige Entdeckung zu thun, so bald wir uns eingeschifft hätten.

Nachdem mich die lieben Leute 14. Tage bey ihnen zu bleiben fast gezwungen hatten, trat ich die Rück-Reise mit diesen beyden Theologis nach meiner Vater-Stadt an, und fand daselbst meinen Vater und Schwester annoch in der grösten Bestürtzung, denn der oberwehnte Schwedische Edelmann Herr von L** welcher eine unbesonnene[602] Liebe auf meine Schwester geworffen, auch ihrenthalben Peterson so schändlich zugerichtet hatte, war, nachdem er bey dem Vater um dieselbe angehalten, jedoch so wohl von ihm als ihr eine höflich abschlägige Antwort erhalten, auf die Thorheit gerathen, meiner Schwester, durch eine heimliche Entführung, sich theilhafftig zu machen. Jedoch dieser Anschlag mißlinget ihm noch zu allem Glücke, ohngeacht er meine Schwester in einem zugemachten Wagen, bereits auf eine halbe Stunde von der Stadt hinweg gebracht hat, indem dieselbe, als sie durch einen kleinen Spalt etliche Fracht-Wagens hintereinander herfahrend gewahr wird, ein plötzliches Zeter-Geschrey zu machen anhebt, wodurch die Unarth vermerckenden Fuhr-Leute bewogen werden, mit ihrem Hand-Gewehr die Carosse anzuhalten, und meine kläglich um Hüllfe bittende Schwester zu befreyen, Mons. L** ist noch so glücklich auf eins seiner Bedienten Pferde zu kommen, und sich mit denenselben auf die Flucht zu begeben, sonsten würden ihn ohnfehlbar die Fuhr-Leute so wohl als seinen Lohn-Kutscher ziemlich garstig zugerichtet, und in die Hände der Obrigkeit geliefert haben. Immittelst hat mein Vater nichts von der Entführung seiner Tochter gewust, sondern vermeynet, sie wäre mit einer guten Freundin spatziren gefahren, biß ihm dieselbe von den ehrlichen Fuhr-Leuten vors Hauß gebracht wird, denen er nebst vieler Dancksagung 100. spec. Duc. vor gehabte Mühe giebt, und sie dabey bittet, nur kein weiters Lermen von dieser Sache zu machen,[603] weil sonderlich die Edelleute sehr rachgierig zu seyn pflegten.

Dieser Zufall machte meine Schwester um so viel desto begieriger, wenigstens auf eine Zeitlang mit nach Felsenburg zu reisen, indem ich aber wohl gedencken konte, daß dem Capitain Horn in Amsterdam die Zeit ungemein lang düncken würde, ehe ich mich wiederum bey ihm einfände, so war meine stätige Beschäfftigung, der in Händen habende Alt-Väterlichen Instruction gemäß, alles dasjenige einzukauffen, was ich in meiner Geburths-Stadt am bequemsten und aufrichtigsten erlangen konte. Hierauff offenbahrete ich meinem Vater, wie mir mein ehemahliger Informator und jetziger Felsenburgischer Seelsorger, Herr Mag. Schmeltzer aufgetragen, seinen jüngern Herrn Bruder dahin zu bereden, daß er entweder selbst mit mir dahin reisen möchte; da aber derselbe etwa bereits im Amte säße, zwey andere oder wenigstens einen Candidatum Theologiæ, der also beschaffen wie Herr Mag. Schmeltzer, in dem, an seinen Bruder abgelassenen Schreiben, den Abriß gemacht, mir vorzuschlagen und zuzuweisen, damit ich dieselben an demjenigen Orte, wo er, der Herr Mag. Schmeltzer, ordinirt worden, ebenfalls ordiniren lassen, und zum Kirchen-Dienste der Felsenburgischen Gemeinden mit mir führen könte. Nun hatte sich nicht allein Mons. Schmeltzer, so bald er seines Herrn Bruders und mein beygelegtes Schreiben erhalten, alsobald aus der Marck-Brandenburg, allwo er in Condition gestanden, bey seinen Freunden,[604] allwo ich ihn zu sprechen hin beschieden, selbst eingestellet, sondern auch gegenwärtigen Candidatum Herrn Herrmannen, der seit etlichen Jahren sein Hertzens-Freund gewesen, mitgebracht, und zwar aus keiner andern Ursache, als weil er ihn also zu seyn befunden, wie ihm Herr Mag. Schmeltzer verlangete, überdieses zumahlen da derselbe die allergröste Lust bezeugt einen geistlichen Missionarium abzugeben, indem er bißhero wenig Beförderer und noch weniger zeitliche Güter vor sich gehabt. Mein Vater bezeugte hierüber ein vergnügtes Nachsinnen, und nachdem ich ihm noch ein und anderes von der Einrichtung unseres dasigen Gottesdienstes, dem neuen Kirch-Baue, den Schulen und andern dazu gehörigen Ubungen wiederhohlungs weise desto deutlicher erzehlet, resolvirte er sich in der Geschwindigkeit nebst meiner Schwester einen Reise-Gefährten nach der glückseeligen Insul Felsenburg abzugeben, weswegen ich vor Vergnügen fast gantz ausser mir selbst gesetzt wurde. Wie nun, um die Herrn Candidaten, desto baldiger ordiniren zu lassen, keine Zeit versäumen wolte, so ließ mein Vater den dasigen Seniorem des geistlichen Ministerii, eines Sonntags Abends aufs freundlichste durch mich und meine Schwester, welche mit dessen Töchtern in genauer Freundschafft stund, zur Abend-Mahlzeit invitiren, und dieser Exemplarische Priester ließ sich endlich auf oft wiederholtes Bitten bewegen, nebst seiner gantzen Familie um bestimmte Zeit zu erscheinen. Die beyden Herrn Candidaten, nehmlich [605] Mons. Schmeltzer und Mons. Herrmann, befanden sich auch mit zu Tische, sonsten aber niemand mehr von den Stadt-Leuten als meines Vaters eintziger vertrautester Freund Herr O.** Unter vielerley Gesprächen wurde auch von meinem Studiren und dann von meinem ehemaligen Informatore Herrn Mag. Schmeltzern erwehnet, worbey der Senior meldete, daß er denselben vor länger als drey Jahren alhier ordiniret, indem er sich resolvirt gehabt mit einem Ost-Indien-Fahrer zu Schiffe zu gehen, und auf einer gewissen Insul das Wort GOttes zu predigen.

