Vierte Szene

[791] Julian, Irene und Diener. Dann Felix.


DER DIENER tritt ein.

JULIAN. Was gibt's?

DIENER. Herr Leutnant Wegrat fragt, ob der gnädige Herr zu Hause sind.

JULIAN. Gewiß. Ich lasse bitten.

DIENER hat das Licht eingeschaltet und geht ab.

IRENE. Der junge Wegrat? – Ich dachte, er sei schon wieder fort. – Der arme Junge, er war wie vernichtet.

JULIAN. Das denk' ich mir.

IRENE. Du hast ihn in Salzburg besucht?[791]

JULIAN. Ja. Im August war ich ein paar Tage dort.

FELIX in Zivilkleidung tritt ein. Guten Abend. – Guten Abend, Fräulein Herms.

IRENE. Guten Abend, Herr Leutnant.

JULIAN. Mein lieber Felix ... ich wollte zu euch kommen – noch heute abend. Es ist sehr freundlich von dir, daß du dich herbemühst.

FELIX. Übermorgen muß ich schon fort, und so wußt' ich gar nicht, ob ich überhaupt noch Gelegenheit finden würde, Sie zu sehen.

JULIAN. Möchtest du nicht ablegen? – Ich hatte keine Ahnung, denk' dir. Erst Sala teilte es mir mit – vor kaum einer Stunde.

IRENE betrachtet beide.

FELIX. Das ahnten wir nicht, als wir im Sommer miteinander im Mirabellgarten spazieren gingen.

JULIAN. Es ist sehr rasch gekommen?

FELIX. Ja. Und ich konnte nicht bei ihr sein ... Am späten Abend bin ich abgereist, und in der Nacht darauf ist sie gestorben.

IRENE. Vielmehr: sie ist am nächsten Morgen nicht mehr erwacht.

FELIX. Ihnen, Fräulein Herms, haben wir viel zu danken.

IRENE. Aber!

FELIX. Meine Mutter hat sich immer so sehr gefreut, wenn Sie bei ihr waren, mit ihr geplaudert oder ihr Klavier vorgespielt haben.

IRENE. O, mein Klavierspiel –!


Eine Uhr schlägt.


IRENE. Schon so spät!? Da muß ich ja gehen.

JULIAN. Warum eilen Sie, Fräulein Herms?

IRENE. Ich fahre in die Oper. Die paar Tage, die ich noch hier bin, will ich doch ausnützen.

FELIX. Sehen wir Sie noch bei uns, Fräulein Herms?

IRENE. Gewiß. – Sie reisen ja schon früher fort als ich.

FELIX. Ja. Mein Urlaub geht zu Ende ...

IRENE wie beiläufig. Wie lang sind Sie denn jetzt eigentlich schon Offizier, Felix?

FELIX. Das bin ich schon vor drei Jahren geworden, – aber erst im Jahr drauf hab' ich mich aktivieren lassen. Ein bißchen spät.

IRENE. Spät? Warum? – Wie alt sind Sie denn, Felix?

FELIX. Dreiundzwanzig Jahre.[792]

IRENE. So. Pause. – Aber wie ich Sie vor vier Jahren als Freiwilligen gesehen habe, hab' ich mir gleich gedacht, Sie werden beim Militär bleiben. – Erinnern Sie sich, Julian? Ich hab' es Ihnen damals gesagt.

JULIAN. Ja –

FELIX. Das war wohl im Sommer, wie Sie uns das letzte Mal besucht haben.

IRENE. Ich glaube ...

FELIX. Seither ist viel anders geworden.

IRENE. Wahrhaftig! Das waren noch ein paar heitre Tage. – Nicht wahr, Julian? Wir haben uns ja auch seither nicht mehr gesehen, seit diesen schönen Sommerabenden in dem Garten bei Wegrats.

JULIAN nickt.

IRENE hat Felix und Julian noch einigemal betrachtet. – Kleine Pause. Jetzt ist's aber wirklich höchste Zeit, daß ich gehe. – Adieu. Grüßen Sie zu Hause, Herr Leutnant. – Adieu, Julian. Sie geht, von Julian zur Tür begleitet.


Quelle:
Arthur Schnitzler: Die Dramatischen Werke. Band 1, Frankfurt a.M. 1962, S. 791-793.
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