Vierte Szene

[802] Felix, Doktor Reumann. Dann Johanna.


DOKTOR REUMANN. Sie sind entschlossen, Felix?

FELIX. Beinahe.

DOKTOR REUMANN. Nun werden Sie viel Neues kennen lernen.

FELIX. Unter anderm hoffentlich mich selbst, wozu es nun endlich Zeit wäre ... Zitierend. »In rätselhafte Fernen ...« Wird es nur wahr werden? Es wäre geradezu berauschend!

DOKTOR REUMANN. Und Sie haben sich Bedenkzeit ausgebeten?

FELIX. Ich weiß kaum, warum. Und doch ... Der Gedanke, daß man Menschen zurückläßt und sie vielleicht nicht wiederfindet, – und keineswegs so wiederfindet, wie man sie verlassen hat, und daß man ihnen vielleicht ein Leid zufügt, dadurch, daß man geht ...

DOKTOR REUMANN. Wenn Sie nichts anderes zögern macht, so ist es um jede Stunde der Ungewißheit schade. Nichts entfernt Sie sicherer von Menschen, die Ihnen teuer waren, als das Bewußtsein, durch eine Pflicht in ihre Nähe gebannt zu sein. Ergreifen Sie nur diese einzige Gelegenheit und reisen Sie nach Genua, Kleinasien, Tibet, Baktrien ... Ja, es muß schön sein. Meine besten Wünsche begleiten Sie. Reicht ihm die Hand.

FELIX. Ich danke Ihnen. Aber mit diesen Wünschen hat es wohl noch Zeit. Wie immer die Sache sich entscheidet, wir sehen uns vor meiner Abreise noch zu öfteren Malen.[802]

DOKTOR REUMANN. Hoffentlich. Natürlich.

FELIX sieht ihn fest an. Herr Doktor! – In Ihrem Händedruck hab' ich etwas gespürt wie einen ernsten Abschied.

DOKTOR REUMANN lächelnd. Kann man denn jemals wissen, ob man einander wiedersieht?

FELIX. Herr Doktor ... hat Herr von Sala Ihren Blick richtig gedeutet?

DOKTOR REUMANN. Für Sie kommt das kaum in Betracht.

FELIX. Er wird nicht mit uns gehen?

DOKTOR REUMANN zögernd. Das ist schwer vorherzusagen.

FELIX. Zu lügen haben Sie nicht gelernt, Herr Doktor.

DOKTOR REUMANN. Wie die Dinge stehen, glaube ich, können Sie die Angelegenheit ohne weitere Beihilfe zu Ende führen.

FELIX. Herr von Sala war vor wenigen Tagen bei Ihnen?

DOKTOR REUMANN. Ja, es ist noch nicht lange her. Pause. Nun, daß er leidend ist, das sehen Sie ja selbst, nicht wahr? – Also grüß' Sie Gott, Felix.

FELIX. Werden Sie der Freund unseres Hauses bleiben, wenn ich fort bin?

DOKTOR REUMANN. Warum stellen Sie solche Fragen an mich, Felix?

FELIX. Sie wollen nicht wiederkommen! ... Ja, warum?

DOKTOR REUMANN. Ich versichere Sie ...

FELIX. Ich verstehe ...

DOKTOR REUMANN verlegen. Was gibt es hier zu verstehen ...? ...

FELIX. Lieber Doktor ... Nun weiß ich ... warum Sie in dieses Haus nicht mehr kommen wollen ... Es hat sich wieder einmal ein anderer den Hals gebrochen ... Lieber Freund –

DOKTOR REUMANN. Leben Sie wohl ... Felix ...

FELIX. Und wenn man Sie zurückrufen sollte ...

DOKTOR REUMANN. Man wird es nicht tun ... Wenn man mich braucht, werd' ich immer zu finden sein ...

JOHANNA tritt ins Zimmer.

DOKTOR REUMANN. Adieu ... Adieu Fräulein Johanna ...

JOHANNA. Sie gehen schon, Herr Doktor?

DOKTOR REUMANN. Ja ... Empfehlen Sie mich Ihrem Herrn Vater. Adieu ... Reicht ihr die Hand.


Quelle:
Arthur Schnitzler: Die Dramatischen Werke. Band 1, Frankfurt a.M. 1962, S. 802-803.
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