Drei und zwanzigster Auftritt.

[98] Wagner, Mad. Wagner, Sivers, Sophie, Fritz.


SIVERS. Wagner! umarmen Sie Ihre Frau! Laßt Eure Fehler durch eine wechselseitige Vergebung auf ewig vergessen sein.

WAGNER umarmt seine Frau. Louise! vergib mir, wie ich dir vergebe![98]

MAD. WAGNER. Ach! du fehltest durch Güte, aber ich –

SIVERS. Ihr habt beide befehlt; habt beide gebüßt, und seid zur Erkenntniß gekommen. Möchte doch das Glück, das Eurer wartet, Euch nicht auf Eure vorigen Irrwege leiten! – Madam! Ihre Kinder sind da.

MAD. WAGNER. Wie?

SIVERS. Der saubre Baron liebte Ihre Tochter; gab ein nichtswürdiges aber schönes Weibsbild für seine Schwester aus; verführte durch sie Ihren Sohn, und dieser seine Schwester. Um das öffentliche Aufsehn zu verhüten, wurden sie im nächsten Dorfe arretirt, und den Herrn Baron, der nichts weiter, als ein falscher Werber und Spieler ist, wird man, nach einer guten Züchtigung mit seiner Fräulein Schwester, des Landes verweisen.

WAGNER. Wer that das?

MAD. WAGNER. O, warum ließ man die Undankbaren nicht ihrer Züchtigung entgegen gehn!

SIVERS. Es ist Pflicht des Menschen, zu bessern; nicht zu verderben. Wollen Sie mir die Besserung überlassen?

WAGNER. Gern! gern!

MAD. WAGNER. Von Herzen! – Nur, daß sie mir nicht zu bald vor Augen kommen!

SIVERS. Das soll nicht geschehn. Lassen Sie uns nun von Ihrer künftigen Nahrung reden. – Wagner! wollen Sie arbeiten?

WAGNER. Ob ich will?

SIVERS. Sie waren ein guter Kaufmann – hätten Sie noch Vergnügen an dieser Beschäftigung?

WAGNER. Ja, herzliches Vergnügen! aber gleichviel – nur Arbeit – Arbeit!

SIVERS. Ein Mann von einem unermeßlichen Vermögen will Ihnen einen Theil seiner Handlung anvertrauen, und Sie dafür eines jährlichen Einkommens von vier tausend Gulden versichern.

WAGNER. Mir? – der Scherz ist bitter!

SIVERS. Er hat schon verschiedenes für Sie gethan. Er war es, der auf Ihre Kinder ein wachsames Auge hatte, und sie von ihrem Verderben rettete. Er kaufte unter der Hand Ihr Haus an sich, und schenkt es Ihnen nun nebst der dafür bezahlten Summe zurück.

MAD. WAGNER. Ist's möglich!

WAGNER. Gütiger Himmel!

SOPHIE für sich. O, das kann nur Sivers!

SIVERS. Werden Sie ihm aber auch verzeihen, daß er, um Sie zu bessern, Sie sogar ins Gefängniß bringen wollte? – Auf sein Anstiften verfuhr die Galanteriehändlerin so strenge – und falls Sie sie durch das lezte Geld von Ihrem Hause befriedigt hätten, so war er noch mit einer Summe von sieben hundert Gulden bewafnet, die er Ihrem Fleischer, Becker, Weinhändler, Schuster und Schneider bezahlt hat. Aber dem Himmel sei Dank! Ihre väterliche Zärtlichkeit gegen Sophien überhob ihn dieser scharfen Mittel zu Ihrer Besserung.

WAGNER. Sivers! – mein Sohn! spottest du deines Vaters?

MAD. WAGNER. Nein, nein, es ist Ernst in seinem Ton und[99] Blicke? – Wer ist der großmüthige Mann, der so viel Mitleiden mit uns Elenden hat?

SOPHIE. Ach! mein Herz hat ihn schon genannt.

SIVERS. Der Mann, der Sie um acht Ducaten betrog – der nichtswürdige, prahlende, bettelhafte Vetter aus Lissabon.

WAGNER, MAD. WAGNER UND SOPHIE. Der Vetter aus Lissabon? – Pause.

STEINBURG. Ja, Euer Vetter Steinburg, der wahr und lebendig vor Euch steht.

WAGNER, MAD. WAGNER UND SOPHIE ihn anstarrend. Sie?

STEINBURG indem er Wagnern einige Briefe zeigt. Sind Ihre Briefe an mich Ihnen fürs erste Beweis genug?


Sie werfen sich zu seinen Füßen.


WAGNER. Großmüthiger!

MAD. WAGNER. Wohlthätiger!

SOPHIE. Edler, Vortreflicher!

STEINBURG hebt sie schnell auf. Steht auf! steht auf, liebste Eltern! Ihr habt mir schon gedankt! Ihr habt mir den größten Lohn gegeben, den Ihr geben konntet – ein schönes und tugendhaftes Weib.

SOPHIE an seinem Halse. Steinburg! – Komm, Fritz!

STEINBURG. Sophie! – mein Sohn! – daß ich Euch, liebste Eltern, von meinem großen Reichthume Nachricht gab, war eine Ubereilung, die ich auf der Stelle bereute. Ich reis'te also her; schlich mich unter fremden Namen bei Euch ein, und sehe leider! daß es zu Eurer Besserung und Hülfe kein anderes Mittel gab, als das, was ich ergrif. – Meine besten Eltern! – kann Reichthum Euch Zufriedenheit geben – kann Reichthum Eure jüngsten Kinder auf den Weg der Tugend führen – kann Reichthum Sophiens Tugend belohnen – so sei er gesegnet! so sind wir die glücklichste Familie auf Erden.

WAGNER. O, mein rechtschafner Verwandter! – mein Sohn! – lies meinen Dank in meinen Thränen! – Und du, meine Louise! du, nach einer zwanzigjährigen Ehe – nach so vielem Gram und Kummer noch immer geliebtes Weib! gib mir nicht Anlaß, meine Gemüthsart zu ändern – laß mich sanft bleiben, wie ich war.

MAD. WAGNER. Liebster Mann! – Vetter! Sohn! – O, mein Herz! – Vergib mir, Sophie! deiner Vergebung bedarf ich am meisten. In Thränen. Warum sind meine Kinder dir nicht gleich.

SOPHIE ihre Hand küssend. Der Ewige wird ihre Herzen lenken!

STEINBURG. Kommt, liebste Eltern! – Komm, meine Sophie! wir müssen an deine Geschwister denken. Und du, o Gott! laß mich dies Beispiel stets vor Augen haben! laß meine Zärtlichkeit für Weib und Kind nicht zur Schwachheit werden![100]

Quelle:
Friedrich Ludwig Schröder: Dramatische Werke. Berlin 1831, S. 98-101.
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