Demnach bedünckte es mich die bequehmste Zeit zu seyn, mit denen Brieffen heraus zu rücken, welche mir Herr Mag. Schmeltzer und Herr Wolffgang an den Herrn Seniorem mitgegeben hatten, und solches verrichtete ich bey Auftragung des Confects, bemerckte auch, daß der Herr Senior so viel Vergnügen als Verwunderung unter währendem Lesen schöpffte, indem ihm aber beyde zugleich ersucht hatten, von der gantzen Sache unnöthiger weise nichts zu melden, weiln zu befürchten, daß die dadurch erregte Neugierigkeit einiger See-Fahrer denen Felsenburgischen Einwohnern nur allerhand Verdrüßlichkeiten verursachen möchten; so legte er die Brieffe stillschweigend zusammen, bewunderte die sonderbaren Führungen des Himmels, und versprach sich ein und anderer Dinge wegen, ingeheim mit uns zu unterreden, daferne wir uns wolten belieben lassen, nach aufgehobener Mahlzeit ihn in ein anderes Zimmer zu führen. Mein Vater[606] bezeigte sich gäntzlich nach seinem Gefallen, demnach gieng der Herr Senior nebst ihm und mir in ein Nebenzimmer, allwo ich ihm bey einem Glase des besten Ungarischen Weins den haupt-Inhalt der Felsenburgischen Geschichte erzehlete, nachhero von ihm verlangete, so bald als es nur möglich wäre, die bey mir habenden zwey Herrn Candidaten nach vorhergegangenen scharffen Examine zu ordiniren, damit ich mit selbigen des ehesten meine Rückreise antreten könte, er versprach das Examen gleich folgenden Tages anzustellen, und weil die Herrn Candidaten mit seiner Erlaubniß herbey geruffen wurden, ließ er sich vorläuffig mit denenselben in ein genaues Gespräch ein, welches biß um Mitternachts-Zeit daurete, worauf der Herr Senior nebst seinen lieben Angehörigen nach Hause fuhr. Binnen dreyen Tagen bekam ich also an offt erwehnten beyden Herrn Candidaten zwey geweyhete Priester, beschenckte derowegen das Geistl. Ministerium, die Haupt-Kirche, das Waysen-Hauß, Hospital und andere Armen dergestalt, daß von einem erhobenen Wechselbrieffe à 10000. Thlr. ordentlich gemachter Eintheilung nach, nichts übrig bleiben durffte.

