Fünfte Szene

[832] Julian und Felix.


FELIX. Und dieser Mann wurde belogen – sein Leben lang – von uns allen.

JULIAN. Es gibt auf dieser Welt keine Sünde, kein Verbrechen, keinen Betrug, der nicht gutzumachen ist. Und gerade für das, was hier geschehen ist, sollte es keine Sühne und kein Vergessen geben?

FELIX. Sollten Sie es nicht verstehen? ... Hier hat man die Lüge ins Ewige getrieben. Darüber kann ich nicht weg. Und die das getan hat, war meine Mutter, – der sie dahin gebracht hat, waren Sie, – und die Lüge bin ich selbst, solange ich für einen gelte, der ich nicht bin.

JULIAN. So laß uns die Wahrheit sagen, Felix. – Ich stelle mich jedem Richter, den du wählst, füge mich jedem Spruch, der über mich verhängt wird. – Soll gerade ich auf immer verdammt sein? Soll ich, der einzige unter allen, die gefehlt haben, niemals sagen dürfen: »Es ist gesühnt«?

FELIX. Es ist zu spät. Ein Geständnis hebt eine Schuld nur auf, solange der Schuldige dafür bezahlen kann. Diese Frist, Sie fühlen es wohl selbst, ist längst abgelaufen.


Quelle:
Arthur Schnitzler: Die Dramatischen Werke. Band 1, Frankfurt a.M. 1962, S. 832.
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