An Vogler

[471] Bei seinem Abschiede von mir.


Halt inn' in deinem Cherubsfluge,

Halt inne, du gekostester Sohn der Harmonie,

Orgelgeist, des ersten Tongebäudes Beseeler,

Halt inn' in deinem Cherubsfluge,

Daß ich am Halse dir hang' und weine,

Ach, des Abschieds blutige Zähre.

Dir winkt aus seiner Königsburg Gustav,

Der Donnerer in Finnlands Geklüften,[471]

Fernhin winkt er dir in die Engen der Nordsee.

Du folgst – ich aber bleibe;

Zwar unter milderem Himmel –

Doch ohne dich!

Mich reißt nicht mehr dein Orgelspiel

Mit magischer Kraft himmelan!

Da ich wähne, zu hören

Das Getöse krystallner Meere,

Und das große Hallelujah,

Und die Donner vom Berge der Gegenwart Gottes,

Und der himmlischen Harfe Lispel.


Ein Orgelbeherrscher bist du;

Doch vermagst du nicht, zu finden den Ton,

Durch der Züge Vermischung,

Der meines Schmerzens Tiefe träfe;

Denn du gehst, Bruder meines Geistes, du gehst!! –


Halt inn' in deinem Cherubsfluge,

Orgelgeist, des ersten Tongebäudes Beseeler,

Halt inne, daß ich am Halse dir weine

Des Abschieds blutige Zähre.

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 471-472.
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