Mein Vater war inzwischen nebst meiner Schwester aufs eifrigste bemühet, seine neu-errichtete Handlung und Wirthschafft, meiner Mutter-Bruders-Sohne auf Rechnung zu übergeben, und denselben vor seiner Abreise mit einer tugendhafften Ehe-Gattin zu berathen, denn er war ein sehr feiner, geschickter, vernünfftiger und wohl gereiseter[607] Mensch, der aber kaum tausend Thaler Erbtheils-Gelder im Vermögen hatte. Indem er nun seit etwa zweyen Jahren bey einem der vornehmsten Kauff-Leute meiner Gebuhrs-Stadt, als Buchhalter in Condition gestanden, mochte sich der gute Mensch die Rechnung gemacht haben, seinem Herrn, durch beständige Treue und Redlichkeit mit der Zeit eine von seinen dreyen Töchtern abzuverdienen, deren geschicktes Wesen nebst der starcken Morgengabe die Schönheit der Gesichter bey weiten zu übertreffen schien, allein so bald er sich dieses gegen einen vermeintlichen guten Freund mercken läst, dieser aber nicht reinen Mund hält, wird mein ehrlicher Vetter dergestalt hönisch und spröde von seinem Herrn und dessen gantzer Familie tractiret, daß er vor Verdruß und Kummer, eine Ferne Reise anzutreten, den Schluß fasset. Hiervon hält ihm nun die plötzliche Ankunfft meines Vaters zurücke, und weilen derselbe bald hernach seine Handlung von neuen aufzurichten anfängt, quittiret er die ersten, und giebt sich zu meinem Vater in Dienste. So wohl meines Vaters als mein eigenes Vorhaben war, dieses Menschen zeitliches Glück so viel möglich zu befestigen, und ohngeacht wir ihm nicht gäntzlich zugesagt, daß er unser aller eintziger Erbe, in Deutschland, seyn und bleiben solte, indem mein Vater noch nicht völlig resolvirt war, Zeit Lebens in Felsenburg zu bleiben, so bekam er doch von uns solche starcke Geschencke und sonderbare Vortheile in die Hände, daß er ohngescheut wagen durffte, auch den vornehmsten Capitalisten[608] um seine Tochter anzusprechen. Sein voriger Herr roch den Braten gar balde, suchte derowegen zum Scheine, unter diesen und jenen Vorschlägen gantz genaue Freundschafft zu stifften, ließ aber auch unter der Hand meinem Vetter die Wahl anbieten, sich eine von seinen Töchtern zur Frau auszulesen; allein derselbe war ohngeacht der zu hoffen habenden starcken Mitgifft so capricieus, daß er zur Antwort gab: wer seine redliche Affection der Zeit nicht æstimirt hätte, da er kaum etliche 100. Thlr. im Vermögen gehabt, dessen Schwiegerschafft achtete er nun mehro auch nicht, da ihm der Himmel durch die Generositee redlicher Bluts-Freunde in den Stand gesetzt, daß er nicht die geringste Ursache hätte sich nach einer bemittelten, wohl aber tugendhafften Braut umzusehen.

Diese Resolution gefiel uns ungemein, indem er aber zu vernehmen gab, wie er eine besondere Affection auf die tugendhaffte jüngste Tochter des Herrn Senioris geworffen hätte, ohngeacht, er wohl wisse, daß wegen der vielen Kinder von dem Ehrwürdigen Herrn kein starckes Heyraths-Gut zu hoffen sey, als ließ sich mein Vater dieses von Hertzen angenehm seyn, begab sich selbst zum Herrn Seniori, und brachte auf einmahl das Jawort, so wohl von dem Herrn Schwieger-Vater, als der Jungfer Braut mit nach Hause.

Indem aber ich von dem Capitain Horn aus Amsterdam immer Brieffe über Brieffe bekam, meine Zurückkunfft zu beschleunigen, damit uns nicht die verdrüßliche Witterung vor völliger[609] Einrichtung unserer Sachen über den Halß kommen möchte, als trieb ich auch die Meinigen an, sich aufs schleunigste wegfertig zu machen.

Demnach wurde meines lieben Vetters Verlöbniß und Hochzeit auf einen Tag in aller Stille celebrirt, ich schenckte den beyden Verliebten annoch vor 12000. Thlr. Jubelen, versprach, wo es nur möglich seyn wolte, in zukunfft ein 10. mahl mehreres zu thun, und war nachhero beschäfftiget, alle eingekauffte Waaren in das bedungene Schiff einzuschiffen. Ich erstaunete anfänglich gewaltig über die entsetzliche Quantität gedruckter Bücher, welche Herr Schmeltzer jun. und Herr Herrmann vor diejenigen Gelder, welche ich zu ihrer Disposition überlassen, eingekaufft hatten, ja ich hätte fast vermeynet, daß in allen Städten auf 20. Meilwegs herum, nicht so viel Bücher anzutreffen wären, machte mir aber eine hertzliche Freude daraus, zumahlen, da sie einen feinen Buchbinders-Gesellen Johann Martin Rädler aus dem Hildesheimischen gebürtig, in ihren Dienst genommen, auch eine ungemeine Quantität Buchbinder-Materialien darzu angeschafft hatten.

Am 12. Julii langeten endlich die letztern Fracht-Wagens mit Kupffer, Zinn, Meßing, Bley und andern Materialien an, welche ich zum Mitnehmen bestellet, und alles so gleich einschiffen ließ, so daß wir am 28. Julii nach genommenen zärtlichen Abschiede von allen treugesinneten Freunden, aus meiner Geburths-Stadt abreisen, und uns auf die Farth nach Hamburg begeben konten, allwo von[610] dem redlichen Herrn W. ebenfalls Abschied zu nehmen, es unsere Schuldigkeit so wohl, als ein und andere Nothwendigkeit erforderte. Wir hatten eine ungemeine, bequeme und vergnügte Reise, überrumpelten auch den Herrn W. in Hamburg zum grösten Vergnügen, da er sich unserer am wenigsten versahe, ich will mich aber mit einer weitläufftigen Erzehlung seiner vielfältigen Anstalten, die er binnen 14. Tagen zu unser trefflichsten Bewirthung blicken ließ, nicht aufhalten, sondern nur melden, daß er eine uninreressirte vollkommene Freundschafft gegen uns bezeugte, welche wir auf alle möglichste Art zu erwiedern bedacht waren.

Etwa 6. oder 8. Tage vor unserer Abreise kam ein armer Studiosus in des Herrn W. Behausung, der so wohl bey ihm, als dessen Informatore um ein Viaticum Ansuchung that. Ich erkante denselben sogleich vor denjenigen, der er würcklich war, nemlich vor einen meiner ehemahligen besten Universitäts-Freunde in Kiel. Diesen ehrlichen Menschen1 hatte ich in ungemeinen Wohlstande verlassen, verwunderte mich derowegen nicht wenig, ihn also verändert anzutreffen, zumahlen, da seine Meriten eines besondern Glücks würdig sind. Es hielt mich weiter nichts ab, als seine kränckliche, zur Schwindsucht und Blutauswerffen sehr geneigte[611] Leibes-Constitution, dergleichen Personen sich zu See-Fahrern gar nicht schicken, sonst hätte ich ihn leichtlich zur Mit-Reise nach Felsenburg persuadiren wollen; Solchergestalt aber sahe vor besser an, demselben ein ansehnliches Capital zu Beförderung seiner zeitlichen Wohlfarth in die Hände zu liefern, wovor er mir weiter keine andere Danckbarkeit erweisen, als diese gegenwärtige Geschichts-Beschreibung der Felsenburger, jedoch nicht eher biß nach meiner Abreise, förmlich in Druck geben solle.

Ich glaube, daß es ihm zwar einige Mühe kosten wird, meine confuse Schreib-Art auseinander zu finden, denn meine Umstände haben noch niemahls zulassen wollen, selbige durch eigenen Fleiß in behörige Ordnung zu bringen, jedoch wird es curieusen Leuten, ob gleich kein vollkommenes, dennoch einiges Vergnügen erwecken, wenn ihnen nur die Haupt-Sachen bekandt gemacht werden. Ists möglich, so soll binnen zwey oder drey Jahren der andere Theil2 zum Vorscheine kommen, worinnen ich meine Verrichtungen in Amsterdam, die zweyte Abfahrt von dar nach Felsenburg, und die Lebens-Geschichte meines Vaters, meiner Schwester und anderer Reise-Gefährten, etwas deutlicher und ordentlicher, als bißhero geschehen, beschreiben will. Denn ich verhoffe auf dem Schiffe,[612] und nach G.G. glücklicher Ankunfft in Felsenburg, gnugsame Zeit u. Bequemlichkeit darzu zu finden. In Erwegung meiner wichtigen Beschäfftigung, wird mir niemand übel nehmen, daß ich voritzo so kurtz abbreche, und nicht einmahl die gewisse Zeit meiner Abreise melde, denn ich lasse, wie gesagt, meine gantzen Manuscripta, dem geliebten Freunde in Hamburg zurücke, welcher sich nicht wagen will, mir das Geleite biß nach Amsterdam zum Capitain Horn zu geben. Jedoch werde nicht unterlassen, demselben noch vor unserer Abfahrt Briefe zuzusenden, um zu bezeugen, daß ich sey


Dessen, wie auch aller geehrten künfftigen Leser meiner entworffenen Felsenburgischen Geschichts-Beschreibung


ergebener Diener

Eberhard Julius, D.B.


Nun folgen die Copien einiger Briefe, welche Mons. Eberhard Julius an seinen Freund, der das gantze Werck ediren sollen, annoch vor feiner Abreise aus Amsterdam geschrieben, ingleichen einige von Herrn W. aus Hamburg:

Quelle:
Johann Gottfried Schnabel: Wunderliche Fata einiger Seefahrer absonderlich Alberti Julii, [...], Vier Theile, Teil 2, Nordhausen 1732, S. 467-613.
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